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Archiv "Kreuz- und Beinschmerzen („Ischialgie“) aus neurologischer Sicht: 1 Myelographie nur in Ausnahmefällen" (27.06.1994)

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Academic year: 2022

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Zu dem Beitrag von

Prof. Dr. med. Johannes Jörg und Mitarbeitern

MEDIZIN

1 Myelographie

nur in Ausnahmefällen

Der vorliegende Beitrag läßt in hervorragender Form die in die Dif- ferentialdiagnose einzubeziehenden Möglichkeiten zur Entstehung von Kreuz- und Beinschmerzen erken- nen. Die Autoren haben auch vor- sichtig auf die Häufigkeit der einzel- nen Ursachen hingewiesen, wenn- gleich der Hinweis gestattet sein darf, daß spinale Angiome, doppel- läufige Wurzelanomalien oder das Tethered-Cord-Syndrom ausgespro- chene Raritäten sind.

Nicht zustimmen kann ich aller- dings den Ausführungen über die Myelographie, die nach unseren Er- fahrungen nur noch dann indiziert ist, wenn notfallmäßig bei segmental nicht sicher abgrenzbaren neurologi- schen Ausfällen ein raumfordernder Prozeß innerhalb des Wirbelkanals erkannt werden muß. In allen ande- ren Fällen hilft hier die magnetische Resonanztomographie (Kernspinto- mographie) sicher weiter, zum Nach- weis oder auch Ausschluß eines lum- balen Bandscheibenvorfalles die Computertomographie; letztere soll- te allerdings bei Frauen im gebärfä- higen Alter aus Strahlenschutzgrün- den durch die magnetische Reso- nanztomographie ersetzt werden. Ich

2 Differenzierung der Schmerzempfindlichkeiten

Meine Kritik umfaßt folgende Punkte:

1. Die Übersicht ist nach meiner Meinung kompliziert und sagt nichts Neues als das, was bisher praktiziert wird, nämlich, daß „Ischialgie" ver- schiedene Ursachen haben kann.

Sollte eine „Ischialgie" intensiv und dauerhaft sein, dann muß der Arzt

DISKUSSION

darf mir ferner den Hinweis erlau- ben, daß in unserer Klinik mit etwa 1000 lumbalen und zervikalen Band- scheibenoperationen im letzten Jahr nur noch eine einzige Myelographie durchgeführt wurde, die deshalb not- wendig wurde, weil bei der adipösen Patientin alle anderen Untersu- chungsmethoden versagten. Es sollte nicht vergessen werden, daß die Mye- lographie ein invasiver Eingriff mit einer relativ hohen Strahlenbela- stung ist.

Prof. Dr. med. Michael Schirmer Chefarzt der

Neurochirurgischen Klinik Städtisches Krankenhaus Solingen Gotenstraße 1

42653 Solingen

an vertebragene (osteochondrotische Veränderungen), raumfordernde (Prolaps und Tumoren aller Art), entzündliche (Myelitis, Meningitis, Radikulitits) und metabolische (Ost- eoporose, Morbus Scheuermann) denken. Je nach Bedarf sollen die konventionellen und die neuroradio- logischen Untersuchungen als Dia- gnostik durchgeführt werden. Dazu gehören das normale (native) Rönt- genbild, die Myelographie, die Elek-

tromyographie, die CT-, die NMR- und die Liquoruntersuchung.

Sind diese Untersuchungsme- thoden ausgeschöpft und hat man immer noch keine faßbare Ursache gefunden, dann muß der Arzt an die zum Stützapparat gehörenden An- hängsel denken, die in der Abbildung 1 im wesentlichen deutlich darge- stellt sind.

2 LLP und LLA sind schmer- zempfindlich und können im Laufe der Zeit an Elastizität verlieren. In der Literatur wurde schon vor zwei Jahrzehnten beschrieben, daß die Ausdehnung der LLP und LLA loka- len Schmerz hervorruft. Das nimmt in zunehmendem Alter ab, da diese Bänder im Laufe der Zeit an Elastizi- tät verlieren, und der Patient empfin- det weniger Schmerz im Bereich der Wirbelsäule.

3. Klassische Medizin und auch klassische Neurologie besagen, daß ein ausstrahlender Schmerz wie

„Ischialgie" radikulär sein soll. Es mag sein, daß die Ursache für „Ischi- algie" nicht unbedingt direkt im be- troffenen Nerv oder der Nervenwur- zel zu finden ist. Aber man muß an- nehmen, daß der Nerv, zum Beispiel N. Ischiadicus, irgendwie durch die oben genannten Ursachen beein- trächtigt ist. LLA löst dabei niemals ausstrahlenden Schmerz aus, weil dieses Band anatomisch topogra- phisch weit vom Nerven entfernt ist, dagegen sind die lokalen Schmerzen vertebral und paravertebral um so mehr zu spüren.

4. LI (Ligamantum interspinale) sollte keinen Schmerz auslösen, aber, wenn wir davon ausgehen, daß die Bänder um einen Wirbel aus glei- chem Material bestehen, dann soll LI wie LLP und LLA bei Ausdeh- nung oder körperlicher Betätigung Schmerz auslösen. LI ist anatomisch zum großen Teil im Vergleich zu LLP und LLA an ein Weichteil (Rückenmuskulatur) gehaftet, und die Ausdehnung des Bandes kann teils durch dieses Weichteil vermin- dert werden, aber bei körperlicher Tätigkeit, etwa beim „Bücken", wird dieses Band (LI) besonders bean- sprucht und enorm ausgedehnt. Die- se Überdehnung kann durchaus auf die Dauer lokalen Schmerz auslösen.

Kreuz- und Beinschmerzen („Ischialgie")

aus neurologischer Sicht

A-1828 (64) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 25/26, 27. Juni 1994

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MEDIZIN

5. Der Autor kommt am Ende zur Diagnostik und beschreibt die Untersuchungsmethoden, die man heute verwendet, aber von der The- rapie fehlt fast jede Spur. Der Arzt kann auch bei den Schmerzen, die aus den Wirbelsäulen-Anhängseln ausstrahlen, dem Patienten die kon- ventionellen Physiotherapien wie Bä- der, Bewegungsbäder, Massagen und Packungen verschreiben. Bekommt dem Patienten eine Anwendung gut, soll sie weiter fortgeführt werden.

Einrenken ist nicht mehr die Metho- de der Wahl, insbesondere bei älte- ren Patienten, die keine rüstige und stabile Wirbelsäule mehr haben.

6. Wenn die Schmerzen sehr stark sind und der Patient zustimmt, kann man heute unter CT-Kontrolle beziehungsweise unter Aufsicht ei- nen Stich mit einer langen Nadel bis zur LWS je nachdem direkt unter dem Dornfortsatz zu LI und LF oder von der Flanke wie bei der perkuta- nen Nukleotomie zur PA, LLP und LLA perkutan durchführen. Hat der Patient bei Berührung des entspre- chenden Ligamentums enorme Schmerzen oder mehr als einen Stichschmerz oder mehr als die vor- herige Schmerzempfindung, dann ist die Ursache geklärt, und der Arzt kann unter CT-Aufsicht präzise Al- koholinjektionen oder Injektionen mit anderen schmerzlindernden Mit- teln durchführen.

Dr. med. E. Farhoumand Ex-Neurochirurg

Zaunkönigweg 34 58455 Witten

3 Psychische Aspekte

Die Autoren behaupten, daß chronischer Rückenschmerz am häu- figsten verursacht wird durch die or- thopädischen Störungen: „funktio- nelle Fehlbeanspruchungen, Fehlbil- dungen, Störungen der Wirbelsäu- lenstatik oder metabolische Osteo- pathien". Dies ist nicht zutreffend.

Am häufigsten findet man etwa für chronischen lumbalen Rücken- schmerz bei 80 Prozent der Betroffe- nen überhaupt keine — oder jeden- falls keine adäquate — organische Ur- sache (zum Beispiel: Kahanovitz N:

DISKUSSION

Diagnosis and Treatment of Low Back Pain. New York, 1991). Solche Patienten mit „Idiopathic Low Back Pain" erfüllen demgegenüber über- wiegend die diagnostischen Kriterien der „Anhaltenden somatoformen Schmerzstörung" der WHO-ICD-10- Klassifikation. Die WHO hat diese Störung den psychischen Krankhei- ten zugeordnet. Insofern ist es — be- zogen auf die gesamte Reihe — sehr bedauerlich, daß ein eigener Beitrag der Psychiatrie in der multidisziplinä- ren Ubersicht „Kreuzschmerzen"

nicht vorgesehen wurde.

Dr. med. Wolfgang Wölk Rubensstraße 110 48165 Münster

4 Domäne der

Kernspintomographie

Es ist sicher wichtig, daß Kreuz- und Beinschmerzen immer wieder in Fortbildungsartikeln im Deutschen Ärzteblatt behandelt werden, stellen sie doch mit den größten Anteil an Beschwerden im Spektrum des All- gemeinmediziners. Zu danken ist den Autoren, daß aus neurologischer Sicht wiederum die klassischen Wur- zelreizsyndrome dargestellt und ins- besondere auf die unterschiedliche Symptomatik akuter Wurzellähmun- gen mit der Notwendigkeit sofortiger Operation hingewiesen wurde.

Dabei ist aber die Gewichtung des Ursachenspektrums etwas zu sehr in Richtung bandscheibenbe- dingte Nervenwurzelkompression verteilt; gerade aus den Zuweisungen in die neurochirurgische Sprechstun- de sehen wir, daß ein großer Prozent- satz der Patienten mit Rücken- schmerzen, kaum allerdings mit typi- scher Ischialgie, auf deren Differen- tialpathophysiologie ausführlich ein- gegangen wurde, eben nicht an nach- weisbaren Bandscheibenvorfällen lei- det. Bei vielen Patienten mit chroni- schen, diffusen, mehr oder weniger haltungsabhängigen Rückenschmer- zen auf der Basis einer chronischen Fehlbelastung spielen neben psycho- genen Faktoren gerade die nur kurz erwähnten pseudoradikulären Syn- drome eine große Rolle; hier sollte man neben dem zu knappen Hinweis

auf Zuziehung des Orthopäden auf die Möglichkeiten der Differential- diagnose und Therapie hinweisen, zum Beispiel der Facetteninfiltration und endgültigen, etwa thermokoagu- latorischen Facettendenervierung.

Dabei ist die Diagnose „psychogener Rückenschmerz" keineswegs erst dann erlaubt, wenn keine organi- schen Rückenbeschwerden vorhan- den sind — gerade auf der Basis der- artiger geringerer, durch die bildge- bende Diagnostik eben nicht als Bandscheibenvorfall faßbarer organi- scher Veränderungen kommt es zu chronischen neurotisierenden Fehl- entwicklungen.

Einer wesentlichen Ergänzung bedarf das Diagnostik-Kapitel: Hier wird der Eindruck erweckt, als stelle die intrathekale Kontrastmittelgabe in Form von Myelographie auch heu- te noch eine Primärdiagnostik, etwa in unmittelbarem Anschluß an die ja nicht in beliebigen Höhen durchführ- bare Computertomographie, dar.

Demgegenüber wird die Kernspinto- mographie nur sehr kurz erwähnt und mit ihren heutigen Möglichkei- ten bei weitem nicht ausreichend ge- würdigt.

Heute stellt die kernspintomo- graphische Diagnostik gerade bei Bandscheibenveränderungen, aber auch bei praktisch allen anderen spi- nalen raumfordernden Prozessen, die gegenüber dem Computertomo- gramm und in der Regel auch der Myelographie absolut überlegene Methode dar, deren primärer Einsatz sich daher bei guter Verfügbarkeit unbedingt empfiehlt. Vorteile sind nicht nur die beliebigen Schnittebe- nen und die Darstellung ausgedehn- ter Wirbelsegmente, was sowohl bei degenerativ bandscheibenbedingten Prozessen wie bei Tumoren bedeut- sam ist, weshalb eine Tumorchirurgie im Wirbelsäulen-Bereich ohne Kern- spintomographie heute nicht mehr durchgeführt wird; vielmehr lassen sich nur in der Kernspintomographie die oft übersehenen extraforamina- len Bandscheibenvorfälle eindeutig und operationsgerecht darstellen, die gerade dem Myelogramm vollständig entgehen können, da sie nicht einmal einen Wurzelabbruch hervorrufen.

Extraspinale Bandscheibenvorfälle, oft mit kleinem intraforaminalem

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 25/26, 27. Juni 1994 (65) A-1829

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