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Archiv "Von der Züchtung zur Gentechnologie: 2 Fehler und Ungenauigkeiten" (09.03.1989)

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DEUTSCHES

•• ed I FAA

Das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT

wagt

sich - auch im wissenschaft- lichen Fortbildungsteil - immer wieder an Themen, die kontrover- se, zum Teil heftige Reaktionen auslösen. Erinnert sei beispielhaft nur an die Auseinandersetzun- gen um die Homöopathie (Heft 31/1981, Hefte 9, 10 und 11/1982) sowie über das beste Vorgehen beim malignen Melanom (Heft 22/1988 und Heft 49/1988). Die Kri- tik richtet sich gegen sachliche Ausführungen oder Meinungen der Autoren, die sich, wie allge- mein üblich, nicht mit der Mei- nung der Schriftleitung zu decken brauchen. Wenn ihre Aussagen in die Nachbarschaft nationalsoziali- stischer Entgleisungen gebracht werden müssen oder können (wie hier im Bereich der sogenannten

„Eugenik"), so sind die Einwände mehr oder minder auch mit Emo- tionen belastet.

Gerade als Standesblatt mit Gele- genheit zur Aussprache geben wir selbstverständlich auch der Kritik Raum. Das gilt auch für die durch- weg negativen Briefe zum Beitrag von Dr. Mampell, die wir leider zum Teil nur auszugsweise brin- gen können, da sie im Umfang Originalarbeiten erreichen wür- den. Der Autor erhält - wie in wis- senschaftlichen Zeitschriften üb- lich - dazu ein Schlußwort, mit dessen Einforderung allerdings die Diskussion abgeschlossen ist, wie dies in allen mir bekannten ausländischen Zeitschriften ge- schieht.

Wenn wir fehlerhafte Ausführun- gen, wie im Beitrag Mampell zum Beispiel die Verwechslung von Hämophilie und Afibrinogenämie, übersehen haben, geben wir dies gerne zu. Dem Verfasser dieses kurzen Vorworts wird man gerade dazu kaum Unkenntnis vorwerfen können, da er zu beiden genetisch so verschiedenen Störungen klini- sche und experimentelle Beiträge veröffentlicht hat. Rudolf Gross

1 Einordnung

des Themas mißraten

Die Gentechnologie steht zu Recht im Lichte öffentlichen Inter- esses. Gezielte Eingriffe in das Erb- gut niederer Lebewesen sind mög- lich geworden, die Grenzen dieser Entwicklung noch nicht abzusehen.

In der klinischen Medizin profitieren bereits viele Patienten von gentech- nologischen Produkten (Diabetiker von Humaninsulin, Dialysepatienten von Erythropoetin, Patienten mit Haarzell-Leukämie von Interferon).

Andererseits werden Risiken dieser Technologie auch von Fachleuten eingeräumt und diskutiert. Wer sich zu diesem Thema öffentlich äußert, sollte neben profunder Sachkenntnis auch die notwendige Sorgfalt in der Einschätzung dieser Problematik er- kennen lassen.

Der Beitrag von Dr. Klaus Mam- pell wird solchen Anforderungen nicht gerecht. Wer glaubt, daß für die gentechnologische Insulinpro- duktion das Insulinmolekül in das Bacterium Coli übertragen wird, hat das Prinzip dieser Technologie nicht verstanden. Wer die Hämophilie als vererbbaren Gendefekt mit konseku- tiver Afibrinämie auffaßt, hat sich nicht ausreichend mit den geneti- schen Grundlagen dieser Erkran- kung beschäftigt.

Auf dem Boden mangelhafter Sachkenntnis mißrät auch die Ein- ordnung der Gentechnologie in übergeordnete Zusammenhänge.

Die Züchtung von Hunderassen et- wa stellt im Gegensatz zur Gentech- nologie keinen direkten Eingriff in das Erbgut dar, sondern besteht in der Selektion natürlicher Varianten.

Solche prinzipiellen Unterschiede werden in dem Beitrag nicht heraus- gearbeitet, sondern (mit Absicht?) verschleiert.

Besonders problematisch sind die Ausführungen des Autors zu ge- netisch bedingten Erkrankungen.

Wer von einer fortschreitenden

„Verschlechterung des Erbgutes der Bevölkerung" spricht und fast be- dauernd feststellt, daß die Sterilisa- tion als Maßnahme zur Eindämmung von Erbkrankheiten in den meisten Ländern in schlechtem Ruf steht, der weckt auch unbeabsichtigt Erin- nerungen an eine wenig ruhmvolle Periode der deutschen Medizin, in der sich Ärzte mit abscheulichen Maßnahmen an der Gesundung des Volkskörpers und seines Erbgutes beteiligt haben. Wenn der Autor in diesem Zusammenhang seine Hoff- nung auf die Gentechnologie setzt, um die fortschreitende Verschlech- terung des Erbgutes der Bevölke- rung eines Tages umzukehren, dann erweist er einer für die Medizin hoff- nungsvollen Entwicklung einen schlechten Dienst: er weckt mit un- sachgemäßen Aussagen und Speku- lationen den emotionalen Wider- stand derer, die die Gentechnologie schon jetzt für biologisch gefährlich und ethisch unvertretbar halten.

Der Beitrag von Dr. Klaus Mam- pell zeigt weder die Chancen noch die Risiken der Gentechnologie mit der notwendigen Deutlichkeit auf und hat damit der Sache einen schlechten Dienst erwiesen.

Prof. Dr. med. Dieter Gerecke Krieler Straße 77/79

5000 Köln 41

2 Fehler und Ungenauigkeiten

Diese Artikel ist voller Fehler, Ungenauigkeiten und überflüssiger Eitelkeiten des Autors. Das wäre

ja

weiter nicht schlimm und eine Quel- le des Amüsements, wenn es sich um

Von der Züchtung zur Gentechnologie

Zu dem Beitrag von Dr. Klaus Mampell in Heft 47 vom 24. November 1988

A-638 (54) Dt. Ärztebl. 86, Heft 10, 9. März 1989

(2)

„Quick”, „Bunte" oder „Film und Frau" handelte, aber das „Organ der Ärzteschaft" muß doch wohl etwas genauer bei der Auswahl seiner Tex- te sein. Es ist dringend erforderlich, daß Sie baldmöglich eine Richtig- stellung zu Papier bringen. Wozu gibt es an allen medizinischen Fakul- täten Institute oder zumindest Ab- teilungen für Humangenetik? Ein ab- solutes Desaster ist es, daß Mampell den Mangel an Fibrin als Ursache für die Bluterkrankheit ausgibt. Das galt schon in den Lehrbüchern der fünfzi- ger Jahre als überholt, obwohl das die Quelle zu sein scheint, aus der Ihr Autor sein Wissen schöpft.

Dr. R. Knippers Fakultät für Biologie Universität, 7750 Konstanz

3 Inkompetent

Völlig unbegreiflich, wie Sie ei- nem dermaßen von Plattitüden und sachlichen Fehlern wimmelnden, po- litisch einfach nicht zu tolerierenden faschistoiden Artikel Raum (noch dazu drei Seiten) zur Veröffentli- chung geben konnten. Jetzt ist es al- so klar Gentechnologie, die sowieso nur die Fortsetzung der jahrtausen- dealten Züchtungstradition des Menschen darstellt, wo „brav" insu- linproduzierende E. colis nur in die Fußstapfen von „possierlichen" Pe- kinesen und Dackeln treten, ist die einzige „Hoffnung auf . . . Umkehr der Entwicklung, daß sich das Erb- gut . . . von Generation zu Genera- tion verschlechtert." Es würde den Rahmen eines Leserbriefs wahr- scheinlich sprengen, auf alle Platt- heiten einzugehen, die nur von ei- nem eitlen Greis stammen können, der seine Publikationen von 1946 zi- tiert und ansonsten wissenschaftlich den Anschluß zu verloren haben scheint (sonst wüßte er etwa, daß der Wildmais längst gefunden wur- de . . .). Auch lohnt es sich kaum, auf alle sachlichen Fehler einzugehen, wobei der augenfälligste (Einbau des Insulinmoleküls in das Bakterienge- nom von E. coli) ihn als kompeten- ten Genetiker disqualifiziert.

Nicht unkommentiert bleiben darf allerdings, daß ein Verfasser im Zusammenhang von Gentechnologie und menschlichem Erbgut Vokabu- lar aus dem „Wörterbuch des Un-

menschen" benutzt („ausmerzen") und wie sintemal die Sterilisation empfiehlt (zum Glück völlig ana- chronistisch und in Zukunft nicht mehr nötig . . .). Durch Abdruck ei- nes solchen Artikels erscheinen Ihre halbherzigen Bemühungen um Ver- gangenheitsbewältigung der Medizin im 3. Reich für mich in neuem Licht.

Christine Ziebold

Assistenzärztin im Institut für Medizinische Mikrobiologie der RWTH Aachen

Hans-Böckler-Allee 155 5100 Aachen

4 Die soziale Konsequenz

Mampell stellt spontane Muta- tionen und herkömmliche Züchtung auf eine Stufe mit menschlichen Ein- griffen in die Erbsubstanz. Er über- sieht, daß gezielte Beeinflussung ein- zelner Gene durch Züchtung nicht möglich ist, die Häufigkeit spontaner Mutationen im Gegensatz zur Gen- technologie kaum beeinflußbar ist und die Folgen auf Grund biologi- scher Regelkreise — Überlebens- be- ziehungsweise Fortpflanzungsfähig- keit — in Grenzen gehalten werden.

Mit Hilfe der Gentechnologie ist hingegen der qualitative Sprung, die bewußte „Züchtung" spezifischer, biologisch eben nicht möglicher Ei- genarten denkbar.

Gefährlich wird Mampell mit seiner These, „daß sich das Erbgut der Bevölkerung dank der Fort- schritte der Medizin von Generation zu Generation verschlechtert, und um dem entgegenzuwirken, müssen wir unsere Hoffnung darauf setzen, daß uns die Gentechnik eines Tages zu einer Umkehr dieser Entwicklung verhilft". Die soziale Dimension von Krankheit, auch und gerade von Erb- krankheit, wird nicht einmal ange- deutet. Seit Hitler und Mengele wis- sen wir, daß die Übertragung des Krankheitsbegriffes vom Individuum auf den „Volkskörper" die Ausmer- ze kranker Teile des sonst „gesunden Körpers" provoziert. Sicher bedeutet Fortschritt der Medizin auch Über- lebensfähigkeit sonst nicht Lebensfä- higer. Die soziale Konsequenz ist aber eine Herausforderung an die Humanität und nicht an die Natur-

wissenschaft. Hier gibt es Defizite, deren Aufarbeitung drängt.

Dr. med. Winfried Beck Wolframstraße 10

6050 Offenbach am Main

5 Schlichtweg falsch

Dieser Ansatz ist sowohl in fach- licher als auch in politischer Hinsicht eine Katastrophe: daß beispielsweise Diabetes mellitus auf einem nicht vorhandenen Gen für normale Insu- linproduktion im Erbgut der Betrof- fenen beruhe, ist schlichtweg falsch.

Auch stellt man sich heute cytoplas- matische und X-chromosomale Ver- erbung wesentlich anders vor, als hier dargestellt.

Viel schwerer wiegt jedoch der politische Schaden, der durch diesen Aufsatz angerichtet wurde: offenbar kann man, nicht einmal zwei Jahre nachdem der 90. Deutsche Ärzte- tag ausführlich über Medizin im Na- tionalsozialismus debattierte, im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT wie- der unverhohlen eugenische Thesen vertreten, wenn behauptet wird:

„Abzusehen ist ( . . . ), daß sich das Erbgut der Bevölkerung dank den Fortschritten der Medizin von Gene- ration zu Generation verschlechtert"

— eine Ansicht übrigens, die heute so falsch ist wie 1933, als sie zur Grund- lage für das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" und da- mit für Sterilisation und schließlich Ermordung Tausender wurde, von denen die meisten gar nicht an gene- tisch bedingten Krankheiten im strengen Sinne litten.

Und auch das Rezept, mit dem diese angebliche Degeneration des Erbgutes verhindert werden sollte, entstammt der nationalsozialisti- schen Gedankenwelt: Auslese, Aus- merzung, Sterilisation heterozygoter Genträger . . . (Man stelle sich dies einmal vor: jeder Mensch ist hetero- zygot für mindestens drei bis fünf veränderte Gene, jeder 22. Bundes- bürger ist heterozygot für die in dem Aufsatz erwähnte Mukoviszidose (heutige Bezeichnung: Zystische Fibrose) — jedoch der Ewig-Gestrige konstatiert verständnislos, „aber die Sterilisation steht in schlechtem Ruf in den meisten Ländern".)

Seit Jahren wird von Kritikern der Gentechnologie befürchtet, de- A-640 (56) Dt. Ärztebl. 86, Heft 10, 9. März 1989

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