e
PSR 1
lateraler Si Prolaps LWK 5/SWK 1
medialer Massenprolaps LWK 4/5
Cauda equina
Fe rsenstandl
Tibialis- post.- Reflex 1
1
ASR 1
Zehenstands
ASR 1
Blasen- Mastdarm- Lähmung Reithosen- anästhesie Bilaterale Bein- parese lateraler L4
Prolaps LWK 3/4
lateraler L5
Prolaps LWK 4/5
DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
DIE UBERSICHT
Diagnostik der „Ischialgie"
Manfred Stöhr und Bernhard Riffel
Abbildung: Synopsis der wichtigsten lumbo-sakralen Wurzelsyndrome (Aus: M. Stöhr, B. Riffel: Nerven- und Nervenwurzelläsionen, Edition Medizin, Weinheim 1988)
Der bequeme Begriff „Ischialgie" - der undifferenziert für eine Vielzahl verschiedenartiger Beinschmer- zen gebraucht wird - verleitet häu- fig zu einer nahezu reflexartigen Assoziation mit einem Bandschei- benvorfall sowie zu einer daran an- knüpfenden Fehlbehandlung bis hin zu unnötigen Bandscheiben- operationen. Der vorliegende, auf einer Analyse zahlreicher Fehldia- gnosen basierende Artikel weist auf die große Zahl möglicher an- derweitiger Ursachen eines in ein Bein ausstrahlenden Schmerzes hin und zeigt Wege zu einer ratio- nellen Diagnostik. Dabei wird das Primat der Klinik und der Hilfscha- rakter der apparativen Diagnostik besonders betont.
G
egenwärtig besteht die be- dauerliche Tendenz, jeden in das Bein ausstrahlen- den Schmerz ohne nähere Schmerzanalyse mit dem Etikett„Ischialgie" zu versehen und als de- ren Ursache ebenso kurzschlüssig ei- nen Bandscheibenvorfall anzuschul- digen. Nahezu reflexartig erfolgt da- nach die Überweisung zum Radiolo- gen, um Röntgenaufnahmen der LWS und/oder ein lumbales Compu- tertomogramm anfertigen zu lassen.
Ergeben sich im lumbalen CT Hin- weise auf einen Bandscheibenvorfall, wird vielfach dessen operative Ent- fernung angeschlossen, ohne kritisch zu überprüfen, ob zwischen dem CT- Befund und der klinischen Sympto- matik überhaupt eine kausale Ver- knüpfung besteht. Erst wenn der operative Eingriff (oder gar ein nachfolgender Zweiteingriff) erfolg-
los bleiben, wird nach anderen mög- lichen Schmerzursachen gefahndet.
Dieses Vorgehen führt nicht nur zu unnötigen Operationen, sondern ist außerdem kostenintensiv und ver- zögert die Feststellung und Behand- lung der Schmerzursache bei all je- nen Patienten, deren Beinschmerzen nicht auf einen Bandscheibenvorfall zu beziehen sind. Da in das Bein aus- strahlende Schmerzen („Ischialgie") einen häufigen Grund für eine ärzt- liche Konsultation darstellen — das Problem somit praxisrelevant ist — wird im folgenden ein kurzer über- blick über das zweckmäßigste dia- gnostische Vorgehen gegeben. >
Neurologische Klinik mit klinischer Neurophysiologie (Chefarzt: Professor Dr. med. Manfred Stöhr)
des Zentralklinikums Augsburg
Dt. Ärztebl. 86, Heft 21, 25. Mai 1989 (69) A-1603
Ursachen
Tabelle 1: Ursachen von lumbo-sakralen Nervenwurzelschädigungen
Lokalisationsschwerpunkte und Besonderheiten der Symptomatik Monoradikuläre Syndrome mit Be- vorzugung der Wurzeln L4 bis S1 Degenerative Wirbelsäulenerkran-
kungen (Osteochondrose und Spondylarthrose)
enger lumbaler Spinalkanal sonstige vertebragene Prozesse (Spondylolisthesis, Morbus Bechte- rew, Traumen, Tumoren, Entzün- dungen, Osteoporose mit Spontan- fraktur)
Tumoren von Nervenwurzeln und angrenzenden Strukturen (Neuri- nome, Meningeome, Karzinom- und Sarkommetastasen, Plasmozy- tom, Morbus Hodgkin, maligne Lmphome, Leukosen.
Differentialdiagnose: Abszesse und Hämatome)
lumbosakral lokalisierte Mißbil- dungstumoren und Ependymome
neurogene Claudicatio intermittens uni- und bilaterale Läsionen von Nervenwurzeln
initial meist einseitiges monoradi- kuläres Schmerzsyndrom; bei (zum Beispiel epiduraler) Tumorausbrei- tung auch mehrwurzelige und bila- terale beziehungsweise Kaudasyn- drome
Konus- beziehungsweise Kaudasyn- drom
Meningiosis carcinomatosa und sarcomatosa; Abtropfmetastasen (zum Beispiel Medulloblastom) Dysraphische Störungen und Tethered-cord-Syndrom
polyradikuläre Symptomatik (Liquorzytologie!)
Konus-Kauda-Syndrome, beson- ders bei Kindern im Zusammen- hang mit Wachstumsschüben
Radikulitiden (Zoster, Herpes sim- Hautveränderungen: Zoster bezie- plex, Bannwarth-Syndrom) hungsweise Herpes-simplex-Bläs- chen oder Erythem; Eiweiß- und Zellerhöhung im Liquor
metabolische Radikulopathien besonders bei älteren Diabetikern mit Betroffensein einzelner oder mehrerer thorakaler oder lumbaler Nervenwurzeln
Arachnopathien Mono- oder polyradikuläre Reiz- und Ausfallssymptome
Rationelle Diagnostik der „Ischialgie"
Die diagnostische Zuordnung ei- nes Beinschmerzes ist in erster Linie eine klinische Aufgabe. Die wichtig- sten Bausteine für eine korrekte Diagnose ergeben sich aus einer sorgfältigen Exploration und körper- lichen Untersuchung. Dabei vollzieht sich das praktische Vorgehen am ef- fektivsten in zwei Schritten, die im folgenden dargelegt werden.
Die erste Frage, die bei je- dem Beinschmerz gestellt werden sollte, lautet: Wo ist der Schmerz ex- akt lokalisiert, und entspricht die Schmerzzone dem Hautareal einer Nervenwurzel?
Diese Frage ist meist einfach zu beantworten, wenn man die Derma- tome der drei am häufigsten betrof- fenen lumbo-sakralen Nervenwur- zeln (L4, L5 und S1) kennt (Abbil- dung). Entspricht die Schmerzaus- strahlung exakt dem Hautversor- gungsareal einer Nervenwurzel, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Irritation dieser Wurzel vor. Erleich- tert wird die diagnostische Zuord- nung, wenn Parästhesien oder Sensi- bilitätsstörungen hinzutreten, die sich meist auf das Zentrum des je- weiligen Dermatoms beschränken.
Hinzutretende Paresen betreffen im Fall einer Wurzelläsion deren Kenn- muskeln, die gleichfalls aus der Ab- bildung ersichtlich sind. Sofern die klinische Untersuchung keine siche- ren Paresen ergibt — oder eine Schmerzschonung nicht auszuschlie- ßen ist —, erlaubt eine elektromyo- graphische Ableitung meist eine kla- re Zuordnung (3).
Ist aufgrund der klinischen und elektromyographischen Diagno- stik eine Nervenwurzelläsion anzu- nehmen, besteht die zweite Aufgabe darin, festzustellen:
Welches ist die Ursache der Ner- venwurzelläsion?
Wie aus Tabelle 1 hervorgeht, gibt es eine große Zahl möglicher Schädigungsursachen, und der Bandscheibenvorfall ist nur eine da- von, wenn auch die häufigste. Zu denken ist unter anderem an die be- sonders im Sommerhalbjahr häufi- ge Monoradikulitis nach Zeckenbiß
(Bannwarth-Syndrom), zu deren Nachweis serologische Untersuchun- gen auf Borrelien sowie eine Liquor- diagnostik nötig sind. Besonders bei älteren Patienten mit erstmaligem Auftreten radikulärer Symptome müssen primäre oder metastatische Wirbelkörper-Tumoren erwogen werden, so daß in diesem Fall Rönt- genaufnahmen der LWS in zwei
Ebenen, eventuell in Kombination mit einer Skelettszintigraphie indi- ziert sind.
Bei bandscheibenoperierten Pa- tienten sind vor Annahme eines Re- zidivs entzündliche Veränderungen im Sinne einer Spondylodiszitis, so- wie eine progressive Arachnopathie oder eine Segmentinstabilität aus- zuschließen (2). Treten radikuläre A-1604 (70) Dt. Ärztebi. 86, Heft 21, 25. Mai 1989
Tabelle 2: Neurologische Ursachen von nicht radikulären Beinschmerzen
Lokalisation des Krankheitsprozesses
Wichtige Einzelformen
ZNS Thalamussyndrom; intra- und
extramedulläre Rückenmarkser- krankungen (vor allem Prozesse im Lumbosakralmark und Conus medullaris)
PNS Polyneuropathien und hereditä-
re Systemerkrankungen
vegetatives Nervensystem
sympathische Reflexdystrophie, Tumorinfiltration des lumbalen Grenzstranges
Becken- und Hüftgelenktrau- men, Enzündungen, Tumorinfil- tration, Strahlenspätsyndrom, Psoashämatom oder -abszeß;
diabetische Piexopathie Beinp exus
traumatische und operative Lä- sionen; Spritzenschäden (beson- ders des N. ischiadicus bei in- traglutäaler Injektion);
Engpaßsyndrome (wie Meralgia paraesthetica, Tarsaltunnelsyn- drom, Morton-Neuralgie, Neu- ropathia patellae und Kompres- sion des N. saphenus im Canalis adductorius);
exogene Kompressionsyndrome (zum Beispiel durch inadäquate Lagerung und eng anliegende Verbände)
Tibialis-anterior-Syndrom, Ti- bialisposterior-Syndrom und sonstige Logensyndrome an Un- ter- und Oberschenkel
Beinnerven
Kompartmentsyndrome Schmerzen und Parästhesien aus-
schließlich beim Gehen oder auf- rechten Stehen auf (sogenannte neu- rogene Claudicatio intermittens), ist eine Spinalkanalstenose zu unter- stellen (1). Bei den zuletzt genann- ten Diagnosen ist zu deren Siche- rung die lumbale Computertomogra- phie, eventuell in Kombination mit einer Myelographie, sinnvoll, wobei diese Zusatzuntersuchungen gezielt
— nach vorheriger Lokalisation des Läsionsortes — einzusetzen sind.
Weitere ätiologische Möglichkeiten bei lumbo-sakralen Wurzelsyndro- men sind aus Tabelle 1 ersichtlich.
Zeigt die klinische und neu- rophysiologische Diagnostik keinen Hinweis auf ein radikuläres Syn- drom, kommen einerseits andere neurologische Schmerzursachen (Ta- belle 2), andererseits orthopädische Schmerzursachen (Tabelle 3) in Be- tracht. Dabei reicht die Palette der nicht radikulären neurologischen Er- krankungen, die mit Schmerzen und/
oder Parästhesien in einem oder bei- den Beinen einhergehen, von zen- tralnervösen Prozessen über Poly- neuropathien (vor allem der diabeti- schen Schwerpunktneuropathie) und Beinplexusläsionen (etwa durch in- trapelvine Tumoren) bis hin zu Schä- digungen einzelner Beinnerven. Be- sonders hervorzuheben sind dabei die häufigen Engpaßsyndrome des N. cutaneus femoris lateralis mit Einklemmung an der Durchtrittsstel- le durch das Leistenband, was zu Schmerzen an der Vorder-Außensei- te des Oberschenkels führt („Meral- gia paraesthetica"). Im Unterschied zu den Schmerzen bei Wurzelkom- pressionssyndromen wird der Schmerzcharakter dabei meist als brennend oder nadelstichartig („wie viele feine Nadeln") angegeben.
Unter den orthopädischen Schmerzursachen (Tabelle 3) domi- nieren einerseits degenerative, ent- zündliche, tumoröse und ande- re Wirbelsäulenerkrankungen mit pseudoradikulärer Schmerzausbrei- tung (meist nur bis zum Gesäß, zur Hüfte, eventuell zum Oberschenkel), andererseits Erkrankungen des Knie- und Hüftgelenks mit fakultati- ver Schmerzausstrahlung besonders in die Streckseite des Oberschenkels.
Besonders bei Sportlern ist an die
vielgestaltigen Tendomyosen und In- sertionstendinopathien zu denken, die meist durch deren Belastungsab- hängigkeit in Kombination mit um- schriebener Druckschmerzhaftigkeit leicht zu erkennen sind.
Schlußfolgerungen
Abschließend sei nochmals be- tont, daß die korrekte ursächliche Zu- ordnung eines Beinschmerzes in er- ster Linie auf der Schmerzanalyse und
der körperlichen Untersuchung ba- siert. Radiologische Verfahren sind für sich nicht geeignet, zwischen den vielfältigen möglichen Ursachen eines Beinschmerzes zu unterscheiden.
Im besonderen kommt dem computertomographischen Nach- weis eines Bandscheibenvorfalls oh- ne Korrelation zur Klinik keine dia- gnostische Bedeutung zu, da es zahl- reiche klinisch stumme Veränderun- gen gibt. Die Differentialdiagnose eines Beinschmerzes ist somit zu- nächst eine klinische Aufgabe, die Dt. Ärztebl. 86, Heft 21, 25. Mai 1989 (73) A-1605
Lokalisation des Krankheitsprozesses
Wichtige Einzelformen
degenerative, entzündliche, tumo- röse, traumatische und operative Veränderungen, teilweise mit
„pseudoradikulärer" Schmerzaus- breitung in Gesäß und Oberschen- kel
LWS und Os sacrum
Koxarthrose, Periarthrose, Hüft- kopfnekrose, Koxitis;
schnappende Hüfte;
Insertionstendinopathien der Oberschenkelmuskulatur Hüftgelenk und Becken
Hämatom, Abszeß, Weichteilne- krose oder Fibrosierung (besonders nach intraglutäalen Injektionen);
Piriformissyndrom;
„Weavers bottom"
Arthrose, Meniskusschäden, Insuf- fizienz des Bandapparates, Patel- larerkrankungen, Bursitis, Tendi- nopathien
Arthrose, Bandläsionen, posttrau- matische Veränderungen
Gesäß
Kniegelenk
Sprunggelenk
statische Beschwerden bei Fußde- formitäten; aseptische Knochen- nekrosen; Achillodynie, Fersen- sporn
Fuß
Tabelle 3: Orthopädische Ursachen von Hüft-, Gesäß- und Bein- schmerzen (gekürzt nach: Stöhr und Riffel, 1988)
eventuell durch EMG und Neuro- graphie unterstützt wird. Erst wenn der Schmerz in eine der in Frage kommenden Strukturen lokalisiert werden konnte, sollte an dieser Stel- le gezielt nach morphologischen Veränderungen gefahndet werden.
Findet sich dabei ein zur klinischen Diagnose passender radiologischer Befund, so kommt diesem eine hohe diagnostische Wertigkeit zu. Ein gleichartiger Befund bei einem Pa- tienten mit einem andersartigen Schmerzsyndrom kann dagegen einen klinisch irrelevanten Zufallsbefund ohne kausale Beziehung zur Sympto- matik des Patienten darstellen.
Literatur
1. Benini, A.: Ischias ohne Bandscheibenvorfall:
Die Stenose des lumbalen Spinalkanals. 2.
Aufl. Huber, Bern, Stuttgart, Toronto (1986) 2. Krämer, J.: Bandscheibenbedingte Erkran-
kungen. 2. Aufl. Thieme, Stuttgart, New York (1986)
3. Stöhr, M.; Bluthardt, M.: Atlas der klinischen Elektromyographie und Neurographie. 2.
Aufl. Kohlhammer, Stuttgart (1987) 4. Stöhr, M.; Riffel, B.: Nerven- und Nerven-
wurzel-Läsionen. Edition Medizin, Wein- heim (1988)
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Manfred Stöhr Neurologische Klinik mit klinischer Neurophysiologie Zentralklinikum Augsburg Stenglinstraße 1
8900 Augsburg
Nukleinsäurenachweis von HPV-Viren im Zervixabstrich
Die HPV-Typen 16 und 18 gehö- ren zu den häufigst nachgewiesenen Virussequenzen im neoplastischen Gewebe. Nach neuen Untersuchun- gen vermag die Desoxyribonuklein- säure (DNS) dieser Viren Zellen nach Transfektion zu transformie- ren. Dies fördert die Vermutung, daß einige der humanen Papillomvi- ren als Initiatoren oder Promotoren an der Entstehung von Zervixtumo- ren beteiligt sind.
In einer Studie wurden Zervix- abstriche von 516 Frauen verglei- chend zytologisch und auf die Prä- senz von Papillomvirus-Typ 16/18 DNS-Sequenzen untersucht. Die zy- tologisch als nicht pathologisch be-
werteten Abstriche waren zu 13 Pro- zent HPV 16/18 positiv, die patholo- gischen zu 33 Prozent.
Die Altersverteilung der HPV- Infektion entspricht der einer sexuell übertragenen Krankheit. Komplizie- rend ist die Persistenz der HPV-In- fektion, obwohl die Infektion auch wieder verloren werden kann.
Die Verwendung biotin-mar- kierter Nukleinsäureproben ist der radioaktiv markierter mindestens gleichwertig. Die Übereinstimmung der mit beiden Methoden gewonne- nen Ergebnisse liegt bei 90 Prozent.
Bei der Biotinmethode entfällt die relativ große Zahl fraglicher Ergeb- nisse.
Die Untersuchung auf HPV-Po- sitivität ist zur Zeit nur von einge- schränktem diagnostischen und pro- gnistischen Wert, zumal die HPV- Positivität auf den ersten Blick keine conditio sine qua non für die Ent- wicklung eines Zervixkarzinoms zu sein scheint. mle
R. Neumann, H. J. Eggers et al.: Beitrag zur klinischen Relevanz des Nukleinsäure- nachweises der humanen Papillomviren (HPV) in Abstrichzellen der Cervix uteri Geburtsh. u. Frauenheilk. 49 (1989), 11-16 Prof. Dr. med. H. J. Eggers, Direktor des Instituts für Virologie der Universität zu Köln, Fürst-Pückler-Str. 56, D-5000 Köln 41
A-1606 (74) Dt. Ärztebl. 86, Heft 21, 25. Mai 1989