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Archiv "Von der Züchtung zur Gentechnologie: 8 Schlechte Argumente" (09.03.1989)

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(1)

ren Einsatz in der Medizin könne ei- ner neuen Eugenik den Weg bahnen, die die Verbrechen nationalsoziali- stischer Erb- und Rassepolitik weit in den Schatten stellen könnte. Muß nicht der Abdruck eines von eugeni- schem Gedankengut geprägten Auf- satzes zur Gentechnologie im offiziel- len Organ der (west)deutschen Arzte- schaft diese Kritiker bestätigen?

Dr. med. Hannelore Hauß-Albert Falkstraße 116 • 4100 Duisburg 1

6 Verdecktes

„Gedankengut"

Mit bewegten Worten be- schreibt Dr. Mampell, wie die Medi- zin „dem Erbgut der Bevölkerung"

schadet, solange die Gentechnik noch nicht auf den Menschen an- wendbar ist. Denn: „Dann könnte die Medizin das Erbgut selbst gesun- den lassen." So aber „ . . . werden ja immer mehr Kinder, die vormals we- gen einer angeborenen Schwäche ei- nes frühen Todes starben, nun durch medizinische Betreuung am Leben erhalten, und dabei geht es zuneh- mend um eine Kompensation für al- lerlei Erbkrankheiten. In der Bevöl- kerung steigt deshalb die Zahl derje- nigen, die mit einer Erbkrankheit be- haftet sind, und es ist kaum möglich, gegen diese Tendenz anzugehen."

Wieso? Nun, man kann sie zwar den Genträgern „ . . . nahelegen, aber die Sterilisation steht in schlechtem Ruf in den meisten Ländern." So wird im Falle der frühen Operation des dominant vererbten Retinobla- stoms „ . . . ein letales Gen, das sich sonst durch den Tod der Genträger lange vor dem zeugungsfähigen Alter von selber ausgemerzt hätte, durch die medizinische Betreuung erhalten und in der Bevölkerung verbreitet."

Sogleich beflissen, wenn auch bedau- ernd: „Jedoch hat die Medizin keine andere Wahl, als so zu handeln. Sie ist dazu verpflichtet, Leben zu erhal- ten, wo immer es möglich ist, selbst wenn es dem Erbgut der Bevölke- rung schadet."

Hier verweisen Sprachpartikel auf verdeckt daherkommendes „Ge- dankengut", das mir die Wut hoch- treibt. Da wird beklagt, daß wir mit allerlei Erbkrankheiten behaftetes Le en selbst dort erhalten, wo sich

ein Schaden für das Erbgut der Be- völkerung sonst von selber ausge- merzt hätte. In semantischem Gleichschritt zählt die Redaktion des Ärzteblattes im folgenden Heft 48 (seite eins: „Hürdenlauf") die Gentechnologie zu den umweltbe- hafteten Themen. Mich empört die- se Sprach-Hybridisierung, die insi- nuieren soll, den „ekligen Umwelt- seim" quasi kleenex abzustreifen wie jegliches Odium von „Behaftetem".

Dagegen die Gentechnologie: Im Glanze dieses strahlenden Terminus soll „das Erbgut der Bevölkerung"

genesen. Gen-Tech-Gesetze? Lieber doch ein Gesetz zur Verhütung erb- kranken Nachwuchses? Wir haben individuelles Leben zu schützen und nicht in die Keimbahn einzugreifen.

Flatulenzen vom „Erbgut der Bevöl- kerung" können erneut ärztliche Ethik verpesten. Wir dürfen nicht nochmals schweigen!

Gert Paschelke

Am Güntershof 3 • 6492 Sinntal

7 Vieles unkorrekt

Ich habe den Artikel mit Bestür- zung gelesen, obgleich ich einige der geschilderten Auffassungen über die Risiken und potentiellen Segnungen der Gentechnologie sicherlich teile.

Wir beklagen zu Recht, daß die Pro- bleme der Gentechnologie in der Öf- fentlichkeit häufig inkompetent dis- kutiert werden; um so mehr würde man erwarten, daß das Deutsche Ärzteblatt eine ethische Diskussion über die Probleme der Gentechnolo- gie auf einer sachlich korrekten Ba- sis führt. Das ist in diesem Artikel nicht geschehen, wie ich an einigen Beispielen anführen möchte:

(1) Das Maisprotein enthält sehr wohl die Aminosäure Tyrosin. Die klinischen Folgen einer vornehmlich auf Maisprotein basierenden Ernäh- rung ergeben sich aus dem Mangel des Zeins an Tryptophan. Der Tryp- tophanmangel — nicht der Tyrosin- mangel — verursacht eine reduzierte endogene NAD-Synthese. Auch das Weizenprotein ist nicht tyrosin- son- dern lysinarm.

(2) Mir ist kein Fall eines Diabe- tes mellitus bekannt, der auf dem Fehlen des Insulingens beruht. Die wenigen beschriebenen Mutationen

des Proinsulingens gehen mit einer Expression des Gens einher.

(3) Es ist seit längerer Zeit mög- lich, Gene „in einen Zellkern einzu- pflanzen" und sie daher in einen

„DNS-Strang einzukitten". Auch ei- ne ortsspezifische Einschleusung ist für das 13-Globingen beschrieben worden. Diese Tatsachen sind ja ge- rade die Ursache der öffentlichen Diskussion über mögliche Gefahren der Gentechnik.

(4) Der Ausdruck „Plasmagene, nämlich Partikeln außerhalb des Zellkerns", wird in der wissenschaft- lichen Literatur nicht benutzt. Ich vermute, daß der Autor mit den Plasmagenen das mitochondriale Genom meint. Mitochondrien wer- den aber nur durch das Ovum und nicht durch das Spermium vererbt.

Keinesfalls sind mitochondriale Ge- ne äußeren Einflüssen viel zugängli- cher als chromosomale Gene. Die Vorstellung, die hinter dieser Sen- tenz liegt, daß „eingeimpfte Kerngene sich an Plasmapartikeln anhängen"

könnten, kann ich mangels eigener Phantasie nicht nachvollziehen.

(5) Wenn von einem Gen für die Erzeugung des Fibrins im Singular gesprochen wird, kann es sich nur um das Gen für Fibrinogen handeln.

Wir wissen aber, daß bei der Hämo- philie entweder das Gen für Faktor VIII oder Faktor IX betroffen ist.

(6) Die Darstellung der Verer- bung des Retinoblastoms ist nicht korrekt. Die Patienten ererben nur ein durch Mutation verändertes Al- m und die Krankheit tritt nur dann

auf, wenn während der Entwicklung auch das zweite, ursprünglich nor- male Allel eine Mutation erfährt.

Prof. Dr. med. Hans Kresse Institut für Physiologische Chemie und Pathobiochemie der Universität Münster Waldeyerstraße 15 4400 Münster

8 Schlechte Argumente

Der Artikel, offensichtlich von einem älteren Wissenschaftler ver- faßt, der die aktuelle Entwicklung nicht mehr verfolgt hat, enthält viele sachliche Fehler oder Fehleinschät- zungen. Hier sind beispielhaft die unzureichenden Ausführungen zum Dt. Ärztebl. 86, Heft 10, 9. März 1989 (61) A-641

(2)

Retinoblastom eher noch harmlos, nein viel schlimmer ist, es wird wie- der einmal (das kennen wir doch schon!) suggeriert, daß Therapie und Fortpflanzung von Personen zum Beispiel mit Mukoviszidose zu ei- ner Verschlechterung des Erbgutes führt. Der Autor weiß offensichtlich nicht, daß bei einer Häufigkeit der Mukoviszidose in der Allgemeinbe- völkerung von etwa 1:2000 etwa jede 20. (!) Person heterozygot ist. Wir al- le sind für mehrere „ungünstige"

Erbanlagen heterozygot. Sollen wir denn alle sterilisiert werden? Da aber nach Mampell die Sterilisation in den meisten Ländern in schlech- tem Ruf steht, liegen die Hoffnun- gen des Autors für eine Umkehr die- ser Entwicklung in der Gentechnik.

Nein, der Artikel ist nicht nur fachlich ungenügend und kocht Ge- dankengut unseliger Zeiten auf. Er ist vielmehr beschämend für alle Hu- mangenetiker, die sich für eine An- wendung der Gentechnik ausschließ- lich zum Wohle ratsuchender Men- schen bemühen. In Zeiten massiver und oft unsachlicher Angriffe gegen die Humangenetik, die bis zu Tät- lichkeiten gehen, liefert dieser Bei- trag schlechte Argumente.

Priv.-Doz. Dr. Klaus Zerres Leiter der Beratungsstelle im Institut für Humangenetik der Universität Bonn

Wilhelmstraße 31 5300 Bonn 1

9 Begriffliche Fehlleistungen

Die Veröffentlichung des Arti- kels konterkariert auf eindrucksvolle Weise die Artikel vorausgegangener Ausgaben zum Thema Medizin und Eugenik vor und im Nationalsozialis- mus. In schönster Offenheit wird de- monstriert, daß die Eugeniker unter den Medizinern nicht ausgestorben sind, sondern sich lediglich die Er- wartungen an eine Lösung der an- geblichen Probleme auf eine andere,

„gentechnische" Ebene verschoben haben. Wie bekannt kommen einem die Klagen vor (wenn der Autor end- lich zur Sache kommt!) . „Unterdrük- kung der Selektion", „die Medizin [könnte] das Erbgut selbst gesunden lassen", „[es] steigt die Zahl derjeni-

gen, die mit einer Erbkrankheit be- haftet sind, fortwährend an", „Gen, das sich sonst durch den Tod der Genträger ausgemerzt (!) hätte".

Aber auch begriffliche Fehlleistun- gen wie „menschliche Zuchtwahl"

(im Zusammenhang mit Hundezüch- tung) und das Bedauern über „den schlechten Ruf der Sterilisation"

wecken eindeutige Assoziationen.

Abgesehen von der manchmal merkwürdigen Terminologie („medi- zinische Betreuung [als] Kompensa- tion für allerlei Erbkrankheiten",

„Kerngene drücken sich bei einem veränderten Plasma anders aus") fragt man sich, wie es geschehen konnte, daß solche Verkürzungen wie „erblicher Diabetes mellitus", oder die angesichts der heutigen Kenntnisse fast schon laienhaften Ausführungen zum Retinoblastom und die falschen Angaben zur Muko- viszidose (zum Beispiel betreffend Lebenserwartung, „Verbreitung" des Genes durch Betroffene (Betroffene sind in der Regel steril!) den editori- schen Prozeß überstehen konnten.

Oder könnte die Vermutung zutref- fend sein, daß ein solcher wegen der angeblich brennenden „Aktualität"

dieses Artikels gar nicht stattgefun- den hat? Wer Heterozygote für die zystische Fibrose sterilisieren will, muß jeden 20. bis 30. Menschen in unserer Bevölkerung sterilisieren (sich selbst unter Umständen auch!)!

Darüber hinaus bringt es der Autor fertig, ausschließlich sich selbst zweimal mit Arbeiten zu zitie- ren, die ganz offensichtlich für seine Kernaussage „das Erbgut selbst ge- sunden lassen" irrelevant sind und wohl nur seine angebliche Kompe- tenz in Sachen Gentechnik (und da- mit Eugenik?) belegen sollen Ihm und der Redaktion des Deutschen Ärzteblattes sei eine jüngste, wissen- schaftshistorische Publikation zu diesem Themenbereich dringend zur Lektüre empfohlen (P. Weingart, J. Kroll, K. Bayer: Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene in Deutschland, Suhrkamp, 1988).

Dr. med. Gerhard Wolff Genetische Beratungsstelle am Institut für Humangenetik und Anthropologie

der Universität Freiburg

Albertstraße 11 - 7800 Freiburg

Schlußwort

Meiner Entgegnung auf die hier abgedruckten Kritiken schicke ich voraus, daß ich meine Ausführungen nicht für so einwandfrei halte, wie offenbar meine Kritiker die ihren, und das betrifft die als Hämophilie bezeichnete Afibrinogenämie eben- so wie etwaige andere Abweichun- gen in der Nomenklatur. Jedoch wer- den die Differenzen um das Thema dadurch sowieso nicht berührt.

In der Beckschen Kritik heißt es, die Häufigkeit spontaner Mutatio- nen sei im Gegensatz zu der von der Gentechnologie hervorgerufenen kaum beeinflußbar. Das stimmt inso- fern nicht, als ja die Mutationshäu- figkeit durch Bestrahlung ebenso wie durch viele Chemikalien stark erhöht werden kann, übrigens genetisch auch durch Mutator-Gene, von de- nen manche sogar ganz bestimmte andere Gene zur Mutation bringen, so daß da tatsächlich einzelne Gene durch Züchtung (Einkreuzung von Mutator-Genen) gezielt beeinflußt werden können.

Damit Frau Ziebold nicht neu- erlich einen Hinweis auf lange zu- rückliegende Publikationen bean- standet, erspare ich mir hier alle Li- teraturhinweise. Gut aber wäre es gewesen, wenn sie in ihrer Zuschrift selbst welche gegeben hätte, bei- spielsweise wenn sie behauptet, „daß der Wildmais längst gefunden wur- de." Vermutlich verwechselt sie Mais (Gattung Zea) mit Teosinte (Gat- tung Euchlaena). Einen „Wildmais"

gibt es nicht Immerhin kreidet Frau Ziebold mir keine Fehler in der No- menklatur an, so daß ich ihr im Ge- genzug die zahlreichen Fehler in der Orthographie, Grammatik und In- terpunktion ihrer Zuschrift nicht an- kreiden möchte. Aber, Frau Ziebold, was Ihren Gebrauch des Ausdrucks

„faschistoid" betrifft, so merkt man daran, daß Ihnen die Schrecknisse des Faschismus durch das „Glück der späten Geburt" erspart geblie- ben sind, sonst würden Sie solch neu- deutsch banales Vokabular nicht auf meinen Artikel anwenden, bei dem Sie über das Wort „ausmerzen" stol- pern, das für Sie aus dem „Wörter- buch des Unmenschen" stammt.

Wenn Sie alle Wörter aus der deut- A-642 (62) Dt. Ärztebl. 86, Heft 10, 9. März 1989

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