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Archiv "Von der Züchtung zur Gentechnologie: 3 Inkompetent" (09.03.1989)

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„Quick”, „Bunte" oder „Film und Frau" handelte, aber das „Organ der Ärzteschaft" muß doch wohl etwas genauer bei der Auswahl seiner Tex- te sein. Es ist dringend erforderlich, daß Sie baldmöglich eine Richtig- stellung zu Papier bringen. Wozu gibt es an allen medizinischen Fakul- täten Institute oder zumindest Ab- teilungen für Humangenetik? Ein ab- solutes Desaster ist es, daß Mampell den Mangel an Fibrin als Ursache für die Bluterkrankheit ausgibt. Das galt schon in den Lehrbüchern der fünfzi- ger Jahre als überholt, obwohl das die Quelle zu sein scheint, aus der Ihr Autor sein Wissen schöpft.

Dr. R. Knippers Fakultät für Biologie Universität, 7750 Konstanz

3 Inkompetent

Völlig unbegreiflich, wie Sie ei- nem dermaßen von Plattitüden und sachlichen Fehlern wimmelnden, po- litisch einfach nicht zu tolerierenden faschistoiden Artikel Raum (noch dazu drei Seiten) zur Veröffentli- chung geben konnten. Jetzt ist es al- so klar Gentechnologie, die sowieso nur die Fortsetzung der jahrtausen- dealten Züchtungstradition des Menschen darstellt, wo „brav" insu- linproduzierende E. colis nur in die Fußstapfen von „possierlichen" Pe- kinesen und Dackeln treten, ist die einzige „Hoffnung auf . . . Umkehr der Entwicklung, daß sich das Erb- gut . . . von Generation zu Genera- tion verschlechtert." Es würde den Rahmen eines Leserbriefs wahr- scheinlich sprengen, auf alle Platt- heiten einzugehen, die nur von ei- nem eitlen Greis stammen können, der seine Publikationen von 1946 zi- tiert und ansonsten wissenschaftlich den Anschluß zu verloren haben scheint (sonst wüßte er etwa, daß der Wildmais längst gefunden wur- de . . .). Auch lohnt es sich kaum, auf alle sachlichen Fehler einzugehen, wobei der augenfälligste (Einbau des Insulinmoleküls in das Bakterienge- nom von E. coli) ihn als kompeten- ten Genetiker disqualifiziert.

Nicht unkommentiert bleiben darf allerdings, daß ein Verfasser im Zusammenhang von Gentechnologie und menschlichem Erbgut Vokabu- lar aus dem „Wörterbuch des Un-

menschen" benutzt („ausmerzen") und wie sintemal die Sterilisation empfiehlt (zum Glück völlig ana- chronistisch und in Zukunft nicht mehr nötig . . .). Durch Abdruck ei- nes solchen Artikels erscheinen Ihre halbherzigen Bemühungen um Ver- gangenheitsbewältigung der Medizin im 3. Reich für mich in neuem Licht.

Christine Ziebold

Assistenzärztin im Institut für Medizinische Mikrobiologie der RWTH Aachen

Hans-Böckler-Allee 155 5100 Aachen

4 Die soziale Konsequenz

Mampell stellt spontane Muta- tionen und herkömmliche Züchtung auf eine Stufe mit menschlichen Ein- griffen in die Erbsubstanz. Er über- sieht, daß gezielte Beeinflussung ein- zelner Gene durch Züchtung nicht möglich ist, die Häufigkeit spontaner Mutationen im Gegensatz zur Gen- technologie kaum beeinflußbar ist und die Folgen auf Grund biologi- scher Regelkreise — Überlebens- be- ziehungsweise Fortpflanzungsfähig- keit — in Grenzen gehalten werden.

Mit Hilfe der Gentechnologie ist hingegen der qualitative Sprung, die bewußte „Züchtung" spezifischer, biologisch eben nicht möglicher Ei- genarten denkbar.

Gefährlich wird Mampell mit seiner These, „daß sich das Erbgut der Bevölkerung dank der Fort- schritte der Medizin von Generation zu Generation verschlechtert, und um dem entgegenzuwirken, müssen wir unsere Hoffnung darauf setzen, daß uns die Gentechnik eines Tages zu einer Umkehr dieser Entwicklung verhilft". Die soziale Dimension von Krankheit, auch und gerade von Erb- krankheit, wird nicht einmal ange- deutet. Seit Hitler und Mengele wis- sen wir, daß die Übertragung des Krankheitsbegriffes vom Individuum auf den „Volkskörper" die Ausmer- ze kranker Teile des sonst „gesunden Körpers" provoziert. Sicher bedeutet Fortschritt der Medizin auch Über- lebensfähigkeit sonst nicht Lebensfä- higer. Die soziale Konsequenz ist aber eine Herausforderung an die Humanität und nicht an die Natur-

wissenschaft. Hier gibt es Defizite, deren Aufarbeitung drängt.

Dr. med. Winfried Beck Wolframstraße 10

6050 Offenbach am Main

5 Schlichtweg falsch

Dieser Ansatz ist sowohl in fach- licher als auch in politischer Hinsicht eine Katastrophe: daß beispielsweise Diabetes mellitus auf einem nicht vorhandenen Gen für normale Insu- linproduktion im Erbgut der Betrof- fenen beruhe, ist schlichtweg falsch.

Auch stellt man sich heute cytoplas- matische und X-chromosomale Ver- erbung wesentlich anders vor, als hier dargestellt.

Viel schwerer wiegt jedoch der politische Schaden, der durch diesen Aufsatz angerichtet wurde: offenbar kann man, nicht einmal zwei Jahre nachdem der 90. Deutsche Ärzte- tag ausführlich über Medizin im Na- tionalsozialismus debattierte, im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT wie- der unverhohlen eugenische Thesen vertreten, wenn behauptet wird:

„Abzusehen ist ( . . . ), daß sich das Erbgut der Bevölkerung dank den Fortschritten der Medizin von Gene- ration zu Generation verschlechtert"

— eine Ansicht übrigens, die heute so falsch ist wie 1933, als sie zur Grund- lage für das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" und da- mit für Sterilisation und schließlich Ermordung Tausender wurde, von denen die meisten gar nicht an gene- tisch bedingten Krankheiten im strengen Sinne litten.

Und auch das Rezept, mit dem diese angebliche Degeneration des Erbgutes verhindert werden sollte, entstammt der nationalsozialisti- schen Gedankenwelt: Auslese, Aus- merzung, Sterilisation heterozygoter Genträger . . . (Man stelle sich dies einmal vor: jeder Mensch ist hetero- zygot für mindestens drei bis fünf veränderte Gene, jeder 22. Bundes- bürger ist heterozygot für die in dem Aufsatz erwähnte Mukoviszidose (heutige Bezeichnung: Zystische Fibrose) — jedoch der Ewig-Gestrige konstatiert verständnislos, „aber die Sterilisation steht in schlechtem Ruf in den meisten Ländern".)

Seit Jahren wird von Kritikern der Gentechnologie befürchtet, de- A-640 (56) Dt. Ärztebl. 86, Heft 10, 9. März 1989

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ren Einsatz in der Medizin könne ei- ner neuen Eugenik den Weg bahnen, die die Verbrechen nationalsoziali- stischer Erb- und Rassepolitik weit in den Schatten stellen könnte. Muß nicht der Abdruck eines von eugeni- schem Gedankengut geprägten Auf- satzes zur Gentechnologie im offiziel- len Organ der (west)deutschen Arzte- schaft diese Kritiker bestätigen?

Dr. med. Hannelore Hauß-Albert Falkstraße 116 • 4100 Duisburg 1

6 Verdecktes

„Gedankengut"

Mit bewegten Worten be- schreibt Dr. Mampell, wie die Medi- zin „dem Erbgut der Bevölkerung"

schadet, solange die Gentechnik noch nicht auf den Menschen an- wendbar ist. Denn: „Dann könnte die Medizin das Erbgut selbst gesun- den lassen." So aber „ . . . werden ja immer mehr Kinder, die vormals we- gen einer angeborenen Schwäche ei- nes frühen Todes starben, nun durch medizinische Betreuung am Leben erhalten, und dabei geht es zuneh- mend um eine Kompensation für al- lerlei Erbkrankheiten. In der Bevöl- kerung steigt deshalb die Zahl derje- nigen, die mit einer Erbkrankheit be- haftet sind, und es ist kaum möglich, gegen diese Tendenz anzugehen."

Wieso? Nun, man kann sie zwar den Genträgern „ . . . nahelegen, aber die Sterilisation steht in schlechtem Ruf in den meisten Ländern." So wird im Falle der frühen Operation des dominant vererbten Retinobla- stoms „ . . . ein letales Gen, das sich sonst durch den Tod der Genträger lange vor dem zeugungsfähigen Alter von selber ausgemerzt hätte, durch die medizinische Betreuung erhalten und in der Bevölkerung verbreitet."

Sogleich beflissen, wenn auch bedau- ernd: „Jedoch hat die Medizin keine andere Wahl, als so zu handeln. Sie ist dazu verpflichtet, Leben zu erhal- ten, wo immer es möglich ist, selbst wenn es dem Erbgut der Bevölke- rung schadet."

Hier verweisen Sprachpartikel auf verdeckt daherkommendes „Ge- dankengut", das mir die Wut hoch- treibt. Da wird beklagt, daß wir mit allerlei Erbkrankheiten behaftetes Le en selbst dort erhalten, wo sich

ein Schaden für das Erbgut der Be- völkerung sonst von selber ausge- merzt hätte. In semantischem Gleichschritt zählt die Redaktion des Ärzteblattes im folgenden Heft 48 (seite eins: „Hürdenlauf") die Gentechnologie zu den umweltbe- hafteten Themen. Mich empört die- se Sprach-Hybridisierung, die insi- nuieren soll, den „ekligen Umwelt- seim" quasi kleenex abzustreifen wie jegliches Odium von „Behaftetem".

Dagegen die Gentechnologie: Im Glanze dieses strahlenden Terminus soll „das Erbgut der Bevölkerung"

genesen. Gen-Tech-Gesetze? Lieber doch ein Gesetz zur Verhütung erb- kranken Nachwuchses? Wir haben individuelles Leben zu schützen und nicht in die Keimbahn einzugreifen.

Flatulenzen vom „Erbgut der Bevöl- kerung" können erneut ärztliche Ethik verpesten. Wir dürfen nicht nochmals schweigen!

Gert Paschelke

Am Güntershof 3 • 6492 Sinntal

7 Vieles unkorrekt

Ich habe den Artikel mit Bestür- zung gelesen, obgleich ich einige der geschilderten Auffassungen über die Risiken und potentiellen Segnungen der Gentechnologie sicherlich teile.

Wir beklagen zu Recht, daß die Pro- bleme der Gentechnologie in der Öf- fentlichkeit häufig inkompetent dis- kutiert werden; um so mehr würde man erwarten, daß das Deutsche Ärzteblatt eine ethische Diskussion über die Probleme der Gentechnolo- gie auf einer sachlich korrekten Ba- sis führt. Das ist in diesem Artikel nicht geschehen, wie ich an einigen Beispielen anführen möchte:

(1) Das Maisprotein enthält sehr wohl die Aminosäure Tyrosin. Die klinischen Folgen einer vornehmlich auf Maisprotein basierenden Ernäh- rung ergeben sich aus dem Mangel des Zeins an Tryptophan. Der Tryp- tophanmangel — nicht der Tyrosin- mangel — verursacht eine reduzierte endogene NAD-Synthese. Auch das Weizenprotein ist nicht tyrosin- son- dern lysinarm.

(2) Mir ist kein Fall eines Diabe- tes mellitus bekannt, der auf dem Fehlen des Insulingens beruht. Die wenigen beschriebenen Mutationen

des Proinsulingens gehen mit einer Expression des Gens einher.

(3) Es ist seit längerer Zeit mög- lich, Gene „in einen Zellkern einzu- pflanzen" und sie daher in einen

„DNS-Strang einzukitten". Auch ei- ne ortsspezifische Einschleusung ist für das 13-Globingen beschrieben worden. Diese Tatsachen sind ja ge- rade die Ursache der öffentlichen Diskussion über mögliche Gefahren der Gentechnik.

(4) Der Ausdruck „Plasmagene, nämlich Partikeln außerhalb des Zellkerns", wird in der wissenschaft- lichen Literatur nicht benutzt. Ich vermute, daß der Autor mit den Plasmagenen das mitochondriale Genom meint. Mitochondrien wer- den aber nur durch das Ovum und nicht durch das Spermium vererbt.

Keinesfalls sind mitochondriale Ge- ne äußeren Einflüssen viel zugängli- cher als chromosomale Gene. Die Vorstellung, die hinter dieser Sen- tenz liegt, daß „eingeimpfte Kerngene sich an Plasmapartikeln anhängen"

könnten, kann ich mangels eigener Phantasie nicht nachvollziehen.

(5) Wenn von einem Gen für die Erzeugung des Fibrins im Singular gesprochen wird, kann es sich nur um das Gen für Fibrinogen handeln.

Wir wissen aber, daß bei der Hämo- philie entweder das Gen für Faktor VIII oder Faktor IX betroffen ist.

(6) Die Darstellung der Verer- bung des Retinoblastoms ist nicht korrekt. Die Patienten ererben nur ein durch Mutation verändertes Al- m und die Krankheit tritt nur dann

auf, wenn während der Entwicklung auch das zweite, ursprünglich nor- male Allel eine Mutation erfährt.

Prof. Dr. med. Hans Kresse Institut für Physiologische Chemie und Pathobiochemie der Universität Münster Waldeyerstraße 15 4400 Münster

8 Schlechte Argumente

Der Artikel, offensichtlich von einem älteren Wissenschaftler ver- faßt, der die aktuelle Entwicklung nicht mehr verfolgt hat, enthält viele sachliche Fehler oder Fehleinschät- zungen. Hier sind beispielhaft die unzureichenden Ausführungen zum Dt. Ärztebl. 86, Heft 10, 9. März 1989 (61) A-641

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