A 2284 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 43|
28. Oktober 2011 figere und schwerere depressiveEpisoden führten zu häufigerer, län- gerer und höher dosierter Antide- pressiva-Einnahme; es wäre daher schwierig gewesen, eine eindeutig erhöhte Suizidalität statistisch dem ein oder anderen zuzuweisen. Auf deutsche Verhältnisse seien die Er- gebnisse mit Vorsicht zu übertra- gen: Während die latente Gewaltbe- reitschaft und Verfügbarkeit von Handfeuerwaffen in den USA eher Suizide durch Erschießen erwarten lasse, seien bei uns Medikamente die Gefahr. „In kaum einem ande- ren Land (außer in der Dritten und
Vierten Welt) werden so viele veral- tete und gefährliche Antidepressiva verschrieben wie bei uns, mit denen man sich leicht vom Leben zum To- de befördern kann!“ In der Praxis immer zu beachten sei, dass zu Be- ginn einer Antidepressiva-Behand- lung der Antrieb schneller ansteigen könne als die Stimmung. Vorsicht, Aufklärung und Aufmerksamkeit seien darum dringend geboten.
Josef Gulden
Leon AC, et al.: Antidepressants and risk of suicide and suicide attempts: A 27-year ob- servational study. J Clin Psychiatry 2011; 72:
580–6.
Seit längerem wird für die Erhal- tungs-Immunsuppression nach Nie- rentransplantation nach Alternati- ven zu Calcineurininhibitoren (CNI) gesucht: CNI sind für ihre Nephrotoxizität bekannt. Ziel der Zeus-Studie war zu prüfen, ob sich von einer initial CNI-basierten Be- handlung auf eine CNI-freie um- stellen lässt, bei vergleichbarer Ef- fektivität und Sicherheit, aber bes- serer Organerhaltung (1). Die Stu- die war prospektiv, randomisiert und open-label (von Novartis finan- ziert). 300 in Deutschland und der Schweiz untersuchte Patienten er- füllten die Einschlusskriterien und wurden 4,5 Monate nach Trans- plantation und initialer Standard- therapie in zwei Studienarme (1 : 1) randomisiert: Im Standardarm wur- de eine Kombination von Cyclo- sporin, Mycophenolatmofetil und Steroiden beibehalten, in der Prüf- gruppe Cyclosporin stufenweise in maximal 4 Wochen durch Everoli- mus ersetzt. Die Empfänger waren im Durchschnitt 47 Jahre alt, die Spender ebenfalls. Für > 80 % der Empfänger war es die erste Trans- plantation, 26 vs. 27 % (CNI/Ever- olimus) hatten Lebendspender.
12 Monate nach Randomisierung gab es keinen Transplantatverlust.
Die mit der Nankivell-Formel ge- schätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) betrug 61,9 ml/min/1,73 m2
unter Cyclosporin und 71,8 ml/
min/1,73 m2 in der Everolimus- Gruppe, eine Differenz von 9,9 ml/
min/1,73 m2, die hochsignifikant war (p < 0,0001). Unter Cyclospo- rin hatten im Zeitraum bis 12 Mo- nate nach Transplantation 3 % in der Cyclosporin- und 10 % unter Everolimus eine akute, biopsiege - sicherte Abstoßung (p = 0,036).
Daten für die Zeit danach stellte Prof. Dr. med. Martin Zeier, Hei- delberg, bei der Jahrestagung der Deutschen Transplantationsgesell- schaft in Regensburg vor. Nach 24 Monaten bestand noch immer ein Unterschied bei der eGFR zuguns- ten von Everolimus von 7,8, und nach 36 Monaten von 7,6 ml/
min/1,73 m2. Die Rate der akuten Abstoßungen hatte sich nach 3 Jah- ren in der CNI-Gruppe auf 5,5 und im Everolimus-Arm auf 14,3 % er-
höht (p = 0,0122). In beiden Grup- pen waren jeweils 2 Transplantate verloren gegangen, in der Cyclo- sporingruppe 3 Patienten gestorben, im Everolimus-Arm ein Patient.
Von 275 Teilnehmern ohne Diabe- tes in der Anamnese hatten 22 ein Jahr später diese Erkrankung, ohne signifikante Differenz zwischen den Gruppen. In Sicherheit und Verträglichkeit waren beide Sub- stanzen vergleichbar; bei Everoli- mus traten häufiger Thrombozyto- penie (3,4 vs. 11,9 %) und Hypertri- glyceridämien (3,4 vs. 6,5 %) auf.
Fazit: Eine schrittweise Umstellung von Cyclosporin auf Everolimus beginnend 4,5 Monate nach Nieren- transplantation, ist vergleichbar si- cher und effektiv wie ein CNI-ba- siertes Regime, aber weniger neph- rotoxisch. „Wird eine Umstellung wegen abnehmender Nierenfunkti- on erwogen, sollte dies nicht erst bei fortgeschrittener Niereninsuffi- zienz erfolgen. In einem die Publi- kation begleitenden Editorial (2) wird darauf hingewiesen, dass die Studiengruppe vergleichsweise ge- ringe Komorbiditäten und Risiken aufwies und damit nicht jenen Teil der Patienten repräsentiere, der künftig immer größer werden wird:
die älteren, adipösen Patienten mit Diabetes mellitus und erhöhten Herz-Kreislauf-Risiken.
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze 1. Budde K, Becker Th, Arns W, Sommerer C,
Reinke Pr, et al.: Everolimus-based, calci- neurin-inhibitor-free regimen in recipients of de-novo kidney transplants: an open-label , randomised, controlled trial.
Lancet 2011; 377: 837–47.
2. Flechner SM: Immunosuppression without calcineurin inhibition: by Zeus. Lancet 2011; 377: 788–9.
ABSTOSSUNGSPROPHYLAXE NACH TRANSPLANTATION
Bessere Nierenfunktion durch Therapie mit Everolimus
GRAFIK
Durchschnittliche glomeruläre Filtrationsrate (GFR nach Nankivell) bei Nieren - empfängern mit Cyclosporin oder Everolimus als Teil der Abstoßungsprophylaxe
GFR (in ml/min/1,73 m2)
Monate nach Transplantation
Everolimus Cyclosporin
modifiziert nach: Lancet 2011; 377: 837–47