Bayern unterstützt die Koalition
Wer vom Norden in den letzten vierzehn Tagen nach Bayern reiste, war doch überrascht, wie sehr der plötzliche Tod von Franz Josef Strauß die Bayern bewegte, selbst über die politischen Grenzen hin- weg. Auch der 41. Bayerische Ärz- tetag, der von Freitag, den 7. Okto- ber, bis Sonntag, den 9. Oktober, in Nürnberg stattfand, stand merklich unter dem Eindruck der „aktuellen Ereignisse", um einen in jenen Ta- gen in Bayern häufig gehörten Aus- druck zu zitieren. Die Eröffnung des Ärztetages, für den Freitag geplant, wurde wegen der Trauerfeiern in München verschoben. Zur Stunde der Beisetzung, am Samstag, unter- brach der Ärztetag seine Beratun- gen mit einer Schweigeminute. Bei der dann unprogrammgemäß an den Schluß des Ärztetages gesetzten öf- fentlichen Veranstaltung am Sonn- tag würdigte der Präsident der Baye- rischen Landesärztekammer, Sena- tor Professor Dr. Dr. h. c..Hans Joa- chim Sewering, Strauß als Landesva- ter und als einen der bedeutendsten Politiker der deutschen Nachkriegs- geschichte.
Verbesserung zugunsten der Ärzte
Gleichwohl, der 41. Bayerische Ärztetag hatte wie alljährlich seine politischen Höhepunkte. Bundespo- litisch interessant ist vor allem die in Nürnberg getroffene Bewertung der in Bonn anstehenden „Gesundheits- reform". Der Bayerische Staatsmi- nister für Arbeit und Sozialordnung, Dr. Gebhard Glück, setzte sich aus- führlich mit der Gesetzesvorlage und mit der Kritik daran auseinan- der. Glück ließ deutlich erkennen, daß das Gesundheits-Reformgesetz der Koalition nach dem Stand, der jetzt in Bonn ausgehandelt ist, von der Bayerischen Staatsregierung wie von der CSU getragen wird. Seiner Meinung nach verdient „die Re- form, bei aller verständlichen Kritik im Detail, eine zufriedenstellende, vielleicht eine noch zufriedenstellen- de Note".
Glück erinnerte an die Kosten- entwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung und machte die bekannte Rechnung mit den Lohnnebenkosten auf (hierbei spä- ter von Sewering korrigiert: die Krankenversicherungsbeiträge spiel- ten mit einem Anteil von 12 Prozent nur eine geringe Rolle). Ausführlich setzte sich Glück mit den Alternati- ven zur Reform auseinander; er empfahl den Ärzten, wenn sie das Konzept der Koalition kritisierten, ebenfalls zu vergleichen. Laut Glück ist die „reine freiheitliche Lehre"
für das Gesundheitswesen nicht ge- eignet, weil unsolidarisch. Lösungen ä la „Gesundheitssowjet" (Glück) lehnt die CSU ohnehin ab. Glück sprach in diesem Zusammenhang das SPD-Konzept an, demzufolge regionale Gesundheitskonferenzen die gesundheitliche Versorgung re- geln sollen (vgl. dazu auch Heft 37).
Der Gesetzentwurf nach letztem Stand enthalte erhebliche Verbesse- rungen im Interesse der Ärzte. Die- se seien gerade auch der Bayeri- schen Staatsregierung und der CSU zu verdanken. Glück hob in diesem Zusammenhang „eine ganze Reihe von sehr sachlichen Gesprächen`
Professor Sewering hervor.
Nachdrücklich wandte er sich gegen den Vorwurf, das Gesundheits-Re- formgesetz sei ein reines Kosten- dämpfungsgesetz.
Im Gegensatz zu Staatsminister Glück stand die Kritik am Gesund- heits-Reformgesetz, die der Präsi- dent der Bundesärztekammer, Dr.
Karsten Vilmar, vortrug. Vilmar be- mängelte einmal mehr, daß mit der
„Gesundheitsreform" die eigent- lichen Probleme, resultierend aus Medizinfortschritt und Demogra- phie, nicht angegangen würden. Er kritisierte die Vielzahl bürokrati- scher Auflagen und bezeichnete das Gesetz insgesamt als einen „politi- schen Kunstfehler" , vergleichbar der verfehlten Bildungspolitik.
Die Bewertung
des Gesund-
heits-Reformgesetzes durch Mini- ster Glück wurde vom Präsidenten der Bayerischen Landesärztekam-mer hingegen im wesentlichen ge- teilt. Kritisch äußerte sich Sewering freilich zu der nach wie vor im Ge- setzesentwurf enthaltenen Passage, nach der bei ärztlichen Verordnun- gen eine auf simile-Regelung zuläs- sig sein darf. Danach kann der Arzt auf dem Rezept dem Apotheker freistellen, unter den Markenpräpa- raten und Generika das Passende auszuwählen. Sewering betonte da- gegen, der Arzt müsse die volle Ver- antwortung für die Verordnung be- halten.
Vor 50 Jahren . . .
Zum Abschluß des 41. Bayeri- schen Ärztetages gedachte Sewering des 50. Jahrestages der Vertreibung jüdischer Ärztinnen und Ärzte aus dem ärztlichen Beruf: im Herbst 1938 wurde ihnen die ärztliche Ap- probation entzogen; einige konnten auswandern, viele fanden den Tod.
Professor Sewering rief vor dem sichtlich bewegten Publikum dazu auf, diese „dunklen und grausamen Jahre" niemals zu vergessen. Er er- innerte aber auch daran, daß in un- serem Lande nach dem Zusammen- bruch die „richtigen Konsequen- zen" gezogen wurden: Vor 40 Jah- ren, 1948, tagte in Herrenchiemsee der Verfassungskonvent, der die Grundlage für ein demokratisches, rechtsstaatlichen Prinzipien ver- pflichtetes Gemeinwesen legte.
Der Präsident der Bayerischen Ärztekammer mahnte, mit Blick in die Vergangenheit und in die Zu- kunft: „Die ärztliche Aufgabe darf nur sein: heilen und helfen." Profes- sor Sewering schloß mit einem Zitat aus dem Gelöbnis, mit dem die Be- rufsordnung beginnt: „Ich werde mit allen meinen Kräften die Ehre und die edle Überlieferung des ärzt- lichen Berufes aufrecht erhalten und bei der Ausübung meiner ärztlichen Pflichten keinen Unterschied ma- chen, weder nach Religion, Nationa- lität, Rasse, noch nach Parteizuge- hörigkeit oder sozialer Stellung. Ich werde jedem Menschenleben von der