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Archiv "Katholische Krankenhäuser: Die Loyalitätspflichten der Ärzte" (21.06.2013)

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KATHOLISCHE KRANKENHÄUSER

Die Loyalitätspflichten der Ärzte

Mit circa 1,3 Millionen Beschäftigten gehören die evangelische und die katholische Kirche mit zu den größten Arbeitgebern in Deutschland.

500 Krankenhäuser stehen in katholischer Trägerschaft.

D

ie in den katholischen Kran- kenhäusern beschäftigten Mit- arbeiter, auch die dort tätigen Ärz- tinnen und Ärzte, unterliegen nicht nur dem staatlichen Arbeitsrecht, sondern zusätzlich kirchlichen Vor- schriften. Nach Artikel 140 Grund- gesetz in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 3 Satz 1 der Weimarer Reichsverfassung findet das verfas- sungsmäßig garantierte Selbstbe- stimmungsrecht der Kirche auch in allen ihr zugeordneten karitativen Einrichtungen Anwendung.

Die Ausübung dieses Selbst- bestimmungsrechtes hat zu arbeits- rechtlichen Besonderheiten im Be- reich der katholischen Kirche ge- führt. Da die staatlichen Instrumen- tarien zur Regelung der Arbeitsbe- dingungen (Tarifvertrag, Streik und Aussperrung) im kirchlichen Dienst nicht passen, hat die Kirche ein eigenes System zur Gestaltung von Arbeitsbedingungen geschaffen, den sogenannten Dritten Weg. Wei-

terhin findet das staatliche Mitbe- stimmungsrecht keine Anwendung.

Es ist durch ein kirchliches Mit- bestimmungsrecht, im katholischen Bereich durch die Mitarbeiterver- tretungsordnung, ersetzt worden.

Schließlich hat die katholische Kir- che in der „Grundordnung des kirch- lichen Dienstes im Rahmen kirch- licher Arbeitsverhältnisse“ (GrO) bestimmte Maßstäbe normiert, die für die Bewertung kirchenspezifi- scher Loyalitätspflichten zu beach- ten sind.

Diese Loyalitätspflichten sind im Krankenhaussektor für verschie- dene Problemfelder relevant. Bei- spielhaft sind zu erwähnen: Ab- treibung und die „Pille danach“, moderne Techniken der Fort- pflanzungsmedizin, Umgang mit Schwerstkranken und Sterbenden.

Die Loyalitätspflichten erstrecken sich zum Teil auch auf das außer- dienstliche Verhalten wie Schei- dung und Wiederheirat, Lebens-

partnerschaften oder den Austritt aus der Kirche. Verletzt der in einem katholischen Krankenhaus tätige Arzt solche Loyalitätspflich- ten, muss er mit arbeitsrechtlichen Sanktionen bis zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechnen.

Zu beachten sind vor allem die Artikel 4 und 5 GrO. Artikel 4 Ab- satz 1 GrO lautet wie folgt: „Von den katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerken- nen und beachten. Insbesondere im pastoralen, katechetischen und er- zieherischen Dienst sowie bei Mit- arbeiterinnen und Mitarbeitern, die aufgrund einer Missio canonica tä- tig sind, ist das persönliche Lebens- zeugnis im Sinne der Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sit- tenlehre erforderlich. Dies gilt auch für leitende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ In Artikel 5 GrO ist dann näher ausgeführt, dass eine Foto:vario

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2 Deutsches Ärzteblatt I Heft 25 I 21. Juni 2013

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2002 empfahl die Deutsche Krankenhausgesellschaft den Kranken- hausleitungen mit der Neufassung ihres Chefarzt-Mustervertrages erst- mals, mit Ärzten erfolgsabhängige Boni zu vereinbaren. Diese sollten unter anderem ausgezahlt werden, wenn deren Abteilungen definierte Mengenziele erreichten. Doch seit den Transplantationsskandalen ist das Instrument in Verruf geraten.

Zielvereinbarungen mit Leitenden Ärzten in den Krankenhäusern stehen in der Kritik. Zu Recht?

Windeck:Mehr als die Hälfte der Klinikchefs und zahlreiche Chef- und Oberärzte haben Zielvereinbarungen in ihren Arbeitsverträgen. Die pau- schale Kritik an diesem Instrument, die mit den Organskandalen in Göt- tingen, Regensburg und München aufgekommen ist, ist völlig falsch.

Es ist vernünftig, Kliniken über Zielvereinbarungen zu steuern. Richtig an der Kritik ist aber, dass diese nicht nur ökonomisch definiert sein dür- fen. Diese falsche Form der Zielvereinbarung leitet sich nicht aus der Unternehmensstrategie ab und führt zu Fehlanreizen.

Genauso fatal wäre es meiner Ansicht nach aber, die wichtige Grup- pe der Leitenden Ärzte vollständig aus der wirtschaftlichen Verantwor- tung zu entlassen. In dieser Hinsicht weisen die Anfang Mai publizierten gemeinsamen Empfehlungen von Deutscher Krankenhausgesellschaft und Bundesärztekammer in die richtige Richtung. Sie erlauben finanziel- le Anreize, schließen sie aber für einzelne Leistungen aus.

Zielvereinbarungen sind insgesamt nur dann wirklich sinnvoll, wenn sie finanzielle, inhaltliche und andere Ziele intelligent kombinieren. Zu diesen Faktoren zählt auch die Qualität der Versorgung, die manchmal

eine viel zu geringe Rolle in den Vereinbarungen spielt. Dabei sind es gerade die Folgen einer mangelhaften Behandlung, die längere Liegezeiten der Patienten verursachen und damit nicht nur diesen schaden, sondern auch die Krankenhäuser teuer zu stehen kommen. Hier sollte der Gesundheitssektor von der In- dustrie lernen. Ihr Beispiel zeigt, dass Ziele zur Produkt- und Dienst- leistungsqualität perspektivisch mindestens genauso wichtig sind wie

finanzielle Aspekte. JF

FRAGE DER WOCHE

Dr. med. Peter Windeck, Geschäftsführer der Rochus Mummert Healthcare

AN . . .

Consulting GmbH in Hannover

Ziele intelligent kombinieren

Kündigung zum Beispiel insbeson- dere erfolgen kann bei Kirchenaus- tritt, beim öffentlichen Eintreten gegen tragende Grundsätze der ka- tholischen Kirche (beispielsweise hinsichtlich der Abtreibung) oder

bei Abschluss einer nach Kirchen- recht ungültigen Ehe, wie einer Wiederheirat.

Diese Regelungen bedeuten, dass die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre für alle Mitarbeiter katholischer Einrichtun- gen gelten. Bei leitenden Mitarbei- tern, etwa auch in Krankenhäusern, wird weiterhin auch außerhalb dienst- licher Belange das persönliche Le- benszeugnis im Sinne der kirchlichen Anschauungen gefordert.

Sowohl das Bundesverfassungs- gericht als auch das Bundesarbeits-

gericht (BAG) erkennen das Selbst- bestimmungsrecht der katholischen Kirche im Sinne der GrO in stän- diger Rechtsprechung an. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung vom 25. April 2013 (Az.: 2 AZR 579/12) festgestellt, dass der Austritt aus der Kirche die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt. Verstöße gegen die Anschau- ungen der Kirche im dienstlichen Bereich, zum Beispiel die Verord- nung der „Pille danach“oder Ab- treibungen, führen im ärztlichen Bereich ebenfalls zu berechtigten Kündigungen.

Differenzierter ist die arbeits- rechtliche Situation von beschäf- tigtenÄrzten im außerdienstlichen, das heißt im privaten Bereich. Bei einer Wiederheirat eines Arztes kommt im Regelfall eine Kündi- gung nur dann in Betracht, wenn es sich um einen leitenden Mitarbei- ter im Sinne des Artikel 4 Absatz 1

der GrO handelt. Dies hat das BAG in seinem Urteil vom 8. Sep- tember 2011, Az.: 2 AZR 543/10, bestätigt. Gleichwohl hatte die Kündigung in diesem Fall keinen Erfolg, weil das Gericht im Rah- men der Interessenabwägung be- rücksichtigte, dass der kirchliche Trägerüber Jahre das ehelose Zu- sammenleben des Chefarztes bean- standungslos hingenommen hatte.

Bei jeder Kündigung wegen ei- nes Loyalitätsverstoßes ist zu be- achten, dass der kirchliche Träger zunächst durch eine Beratung ver- suchen muss, dass die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter den Mangel auf Dauer beseitigt. Gegebenenfalls sind auch eine Abmahnung, ein for- meller Verweis oder andere Maß- nahmen (zum Beispiel eine Ver- setzung oder eine Änderungskün- digung) als milderes Mittel in Betracht zu ziehen.

Manfred Beden Fachanwalt für Arbeitsrecht, Lehrbeauftragter der Fachhochschule Köln, Hille Beden Rechtsanwälte, Köln

Verletzt der in einer katholischen Klinik

tätige Arzt die Loyalitätspflichten, muss er mit Sanktionen bis zur Kündigung rechnen.

4 Deutsches Ärzteblatt I Heft 25 I 21. Juni 2013

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