• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Argumente für AIDS-Tests zum Schutz von Ärzten und Pflegekräften" (12.11.1987)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Argumente für AIDS-Tests zum Schutz von Ärzten und Pflegekräften" (12.11.1987)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

tischen, rechtlichen, gesellschaft- lichen, ethischen Kriterien, nach de- nen das „Selbstbestimmungsrecht des Menschen" über sein eigenes, individuelles Leben in Frage gestellt werden könnte. Den einzelnen Ärz- ten will die DGHS eine „Gewissens- klausel" einräumen. Daß der Be- rufsgruppe Ärzte aber das Recht zum Töten Kranker auf deren Wunsch gewährt werden soll, ist, nach der neuen Weltärztebund- Deklaration (DÄ 45), unethisch.

Einiges muß man der DGHS zu- gestehen. Sie will dazu beitragen, Sterben überhaupt „humaner" zu machen, mit Seminaren zur Sterbe- begleitung, Ratschlägen für Ange- hörige und mit der Forderung, die Krankenkassen sollten die häusliche Pflege Sterbenskranker erleichtern.

Mit Professor Julius Hackethal will die DGHS nichts mehr zu tun ha- ben. Und ein Argument ist nicht zu widerlegen: die Möglichkeit eines Mißbrauchs spreche noch nicht per se gegen den Versuch, eine gesetzli- che Regelung zu finden.

Nun war aber gerade der mög- liche Mißbrauch schon immer um- stritten. Die DGHS hat stets versi- chert, sie lasse ihre „Patientenverfü- gung" oder ihre Broschüre „Men- schenwürdiges und selbstverant- wortliches Sterben" solchen unter ihren Mitgliedern nicht zukommen, bei denen „Willensfähigkeit" nicht vorausgesetzt werden könne. Dem- entsprechend soll auch die ange- strebte gesetzliche Regelung nicht für Menschen gelten, die „infolge geistigen Gebrechens ihren Willen nicht (mehr) hinreichend äußern können". Damit würden also zum Beispiel Alzheimer-Patienten, die zusätzlich an einer unheilbaren so- matischen Krankheit leiden, von dem „Recht auf Sterbehilfe" ausge- nommen — ist das denn „human"?

Eben deswegen, sagt die DGHS, sollte man „vorsorgen" und rechtzeitig eine „Patientenverfü- gung" hinterlegen. — Bei „geistigem Gebrechen" könnte man diese aber nicht mehr revidieren. Es entstünde dann doch das kodifizierte Recht des Arztes, Patienten gegen ihren Willen zu töten. Ist es „Moraldikta- tur", vor einer solchen Entwicklung zu warnen? Günter Burkart

D

er Frankfurter General- staatsanwalt Christoph Kulenkampff ließ Mitte Juni verlauten, daß ein Arzt den Tatbestand der Körperver- letzung erfüllen könne, wenn er oh- ne Einwilligung des Patienten einen

„AIDS-Test" durchführe, und zwar auch dann, wenn einvernehmlich ei- ne Blutentnahme zur Analyse ande- rer Laborparameter erfolgt sei.

Der Karlsruher Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof, Manfred Bruns, hatte bereits im Februar (1*) die gleiche Rechtsauffassung damit begründet, daß auch der ärztlich in- dizierte Eingriff nur erlaubt sei, wenn der Patient zuvor umfassend aufgeklärt wurde und dann eingewil- ligt habe und dies mit dem Schutz des durch Artikel 2 Absatz 1 Grund- gesetz gewährleisteten Selbstbestim- mungsrechts des Patienten erklärt.

Der „AIDS-Test" berühre die In- timsphäre des Patienten in besonde- rer Weise, zumal man sich mit AIDS

„— von einigen hier nicht interessie- renden Sonderfällen abgesehen —"

nur infizieren könne, „wenn man bei sexuellen Abenteuern kein Kon- dom oder beim Fixen eine gemeinsa- me Nadel benutzt".

Die „nicht interessierenden Sonderfälle" aber sind es, die end- lich einer Klärung bedürfen. Es ist an der Zeit, dem Selbstbestim- mungsrecht Infizierter den An- spruch potentieller Opfer auf Schutz ihrer körperlichen Unversehrtheit als gleichrangiges Rechtsgut gegen- überzustellen. Zu reden ist von den

1*) Die in Klammern gesetzten Zahlen be- ziehen sich auf das Literaturverzeichnis am En- de des Artikels

Die Verneinung der Frage einer Zulässigkeit von „AIDS-Tests"

ohne ausdrückliche Genehmi- gung des Patienten läßt den Rechtsanspruch aller im Ge- sundheitswesen Beschäftigten auf bestmöglichen Schutz vor einer HIV-Infektion im Beruf au- ßer Betracht. Es darf jedoch als sicher gelten, daß durch Ärzte, Pflege- und Laborpersonal im Hinblick auf die extreme Expo- sition alle Möglichkeiten des In- fektionsschutzes immer dann kompromißlos genutzt würden, wenn die aktuelle Gefährdung durch akzidentellen Kontakt mit Körperflüssigkeiten infizierter Patienten in jedem Einzelfall be- kannt sein würde. Dies könnte vor Beginn der Behandlung durch Laboruntersuchungen gesichert werden, die auf lega- lem Wege erreichbar scheinen.

rund 237 000 Ärzten (davon 83 000 in Krankenhäusern), 35 000 Zahn- ärzten, 223 000 Schwestern und Pflegern sowie 45 000 Helfern im Medizinisch-technischen Bereich, die in Erfüllung ihrer beruflichen Pflichten der Gefahr einer HIV-In- fektion ausgesetzt sind. Wir haben lernen müssen, daß auch die akzi- dentelle Kontamination nicht nur von Schleimhäuten (Mund, Nase, Augen), sondern auch zum Beispiel

Argumente für AIDS-Tests zum Schutz von

Ärzten und Pflegekräften

Möglichst vor Beginn der Behandlung eines Patienten Suche nach einer pragmatischen Problemlösung

Dt. Ärztebl. 84, Heft 46, 12. November 1987 (25) A-3105

(2)

der Hände und Unterarme mit Blut von AIDS-Patienten — von Nadel- stichverletzungen ganz abgesehen — zur Infektion führen kann (2).

In Anbetracht dieser relativ jun- gen Erkenntnis bedeutet es keine Überraschung mehr, wenn der Lei- ter der amerikanischen Gesund- heitsbehörde, Dr. Everett Koop, sich wegen der Gefährdung von Chirurgen und OP-Schwestern für den präoperativen AIDS-Test aus- sprach (3).

In die Gruppe extrem Exponier- ter gehören naturgemäß auch die ge- burtshilflich tätigen Ärzte und insge- samt etwa 5400 Hebammen, mit de- nen sich die Zahl der beruflich Ge- fährdeten auf fast 630 000 erhöht.

Es besteht überhaupt kein Zweifel, daß beim Umgang mit Pa- tienten, die möglicherweise an

„klassischen" Infektionskrank- heiten leiden, die betroffenen Be- rufsgruppen in der täglichen Routi- ne nicht alle Möglichkeiten des In- fektionsschutzes voll ausschöpfen.

Keine „Ausgrenzung"

von Risikogruppen

Die hierfür geltenden Unfallver- hütungsvorschriften lassen sich oft nur unter erheblicher Einschrän- kung des Arbeitsablaufs realisieren, werden deshalb als lästig empfunden und reduzieren somit die bei nur be- grenzter Furcht vor heilbaren Infek- tionskrankheiten ohnehin schon ge- ringe Motivation zusätzlich. Unter den harten Alltagsbedingungen läßt sich die totale „Vermummung" als Dauerarbeitskleidung nicht durch- setzen.

Die Forderung, mit jedem Pa- tienten und jeder Blutprobe so um- zugehen, als handele es sich um HIV-Träger, ist völlig praxisfern.

Man wird aber davon ausgehen dürfen, daß alle Schutzmaßnahmen immer dann kompromißlos ange- wandt werden würden, wenn im Einzelfall die Gewißheit bestünde, daß eine HIV-Gefährdung akut ge- geben ist. Diese Situation berück- sichtigt eine Empfehlung des „Ar- beitskreises Krankenhaushygiene", die einen HIV-Test vor invasiven

Eingriffen als indiziert einstuft und bei positivem Ergebnis das Anlegen flüssigkeitsdichter Operationsklei- dung als geeigneten Schutz ansieht, ohne allerdings auf die Rechtslage einzugehen (4).

Eine Berufung auf den rechtfer- tigenden Notstand (§ 34 Strafgesetz- buch) kann den „heimlichen AIDS- Test" auch in diesen Fällen nicht le- gitimieren (5).

Mit dem hier begründeten Vor- schlag, zum Schutz infektionsgefähr- deter Berufsgruppen den HIV-Test möglichst vor Behandlungsbeginn eines Patienten durchzuführen, kann deshalb keine „Ausgrenzung"

von Risikogruppen verbunden sein, weil dieser Test dann nicht nur bei einem bestimmten Patientenkreis, sondern ohne jede Selektion gene- rell zum Laborprofil gehören würde, wie heute zum Beispiel Blutbild, Blutzucker, Lipide oder die Syphilis- Serologie.

Bei deren ungefragter Analytik, wie etwa im Rahmen der Schwange- ren-Vorsorge, besteht offensichtlich keine Rechtsunsicherheit, obwohl ein positiver TPHA-Test die lebens- lang nachweisbare „serologische Narbe" einer früheren Trepone- men-Infektion offenlegt, die die In- timsphäre nicht weniger berührt als ein AIDS-Test.

Eine pragmatische Lösungs- möglichkeit könnte darin bestehen, daß ein Ausschuß der Bundesärzte- kammer oder ein anderes qualifi- ziertes Gremium bundeseinheitlich zu verwendende Texte formuliert, die dem Aufklärungsanspruch des Patienten genügen und das Verlan- gen nach schriftlicher Einwilligung in HIV-Tests begründen.

Das Ziel einer normierten Gleichbehandlung aller Patienten ist auch ohne Rechtsverordnung allein auf dem Wege von Empfehlungen oder Richtlinien unter der Voraus- setzung zu erreichen, daß alle Kran- kenhäuser ausnahmslos den vorge- schlagenen Text als Bestandteil ihrer Aufnahmeformalitäten akzeptieren.

Kein verständiger Patient wird seine Einwilligung verweigern.

Geschieht dies doch, so könnte das Krankenhaus entweder die Auf- nahme ablehnen oder, im Falle drin- gend indizierter Behandlung, alle

gebotenen Schutzmaßnahmen wie bei HIV-positiven Patienten veran- lassen.

Zusammenfassung

• Es ist falsch, als Infektions- weg der AIDS-Erreger ausschließ- lich Intimverkehr und unsterile In- jektionskanülen Drogenabhängiger anzunehmen.

49

Es ist erwiesen, daß die Vi- ren auch bei akzidentellem Kontakt mit Schleimhäuten und über Mikro- läsionen der Haut in den mensch- lichen Organismus eindringen kön- nen.

Es ist unerträglich, daß in Anbetracht dieser Tatsachen der Rechtsanspruch der bei Erfüllung ihrer Pflichten akut HIV-gefährde- ten Berufsgruppen auf Schutz ihrer Gesundheit bislang ignoriert wird.

• Es ist zu fordern, den Be- schäftigten in Heilberufen Kenntnis über die im Einzelfall von einem Pa- tienten ausgehende HIV-Gefähr- dung zu verschaffen.

(I)

Es ist wünschenswert, zum Beispiel bei der Klinikaufnahme die schriftliche Aufklärung und Einho- lung der Einwilligung des Patienten zur Durchführung eines HIV-Tests im Rahmen genereller Formalitäten durch bundeseinheitliche Richtli- nien, möglicherweise durch Rechts- verordnung, vorzuschreiben. Notfäl- le sollten zunächst wie Virusträger behandelt werden.

Literatur

(1) Bruns, M.: Zur Strafbarkeit von „AIDS- Tests" ohne ausdrückliche Einwilligung des Pa- tienten. Labormedizin 11, BDL 9 (1987) — (2) Schettler, G.: AIDS nach Blutkontakt.

Deutsches Ärzteblatt 84. Heft 27, A-1900 (1987) — (3) USA: Kommt der AIDS-Test für Operationskandidaten? Ärztezeitung 114, 7 (1987) — (4) Rudolph, H., Werner, H.-P.:

AIDS-Prophylaxe in Krankenhaus und Praxis.

Labormedizin 11, BDL 57 (1987) — (5) Eber- bach, W. H., Fuchs, Chr.: AIDS-Diagnostik:

Nicht „hinter dem Rücken" des Patienten.

Deutsches Ärzteblatt 84. Heft 36, B-1589

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat.

Jürgen G. Meyer

Direktor des Zentrallabors am Stadtkrankenhaus Hanau Leimenstr. 20, 6450 Hanau 1 A-3106 (26) Dt. Ärztebl. 84, Heft 46, 12. November 1987

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

SÄV 2/26/2013 Jahresabschluss 2012 mit Jahresab- schlussbilanz und Entlastung der Gremien (einstimmig bestätigt) Wortlaut: „Die Tätigkeitsberichte des Verwaltungsausschusses und des

Das neue Institut gliedert sich in je ein Referat für Gesund- heits- und Gesellschaftspoli- tik sowie für Struktur- und Versorgungsfragen und eine Forschungsstelle für Ge-

Für die vereinfachte, stan- dardisiert-anonymisierte Meldung von manifesten AIDS-Erkrankungs- und -Todesfällen sind neugestalte- te Fallberichtsbögen (mit Durchschlag für die

Routine- mäßig soll der AIDS-Test an- geboten werden Personen, die in Gegenden mit hoher AIDS-Inzidenz leben oder aktiv zu den bekannten Risi- kogruppen gehören, ferner, wenn sie

7. In Tabelle 3a wurde die Verteilung aller im Jahre 1987 neu gemeldeten Fälle nach Risi- kogruppen aufgeschlüsselt. 43 Im Jahr 1987 wurden erstmals zwei AIDS-Todesfälle gemeldet,

Die Zahl der Drogenabhängigen in der So- wjetunion ist nach Angaben des stellvertretenden sowjeti- schen Innenministers, Wassili Trutschin, deutlich gestiegen. Zur Zeit gebe es

Das Wissen- schaftliche Institut der Orts- krankenkassen (WIdO) und das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI), die gemeinsam die Aus- wirkungen der

Auflage erschienene Werk gibt einen auch für Allgemeinmediziner interessanten relativ kurz gefaßten und dabei umfassenden Überblick über das gesamte Gebiet der