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Archiv "Derzeitige Methoden bei der postkoitalen Kontrazeption" (29.04.1994)

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MEDIZIN ZUR FORTBILDUNG

Derzeitige Methoden

bei der postkoitalen Kontrazeption

Bei der postkoitalen Kontrazeption handelt es sich nicht um eine übliche Ver- hütungsmethode wegen der noch nicht erfolgten Nidation der Blastozyste, aber auch nicht um eine Abruptio. Im Notfall kann eine Anwendung nach Ver- kehr ohne Kontrazeptionsschutz, bei befürchtetem Versagen einer benutzten Methode sowie nach Vergewaltigung erfolgen. Die alleinige Gabe von Östro- genen oder Gestagenen wird wegen hoher Nebenwirkungsraten nicht mehr empfohlen, so daß entweder zu einem Kombinationspräparat („Pille danach", Tetragynon®) oder einem IUP („Spirale") geraten werden kann. Beide Mög- lichkeiten sind sehr wirksam (Versagerquote kaum über ein Prozent) bei ak- zeptabel erscheinenden Nebenwirkungen. Angesichts der hohen Zahl an Schwangerschaftsabbrüchen sollte bei der allgemeinen Kontrazeptionsbera- tung ein Hinweis auf postkoitale Notfallmethoden nicht fehlen.

Jens Wessel Ulrich Büscher

A

uch im Deutschen Ärzteblatt hat Retzlaff (16) darauf hin- gewiesen, daß sich die An- wendung der umstrittenen Substanz RU 486 nicht nur auf die Alternative zu herkömmlichen ope- rativen Methoden des Schwanger- schaftsabbruches beschränkt. Auf- grund ihres breiten Wirkungsspek- trums sind Antigestagene beispiels- weise als postkoitale Notfallmethode und ferner zur sogenannten Men- struationsregulierung einsetzbar.

Nach Literatur-Mitteilungen (5, 23) ist Mifepriston (RU 486) eine effek- tiv wirksame „Pille danach", zudem mit geringeren Nebenwirkungen.

Wegen der bekannten Problematik sind derzeit in Deutschland keine ei- genen klinischen Erfahrungen mit dieser Substanz für die Fertilitäts- kontrolle zu sammeln.

Ebenso wie Lauritzen (11) hat Retzlaff den nicht ausreichenden Kenntnisstand bei Ärzten hinsicht- lich der derzeitigen postkoitalen Not- fallmethoden betont. Im folgenden werden die gegenwärtigen Möglich- keiten, ihre Anwendungsweise sowie

Universitäts-Frauenklinik Charlottenburg (Geschäftsf. Dir.: Prof. Dr. med. Werner Lichtenegger) der Freien Universität Berlin

die jeweils zu beachtenden Modalitä- ten beschrieben.

Die postkoitale Kontrazeption wirkt im Zeitraum zwischen Befruch- tung der Oozyte und Nidation der Blastozyste (6. bis 7. Tag nach Ovula- tion) (3). Bei dieser auch als „Inter- zeption" bezeichneten Methode han- delt es sich weder um eine übliche Kontrazeption noch um eine Inter- ruptio (wegen der noch nicht erfolg- ten Einnistung). Als Indikationen gelten: Verkehr ohne Kontrazepti- onsschutz, vor allem nach allerersten

Methoden der postkoitalen Kontrazeption

Generell werden hormonale Me- thoden*) und ein mechanisches Ver- fahren angewandt.

1. Alleinige Östrogengabe Folgende Schemata wurden vor- geschlagen:

— Diethylstilböstrol (DES):

50 mg/die an 5 Tagen

—Ethinylestradiol (EE):

5 mg/die an 5 Tagen

— konjugierte Östrogene:

10 mg/die an 5 bis 6 Tagen.

sexuellen Kontakten, Mißgeschicke beziehungsweise befürchtetes Versa- gen einer benutzten Methode (Kon- domunfall, vergessene Pille, dislo- ziertes Diaphragma) sowie nach Ver- gewaltigung. Das Risiko des Eintre- tens einer Schwangerschaft nach un- geschütztem Verkehr ist vom Zyklus- zeitpunkt abhängig und beträgt etwa 2 bis 4 Prozent nach Verkehr an ir- gendeinem Zyklustag, für die peri- ovulatorische Phase liegt es jedoch bei ungefähr 20 bis 30 Prozent (1, 13, 28).

Bei diesen ausgesprochen hoch- dosierten Östrogengaben (sogenann- ter ,Östrogenstoß`) entspricht etwa die Gesamtmenge an EE derjenigen einer ungefähr dreijährigen Anwen- dungsdauer bei Einnahme einer so- genannten Mikropille (30 .tg EE/

die). DES, vormals in den USA zur Abortprophylaxe eingesetzt, ist we- gen der bekannten Risiken obsolet (unter anderem vaginale Adenose beziehungsweise Adenokarzinom der Scheide und Zervix bei Töchtern

*) Auf die Darstellung der postkoitalen An- wendung von Danazol (3, 22) wird hier ver- zichtet, da nach unserem Wissen ein solcher Gebrauch in Deutschland kaum erfolgt.

A-1220 (48) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 17, 29. April 1994

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MEDIZIN

nach Therapie der Mutter). Auf- grund umfangreicher Nebenwirkun- gen (11 Prozent Menorrhagie, 23 Prozent Mastodynie, 78 Prozent Übelkeit/Erbrechen) sollte die allei- nige Östrogengabe heute nicht mehr erfolgen, trotz sicherer Wirksamkeit (nur 0,7 Prozent Mißerfolgsquote).

Zudem wurde bei Versagen über ei- ne zehnprozentige Rate an Extraute- ringraviditäten berichtet (Verlangsa- mung des Oozyten-Transportes in der Tube) (6, 7, 10, 28).

2. Alleinige Gestagengabe Aus dieser umfangreichen Stero- idgruppe wurde überwiegend das Norgestrel in unterschiedlichen ein- maligen Dosen zwischen 0,150 mg und 1,0 mg angewandt. Die Einnah- me sollte beispielsweise innerhalb von drei Stunden postkoital erfolgen.

Aber auch mehrmalige Anwendun- gen pro Zyklus wurden beschrieben bei Einnahmeintervallen von bis zu acht Stunden postkoital mit 24stündi- ger Wiederholung. Die Wirkungswei- se wird in einer Veränderung des Endometriums mit nachfolgender Implantationsstörung gesehen. Mit steigender Dosis erhöht sich die Zu- verlässigkeit (im ungünstigsten Fall etwa ein Prozent für 1 mg Levonor- gestrel). Versager beruhen normaler- weise auf einer falschen Anwendung.

Über meist nicht sehr ausgeprägte Nebenwirkungen wie Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit, Mastody- nie wurde in unterschiedlicher Häu- figkeit berichtet (0 Prozent bis über 50 Prozent, durchschnittlich etwa 20 Prozent). Mögliche unvorhersehbare Zyklusstörungen wie etwa Zwischen- blutungen, verkürzte oder verlänger- te Zyklusdauer, Metrorrhagien schränken eine breitere Anwendung ein und lassen diese Methode, zu- mindest in unseren Breiten, als nicht sehr empfehlenswert erscheinen (8, 17, 26, 28).

3. Kombinierte Östrogen- Gestagen-Gabe

Erstmalig hat Yuzpe 1977 eine Kombination von 200 tg EE und 2 mg DL-Norgestrel als Notfallmetho- de angegeben (29). Seit 1985 steht mit einem Kombinationspräparat aus Levonorgestrel und Ethinylestradiol (Tetragynon®) ein rezeptierbares

ZUR FORTBILDUNG

Mittel zur Verfügung. Bei dem oben- genannten Produkt enthalten die ins- gesamt vier Tabletten jeweils 50 ug EE und 0,250 mg D-Norgestrel (Le- vonorgestrel), so daß sich eine Ge- samtmenge von 200 u.g EE und 1,0 mg Levonorgestrel ergibt. Neben der Dosisreduktion (Faktor 125 im Ver- gleich zur alleinigen EE-Gabe: 0,2 mg versus 25 mg) ist als weiterer Vor- teil die wesentlich kürzere Therapie- dauer zu nennen (zwölf Stunden ver- sus fünf Tage). Die Einnahme erfolgt in zwei Dosen zu je zwei Tabletten:

Die ersten beiden werden 48 (bis spätestens 72) Stunden nach dem un- geschützten Verkehr eingenommen, die zweite Dosis von ebenfalls zwei Tabletten zehn bis zwölf Stunden da- nach. Die Methode ist einmal pro Zyklus anwendbar, für die weitere Zyklusdauer sind gegebenenfalls andere Kontrazeptiva zu verwenden (zum Beispiel Kondom, Dia- phragma).

Die Wirkungsweise wird in einer Dysfunktion des Corpus luteum, ei- ner asynchronen Entwicklung von Endometrium und Stroma sowie in einer Beeinflussung des tubaren Oo- zyten-Transportes gesehen, bei peri- ovulatorischer Einnahme ferner in einer Ovulationsstörung. Das Eintre- ten einer ektopen Gravidität nach postkoitaler Ostrogen-Gestagen- Kombinationstherapie gilt als ausge- sprochene Rarität: im Schrifttum wurde lediglich ein einziger derarti- ger Fall berichtet (9), und zwar bei Zustand nach prädisponierender Ad- nexitis. Von einem kausalen Zusam- menhang zwischen Extrauteringravi- dität und der Kombinationstherapie wird daher nicht ausgegangen (31).

Die Sicherheit wird mit etwa 98 bis 99 Prozent angegeben (in verglei- chenden Untersuchungen fanden sich allerdings Mißerfolge von 0 bis 7,4 Prozent). Die Versagerquote ist um so geringer, je eher mit der The- rapie begonnen wird. Faustregel bei sachgemäßer Anwendung: Mißerfol- ge übersteigen die Rate von einem Prozent kaum. Diese Methode kann daher als relativ verläßlich einge- schätzt werden.

Für etwa 50 Prozent der Anwen- derinnen werden keine, für 40 bis 50 Prozent geringe bis mäßige Neben- wirkungen angegeben: meist Übel-

keit, sporadisch Erbrechen. Kopf- schmerzen, Schwindel, abdominale Beschwerden treten, wenn über- haupt, nur vereinzelt auf (im Einzel- fall mit stärkerer Ausprägung). Zy- klusstörungen sind gleichfalls selten und vor allem vom Einnahmezeit- punkt in Bezug zum Ovulationster- min abhängig. Diese Relation be- stimmt primär auch den Beginn der nächsten Menstruationsblutung.

Trotz gewisser Schwankungen tritt im Mittel bei präovulatorischer Ap- plikation die nächste Menses sieben Tage früher ein, bei peri- oder post- ovulatorischer Einnahme etwa zum erwarteten Termin (gilt nur für regel- mäßige 28tägige Zyklen). Da zu rund 98 Prozent die nächste Blutung in- nerhalb der folgenden 21 Tage be- ginnt, ist im Falle einer längeren Amenorrhoe das Eintreten einer Gravidität auszuschließen.

Die Kontraindikationen entspre- chen denen aller anderen Östrogen- Gestagen-Kombinationen. Für den Fall des Versagens gibt es keine spe- ziellen Daten, die fruchtschädigende Wirkungen eindeutig ausschließen.

Auf Grund der umfangreichen Er- fahrungen mit oralen Kontrazeptiva kann aber geschlossen werden, daß die genannten Dosen zu einem so frühen Zeitpunkt nicht teratogen wirken. Zwar ist aus Tierversuchen die Teratogenität von Östrogenen bekannt Da sie postkoital nur wäh- rend des Blastozystenstadiums, nicht während der Organogenese ange- wendet werden, dürften sie im Falle des Versagens trotz zeitlich richtiger Anwendung keine Gefahr darstellen.

Es sei deutlich betont, daß bei dieser Methode nicht, wie häufig be- fürchtet wird, extrem hohe Hormon- dosen eingenommen werden („Hor- monhammer"), sondern lediglich die äquivalente Menge von vier Tablet- ten häufig benutzter oraler Kontra- zeptiva (zum Beispiel Neogynon oder Stediril-d®) (4, 6, 10, 15, 22, 28, 29, 30).

4. Postkoitale IUP-Einlage Mit der „Spirale" wird im übli- chen Kontrazeptionsgebrauch eine Nidation verhindert. Folgerichtig wurde diese Methode auch postkoital angewandt, wie 1976 erstmalig von Lippes und Tantum beschrieben.

A-1222 (50) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 17, 29. April 1994

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MEDIZIN

Van Santen und Haspels (Utrecht) haben über eine durchaus routine- mäßige postkoitale IUP-Insertion be- richtet und auf eigene beziehungs- weise in der Literatur mitgeteilte grö- ßere Fallzahlen verwiesen (18). Ver- gleichbare Anwendungserfahrungen dürften in Deutschland relativ selten sein.

Die Wirksamkeit einer postkoi- tal eingelegten Spirale muß als aus- gesprochen gut beurteilt werden, da bei mehreren hundert Frauen keine einzige Schwangerschaft eintrat.

Beim Wirkungsmechanismus spielen zum einen ein blastozider Effekt ei- ner transienten bakteriellen Infekti- on des Ulteruscavum durch die Inser- tion, zum anderen Kupferionen ent- sprechend beschichteter Spiralen ei- ne entscheidende Rolle (hohe Kon- zentrationen unmittelbar nach Einla- ge mit lokal multifaktorieller Nidati- onsverhinderung durch Veränderun- gen uteriner Sekrete und Verstär- kung der Fremdkörperreaktion). Da- her sollten in erster Linie solche Mo- delle bevorzugt werden. Van Santen und Haspels favorisieren das MLCu 375-IUP (geringere Ausstoßungsra- ten, höherer Kupfergehalt).

Als Vorteile sind zu nennen:

IUP-Einlage bis zu fünf Tagen nach ungeschütztem Verkehr möglich, gu- te Fortsetzungschancen zur längerfri- stigen Kontrazeption, Alternative bei echten Kontraindikationen der hor- monellen Therapie (beispielsweise Mamma-Karzinom, Leberkrankhei- ten, frühere Thrombosen).

Von Nachteil ist die zum Teil er- heblich erschwerte postkoitale Einla- ge im Vergleich zum normalen men- struellen Einlagetermin, da der Zer- vikalkanal empfindlicher und weni- ger weit ist. Bei Frauen mit vorheri- gen Geburten wird allerdings eine problemlose postkoitale Einlage be- schrieben. Dagegen kann diese Pro- zedur bei nulligraviden Frauen durchaus häufiger schmerzhaft sein mit gelegentlich gewissen Gefahren, etwa durch Auftreten von Synkopen auf Grund vagaler Reflexe mit Ge- fahr eines Herzstillstandes. Zur Schmerzausschaltung und zur Ver- meidung einer Bradykardie bezie- hungsweise Hypotonie wird daher ei- ne parazervikale Lokalanästhesie (gegebenenfalls zusätzliche Atropin-

ZUR FORTBILDUNG

Gabe) oder auch die Instillation von 1 ml oder mehr einer vierprozentigen Lidocain-Lösung in das Uteruscavum empfohlen.

Zu berücksichtigen ist ferner ein mögliches erhöhtes Adnexitisrisiko nach IUP-Einlage, insbesondere bei nulliparen Frauen (sorgfältige Auf- klärung). Als spezielles Risiko gilt die rheumatische Endokarditis: hier muß eine Antibiotikum-Prophylaxe erfolgen. Echte Kontraindikationen sind eine bestehende Schwanger- schaft und eine (latente) genitale In- fektion. Extrauterin-Graviditäten nach postkoitaler Anwendung wur- den bisher nicht berichtet (4, 6, 12, 14, 18, 19, 21, 28).

Procedere der postkoitalen Kontrazeption

Wird eine Notfallmethode ge- wünscht, ist eine Anamnese zu Zy- klusdauer, -tag und Zeitpunkt des ungeschützten Verkehrs unerläßlich, um die Notwendigkeit einer derarti- gen Therapie abzuschätzen. Neben einer gynäkologischen Untersuchung (einschließlich Blutdruckmessung, gegebenenfalls Fluordiagnostik) sind gezielt Kontraindikationen zu erfra- gen. Da eine Frühgravidität eine ech- te Gegenanzeige darstellt, empfiehlt sich ein Schwangerschaftstest. Über die Methoden und Nebenwirkungen ist sorgfältig aufzuklären, der Hin- weis auf einen eventuellen Mißerfolg sollte nicht fehlen. Ebenso empfiehlt sich eine Kontrolluntersuchung zwei bis vier Wochen nach Anwendung.

Von den beschriebenen Mög- lichkeiten kommen eigentlich nur die

„Pille danach" (Tetragynon®) sowie das IUP in Frage (in Einzelfällen eventuell eine Norgestrelgabe). Wel- che Methode letztlich angewandt wird, hängt vom behandelnden Arzt und den Wünschen der Patientin ab.

Nach ungeschütztem Verkehr inner- halb der letzten 48 (bis maximal 72) Stunden kann bei Nulliparae eher zu einer hormonellen Behandlung gera- ten werden. Insbesondere bei Frauen nach Geburten erscheint das IUP durchaus als gleichberechtigte Alter- native mit dem Vorteil einer langfri-

stigen Anwendung. Liegt der Ver- kehr länger zurück, bleibt ohnehin nur diese Methode. Kommt es kurze Zeit nach Einnahme der ersten oder zweiten Dosis von Tetragynon® zum seltenen Erbrechen (zum Beispiel in- nerhalb von zwei Stunden), sollte die Situation mit der Patientin erneut besprochen werden (entweder Folge- rezept mit nochmaliger Einnahme oder IUP-Anwendung).

Abschließende Bemerkungen

Bei etwa 200 000 Schwanger- schaftsabbrüchen pro Jahr in Deutschland (27, 1992) ist eine um- fassende Kontrazeptionsberatung weiterhin eine vordringliche ärztliche Aufgabe. Aufgrund der Effektivität bei vertretbar erscheinenden Neben- wirkungen sollte auch auf Postkoital- methoden hingewiesen werden, da weit vor einer möglichen Abruptio- Entscheidung das Eintreten einer unerwünschten Schwangerschaft ver- hindert werden kann. Diese Methode ist allerdings nicht unumstritten.

Nochmals ist zu unterstreichen, daß die postkoitale Kontrazeption vor der Nidation der befruchteten Eizelle wirkt, also zu einem Zeitpunkt, an dem in keiner Weise — in deutlichem Gegensatz zur Abruptio — die Ent- wicklungschancen einer eventuell be- fruchteten Eizelle vorhersehbar sind.

Unter natürlichen Reproduktionsbe- dingungen gilt, daß nach Fertilisation etwa 50 Prozent der Eizellen spontan degenerieren (2) und meist unbe- merkt zugrunde gehen.

Es sollen aber auch Vorbehalte gegenüber der postkoitalen Kontra- zeption nicht unerwähnt bleiben. So sind die Apotheker in Deutschland verpflichtet, bei Vorlage eines Re- zeptes ein vom Arzt verordnetes Me- dikament abzugeben. Die — unseres Wissens einzige — Ausnahme betrifft die „Pille danach": Hier müsse inso- fern eine Gewissensentscheidung möglich sein, daß von Seiten des Apothekers die Berechtigung be- steht, die Belieferung dieses Rezep- tes dann zu verweigern, wenn die Ab- gabe dieses Medikamentes nicht mit dem Gewissen zu vereinbaren ist (20). Da aber auch jede übliche IUP-

Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 17, 29. April 1994 (51) A-1223

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MEDIZIN

Anwendung im Grunde auf densel- ben Wirkmechanismus abzielt (Ver- hinderung der Nidation), wäre eine vergleichbare generelle Handhabung eigentlich konsequent!

Welche weiteren Bedenken könnten einer eher ablehnenden Haltung gegenüber der postkoitalen Kontrazeption zugrunde liegen?

Möglicherweise wird vermutet, daß Frauen (Paare!) mit dem Wunsch nach einer solchen Methode allge- mein leichtfertig und nachlässig mit Fragen der Kontrazeption umgehen.

Eigene Untersuchungen haben indes gezeigt, daß in fast 80 Prozent das be-

ZUR FORTBILDUNG / DISKUSSION

fürchtete Versagen einer tatsächlich angewandten Methode die Hauptrol- le spielt (60 bis 70 Prozent „Kondom- unfälle"), lediglich 21 Prozent hatten kein Kontrazeptivum benutzt (24, 25).

Die Tatsache, in einer solchen Situation um ärztlichen Rat nachzu- fragen und gerade nicht eine mögli- che spätere Abruptio zu erwägen, unterstreicht eigentlich deutlich ei- nen verantwortungsvollen Umgang mit Sexualität und Verhütung. Die- ser immer wieder geforderte Impetus sollte daher nicht konterkariert wer- den!

Deutsches Xrzteblatt

91 (1994) A-1220-1224 [Heft 17]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. U. Büscher Universitäts-Frauenklinik Charlottenburg

Pulsstraße 4, 14059 Berlin

Karotis-Thrombendarteriektomie

1 Optimistisch-

pessimistische Prognosen Der Optimist sieht das Glas halb voll, der Pessimist dasselbe halb leer.

Nach der Karotisdesobliteration wa- ren innerhalb von drei Jahren 94 Pro- zent der operierten Patienten mit hochgradiger, symptomatischer Ka- rotisstenose frei von schweren oder tödlichen Schlaganfällen gegenüber 89 Prozent der medikamentös behan- delten Patienten, was einer Risiko- minderung um etwa die Hälfte ent- spricht. Diese Zahlen bedeuten aber auch, daß 95 Prozent der Patienten bezüglich der Vermeidung von schweren oder tödlichen Schlaganfäl- len innerhalb von drei Jahren vergeb- lich operiert wurden: 89 Prozent hät- ten ihn auch unter medikamentöser Therapie nicht erlitten, und sechs Prozent erlitten ihn trotz der bezie- hungsweise durch die Therapie.

Dr. med. Peter Grooterhorst Arzt für Innere Medizin Rüttenscheider Straße 244 45131 Essen

2 Beabsichtigte Herabwürdigung

Bereits der Untertitel: „Wirk- samkeitsnachweis bei symptomati- schen hochgradigen Stenosen" zeigt

Zu dem Beitrag von Dr. med. Günter Krämer et a1.

in Heft 47/1992

eine offensichtliche Intention dieses Beitrages. Es wurde nicht ein „Wirk- samkeitsnachweis" der Karotis- Thrombendarteriektomie (TEA) zur Schlaganfallprophylaxe bei hochgra- digen Karotisstenosen erbracht, son- dern eine eindeutige Überlegenheit über die medikamentöse Therapie.

Diese Intention zur Herabwürdi- gung der Wertigkeit einer äußerst er- folgreichen Operationsmethode wird den ganzen Artikel über durchgehal- ten: Nachgewiesen wurde in der Eu- ropäischen ECST-Studie bei einem dreijährigen Nachuntersuchungszeit- raum eine Schlaganfallhäufigkeit von 1,1 Prozent bei den an der A. carotis operierten und medikamentös be- handelten Patienten sowie von 8,4 Prozent in der ausschließlich medika- mentös behandelten Gruppe (bezo- gen auf die auf der operierten Seite auftretenden Ischämien). Dieser Un- terschied ergab sich, obwohl nach den Einschlußkriterien der ECST-

Studie bereits alle Patienten vorher ausgeschlossen und operiert worden waren, die mit ausreichender Sicher- heit von einer Operation profitieren würden.

In der amerikanischen NAS- CET-Studie betrug das Schlaganfall- risiko während der zweijährigen Nachbeobachtungsphase 9 Prozent nach Karotis-TEA und medikamen- töser Behandlung sowie 26 Prozent in der ausschließlich medikamentös behandelten Gruppe. Die Tendenz war bereits bei einer Zwischenanaly- se nach 18 Monaten so eindeutig (7 Prozent respektive 24 Prozent), daß danach Patienten mit Stenosen über

70 Prozent nicht mehr für die Studie rekrutiert wurden und die Randomi- sierung abgebrochen wurde.

In dem Beitrag wird der Versuch unternommen, diese eindeutigen Aussagen dadurch zu relativieren, daß auf die Behandlung auch leicht- gradiger Stenosen eingegangen wird.

Eine Indikation zu einer Karotis- TEA besteht aber primär nur bei hä- modynamisch wirksamen, symptoma- tischen Stenosen über 70 Prozent. Ei- ne zusätzliche Indikation bei weniger hochgradigen Stenosen kann sich nur bei arteriosklerotischen Ulzera der Karotisgabel, die zu rezidivierenden Mikroembolisationen führen bezie- hungsweise bei Kontralateralver- schlüssen ergeben. Die angegebene

A-1224 (52) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 17, 29. April 1994

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