A1952 Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 276. Juli 2007
P O L I T I K
sie auf die Finger, einem anderen Patienten boxte sie gegen den Arm.
Auch sei Irene B. in den letzten zwei Jahren „verbal-aggressiv“ aufgetre- ten. Eine jüngere Kollegin war als Zeugin einer körperlichen Attacke zur Stationsschwester gegangen.
Dort endete die Sache. Es gab nicht einmal ein Gespräch mit Irene B.
Monate später, Mitte August 2006, war es ein Pfleger, dem das Verhalten der Krankenschwester verdächtig vorkam. Irene B. stand damals am Bett eines 77-jährigen Patienten. Therapeutische Maßnah- men sollte es nicht mehr geben. Der Pfleger aber hörte, wie eine Ampul- le in den Mülleimer flog. Minuten später war der Mann tot. Wie ein Ermittler sicherte der Pfleger die leere Ampulle. Zu einem Vorgesetz- ten aber ging er nicht. „In unserem Beruf geht es darum, Leben zu ret- ten. Da schien es mir absurd, je- manden als Mörder zu verdächti- gen“, versuchte er sich als Zeuge zu rechtfertigen.
Heftige Kritik des Gerichts an der Klinik
Man redete über Irene B., aber kei- ner mit ihr. Ärzte erfuhren Ende September von einem Tötungsver- dacht. „In der Gesamtschau hatte es für mich die Priorität Gerücht“, er- klärte ein Oberarzt. Es dauerte sie- ben weitere Tage, bis der Klinikchef informiert wurde. Noch am selben Tag wurde Irene B. verhaftet. Drei der verurteilten Morde geschahen nach dem ersten Verdacht.
Heftig fiel die Kritik der Richter an der Klinik aus. Beobachtete Rup- pigkeiten in Wort und Tat, die ohne Konsequenzen blieben – „eine Ad- ministration, die das zulässt, macht sich mitschuldig und gegebenen- falls strafbar“, sagte Faust. „Die Protagonisten und Beobachter sind ungeeignet für ihre Arbeit und gehören entfernt.“ Das gelte auch für Kollegen der Angeklagten, die den ungeheuerlichen Tötungsver- dacht hegten und dennoch schwie- gen. Für „arbeitsrechtliche Beden- kenträgerei“ oder Angst vor unge- rechtfertigten Verdächtigungen sei kein Raum, wenn das Leben von Menschen auf dem Spiel stehe. n Kerstin Rebien
D
ie rund 6 500 Belegärzte in Deutschland müssen weiter auf eine leistungsgerechtere Be- zahlung warten. Zwar hatten sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Krankenkassen bereits im Februar auf eine neue Vergü- tungsregelung geeinigt, doch an- gesichts zäher Verhandlungen zwi- schen den Kassenärztlichen Vereini- gungen (KVen) und Krankenkassen kommt deren Umsetzung auf Lan- desebene nur schleppend voran.„Die Kassen tun sich mit der Um- setzung schwer“, beklagt der Vorsit- zende des Bundesverbandes der Be- legärzte (BDB), Dr. med. Klaus Schalkhäuser. Nach der Bundesemp- fehlung sollen für belegärztliche Leistungen rund 74 Millionen Euro mehr im Jahr zur Verfügung gestellt werden. Zudem wurde der Einheitli- che Bewertungsmaßstab (EBM) zum 1. April 2007 um ein Belegarztkapi- tel 36 ergänzt. Finanziert werden sollen die Leistungen außerhalb der budgetierten Gesamtvergütung (DÄ, Heft 9/2007).
Massive Einnahmeverluste
Weil die Verhandlungen zwischen Ärzten und Kassen ins Stocken ge- raten seien, müssten nun Schieds- ämter entscheiden, berichtet Schalk- häuser. Doch drängt die Zeit. Denn seit Einführung des EBM 2000plus klagen viele Belegärzte über Ein- nahmerückgänge. Besonders dra- matisch entwickelte sich die Lage in Niedersachsen. Dort kam es nach Angaben des Landesverbandes der Belegärzte zu Verlusten von bis zu 70 Prozent. Doch weil sich die Kas- sen sperrten, werde wohl auch in Niedersachsen das Schiedsamt an- gerufen werden müssen, sagt KV- Sprecher Detlef Haffke. In Hessen traf das Schiedsamt für den Bereich der AOK bereits eine Entscheidung.Danach werden die belegärztlichen
Leistungen nach EBM-Kapitel 36 mit 4,7 Cent und die sonstigen Leis- tungen mit 4,5 Cent extrabudgetär vergütet.
Regierung für EBM-Vergütung
Doch den monatelangen Streit in- nerhalb der Belegärzteschaft dürf- ten die bislang spärlichen Schieds- amtsentscheidungen nicht entschär- fen. Wegen der anhaltenden Hono- rarmisere wandten sich einzelne Gruppen von Belegärzten in verschie- denen Bundesländern von ihrem Bundesverband ab. Dahinter stecken unterschiedliche Ansichten, welcher Vergütungssystematik das Beleg- arztwesen unterliegen soll. Während Schalkhäuser auf den Verbleib im Kollektivvertrag der Vertragsärzte- schaft setzt, sehen andere ihr Heil im DRG-System der Krankenhäuser.So schloss der Bundesverband der Deutschen Chirurgen (BDC) im vergangenen Jahr einen Rahmen- vertrag mit dem Bundesverband Deutscher Privatkliniken, der Di- rektabrechnungen auf DRG-Basis vorsieht. Wegen der anhaltenden Unsicherheiten werde man daran festhalten, für Belegärzte außerhalb des KV-Systems eigenständige Ver- handlungsmöglichkeiten zu schaf- fen, sagt Dr. med. Jörg-Andreas Rüggeberg, Vizepräsident des BDC.
Doch stehen die Zeichen trotz schleppender Honorarverhandlun- gen auf einen Verbleib der Belegärz- te im KV-System. Mittlerweile set- ze auch die Regierung auf eine EBM-Lösung, berichtet Schalkhäu- ser mit Verweis auf ein Gespräch zwischen ihm und Vertretern des Bundesgesundheitsministeriums.
Dies könnte sich jedoch ändern, schränkt der BDB-Chef ein, wenn es nicht schnell zu befriedigenden Verhandlungsergebnissen zwischen KVen und Kassen komme. n Samir Rabbata