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Archiv "Hirnblutungen aus neurologischer Sicht: Computertomographie hat Vorrang" (26.06.1989)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

ISKUSSION

Der freizügige Umgang mit der Lumbalpunktion in der Diagnostik der Hirnblutungen zur Diagnosesi- cherung „ohne weitere Maßnahme"

noch vor einer Computertomografie erscheint uns aus neurochirurgischer Sicht allzu harmlos von den Verfas- sern dargestellt. Die plötzliche Ein- klemmung direkt nach einer Lum- balpunktion bei intrakranieller Drucksteigerung muß leider von uns behandelt werden, dann jedoch kaum mit Aussicht auf Erfolg.

Gerade bei Marklagermassen- blutungen (eben ohne Bezug zum Li- quorsystem), bei Pons- oder Klein- hirnblutungen wird durch die Lum- balpunktion der Patient vital gefähr- det, ohne daß eine relevante Aussa- ge gewonnen wird. Denn weder gibt der Befund „blutiger Liquor" bild- haft Auskunft über Größe und exak- te Lokalisation einer Blutung, noch schließt „klarer Liquor" eine Blu- tung aus. Die Entnahme der be- rühmten „paar Tropfen Liquor" ist auch mit sehr dünner scharfer Nadel nicht möglich. Aus dem Stichloch in der harten Dura laufen oft mehrere Milliliter ab, die eine Druckdifferenz zur Einklemmung am Hinterhaupt- loch erzielen.

Die heutigen CT-Geräte bieten eine Untersuchungszeit zur Blu- tungssuche von 15 (!) Sekunden bis zu einer Minute. Eine Sedierung hierfür alleine ist kaum notwendig, die LP erübrigt sich oft. Auch er- scheint uns die Intubation eines „in-

stabilen", zum Beispiel bewußtseins- getrübten Patienten — und sei es nur zur Durchführung einer geordneten Diagnostik — nicht als „Gefährdung", sondern als Schutz vor Aspiration und Hypoxie.

Will man heutzutage einem Pa- tienten mit dem Verdacht auf eine Hirnblutung eine adäquate Therapie zukommen lassen, ist bei vorhande- ner Dichte der CT-Geräte die Lum- balpunktion als erstes Handwerks- zeug nach der klinischen Untersu- chung ungeeignet, weil: nicht aussa- gekräftig — möglicherweise falsch po- sitiv/negativ — und gefährlich! Für die Prognose einer Hirnblutung, wel- cher Genese auch immer, ist die frühzeitige, exakte und gefahrlose Diagnose richtungweisend — deswe- gen: hin zum CT und weg von der Nadel!

Brigitte Ott-Tannenbaum Ärztin für Neurochirurgie Krankenhaus der

Barmherzigen Brüder 8400 Regensburg

2 Computer- tomographie hat Vorrang

Nach Wichtigkeit geordnet ha- ben wir folgende Einwände:

Die Autoren stützen sich hauptsächlich auf Zahlenmaterial und Erfahrungen, die aus der Zeit vor Einführung der Computertomo- graphie stammen. Nun mußte gerade das Kapitel der intrazerebralen Hä- matome infolge der computertomo-

graphisch gewonnenen Erkenntnisse umgeschrieben werden. Intrazere- brale Hämatome mit geringer Aus- dehnung kommen wesentlich häufi- ger vor, als früher vermutet, und selbst bei ausgedehnten Hämatomen kann der klinische Verlauf blande sein. Es ist eben weder richtig, daß bei der zerebralen Massenblutung

„Bewußtseinsstörungen selten ver- mißt" werden, noch daß „ein Menin- gismus selten fehlt".

Wie uns das CT gezeigt hat, besitzt die Liquorpunktion in der Akutphase des Schlaganfalls (die Su- barachnoidalblutung ausgenommen) einen geringen Aussagewert. Der Ausschluß eines intrazerebralen Hä- matoms mit ihrer Hilfe ist schlicht unmöglich. Liegt aber ein Hämatom mit Anschluß an den Liquorraum vor, so kann aus klinischem Befund und Nachweis blutigen Liquors oh- nehin nur grob orientierend eine Diagnose abgeleitet werden. Die Ge- fährdung der Patienten durch die Lumbalpunktion wiegt dabei den diagnostischen Gewinn bei weitem auf.

Gerade bei der Verdachtsdia- gnose einer raumfordernden intra- kraniellen Läsion — und hierum han- delt es sich bei der Massenblutung per definitionem auch schon vor der Odementwicklung — ist die Lumbal- punktion erst nach Computertomo- graphie oder Kernspintomographie zu vertreten. Durch Lumbalpunktion provozierte Hirnstammeinklemmun- gen sind, wie die Autoren ja auch selbst anklingen lassen, leider kein bloßes Schreckgespenst, sondern ei- ne zwar seltene, aber schlimme Rea- lität, die vermeidbar ist. Bei klini- schem Verdacht auf eine zerebra- le Massenblutung ist eine vor der Computertomographie durchgeführ- te Lumbalpunktion kontraindiziert.

Nach der computertomographischen Darstellung eines Hämatoms ist die Liquorpunktion bis auf seltene Aus- nahmen überflüssig.

Im Abschnitt „Diagnostik der Hirnblutung" wird der Eindruck erweckt, daß es nicht sinnvoll sei, die Verdachtsdiagnose eines intrazere- bralen Hämatoms mittels Computer- tomographie zu sichern, wenn der Patient hierfür sediert werden muß und noch keine Einklemmungszei-

Hirnblutungen

aus neurologischer Sicht

Zu der Übersicht von Prof. Dr. med.

Jean-P. Malin und Prof. Dr. med. Hans Schliack in Heft 37/1988

I 1 Gefährdung

durch Lumbalpunktion

A-1940 (70) Dt. Ärztebl. 86, Heft 25/26, 26. Juni 1989

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chen vorliegen. Die fachgerechte Se- dierung und Beatmung durch inten- sivmedizinisch Erfahrene bringt aber mit Sicherheit erheblich weniger Ge- fahren mit sich als eine „blinde"

Lumbalpunktion.

Selbstverständlich heißt dies nicht, daß eine sofortige Computer- tomographie auch in solchen Fällen erforderlich ist, in denen das Krank- heitsstadium (tiefes Koma, Bulbär- hirnsyndrom) zusammen mit dem Lebensalter jede Therapie aussichts- los erscheinen läßt. Das Resultat ei- ner Liquorpunktion bleibt bei diesen Patienten aber auch ohne Konse- quenz.

0 Bei der Einteilung der Hä- matome nach ihrer Lokalisation ha- ben wir die supratentoriellen Lap- penblutungen vermißt Diese spielen insofern eine wichtige Rolle, als sie nämlich operativ relativ gut zugäng- lich sind und am häufigsten von allen Lokalisationstypen keine Hyperto- nusfolge darstellen. Bei ihnen ist ei- ne Angiographie indiziert.

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Zum letzten Abschnitt „Ope- rative Therapie": Gerade bei dem charakteristischen Sitz hypertensiver Massenblutungen in den Stamm- ganglien wird die Indikation zur ope- rativen Entlastung nur in Ausnahme- fällen gestellt. Sinnvoll ist die Opera- tion eher bei atypischer als bei typi- scher Lokalisation, nämlich bei den

Malin und Schliack behandeln ein klinisch wichtiges Thema. Ihr Aufsatz bedarf jedoch einiger Ergän- zungen und Korrekturen. Seit Ein- führung der Computertomographie in die klinische Routinediagnostik hat sich gezeigt, daß ein großer An- teil von Hirnblutungen wie ein ischä- mischer Insult verläuft. Bewußtseins- störungen, Kopfschmerzen und Me- ningismus fehlen dann. So kam in dem großen Krankengut von Schütz (1988) eine Bewußtseinsstörung zwar bei allen sogenannten totalen Stammganglienblutungen vor, je- doch nur in 81 Prozent der reinen Putamenblutungen. Unter 99 Kran-

Kleinhirn-Hämatomen und Groß- hirnlappen-Hämatomen. Die allei- nige Liquordrainage ist bei Klein- hirnblutungen sicher weniger nütz- lich. Lebensrettend ist die Dekom- pression der hinteren Schädelgrube, eventuell mit der direkten operati- ven Entleerung des Hämatoms.

Zu der Liste seltenerer Ursa- chen der intrazerebralen Massenblu- tungen gehören drei, deren Kenntnis uns wichtig erscheint: C) die kon- gophile Angiopathie oder Amyloid- Angiopathie der älteren Menschen als typische Ursache rezidivierender Blutungen in Großhirnlappen, C Melanommetastasen, die häufig eine erhebliche Blutungsneigung haben, und

®

die Behandlung mit nicht-se- lektiven MAO-Hemmern, die bei Diätfehlern zu hypertensiven Krisen und auf diese Weise zu Hirnblutun- gen führen kann.

Literatur

Schütz, H.: Spontane intrazerebrale Hämatome;

Pathophysiologie, Klinik und Therapie. Sprin- ger-Verlag, Berlin Heidelberg New York Lon- don Paris Tokyo (1988)

P.-D. Dr. med. R. Winter Neurologische

Universitätsklinik

Dr. med. Alfred Aschoff Neurochirurgische Universitätsklinik

Im Neuenheimer Feld 400 6900 Heidelberg

ken mit Marklagerblutungen waren nur 5 Prozent komatös, 9 Prozent so- porös und 34 Prozent somnolent.

Offenbar hängt die Bewußt- seinsstörung neben der Lokalisation der Blutung entscheidend vom Hä- matomvolumen ab. Ist eine Bewußt- seinsstörung vorhanden, muß sie als Hinweis auf eine Blutung gewertet werden, fehlt sie, schließt sie eine Blutung keineswegs aus. Mir sind durchaus kleinere Stammganglien- blutungen geläufig, die unter dem Bild eines passageren ischämischen Insultes verliefen.

Hinsichtlich der Sterblichkeit durch Hirnblutungen hat sich zeigen lassen, daß diese ebenfalls neben der Lokalisation im wesentlichen von der Größe des Hämatoms abhängt. Das kritische Hämatomvolumen ist bei

mittelliniennahen Blutungen sehr viel niedriger als bei Hemisphären- markblutungen.

Ventrikeleinbruchsblutungen verschlechtern die Prognose zusätz- lich. Dennoch ist das von den Auto- ren geschilderte schwere Krankheits- bild bei Ventrikeleinbruchsblutun- gen keineswegs obligat. So sieht man im Computertomogramm häufig kleine Blutspiegel in einem oder bei- den Seitenventrikeln, die offenbar keinen wesentlichen Einfluß auf Kli- nik und Prognose des Krankheitsbil- des haben. Sogar massive Blutungs- einbrüche in einen Seitenventrikel kommen bei nur mäßig verhängenen oder somnolenten Patienten vor.

Erst bei Verlegung der Liquorab- flußwege durch Blutkoagel oder die erhebliche Blutbeimengung in meh- reren Ventrikeln verschlechtern kli- nisches Bild und Prognose des Er- krankten entscheidend.

Besonderer Kritik bedarf die von den Autoren vorgeschlagene und offenbar praktizierte diagnosti- sche Strategie. Da eine beträchtliche Anzahl von Blutungen nicht das typi- sche Bild bietet, bleibt die Diagnose der Hirnblutung schwierig und allein auf Grund klinischer Untersuchun- gen unbefriedigend. Dem ist auch nicht durch eine zusätzliche Liquor- punktion abzuhelfen, die ja lediglich bei Blutungen, die in den Ventrikel- oder Subarachnoidalraum durchge- brochen sind, ein positives Ergebnis bringen kann und bei den vielen rein intraparenchymatösen Blutungen ohne Blutungsnachweis sein muß.

Darüber hinaus muß man vor der Liquorpunktion bei dem Ver- dacht auf eine Hirnblutung — immer- hin eine intrakranielle Raumforde- rung! — dringlichst warnen, da sie rasch zu lebensgefährlichen Hirn- massenverschiebungen mit Einldem- mungssymptomen führen kann. Eine derartige Gefährdung ist auch nicht gänzlich zu vermeiden, wenn man am liegenden Patienten punktiert und nur wenige Milliliter entnimmt, da oft unbemerkt nach Entfernung der Nadel weiterer Liquor in den Epiduralraum ausläuft.

Daher sind heute früher gegebe- ne Empfehlungen zur Liquorpunk- tion zu revidieren, zumal mit der Computertomographie ein nichtin-

I vor der Liquorpunktion 3 Warnung

Dt. Ärztebl. 86, Heft 25/26, 26. Juni 1989 (73) A-1941

Referenzen

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mittelliniennahen Blutungen sehr viel niedriger als bei Hemisphären- markblutungen. Ventrikeleinbruchsblutungen verschlechtern die Prognose zusätz- lich. Dennoch ist das von den

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