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Archiv "Krankenhäuser befürchten Personalabbau" (17.03.1988)

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zu einer immer größer werdenden Zahl von Bezugspersonen, vermin- dere die Kontaktmöglichkeiten mit dem Patienten am Krankenbett, be- klagte Ungeheuer. Eine Verbesse- rung der Humanisierung im Kran- kenhaus, wie sie mit Recht von allen Bürgern gefordert werde, werde aber in dem Maße erschwert, wie die finanziellen Mittel reduziert und po- puläre, aber kaum kurzfristig zu rea- lisierende Forderungen nach einer weiteren Arbeitszeitverkürzung an- gemeldet werden. Ungeheuer: "Mit einer 35-Stunden-Woche ist der Me- dizinbetrieb heute nicht zu ma- chen!"

Dies war noch vor vier Jahren auch die Meinung des Marburger Bundes (Verba~d der angestellten und beamteten Arzte), der Gewerk- schaft der Klinikärzte. In der aktuel- len Tarifverhandlungsrunde im öf- fentlichen Dienst indes ist ein Gesin- nungsumschwung in diesem Punkt festzustellen. So hat sich der Ver- band für eine Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst ausgespro- chen, wenn auch nicht bei vollem Lohnausgleich. Der Tarifexperte des Marburger Bundes, Dr. med.

Frank Ulrich Montgomery, Zweiter Vorsitzender des Marburger Bundes (Bundesverband), Erster Vorsitzen- der des Landesverbandes des MB Hamburg, rechnete vor: Eine Ver- kürzung auf 38 Wochenstunden be- deutet bei rund 80 000 Ärzten im Krankenhaus 4000 neue Stellen. Die 35-Stunden-Woche könnte so auf ei- nen Schlag 10 000 Ärzte in Brot und Arbeit bringen, also fast alle, die nach Schätzungen des Marburger Bundes heute als dauernd oder kurzfristig arbeitslos gemeldet sind.

Und ein anderes Pro-Argument führte der Marburger-Bund-Experte an: Die Zahl der Beschäftigten je Krankenhausbett ist in anderen In- dustriestaaten erheblich höher als in der Bundesrepublik Deutschland:

So gebe es beispielsweise in den USA und in Schweden 2,7 Beschäf- tigte je Bett, in Dänemark 2,4 und in Kanada 2, in der Schweiz 1,6 und

"am bitteren Ende, bei uns gerade noch 1,15 Beschäftigte pro Kranken-

bett". - Akuter Handlungsbedarf

oder Anstoß zur Neubesinnung?

Harald Clade

Krankenhäuser befürchten

Personalabbau

Eine tiefgreifende materiell- rechtliche Einschränkung der Rech- te der Krankenhäuser, der Landes- krankenhausgesellschaften und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) befürchtet die DKG, falls die im Zuge des , , Grundheitsre- formgesetzes" geplanten Maßnah- men ohne Abstriche realisiert wür- den. Sehr deutlich sei die beabsich- tigte Verschiebung des Kräftever- hältnisses zugunsten der Kranken- kassen zu erkennen. Unrichtig sei die Behauptung, die Krankenhäuser seien aus den beabsichtigten Spar- und Strukturreformmaßnahmen

"ausgeblendet". Allein die Tatsa- che, daß der stationäre Sektor in die Finanzierungsrechnung des Bundes- arbeitsministeriums mit 1 ,5 Milliar- den DM Sparpotential bilanziert worden ist und bis zu 100 000 Betten abgebaut oder "umgewidmet" wer- den sollen, belegten, daß auch die Krankenhäuser massiv einbezogen werden sollen.

Als systemwidrig und mit "er- heblichen Problemen" verbunden bezeichnet die DKG die geplante Anbindung der Ausgaben der Kran- kenkassen für die Kliniken an die Entwicklung der Grundlohnsumme.

Zwischen der Lohnentwicklung und der Kostendynamik im stationären Sektor (überwiegend personalko- stenintensiv) bestünden kaum enge- re Zusammenhänge, meint die DKG. Rechtsbedenken erhebt die DKG vor allem gegen die geplante Streichung des§ 405 a Abs. 2 RVO, der "Schutzklausel" zugunsten der Krankenhäuser, wonach die Pflege- sätze entsprechend dem Grundsatz der Selbstkostendeckung unter Be- achtung der jeweiligen individuellen Kosten- und Leistungsstruktur des Krankenhauses zu bemessen sind.

Die Krankenhausgesellschaft verweist auf die Tatsache, daß die Nachfrage nach Krankenhauslei- stungen entscheidend von der Mor- A-652 (20) Dt. Ärztebl. 85, Heft 11, 17. März 1988

biditätsentwicklung, dem medizini- schen Fortschritt, der demographi- schen Entwicklung (Überalterung der Bevölkerung), der Einweisungs- häufigkeit und der Mengenkompo- nente abhängen. Die Einbahnstraße in Defizite, Leistungsabbau und Druck auf die Stellenpläne der Krankenhäuser sei vorprogram- miert.

~ Nach überschlägigen Berechnun- gen der Krankenhausgesellschaft, bestätigt durch den Marburger

Bund, wird ein Personalabbau allein

im stationären Sektor bis zu 20 000 Planstellen befürchtet.

~ Die Kontra-Rechnung der DKG:

Bei Einführung einer 39-Stunden- Woche für die mehr als 810 000 Be- schäftigten der 3080 Krankenhäuser (Forderungen der Gewerkschaften in der Tarifrunde '88) würden rech- nerisch 20 000 zusätzliche Planstel- len benötigt werden, um allein die Leistungsfähigkeit der Kliniken auf- rechtzuerhalten. Bei einer 38-Stun- den-Woche wären dies mehr als 40 000 Stellen. Dies ergäbe - ohne lineare Erhöhungen, Sachkosten- steigerungen und Auswirkungen des medizinischen Fortschritts - einen Betrag von 1,2 beziehungsweise 2,4 Milliarden DM zusätzlicher Perso- nalkosten.

Als , , tiefgreifende Systemverän- derung'' wird das mit dem Referen- tenentwurf vorgesehene erweiterte Kündigungsrecht der Krankenkas- sen bezeichnet. Danach wäre es möglich, daß die Kassen ihre Verträ- ge mit faktisch allen Häusern einsei- tig kündigen (allerdings mit Zustim- mung der Landesaufsichtsbehörden und der Krankenkassen "vor Ort").

Im Extremfall köimten Kranken- häuser auf diese Weise "nach und nach aus der Versorgung herausge- kündigt werden, ohne daß das Land . . . das Haus aus dem Kran- kenhausplan entlassen kann, wor- über im Streitfall das Verwaltungs- gericht entscheidet''.

Die Krankenhausgesellschaft stößt sich auch an dem den Kran- kenkassen einseitig eingeräumten Recht der (externen) Wirtschaftlich- keitsprüfung der Krankenhäuser, die beabsichtigte Einbeziehung der Landesverbände als Vertragspartei in die örtlichen Budgetvereinbarun-

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

GRESS AKTUELL

gen sowie die praktisch unbegrenzte Kontrollfunktion des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen gegen- über den Krankenhausleistungen.

Es sei den Krankenhausträgern und -verwaltungen nicht zumutbar, das Dritte, nämlich die Krankenkas- sen und deren Beauftragte, von au- ßen jederzeit die Leistungsfähigkeit und Qualität der Krankenhausbe- handlung kontrollieren und prüfen dürfen. So soll dem Dienst der Kas- sen zugestanden werden, die Be- triebs- und Geschäftsräume der Krankenhäuser ohne Vorankündi- gung aufzusuchen. Eine solche weit- gehende Intervention und Kontrolle werde keinem anderen Leistungsträ- ger zugemutet.

Dubiose Vergleichslisten Moniert wird schließlich auch die Absicht, die einweisenden Ärzte mit Hilfe eines „Kosten- und Lei- stungsverzeichnisses" der Kranken- häuser zu veranlassen, den Patien- ten nicht nur in das nächsterreichba- re, sondern auch das preisgünstigste Krankenhaus 'einzuweisen, in dem die erforderlichen Leistungen „am wirkungsvollsten" erbracht werden können. Die DKG wendet dagegen ein: Es sei inkonsequent und system- widrig, einerseits mit Quasi-Preis- vergleichslisten im stationären Sek- tor zu operieren, andererseits echte leistungsbezogene Preise zu verwei- gern (für die sich die DKG stark macht). Zu Auseinandersetzungen mit den Patienten, Krankenkassen und Krankenhäusern müsse es kom- men, wenn ein Patient ohne zwin- genden Grund ein anderes als das vom Arzt angegebene Krankenhaus

„ansteuert".

„Vergleichslisten" könnten zu- dem zu einer Verzerrung auf dem Krankenhausmarkt führen. Konzen- trationen auf überbeanspruchte

„Billig"-Kliniken und Ausdünnung in ländlichen Regionen seien da- durch vorprogrammiert. Die Wirt- schaftlichkeit der Krankenhäuser höherer Versorgungsstufen müßte sich in dem Maße verschlechtern, als schwerere Indikationen mit entspre- chend kostenträchtigeren Krank- heitsbildern sich in diesen Kranken- häusern massieren. HC

Badgastein

Strukturreform:

Wichtige Grundfragen sind ausgeklammert

Für sachliche, argumentierende Auseinandersetzungen und gegen nur emotional geführte Anti-Kam- pagnen hat sich der Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, Professor Dr. Dr h c Hans Joachim Sewering im Hinblick auf die bevor- stehenden Debatten über die Struk- turreform ausgesprochen. Sewering rief vor allem die jüngeren Ärzte da- zu auf, nicht nur „zu schreien", son- dern in diesem Sinne mit den Gre- mien der gewählten Vertretungen der Ärzteschaft zusammenzuarbei- ten. Es wäre eine politische Illusion zu glauben, daß man das Gesund- heitsreformgesetz zu Fall bringen könnte. Sondern man müsse versu- chen, aus den bisherigen Entwürfen das wieder herauszubekommen, was die Ärzte und insbesondere das Arzt/Patienten-Verhältnis über Ge- bühr belasten würde. Zu einer der- artigen Einflußnahme auf die Politik seien die Ärzte auf jeden Fall be- rechtigt, wenn sie auch akzeptieren, daß Gesetze auf dem Gebiet der So- zialpolitik generell für alle gemacht werden (und nicht immer nur gegen die Ärzte).

Beim 33. Internationalen Fort- bildungskongreß der Bundesärzte- kammer und der Österreichischen Ärztekammer in Badgastein gab Se- wering einen Überblick über den derzeitigen Inhalt des Blümschen Reformprogramms, wobei er jeweils deutlich kennzeichnete, was aus der Sicht der Ärzte vernünftig und was verfehlt oder überzogen erscheint.

Am „Mut zum Sparenwollen" fehle es dem Bundesarbeitsminister zwar nicht, meinte Sewering. An einigen Stellen müßten aber die Ärzte die bisherigen Vorstellungen des Ar- beitsministeriums mit großen Frage- zeichen versehen — zumal schon jetzt feststeht, daß wichtige Grundfragen von vornherein ausgeklammert wor- den sind; von einer wirklichen Re- form der „Struktur" der Kranken-

versicherung könne jedenfalls nicht die Rede sein.

So müssen die Ärzte den Grundgedanken der Förderung der ambulanten Pflege bejahen. Ob dies aber überhaupt Aufgabe der gesetz- lichen Krankenversicherung sein kann oder sein soll, diese Grundfra- ge ist noch gar nicht geklärt worden.

Ebenso ist im Prinzip bei den Arz- neimitteln nichts einzuwenden ge- gen die Einführung von Festbeträ- gen oder gegen den Einsatz von Ge- nerica.

Der Arzt müsse aber auf jeden Fall weiterhin allein über die Aus- wahl des zu verordnenden Wirkstof- fes entscheiden können — die Aus- höhlung dieses Grundsatzes durch ein Mitwirkungsrecht des Apothe- kers wäre, so Professor Sewering, ganz und gar unakzeptabel. (Wobei die Festbeträge übrigens für den Kassenarzt den Vorteil haben, daß sie die Gefahren einer Untersu- chung wegen „unwirtschaftlicher Verordnungsweise" erheblich ver- ringern.)

Die verordneten Ausgaben ...

Im Krankenhaussektor soll es, so Sewering, weiterhin bei dem „ab- surden" Prinzip der pauschalen ko- stendeckenden Pflegesätze bleiben.

Die niedergelassenen Ärzte müßten sich darüber klar sein, daß zur Zeit nicht so sehr ihr Honorar im Feuer steht, sondern die von ihnen verord- neten Ausgaben (das sind 470 DM je 100 DM Honorar). Wo es möglich ist, sollte darauf Einfluß genommen werden; es sei insbesondere nicht mehr erträglich, daß — von Notfällen abgesehen — immer noch Patienten ohne eine vom Kassenarzt durchge- führte Diagnose ins Krankenhaus eingewiesen werden.

Zum Schlagwort „gläserner Pa- tient" machte Sewering darauf auf- merksam, daß der Gesetzentwurf die Krankenkassen verpflichten will, Versichertenlisten zu erstellen, wäh- rend sie dazu ermächtigt werden sol- len, Leistungskonten zu führen.

Hier sei es erstaunlich, daß die All- gemeinheit nicht sofort aufgeschrien habe; im Vergleich dazu seien die seinerzeit so umstrittenen Fragen Dt. Ärztebl. 85, Heft 11, 17. März 1988 (21) A-653

Referenzen

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