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Archiv "Der Nutzen der Gentechnologie für die Medizin" (16.04.1986)

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Aktuelle Medizin

Zur Fortbildung

Der Nutzen

der Gentechnologie für die Medizin

Eberhard von Wasielewski, Mainz

T

rotz aller Fortschritte in der Medizin sind noch immer viele Krankheitsursachen unbekannt.

Therapeutisch kann man oft nur symptomatisch behandeln, weil nicht selten für eine kausale The- rapie die erkenntnismäßigen Vor- aussetzungen fehlen, oder be- stimmte biologische Wirkstoffe nicht, beziehungsweise nicht in ausreichender Menge, verfügbar sind. Auch in der Diagnostik wünscht man sich eine Optimie- rung. Man möchte vor allem gene- tisch bedingte Anlagen sowie Krankheitsfrühstadien besser und spezifischer erkennen.

Aufträge an eine Medizin der Zukunft

Ein Blick auf die Zusammenstel- lung der „Aufträge an eine Medi- zin der Zukunft" (Tabelle 1) ge- nügt, um die Dignität aller forsche- rischen Anstrengungen zu recht- fertigen. Für die Mehrzahl der hier aufgeführten Erkrankungen (oder Krankheits-Komplexe) fehlen noch genaue Kenntnisse von deren Ur- sache, und für die experimentelle Medizin stehen meist keine ad- äquaten Modelle zur Verfügung.

Mit dem Vorstoß der Molekular- biologie in die Ebene der Erbsub- stanz — das heißt also in den Be- reich des für jede Zelle typischen Verhaltensmusters — ist der biolo-

Die Medizin interessieren an der Gentechnologie folgende Fragen:

1. Hilft die Gentechnologie, unge- klärte Krankheitsursachen aufzu- klären? 2. Ermöglicht sie die Her- stellung physiologischer Wirkstof- fe für die Therapie? 3. Kann sie die Diagnostik optimieren? 4. Wird man mit ihr Erbdefekte und/oder erworbene Genschäden „reparie- ren" können? 5. Verfügen wir bei Verwendung von Mikroorganis- men über ausreichende Sicher- heitsmaßnahmen? 6. Wie vertragen sich Eingriffe in das menschliche Genom mit der Ethik und unserem Bild vom Menschen? Die Bilanz der bisherigen Antworten ist positiv.

gischen Forschung erstmals ein Instrument in die Hand gegeben, das gestattet, die genetische Re- gulation der Zellbiochemie und damit auch die Wechselwirkung zwischen den einzelnen funktio- nellen Systemen eines Organis- mus von der Basis her systema- tisch zu studieren, ja zum Teil ge- zielt in sie einzugreifen.

Die Geschichte der naturwissen- schaftlichen Genetik beginnt mit der Entdeckung der Mendel'schen Gesetze. Erst allmählich erkannte man, daß sowohl die Konstanz der Erbgesetze, als auch die Steue- rung der Zellchemie jeder einzel- nen Zelle eine Funktion der Archi-

tektur der Kernsubstanz —der Des- oxyribonukleinsäure (DNA) — ist (Tabelle 2). Heute befindet sich die experimentelle Genetik dank der Methoden der Gentechnologie in einer sehr dynamischen Phase.

Fast täglich gelingt die Zuordnung bestimmter Funktionen in biologi- schen Systemen zu entsprechen- den genetischen Strukturen, also zu DNA-Abschnitten des Genoms.

Man lernt die Molekularschrift der Kernsubstanz zu lesen.

Jedes Gen (beziehungsweise jeder Genkomplex) mit seinen dazuge- hörigen Kontroll- und Regula- tionsbereichen (den Initiatoren, den Terminatoren, den Enhancern usw.) entspricht einer ganz be- stimmten Sequenz der DNA-Bau- steine (den Nukleotiden), von de- nen je drei ein Ladungsmuster er- geben (Triplet-Code), das seiner- seits einer Aminosäure entspricht.

Die An- und Abschaltung solcher DNA-Abschnitte, das heißt die Fä- higkeit, die Synthese eines be- stimmten Proteins in der Zelle in Gang zu bringen oder zu stoppen, wird durch die zum produzieren- den Genabschnitt gehörigen Re- gulationsgene reguliert.

Ein Gen ist also eine funktionelle Einheit, die sich aus verschiede- nen Abschnitten auf der DNA zu- sammensetzt. Es reagiert mit Hilfe der vor- und nachgeschalteten Re- gulationsbereiche auf bestimmte

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Nutzen der Gentechnologie

aus der Zelle selbst stammende oder auf die Zellmembran wirken de stoffliche Signale mit geregel- ter Produktion oder Abschaltung

„seines" Proteins. Man weiß — zum Beispiel aus der Tumorgene- tik —, daß der Austausch eines ein- zigen Nukleotids aus einer be- stimmten Sequenz auf der DNA aus einem Pro-Onkogen ein Onko- gen macht, das heißt aus einer Normalzelle eine Tumorzelle. Die- se neuen Erkenntnisse erweitern nicht nur bei der Tumorentste- hung unser Wissen, sondern auch bei vielen anderen physiologi- schen und pathologischen Pro- zessen, wie der Organogenese, der regulierten Signalübertra- gung, der Kontrolle immunologi- scher Vorgänge, der Präsentation von Rezeptoren, von Antigenen

usw. Die Bedeutung dieser For- schung, insbesondere auch für die Medizin, kann daher nicht hoch genug eingeschätzt werden.

Über diese neuen Erkenntnisse hinaus wird die Gentechnologie aber auch jetzt schon unmittelbar für die Klinik praktisch nutzbar ge- macht. Mit ihrer Hilfe gelingt es, spezies-spezifische Peptide und Eiweißkörper (Proteo-Hormone, Signal- und Regulationspeptide, Antigene usw.) fermentativ in Mi- kroorganismen herzustellen. Auf gentechnologischem Wege pro- duziert man bereits Wirkstoffe wie: Humaninsulin, Peptide der Blutgerinnungskaskade, Interfero- ne, Immunmodulatoren, Impfstof- fe und andere. Viele dieser Sub- stanzen wären ohne den gentech-

nologischen Weg überhaupt nicht oder nur in kleinsten Mengen her- stellbar. Die praktische Bedeutung liegt also in der wesentlichen Er- weiterung der Prophylaxe- und Therapiemöglichkeiten.

Entwicklung der Gentechnologie Vielleicht ist es zum Verständnis gut, ein wenig über die Technik der Methode zu sagen. Wie aus der Tabelle 2 zu ersehen ist, wurde in den frühen 60er Jahren der ge- netische Code entschlüsselt. Man war aber noch weit davon entfernt, sinnvolle oder sinnwidrige Nu- kleotidsequenzen zu lokalisieren.

Es mußte bei der Unzahl von Ge- nen auf der DNA (heute weiß man, daß es beim Humangenom ca.

100 000 = 6 Milliarden Basenpaa- re sind) hoffnungslos erscheinen, aus diesem riesigen, komplexen Gebilde gezielt Einzel-Gene her- auszutrennen, um sie entweder isoliert zu untersuchen, oder etwa in andere Lebewesen zu „trans- plantieren".

Die Natur kam selbst zu Hilfe. Man fand in Bakterien bestimmte Enzy- me, sogenannte Restriktions-En- donukleasen (Restriktions-Enzy- me), die an genau definierten Stel- len der Erbsubstanz Nukleotidpaa- re voneinander trennen. Da man auch sehr bald lernte, physiko- chemische Trennungs- und Erken- nungsmethoden für diese Einzel- teile der DNA anzuwenden, war es nur noch eine Frage der Systema- tik, Genkarten aufzustellen, bezie- hungsweise beliebige Gene mit Hilfe dieser Enzyme aus dem Ge- samtverband herauszuschneiden.

Heute stehen Restriktionsenzyme zur Trennung praktisch jeder Nu- kleotidfolge zur Verfügung.

Ein zweites Instrument, ohne wel- ches die Gentechnologie nicht denkbar gewesen wäre, sind die Vektoren, also Elemente zur Über- tragung von DNA-Stücken. Sie stammen ebenfalls aus Bakterien.

Bakterien besitzen häufig neben ihrem Chromosom ein oder meh- rere kleine, ringförmige extra- Tabelle 1: Aufträge an eine Medizin der Zukunft

1. Verhinderung der Entstehung und Therapie der bereits mani- festen Arteriosklerose

2. Früherkennung, Verhütung und Behandlung der vielen ver- schiedenen Tumor-Erkrankungen

3. Ausbau der Therapie der chronischen, bakteriellen Infektionen und Eröffnung einer effektiven Virus-Chemotherapie

4. Kausal-Therapie der entzündlichen und degenerativen Erkran- kungen des Stütz- und Bewegungs-Apparats

5. Verhinderung bzw. Therapie von chronisch, zum Teil progre- dienten Erkrankungen der Leber (= Zirrhose), der Niere (=

chronische Nephritis), der Lunge (= Emphysem, Fibrose), des Darms (= Morbus Crohn, Colitis), der Haut (= Psoriasis) und andere

6. Kontrolle immunologischer Vorgänge (Steigerung der Abwehr, Verminderung überschießender Reaktionen, Korrektur von Fehlsteuerungen, Verhütung der Transplantations-Abstoßung) 7. Kausal-Therapeutika mit hohem therapeutischen Index gegen Psychosen; therapeutische Zugänge zu chronisch progredien- ten neurologischen Erkrankungen (Multiple Sklerose und an- dere)

8. „Reparation" von traumatischen, hypoxischen, altersbeding- ten und toxischen „Hirnschäden"

9. Korrektur bzw. Restitution genetischer Defekte 10. Aufbau einer effektiven Geriatrie

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Tabelle 2: Die Entwicklung der Gentechnologie aus historischer Sicht

1

18. Jahrh. Kreuzungs- und variationsstatisti- sche Untersuchungen an Tieren und Pflanzen

1865 Mendel

Gesetz der konstanten Zahlenver- hältnisse der Merkmale

(Uniformitätsgesetz, Spaltungsge- setz u. a.)

1869 Miescher

Entdeckung der Nukleinsäuren aus Lymphozytenkernen und Spermato- zoen des Rheinlachses

1875 Hertwig

Erkennt Bedeutung der Kernver- schmelzung bei Befruchtung 1883 Roux und Weismann

Vermuten in Chromosomen Träger der Vererbung

1900 Correns, Tschermak, De Vries Wiederentdeckung der Mendel- schen Gesetze

1902/1904 Sutton und Boverie

Chromosomentheorie der Verer- bung (machte konstante Zahlenver- hältnisse der Mendelschen Gesetze kausal verständlich)

1944 Avery, Mac Leod, Mc Carty DNA = erkannt als Merkmalsträger 1954 Watson, Crick

Aufbau und Struktur der DNA (auf Grund von Röntgenkristallo- graphie)

= substantielle Basis der geneti- schen Information aller Lebewesen 1960 Jacob und Monod

Modellentwurf für spezifische Ab- schnitte auf dem DNS-Molekül (Gene)

= Erkennung der regulären An- und Abschaltmechanismen

1961/1968 Nirenberg, Khorana, Halley und Ochoa

Übersetzung der genetischen Infor- mation in Proteine

= Triplet-Raster-Anordnung ablesbar und übersetzbar in Amino- säuren

1967 Geliert DNA-Ligasen

1971 Arber, Smith, Nathans (Schweiz/

USA)

Restriktions-Enzyme 1972 Berg, Jackson, Symons

Erste Klonierung mit SV-40-Virus 1973 Boyer und Cohen

Stellen Plasmide als Vektoren vor 1975 Baltimore, Temin, Dulbecco

Entdeckung der Reverse-Transkrip- tase

1975/1977 Sanger, Barrell; Maxam, Gilbert DNA-Sequenzierung

1977 Khorana

Erste Synthese eines kompletten Gens

1978 Goodman, Rutter, Gilbert u. a.

Synthese von Ratten-Insulin in Bak- terien

ab 1979 Bishop, Weinberg, Wigler, Barba- cid u. a.

Neue Erkenntnisse in der Tumor- genetik

(Pro-Onkogen Onkogen) 1981 Caruthers, Ogilvie

Automatisierte Gen-Synthesen ab 1982 Palmiter, Brinster u. a.

„Transgenische Organismen"

(Genübertragung in tierische Orga- nismen mit Hilfe von Retroviren) ab 1984 Verschiedene Autoren

Anwendung gentechnologischer Methoden in zahlreichen Gebieten der Biologie und Medizin

(Zelluläre Regelmechanismen, Re- zeptorstruktur, Antigenmuster,

„Genchirurgie" u. a.)

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Nutzen der Gentechnologie

chromosomale DNA-Stücke, die Plasmide. Diese tragen ebenfalls Informationen und exprimieren sie auch in der Bakterienzelle. Sie ver- anlassen — leider nicht selten — daß in Bakterien Enzyme oder Zellwandbestandteile gebildet werden, die sie gegenüber Anti- biotika resistent machen. Plasmi- de können von Bakterium zu Bak- terium übertragen werden. Sie sind also Informations-(sprich DNA-)Überträger von einem Indivi- duum auf ein anderes.

Der Grundgedanke der Gentech- nologie war nun folgender: Man schneidet mit Restriktionsenzy-

men einen definierten Genab- schnitt aus der DNA einer be- stimmten Warmblütlerzelle heraus (zum Beispiel den Abschnitt, der für Insulin codiert), koppelt ihn mit seinen Enden an ein ebenfalls auf- geschnittenes Plasmid, schließt das Plasmid wieder mit Ligasen und bringt dieses so neu kon- struierte Plasmid mit Bakterien zu- sammen. Einige Bakterien neh- men unter bestimmten Versuchs- bedingungen die Plasmide auf.

Davon wird wieder ein bestimmter Prozentsatz die in sie eingeschleu- ste Neu-Information exprimieren.

Um sie allerdings zur Bio-Synthe- se dieses Fremd-Proteins zu über- listen, muß man vor das Starter- Gen eine bakterieneigene Nukleo- tidsequenz einbauen. Wird diese vom Bakterium abgelesen, so

„merkt" es nicht, daß es im An- schluß daran auch die Sequenz des Fremdproteins mit-liest. Auf diese Weise wird das gewünschte Produkt (als Fusionsprotein) pro- duziert.

Da die Plasmide gleichzeitig Anti- biotika-Resistenzen vermitteln, kann man die „Produktions-Stäm- me" auf antibiotikahaltigen Selek- tionsplatten herausfischen, um sie später in Fermentern zur Massen- produktion zu züchten. Häufig ist es heute schon nicht mehr nötig, das gewünschte Gen aus einer Zelle zu isolieren. Man syntheti- siert es sich mit Hilfe eines Nu- kleinsäure-Synthese-Automaten.

Anwendung

der Gentechnologie

Da der genetische Code univer- sell, das heißt für alle Lebewesen gleich ist, lag der Gedanke nahe, die Methoden der Gentechnologie nicht nur zur Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse oder zur Konstruktion gewünsch- ter mikrobieller Produktionsstäm- me (beziehungsweise zur Herstel- lung Abfall abbauender Mikroben usw.) einzusetzen, sondern sie in der Pflanzenzucht —vor allem aber auch zur Diagnostik und zur The- rapie bei Mensch und Tier — zu verwenden.

Während man — unter bestimmten Voraussetzungen wie Sicherheit und Wahrung ethischer Grund- prinzipien — bei Pflanzen und Tie- ren kaum ernsthafte Bedenken er- heben wird, ist einer direkten An- wendung der Gentechnologie am Menschen nur unter Wahrung strengster Kriterien zuzustimmen.

Prinzipiell ergeben sich drei Mög- lichkeiten:

C) Die Analyse des mensch- lischen Genoms: zur Früherken- nung mono- oder polygenetischer Schäden sowie für die sogenannte

„ökologische Genetik" (= Erken- nung einer Gefährdung bei be- stimmten Umweltexpositionen);

ferner „prophylaktische Genetik"

(= Impfprogramme für Gefähr- dete).

© Korrektur des menschlichen Genoms in somatischen (also in nicht vererbbaren) Zellen: zur

„Heilung" von Gendefekten bezie- hungsweise zur (sich selbst re- gulierenden) Dauersubstitution („Genchirurgie").

C) Transfer genetischer Informa- tionen in die Keimbahnzellen: also in Zellen, die auf die Nachkom- menschaft weitergegeben werden.

Auch in diesem Fall könnte man beim Menschen an die frühzeitige Korrektur von genetischen Defek- ten denken. Beim Nutztier hinge- gen stehen ökonomische Zucht- vorteile im Vordergrund.

Weder vom naturwissenschaft- lichen Aspekt, noch von juristi- schen oder ethischen Gesichts- punkten her, kann man heute zu diesem gesamten Fragenkomplex schon Aussagen machen, die mehr sind als eine derzeitige Standortbestimmung. Technisch ist künftig sicher eine schnelle Entwicklung zu erwarten. Sie zwingt uns, die Vorteile mit den je- weiligen Risiken abzuwägen und sie an den Maßstäben unseres Verständnisses vom Menschen zu messen.

Genomanalyse für die klinische und präventive Medizin

Die Genomanalyse wird sich — nach weiterer Optimierung —zu ei- ner gängigen Methode der klini- schen und präventiven Medizin entwickeln. Gegen sie wird man meines Erachtens keine wirklich ernsthaften Bedenken erheben können. Einige Fachleute beurtei- len ihre Überlegenheit gegenüber der Leistungsfähigkeit bisheriger diagnostischer Verfahren skep- tisch. Ihr Hauptvorteil dürfte (für einige Einsatzgebiete) in ihrer pro- spektiven Potenz liegen, Gende- fekte oder Anlageschwächen (et- wa in der pränatalen Medizin) frü- her zu erkennen beziehungsweise besser lokalisieren zu können. Be- fürchtungen, daß sie mißbraucht werden könnte (Arbeitsmedizin), sind meines Erachtens nicht ge- rechtfertigt. Gesetzlich läßt sich ihre Anwendung — wenn über- haupt nötig — regeln. Die Methode würde völlig überschätzt, wenn man glaubt, damit eine Art „Per-

sönlichkeits-Durchleuchtung"

machen zu können. Gerade die geistigen Fähigkeiten des Men- schen sind das Resultat aus Gene- tik und Umwelt.

Genchirurgie

in begrenztem Maße

Über Gentransfer in animalische Zellen („Genchirurgie") wird tier- experimentell gearbeitet. Es wer- den Versuche mit ungezieltem

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und (soweit möglich) gezieltem Gentransfer mit entsprechender nachfolgender Klonierung durch- geführt. Über zum Teil gelungene Ergebnisse (ungezielter Einbau und Expression von transferierten Genen) wird in der Literatur berich- tet. Am Menschen sind vereinzelt an somatischen Zellen (bei Hämo- globinopathien) Eingriffe vorge- nommen worden. Die Resultate sind offensichtlich bisher nicht be- friedigend. Prinzipiell sind meines Erachtens gegen einen Gentrans- fer in somatische Zellen dann keine Bedenken zu erheben, wenn die Technik perfektioniert und die Si- cherheit entsprechend der ergänz- ten Deklaration von Helsiniki ge- währleistet ist. Der Eingriff ist letzt- lich nicht anders zu beurteilen als eine Organtransplantation.

Gentransfer in die Keimbahn des Menschen nicht vertretbar Gegen einen Gentransfer in die Keimbahn des Menschen beste- hen hingegen prinzipielle Beden- ken, einmal weil das „Resultat"

erst „ablesbar" ist, wenn aus der Zygote eine menschliche Person geworden ist, zum anderen aber sind — bei Nichtgelingen — die Kon- sequenzen erheblich. Darüber hin- aus werden die zugeführten Gene an die Nachkommenschaft weiter- gegeben. Die Problematik ist im einzelnen im Bericht der Arbeits- gruppe „In-vitro-Fertilisation, Ge- nomanalyse und Gentherapie"

dargelegt. Ihre Empfehlung ent- spricht der Meinungs-Mehrheit, daß ein Gentransfer in die menschliche Keimbahn derzeit nicht zu vertreten ist.

Biologische Sicherheit

Die Fachwelt ist sich heute dar- über einig, daß Sicherheitsrisiken beim Umgang mit genetisch modi- fizierten Mikroorganismen, sei es für Zwecke der Forschung oder der Produktion, praktisch nicht bestehen. Die zur Verwendung kommenden Stämme sind in der Außenwelt nicht überlebensfähig

(biologische Sicherheit). Darüber hinaus sind alle technischen Vor- kehrungen getroffen, um einen Austritt von Keimen aus den Ar- beitssystemen nach mensch- lichem Ermessen unmöglich zu machen (Labor- und Produktions- sicherheit). Anders sieht es aus, wenn für bestimmte Zwecke gene- tisch veränderte Mikroorganismen gezielt in die Außenwelt gebracht werden sollen (Abfall-Abbau, Ver- besserung der mikrobiellen Bo- denflora, Pflanzenschutz usw.).

Hier sind entsprechende Sicher- heitsmaßnahmen zu fordern.

Grundsätzlich anders muß man aber die Anwendung der Gentech- nologie in der Humanmedizin se- hen. Wie in allen Bereichen der Medizin steht hier das verantwort- liche ärztliche Handeln im Vorder- grund. Bei der Abwägung zwi- schen Nutzen und Risiko wird man

— wie bei allen Vorstößen in Neu- land — besonders strenge Kriterien anlegen. Es wäre jedoch unverant- wortlich, wollte man die einzigarti- gen Möglichkeiten der Gentech- nologie nicht im Interesse der Krankheitsbekämpfung nutzen.

Schon jetzt hat sie völlig neue Er- kenntnisse zur genetischen Grundlage bestimmter Erkrankun- gen (Gendefekte, Tumorentste- hung, Funktion oder Dysfunktion biologischer Regelsysteme usw.) erbracht. Darüber hinaus ist es erstmalig durch die Gentechnik gelungen, neue therapeutische und prophylaktische Wirkstoffe herzustellen beziehungsweise ökonomisch in ausreichender Menge zu produzieren.

Die Bilanz der gentechnologi- schen Forschung ist schon jetzt für die experimentelle und klini- sche Medizin positiv.

(Zusammenfassung des Eröff- nungsvortrags beim 34. Internatio- nalen Fortbildungskongreß der Bundesärztekammer in Davos) Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Eberhard von Wasielewski Annabergstraße 28, 6500 Mainz

Kolon-Karzinome:

Kosten-Nutzen-Analyse des Haemoccult-Tests

Der Haemoccult-Test zur Früher- kennung des kolorektalen Karzi- noms ist durch eine unlängst pu- blizierte Dissertation aus Göttin- gen hinsichtlich seiner Effizienz in Frage gestellt worden.

Fast gleichzeitig zu dieser Publi- kation legten amerikanische Auto- ren eine Kosten-Nutzen-Analyse vor, die am Kaiser Permanente Mecical Center in Kalifornien durchgeführt wurde und der die Ergebnisse einer Screening-Un- tersuchung an 14 041 Patienten zugrunde lagen:

1,1 Prozent der ausgegebenen Testbriefe waren positiv, 12 kolo-

rektale Karzinome wurden gefun- den.

13 Patienten wiesen einen oder mehrere Polypen von über einem Zentimeter Durchmesser auf, bei 45 Patienten fanden sich andere

Blutungsquellen.

Von den entdeckten Karzinomen waren 50 Prozent in dem progno- stisch besonders günstigen Stadi- um Dukes A, während dieses Sta- dium vor dem Screening-Pro- gramm nur bei 25 Prozent aller Pa- tienten gefunden wurde.

Wurde eine Kosten-Nutzen-Analy- se anhand der bisher vorliegenden Daten der Therapiekosten und der Fünf-Jahres-Überlebensraten der entsprechenden Dukes-Stadien vorgenommen, so ergab sich eine Kosteneinsparung von 14 685 US- Dollar und eine Zunahme der Lebenserwartung um 22 Jahre durch die Anwendung des Haemoccult-Verfahrens als Screening für das kolorektale Kar- zinom.

Allison, J. E.; Feldman, R.: Cost Benefits of Haemoccult Screening for Colorectal Carcino- ma. Dig. Dis. Sciences 30: 860-865,1985.

Department of Medicine, Kaiser Permanente Medical Center, 280 W. Mac Arthur Blvd., Oak- land, California 94611, USA.

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