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Archiv "Forum „Umwelt und Gesundheit“: Beobachtungspraxen als Forschungsinstrument" (12.12.1991)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

nmweltmedizin" — daß es sie un- ter anderen Namen seit langem gibt, daran erinnerte der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Kar- sten Vilmar. Wieweit die vielberede- ten Umweltschäden wirklich zuge- nommen haben, sei ungewiß. Vilmar forderte, den Umweltschutz auf eine sichere Basis zu stellen. Das aber ist ungewöhnlich schwierig. Denn mo- nokausales, lineares Denken sei in der Umweltmedizin nicht ange- bracht, bemerkte Dr. Hans-Bern- hard Behrends, Medizinaldirektor im Gesundheitsamt Oldenburg. Im Ökosystem habe man es mit einem vernetzten Wirkungsgefüge zu tun.

Daß die Verursachung von Gesund- heitsschäden durch einen bestimm- ten Umweltfaktor meist nicht bewie- sen werden kann (und daß ohnehin niemals nur eine einzige Ursache vorliegen dürfte), entlaste allerdings die Politiker nicht von ihrer Verant- wortung für die Prävention.

Behrends rief die Kollegen dazu auf, bei der Ermittlung möglicher Gesundheitsschäden durch Umwelt- noxen zusammenzuarbeiten. Der Öf- fentliche Gesundheitsdienst, der in der Umweltmedizin eine Schlüssel- stellung habe, sei für jeden Hinweis dankbar, der von den Ärzten aus der Praxis komme Wie der Göttinger Radiologe Prof. Dr. med. Heyo Ek- kel mitteilte, funktioniert diese Zu- sammenarbeit in Niedersachsen, dessen Kammer seit 1984 einen Ar- beitskreis „Gesundheit und Umwelt"

hat, schon hervorragend. Ecket, Prä- sident der Ärztekammer Nieder-

sachsen, ist zugleich Vorsitzender des Ausschusses „Gesundheit und Umwelt" der Bundesärztekammer Er ermutigte die Kollegen, ihre ärzt- liche Kompetenz auch in Umweltfra- gen zur Sprache zu bringen. In sei- nem Kammerbereich wird das der- zeit realisiert: Ärzte in „Beobach- tungspraxen" melden alle Patienten- kontakte aufgrund von ausgewählten Gesundheitsstörungen an eine zen- trale Stelle, um dazu beizutragen, den Ursachen auf die Spur zu kom- men.

Niedergelassene Ärzte auf Wachposten

Im englischen Sprachraum hei- ßen solche Praxen „sentinel" (Wach- posten). Zur Meldung können ganz verschiedene Themen ausgewählt werden. In Belgien waren das zum Beispiel Mumps, chronische Bron- chitis, Sportunfälle, Suizidversuche, in Großbritannien akute Bronchitis, Asthmaanfälle, Spontanaborte. Die Europäische Gemeinschaft fördert einen Verbund der verschiedenen, nicht nur umweltmedizinischen Sen- tinel-Erhebungen. In Deutschland gab es 1980 schon einmal eine Pilot- Studie, wie der Hamburger Pädiater Dr. med. Anatol Kurme auf dem Berliner Kongreß berichtete. Es war die Idee der Pädiater, die Häufigkeit von „Umweltkrankheiten" zu doku- mentieren und mit Umweltdaten zu- sammenzuführen. Die Studie, eine Gemeinschaftsarbeit des Berufsver-

bandes der Kinderärzte und der Hamburger Gesundheitsbehörde, erreichte ihr Ziel: zu zeigen, daß sol- che Erhebungen in Arztpraxen machbar sind.

In Niedersachsen läuft nun ein Modellprojekt in großem Maßstab, genannt MORBUS, Kurzname für

„Modellversuch Regionale Beobach- tungspraxen zur Erhebung von um- weltbezogenen Gesundheitsstörun- gen". Die Kammer arbeitet dabei mit der Abteilung Epidemiologie und So- zialmedizin der Medizinischen Hoch- schule Hannover und mit einer Pla- nungsfirma zusammen. Für die Lauf- zeit von gut vier Jahren (Sommer 1990 bis Ende 1994) wird das Vorhaben vom Bundesforschungsministerium mit 3,2 Millionen DM gefördert. Dar- über berichtete auf dem Forum Dr.

med. Martin Schlaud aus der genann- ten Abteilung der Hochschule.

Ziel von MORBUS ist es, geeig- nete Erhebungsverfahren zu erpro- ben, die dem Nachweis von Zusam- menhängen zwischen Umweltbela- stungen und Gesundheitsstörungen dienen sollen. Erhebungsbezirke sind ein hochbelastetes industriali- siertes Ballungsgebiet (Braun- schweig), ein dünn besiedeltes länd- liches Gebiet (Verden) und eine „ge- mischte" Region (Hannover). Durch das Engagement der an dem Projekt sehr interessierten freipraktizieren- den Ärzte kamen später noch zwei Regionen hinzu: Südoldenburg (Massentierhaltung) und Seelze/

Garbsen (Verkehr und Industrie).

In diesen Bezirken wird also ein Netz von Beobachtungspraxen ge- knüpft, das eine Art Frühwarnsy- stem werden soll. Seit Anfang 1991 melden über hundert Ärzte — vorwie- gend Pädiater, aber auch Allgemein- ärzte — ihre Beobachtungen anony- misiert auf verschiedenen, leicht gangbaren Wegen an eine Techni- sche Leitstelle der Kammer, die mit einem in Medizininformatik bewan- derten Arzt und einer Dokumentati- ons-Assistentin besetzt ist. Dort wer- den die Daten zusammengeführt und an die beteiligten Ärzte zurück- gemeldet.

Die Endauswertung wird

in der Medizinischen Hochschule Hannover stattfinden.

Nach einer gelungenen Pilotstu- die zum Thema Ekzem wählte man

Forum „Umwiert Beobachtungspraxen als

und Gesundheit"

Forschungsinstrument

Symbolisch nahm die deutsche Ärzteschaft ihre beiden Berliner Fortbildungshäuser wieder in Besitz: Das 1. Forum „Gesundheit und Umwelt" der Bundesärztekammer fand in zwei Gebäuden des me- dizinischen Viertels im Bezirk Berlin-Mitte statt, die noch von der in Auflösung begriffenen Ost-Akademie der Künste besetzt sind: Im Langenbeck-Virchow-Haus, auf das die Berliner Medizinische Ge- sellschaft und die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie wieder An- spruch erheben, und im Kaiserin-Friedrich-Haus, das die (als Mit- veranstalterin des Forums fungierende) Kaiserin-Friedrich-Stiftung für das ärztliche Fortbildungswesen zurückverlangt.

Dt. Ärztebl. 88, Heft 50, 12. Dezember 1991 (35) A-4475

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gemeinsam mit der Kinderklinik der Hochschule als erstes von mehreren Melde-Themen das „exspiratorische Giemen" bei Kleinkindern aus, als nächstes das Asthma bronchiale bei Kindern bis acht Jahre. Weitere Er- hebungen sollen möglicherweise um- weltbeeinflußte Hautkrankheiten und Fertilitätsstörungen erfassen.

Wenn das Netz von Beobachtungs- praxen aber erst einmal funktioniert, können immer neue Probleme aufge- griffen werden. Rosemarie Stein

Nicht zufällig war wohl Prof. Dr.

Walter Brandstädter Co-Leiter des Forums: Brandstädter ist Präsident der Ärztekammer Sachsen-Anhalt, eines Landes, in dem mit dem Raum Bitterfeld eine der am stärksten schadstoffbelasteten Regionen der ehemaligen DDR liegt. So berichtete unter anderem eine Forschungsgrup- pe aus der ehemaligen DDR, der (Alt-)Bundesrepublik und der Tschechoslowakei über seinerzeit fast konspirativ begonnene gemein- same Untersuchungen zu Folgen der Umweltbelastung bei Schulkindern in Bitterfeld, im Rhein-Main-Gebiet und in Nordböhmen, also ausdrück- lich unter unterschiedlichen sozialen und politischen Bedingungen.

Die unter sozialistischer Herr- schaft geheimzuhaltenden Ergebnis- se konnten hier erstmals vorgestellt werden. Bei starker Überschreitung der Grenzwerte aller untersuchten Schadstoffe in Bitterfeld und Nord- böhmen zeigten sich hier zwar ausge- prägtere, tendenziell aber die glei- chen Störungen wie in Belastungsge- bieten der Rhein-Main-Region, wo es keine Grenzwertüberschreitungen gab — aber auch dort schon eine Ge- fährdung für Kinder. Alle Untersu- cher betonten übrigens auch die zu- sätzliche toxische Belastung der Kin- der aus Raucherfamilien.

Etwas beruhigender die Fest- stellung von Uwe Wagner, Bonn, in einem Ergänzungsreferat, daß auch in Bitterfeld die Schadstoffbelastung der Muttermilch deutlich geringer war als erwartet.

Dr. Gerhard di Pol

Gesundheitsförderung

Reichlich Prominenz war der Einladung zu einer Tagung der Be- hörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales der Freien und Hansestadt Hamburg gefolgt. Das Thema der Tagung, Gesundheitsförderung, war durchaus ergiebig, aber der Konsens eher mager. Es lag wohl am spiegel- bildlichen Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit, insbeson- dere der Forderungen, die eingangs im Hauptreferat von Dr. Ilona Kick- busch vorgetragen wurden. Ihrer Kritik an der bürokratischen Ein- und Ausgabenpolitik der Kranken- kassen setzte sie einen Entwurf re- gionaler Gesundheitsplanung entge- gen, der leider nur neue bürokrati- sche Strukturen verheißt. Frau Kick- busch, Direktorin für Lebensweisen und Gesundheit — Europabüro der WHO, stellte in Frage, ob die her- kömmliche Gesundheitsverwaltung tatsächlich der richtige Ort für Ge- sundheitsförderung sei. Auf der Su- che nach neuen Zuständigkeiten und neuen Finanzquellen sprach sie sich für prioritäre Rahmenpläne, neue Richtlinien und Standards aus. Es gelte, eine neue Art von städtischem Gesundheitsplan aufzustellen. Aller- dings war sich die WHO-Vertreterin der Dürftigkeit reiner Statistiken be- wußt.

Kickbusch bemängelte, daß es am politischen Willen für eine neue Gesundheitspolitik fehle. Sie forder- te einen Rechenschaftsbericht, der genau aufgliedert, was aus anderen Sektoren zur Gesundheitsförderung beigetragen wird. Dieser Bericht müsse über die reine Gesundheitsbe- richterstattung hinausgehen. Man müsse im übrigen klar zwischen Ko- sten und Investitionen differenzie- ren. Ein Gesundheitsförderungsbe- richt solle nicht nur ein epidemiolo- gischer Bericht sein, sondern Investi- tionen aufschlüsseln. Dann werde deutlich, was ein reines Gesund- heitsbudget leisten kann und was an- dere Ressorts leisten müssen.

Die Vorstellungen darüber, was Gesundheitsförderung vor Ort ei-

gentlich beinhaltet, gingen weit aus- einander. Ein willkommener Anlaß für den Gesundheitssenator der Stadt Hamburg, Ortwin Runde, auf die für Anfang des nächsten Jahres geplante Gründungssitzung der „Ge- sundheitsförderungskonferenz: ge- sündere Zukunft für Hamburg" hin- zuweisen. Hier soll ein Aktionspro- gramm erarbeitet werden. Die Krankheitsversorgung habe Struktu- ren entwickelt, so Runde, die Ge- sundheisförderung müsse diese Strukturen noch schaffen.

Bisher sei festzustellen, daß so gut wie alle Aktivitäten kommunaler Gesundheitsförderung ganz überwie- gend aus öffentlichen Haushalten fi- nanziert würden. Auf der anderen Seite würden jedoch von Krankenkas- sen im beträchtlichen Umfang Projek- te finanziert, die ausschließlich auf ih- re jeweiligen Versicherten zielten.

Der Senator betonte in seinem Kurzreferat, daß in § 20 des Sozial- gesetzbuches V die Krankenkassen erstmals mit der Aufgabe betraut wurden, auf gesunde Lebensverhält- nisse hinzuwirken. Kein Wunder, daß sich in der anschließenden Dis- kussion Fragen und Kritik vornehm- lich an die Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen richteten.

Um die Krankenkassen aus der Angriffslinie herauszunehmen, stell- te Dr. Eckart Fiedler, VdAK, in der Podiumsrunde klar, daß es Aufgabe jeder gesetzlichen Krankenkasse sei, zunächst den Kranken zu helfen. Da die Aufwendungen für die Kranken aber so gering wie möglich sein soll- ten, könne man rückschließen, daß alles nur mögliche für die Gesund- heitsvorsorge getan werde. Eine fi- nanzielle Bonusregelung für die Ver- sicherten und insbesondere eine Bei- tragsrückgewähr sei allerdings sehr problematisch, kommentierte Fied- ler die Anreiz-Möglichkeiten.

I Blick auf die neuen Länder

Auf der Suche nach Finanzquellen

I Alles nur mögliche für die Gesundheitsvorsorge

A-4476 (36) Dt. Ärztebl. 88, Heft 50, 12. Dezember 1991

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