Die ärztliche Vergütung in den neuen Bundesländern
Vilmar und Oesingmann beim Bundeskanzler KBV-Verhandlungen mit den ICassenverbänden
Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl hatte bei dem Gespräch, zu dem er am 27. September 1990 den Präsi- denten der Bundesärztekammer, Dr.
Karsten Vilmar, und den Vorsitzen- den der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung, Dr. Ulrich Oesingmann, empfing, verständlichervveise nicht in erster Linie Fragen der ärztlichen Vergütung im Sinn. Er hob indes in der Aussprache über aktuelle Pro- bleme des Gesundheitswesens, ins- besondere infolge der Anpassung der Versorgungsstruktur im verein- ten Deutschland, hervor, daß die ge- sundheitliche Versorgung der Bür- ger in den neuen Bundesländern so schnell wie möglich dem hervorra- genden Versorgungsniveau der bis- herigen Bundesrepublik angenähert werden müsse. Wie es in einem ge- meinsamen Kommuniqu des Bun- deskanzleramtes, der Bundesärzte- kammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung heißt, seien ne- ben der Krankenhaussanierung be- sonders die Umstrukturierung der ambulanten Versorgung und die Förderung der Niederlassung von Ärzten in eigener Praxis vorrangig.
Allerdings spielt die Vergü- tungsfrage bei dieser Aufgabenstel- lung, die von der Ärzteschaft als richtig und wichtig bewertet wird, ei- ne entscheidende Rolle. So machten die Vertreter der Ärzteschaft den Bundeskanzler besorgt auf mögliche (negative) Auswirkungen des Eini- gungsvertrages auf den gewünschten und notwendigen Anpassungsprozeß aufmerksam, insbesondere im Hin- blick auf die erforderlichen Investi- tionen und deren Finanzierung bei niederlassungswilligen Ärzten.
• Der Bundeskanzler wies in diesem Zusammenhang darauf hin, daß zur Förderung der Niederlas- sung das ERP-Kreditprogramm und das Eigenkapitalhilfeprogramm je-
weils mit beträchtlichen Mitteln zur Verfügung stehen. Außerdem erwar- te er, daß sich die (innerdeutschen) Lohnabstände in den nächsten Jah- ren deutlich verringern und deshalb auch die Kassenarzthonorare (in den neuen Bundesländern) wachsen wer- den.
Schließlich wurden auch die Probleme der Strukturqualität der medizinischen Versorgung angespro- chen, die sich aus den hohen Studen- ten- und Approbationszahlen in der Medizin und aus den Zugangsrege- lungen zur kassenärztlichen Versor- gung in der bisherigen Bundesrepu- blik ergeben. Das Gespräch, an dem auch die Hauptgeschäftsführer von Bundesärztekammer und Kassen- ärztlicher Bundesvereinigung, Pro- fessor Dr. Christoph Fuchs und Dr.
Rainer Hess, teilnahmen, verlief in aufgeschlossener Atmosphäre. Das Deutsche Ärzteblatt konnte bereits in einem Teil der Auflage von Heft 40 kurz darüber berichten.
Vertragliche Regelung für zugelassene ICassenärzte
Die Repräsentanten der Bun- desärztekammer und der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung haben sich auch bei den bis zum 3. Oktober zuständigen Instanzen der bisheri- gen DDR energisch dafür eingesetzt, daß die im Einigungsvertrag vorge- sehenen Vergütungsregelungen so- wohl für den kassenärztlichen als auch für den privatärztlichen Be- reich schnell verbessert werden. Wie Dr. Karsten Vilmar in einem Schrei- ben an einige Ärzte- und Zahnärzte- verbände in den neuen Bundeslän- dern noch einmal klarstellte, bezieht sich die ominöse Absenkung auf
„45% des Gebührensatzes" allein auf die „Amtliche Gebührenordnung
für Ärzte", die bundesamtlich aus- schließlich für die Privatliquidation außerhalb der gesetzlichen ICranken- versicherung und für wenige Kosten- träger (z. B. Unfallversicherung) gilt.
Für diesen Bereich wurde der Ärzte- schaft eine vierteljährliche Überprü- fung zugesagt, um eine schnelle Be- rücksichtigung der Einkommenssi- tuation auf dem Gebiet der DDR auch für den Bereich privatärztlicher Versorgung sicherzustellen.
Vereinbarung eines ange- messenen Punktwertes
Die Höhe der Vergütung ärztli- cher Leistungen in den neuen Bun- desländern muß jedenfalls dafür aus- reichen, die Kosten für die Miete, für Personal und den Erwerb moder- ner Geräte zu decken sowie den medizinisch-wissenschaftlichen An- forderungen bei der ambulanten Versorgung der Patienten gerecht zu werden. Diesen Gesichtspunkt ver- tritt auch die Kassenärztliche Bun- desvereinigung gegenüber den Spit- zenverbänden der gesetzlichen Krankenversicherung, mit denen sie Vergütungsregelungen für zugelas- sene Kassenärzte vertraglich zu ver- einbaren hat. Von seiten der Ärzte- schaft wird dabei die Vereinbarung eines angemessenen Punktwertes an- gestrebt, der jedenfalls in den neuen Ländern erheblich höher liegen muß als 45 Prozent des Punktwertes kas- senärztlicher Vergütungen in der bisherigen Bundesrepublik.
Die Kassenärztliche Bundesver- einigung wird zwar einen gewissen Abschlag für den Bereich der bishe- rigen DDR zunächst in Kauf neh- men müssen, geht aber — wie bei ei- nem Presseseminar in Berlin bekräf- tigt wurde — davon aus, daß auch bei den Krankenkassen Verständnis für die Forderung herrscht, Punktwerte in einer Höhe zu vereinbaren, die den auch politisch gewollten Anreiz für die Niederlassung in freier Praxis schafft und deren ausreichende Fi- nanzierung sichert. Auf dem Ver- handlungswege müßten dann im wei- teren Verlauf jeweils schnell und zü- gig Anpassungen an die fortschrei- tende wirtschaftliche Entwicklung erfolgen können. Prst/DA A-3094 (18) Dt. Ärztebl. 87, Heft 41, 11. Oktober 1990