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Archiv "Epidemiologische Studie beim fliegenden Personal der Deutschen Lufthansa und der LTU" (23.12.2002)

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Academic year: 2022

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(1)

P

iloten und Kabinenpersonal von Flugzeugen sind einer Reihe von be- rufsspezifischen Belastungen ausge- setzt, deren Einfluss auf die Gesundheit bisher nur wenig in epidemiologischen Studien untersucht wurde. In den letzten Jahren nahm besonders das Interesse für die Wirkung der kosmischen Strahlung zu. Die Strahlenbelastung ist in üblichen Reiseflughöhen höher als die Belastung durch Hintergrundstrahlung auf der Er- de. Personengruppen, die durch ihren Beruf verstärkt natürlicher Strahlung ausgesetzt sind, sind nach der neuen Strahlenschutzverordnung als beruflich strahlenexponiert einzustufen. Einfluss auf die Gesundheit können daneben aber auch andere beruflich bedingte Faktoren wie magnetische Felder im Cockpit, unregelmäßige Arbeitszeiten und häufige Wechsel der Zeitzone (cir- cadian rhythm changes) sowie bis vor ei- nigen Jahren die Belastung durch Passiv- rauchen haben.

Über die kosmische Strahlenexpositi- on beim Fliegen liegen sowohl Daten

aus Messflügen als auch theoretische Berechnungen (18) vor. Die Strahlenex- position in einem Flugzeug hängt von der Flughöhe, der Flugroute und der So- laraktivität, also dem Flugdatum, ab.

Die jährliche Strahlenbelastung eines Crewmitgliedes beträgt etwa 2 bis 5 mSv, wenn man von einer jährlichen Ar- beitszeit von 600 bis 900 Flugstunden ausgeht. In Einzelfällen können 5 mSv überschritten werden, wenn die Zahl der Flugstunden groß ist und überwie- gend Atlantikflüge geflogen werden.

Demgegenüber liegt die jährliche durchschnittliche Strahlenbelastung aus natürlichen Quellen – ohne medizini- sche Exposition – in Deutschland im Be- völkerungsschnitt bei etwa 1 mSv.

Das durch diese Strahlenbelastung induzierte Krebsrisiko kann für das flie- gende Personal anhand von Modell- rechnungen aus Daten von großen epi-

demiologischen Studien bei Überleben- den der Atombombenabwürfe in Hiros- hima und Nagasaki und bei Mitarbei- tern in Kernkraftwerken extrapoliert werden (5). Allerdings bestehen eine Reihe von Unsicherheiten bei diesen Abschätzungen, da die effektive Strah- lendosis der kosmischen Strahlung – im Unterschied zur natürlichen Strahlung auf der Erde oder zur Strahlung nach dem Atombombenabwurf in Hiroshima und Nagasaki – zu etwa 50 Prozent auf Neutronen zurückzuführen ist. Es gibt keine epidemiologische Studie, in der das Krebsrisiko nach Neutronenbela- stung direkt untersucht wurde, obwohl Modellrechnungen vorliegen (11).

Beim fliegenden Personal wurden erst seit Anfang der 90er-Jahre epide- miologische Untersuchungen durchge- führt. Die meisten beziehen aber nur Piloten oder Cockpitpersonal, nicht das Kabinenpersonal, ein. Eine detail- lierte Beschreibung der Studien, die vor 1997 durchgeführt wurden, wurde im Deutschen Ärzteblatt (2) veröffent-

Epidemiologische Studie beim fliegenden Personal der

Deutschen Lufthansa und der LTU

Maria Blettner, Hajo Zeeb, Ingo Langner, Gaël P. Hammer

Zusammenfassung

Piloten und Kabinenpersonal sind berufsspezi- fischen Belastungen ausgesetzt, darunter der Exposition gegenüber kosmischer Strahlung.

In einer historischen Kohortenstudie wurden die Gesamtmortalität und ursachenspezifische Mortalitätsraten dieser Personengruppe unter- sucht. Die Studie umfasst Daten von mehr als 6 000 Piloten und Flugingenieuren sowie von mehr als 20 000 Flugbegleitern. 255 Mitglieder des Cockpitpersonals sowie 170 männliche und 141 weibliche Crewmitglieder sind zwischen 1960 und 1997 gestorben. Insgesamt ist in der Kohorte ein deutlicher „healthy worker“-Effekt zu beobachten. Das Risiko für Krebstodesfälle liegt geringfügig unter dem der Vergleichspo- pulation. Bemerkenswert ist die niedrige Mor- talität infolge Erkrankungen des Herz-Kreis- lauf-Systems. Wenngleich die Studie zu klein

ist, um für einzelne Tumorarten definitive Aus- sagen zu machen, und die Ergebnisse mit Vor- sicht zu interpretieren sind, findet man bisher keine Hinweise auf erhöhte Mortalitätsraten durch kosmische Strahlenbelastung. Ein weite- res Follow-up der Studie ist geplant.

Schlüsselwörter: Kohortenstudie, kosmische Strahlung, fliegendes Personal, Mortalität, Epi- demiologie

Summary

Epidemiologic Study of Flying Members of the German Airlines Lufthansa and LTU Airline pilots and cabin crew are exposed to ionisation radiation and other occupational factors that may influence their health status.

We performed a historical cohort study to in-

vestigate all-cause mortality as well as cause specific mortality in this occupational group.

The cohort includes data from some 6.000 pilots and 20.000 cabin crew members. 255 members of the cockpit crew, 170 male and 141 female crew members had died between 1960 and 1997. Overall a large healthy worker effect was seen, the risk for all cancer mortality is slightly lower than in the general population. We noticed a remarkable reduction of death relat- ed to cardiovascular diseases. Although the study is too small to give conclusive results for specific tumour locations and results should be interpreted with caution, there is no indica- tion for an increase in cancer mortality due to cosmic radiation. A further follow-up is antici- pated.

Key words: cohort study, cosmic radiation, flying personnel, mortality, epidemiology

AG Epidemiologie und Medizinische Statistik (Leiterin:

Prof. Dr. rer. nat. Maria Blettner), Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften

(2)

licht. Alle Studien zeigen einen deut- lichen „healthy worker“-Effekt, die Mortalität der Piloten ist also niedriger als die einer altersgleichen Gruppe der Allgemeinbevölkerung. Für das Kabi- nenpersonal lag 1997 lediglich eine fin- nische Studie vor, in der ein erhöhtes Brustkrebsrisiko beobachtet wurde.

Erst in neueren Studien wurden auch Krebsinzidenz und Mortalität von Ka- binenpersonal (9, 15, 16) untersucht.

Da eine ausreichend große Studie notwendig ist, um statistisch stabile Aussagen zum Krebsrisiko zu gewin- nen, kooperierten neun Länder in ei- nem von der EU geförderten epidemio- logischen Projekt. Es wurde eine Ko- hortenstudie durchgeführt, in

der Daten von circa 27 000 Pi- loten und 46 000 Mitgliedern des Kabinenpersonals ausge- wertet wurden. Die Studien- partner in Island, Norwegen, Schweden, Finnland, Däne- mark, Großbritannien, Nie- derlande, Italien, Griechen- land und Deutschland gingen nach einem gemeinsamen Studienprotokoll vor und lie- ferten ihre Daten an die ko- ordinierende deutsche Stu- diengruppe zur Auswertung.

Die gemeinsamen Ergebnisse werden Ende des Jahres 2002 vorliegen. Im Folgenden wer-

den die Methoden und Ergebnisse der deutschen Studie zusammengefasst.

Weitere Details sind in den beiden Ori- ginalpublikationen (4, 19) zu finden.

Historische Kohortenstudie

Kohorte

In Zusammenarbeit mit der Deut- schen Lufthansa und der LTU führten die Autoren eine historische Kohor- tenstudie durch. Die Studie umfasst al- le Personen, die zwischen 1953 und 1997 entweder im Cockpit (Piloten, Flugingenieure) oder in der Kabine (mindestens sechs Monate) beschäf- tigt waren. Daten von mehr als 6 000 Piloten und Flugingenieuren sowie von mehr als 20 000 Flugbegleitern wurden aus historischen und aktuellen

ser Personen sind mittlerweile nicht mehr im Flugdienst. Für das Kabinen- personal wurden Beginn und Ende der Beschäftigung beziehungsweise der Beschäftigungsperioden ermittelt. Für die Piloten konnten zusätzlich die jährlichen Flugstunden und der jewei- lige Flugzeugtyp erfasst werden. Mit diesen Daten erfolgte eine Abschät- zung der individuellen Strahlenbela- stung für jeden Piloten (10).

Mortalitäts-Follow-up

Um den Vitalstatus aller Personen zum Stichtag 31. Dezember 1997 fest- zustellen, wurden Einwohnermelde-

und Gesundheitsämter in Deutsch- land, der Schweiz, den Niederlanden und Österreich kontaktiert. Für Ver- storbene wurden von den Gesund- heitsämtern anonymisiert die Todes- bescheinigungen eingeholt und nach ICD kodiert. Für einen Teil der Ver- storbenen lagen diese Unterlagen auf- grund von Archivierungsgewohnhei- ten nicht mehr vor (1). In diesen Fäl- len wurde – sofern möglich – die To- desursache über Ärzte oder Angehöri- ge ermittelt.

Statistische Auswertung

Die statistische Auswertung der Daten wurde für drei Gruppen getrennt durchgeführt: Piloten (nur Männer), weibliches Kabinenpersonal und männ- liches Kabinenpersonal. Eine Auswer- tung für die Pilotinnen war nicht mög-

tinnen beschäftigt waren und bis zu diesem Zeitpunkt kein Todesfall auf- getreten war. Es wurden Standardme- thoden zur Auswertung von Kohorten- studien genutzt, das heißt die Autoren berechneten standardisierte Morta- litätsquotienten (SMR, standardized mortality ratio) als Quotient der beob- achteten und erwarteten Todesfälle in der Studie (6). Zur Berechnung der

„erwarteten“ Todesfälle wurden alters- und periodenspezifische Mortalitätsra- ten für Deutschland verwendet, wie sie vom Statistischen Bundesamt (und der WHO) veröffentlicht werden. Da für einen Teil der Verstorbenen die Todes- ursache nicht festgestellt werden konn- te, wurde ein Verfahren zur Korrektur der „beobachteten“ Todesfälle vorge- nommen (17).

Kein Trend bei

Todesursachen erkennbar

Cockpit

Die Studie umfasste insgesamt 6 061 Cockpitbeschäftigte. Für 2 001 Perso- nen wurde ein Follow up durchgeführt, alle anderen waren am Stichtag noch beschäftigt. 101 Personen waren unbe- kannt verzogen und konnten nicht er- mittelt werden, weitere 103 waren ins Ausland (außer Schweiz, Österreich und den Niederlanden) verzogen. Es wurden circa 105 000 Personenjahre ak- kumuliert. Die mittlere Beschäftigungs- dauer lag bei 12,5 Jahren, das mittlere Follow up lag bei circa 17,5 Jahren. Die kumulierte durchschnittliche Strahlen- dosis betrug 22,8 mSv (Median = 20 mSv) für die derzeit noch Beschäftig- ten. Für schon aus dem Beruf ausge- schiedene Personen lag der mediane Wert bei etwa 40 mSv, der Höchstwert lag bei 80 mSv. Die individuellen Dosis- schätzungen bestätigten vorhergehen- de Daten aus einzelnen Messflügen und Modellrechnungen.

Insgesamt sind 255 Piloten und Flug- ingenieure verstorben (4,2 Prozent). Für alle Todesursachen zusammen ist die SMR deutlich und statistisch signifikant erniedrigt (SMR = 0,48; 95 Prozent KI 0.42-0.54), ebenso für alle Krebstodes- ursachen (SMR = 0,56; 95 Prozent KI

(3)

´ Tabelle 1 C´

Ergebnisse für die deutsche Cockpitcrew-Kohorte, Zeitraum 1960–1997 (nur Männer)

Todesursache ICD-9 Beobachtete SMR 95 % KI

Todesfälle Untere Grenze Obere Grenze

Alle Ursachen 001-999 255 0,48 0,42 0,54

Alle infektiösen Erkrankungen (nicht Aids) 001-139 (nicht Aids) 2 0,40 0,05 1,53

Krebs insgesamt 140-208 76 0,56 0,43 0,74

Einzelne Krebslokalisationen

Mundhöhle/Rachen 140-149 1 0,16 0 0,91

Speiseröhre 150 2 0,46 0,05 1,73

Magen 151 6 0,57 0,20 1,31

Dickdarm 153 7 0,80 0,31 1,73

Enddarm 154 3 0,60 0,12 1,83

Leber 155-156 3 0,70 0,14 2,14

Pankreas 157 7 1,16 0,45 2,49

Kehlkopf 161 2 0,87 0,10 3,29

Lunge/Bronchialsystem 162-163 10 0,29 0,14 0,56

Malignes Melanom 172 1 0,47 0,01 2,72

Prostata 185 8 1,26 0,53 2,59

Hoden/andere Genitalorgane 186-187 2 1,29 0,15 4,87

Nieren 189.0-2 2 0,49 0,06 1,83

Blase/Urogenitaltrakt 188, 189.3-4+-8-9 2 0,52 0,06 1,98

Hirn/ZNS 191-192 7 1,68 0,66 3,62

Schilddrüse und andere Drüsen 193-194 1 1,60 0,04 9,3

Alle Lymphome 200-202 2 0,47 0,05 1,76

Alle Leukämien 204-208 3 0,69 0,14 2,1

Gutartige Tumoren 210-239 1 0,27 0,01 1,55

Diabetes 250 2 0,29 0,03 1,11

Zerebrovaskuläre Erkrankungen 430-438 16 0,58 0,32 0,99

Alle kardiovaskulären Ursachen 390-429 58 0,46 0,34 0,62

Nichtmaligne Atemwegserkrankungen 460-479, 488-519 1 0,06 0 0,35

Leberzirrhose 571 5 0,18 0,06 0,45

Kfz-Unfälle E810-E825 11 0,46 0,23 0,87

Flugzeugunfälle E840-E844 29 85,12 55,38 127,7

Alle äußeren Ursachen außer Flugzeugunfälle E800-E999, 28 0,38 0,24 0,57

ohne E840-844

Suizid E950-959 7 0,24 0,09 0,52

Gewaltsamer Tod E960-999 3 0,62 0,12 1,90

Alle anderen äußeren Ursachen Rest E800-999 7 0,42 0,16 0,89

Aids Aids 1 0,38 0,01 2,19

Nicht näher bezeichnete Ursache 780-799.9 6 0,37 0,13 0,84

ICD, Internationale Klassifikation der Erkrankungen 9. Revision; KI, Konfidenzintervall; SMR, standardisierter Mortalitätsquotient

(4)

SMR für Todesfälle durch Krebs wird wesentlich durch die sehr niedrigen Lungenkrebs-Fallzahlen (SMR 0,29) hervorgerufen. Da insbesondere das Strahlenrisiko von Interesse war, ist zu bemerken, dass für Leukämien keine Erhöhung, sondern eine nichtsignifikan- te Risikoreduktion beobachtet wurde.

Für alle anderen Tumorarten schwan- ken die Werte um 1,0. Bedingt durch die kleinen Fallzahlen ist keine SMR stati- stisch signifikant erhöht oder erniedrigt.

Auffällig bei den übrigen Todesursa- chen waren deutlich verminderte Herz- Kreislauf-Risiken (SMR für akuten Myokardinfarkt 0,43; 95 Prozent KI 0,28 bis 0,65). Die Anzahl der Todesfälle durch Flugzeugabstürze (n=29) war er- höht, die SMR ist jedoch nur wenig aus- sagekräftig, weil hier keine adäquaten Vergleichsdaten vorlagen. Aufgrund ei- nes Abgleichs mit Daten der DLH ließ sich erkennen, dass ein größerer Teil der Flugzeugunfälle nicht beruflicher Natur war. Auswertungen nach Beschäfti- gungsdauer, kumulierter Strahlendosis oder Flugstunden zeigten kein konsi- stentes Bild: Für alle Todesursachen zu- sammen ist kein Trend erkennbar; für die Krebssterblichkeit wurde beobach- tet, dass das Risiko mit der Beschäfti- gungsdauer deutlich ansteigt. Personen, die mehr als 30 Jahre im Cockpit tätig waren, haben ein etwa doppelt so hohes Risiko wie die Beschäftigten, die den

Beruf weniger als zehn Jahre ausgeübt haben (nach Berücksichtigung der Al- tersverteilung). Das Krebsrisiko ist aber auch für diese Personengruppe noch niedriger als erwartet, basierend auf den Vergleichsraten der Allgemeinbevölke- rung. Die niedrige Herz-Kreislauf-Mor- talität nimmt auch mit der Beschäf- tigungsdauer nicht wesentlich zu (Tabel- le 2).

Kabine

Die Kohorte umfasste 20 551 Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter der Kabi- nenbesatzung. Bedingt durch die hohe örtliche Mobilität und viele Umzüge ins Ausland konnte für 1 020 Perso- nen der Vitalstatus zum 31. Dezember 1997 nicht ermittelt werden. Für diese Personen wurden Risikojahre nur bis zu dem Zeitpunkt berücksichtigt, zu dem der Vitalstatus bekannt war. Die weibliche Kabinenpersonalkohorte um- fasste 188 218 Personenjahre, die männ- liche 60 665. Die mittlere Beschäfti- gungsdauer lag bei 7,8 Jahren für die Frauen und bei 10,3 Jahren bei den Männern. Die mittlere Dauer des Fol- low up betrug für das weibliche Kabi- nenpersonal 11,8 Jahre, für männliche Kabinenmitarbeiter 13,4 Jahre.

170 männliche und 141 weibliche Crewmitglieder sind verstorben, die To- desursache konnte aber nur für 80,7

Prozent ermittelt werden. Beim weibli- chen Kabinenpersonal fanden die Auto- ren als häufigste Todesursache Krebs- erkrankungen (n = 44) gefolgt von Ver- kehrsunfällen (n = 16). Das männliche Kabinenpersonal wies als häufigste To- desursache Aids (n = 62) gefolgt von Krebserkrankungen (n = 21) auf. Die SMR für das Kabinenpersonal sind in Tabelle 3 (Männer) und Tabelle 4 (Frau- en) dargestellt. Die SMR für alle Ursa- chen ist beim männlichen Kabinenper- sonal hauptsächlich aufgrund der ho- hen Fallzahlen für Aids leicht erhöht (SMR = 1,1). Die SMR für einzelne Tu- morlokalisationen liegen bis auf wenige Ausnahmen nahe 1,0 und weisen auf- grund der geringen Fallzahlen breite Konfidenzintervalle auf. Hinweise auf statistisch signifikant erhöhte Risiken für hämatologische Tumoren finden sich nicht. Die SMR für Leukämien lie- gen in beiden Kohorten nahe 1,0. Die Lungenkrebsmortalität des männlichen Personals ist (statistisch nicht signifi- kant) erniedrigt (SMR = 0,77).Auch bei den übrigen Todesursachen zeigen sich mit Ausnahme von Aids (n = 62, SMR = 40) und Flugzeugabstürzen (SMR = 47) keine erhöhten Risiken. Auffällig nied- rig ist die SMR für akuten Herzinfarkt (SMR = 0,18). Das weibliche Kabinen- personal weist insgesamt niedrige SMR für alle Ursachen (SMR = 0,79) und für alle Tumoren auf (SMR = 0,79). Das

´ Tabelle 2 C´

Ergebnisse für Cockpitcrew nach Beschäftigungsdauer in vier Kategorien, Zeitraum 1960 – 1997

Todesursache ICD-9 Beschäftigungsdauer Beobachtete SMR 95 % KI

(Jahre) Todesfälle Untere Grenze Obere Grenze

Alle Ursachen 001-999 >0-<10 64 0,45 0,35 0,58

10-<20 91 0,49 0,40 0,60

20-<30 84 0,49 0,39 0,60

>=30 16 0,47 0,27 0,76

Krebs insgesamt 140-208 >0-<10 11 0,38 0,18 0,71

10-<20 22 0,5 0,31 0,79

20-<30 34 0,67 0,45 0,98

>=30 9 079 0,35 1,57

Alle kardiovaskulären Ursachen 390-429 >0-<10 9 0,36 0,16 0,71

10-<20 26 0,55 0,35 0,85

20-<30 23 0,50 0,31 0,79

>=30 0 0

(5)

Brustkrebsrisiko ist mit einer SMR von 1,28 (95 Prozent KI 0,72 bis 2,20) leicht – wenn auch nicht signifikant – erhöht.

Sehr niedrige SMR liegen für Herz- Kreislauf-Krankheiten vor. Erhöhun- gen im Vergleich zur Allgemeinpopula- tion werden auch in dieser Gruppe für Flugzeugunfälle beobachtet.

Risikoabschätzungen vorsichtig interpretieren

Die von den Autoren durchgeführte Studie ist die bisher weltweit größte Mortalitätsstudie beim zivilen fliegen- den Personal. Allerdings handelt es sich

um eine sehr junge Gruppe mit relativ wenigen Todesfällen. Risikoschätzun- gen für einzelne Todesursachen beru- hen auf sehr wenigen Fällen und sind vorsichtig zu interpretieren. Dies gilt insbesondere für Subgruppenanalysen, zum Beispiel nach Beschäftigungsdauer oder kumulierter Strahlendosis.

Wie in früheren Kohortenstudien (2, 3) beim fliegenden Personal ist auch in der deutschen Kohorte ein „healthy worker“-Effekt zu beobachten, aller- dings nur bei den Piloten und beim weiblichen Kabinenpersonal. Beim männlichen Kabinenpersonal wird die- ser Effekt durch die hohe Anzahl an Aids-Todesfällen überdeckt. Bei den

Piloten spielt vermutlich die nach ge- sundheitlichen und Fitness-Gesichts- punkten verlaufende Auswahl sowie ei- ne regelmäßige medizinische Überwa- chung für diese Reduktion eine Rolle.

Bemerkenswert ist, dass Todesfälle auf- grund von Herz-Kreislauf-Erkrankun- gen und Lungenkrebs extrem selten auftraten. Während die Herz-Kreislauf- Mortalität bei dem Cockpitpersonal über den gesamten Zeitraum niedrig ist, gilt dies nicht für Krebserkrankun- gen. Das Krebsmortalitätsrisiko steigt mit der Dauer der Beschäftigung und entspricht bei Personen, die mehr als 30 Jahre beschäftigt waren, etwa dem der Allgemeinbevölkerung.

´ Tabelle 3 C´

Ergebnisse für das männliche Kabinenpersonal, Zeitraum 1960–1997

Todesursache ICD-9 Beobachtete SMR 95 % KI

Todesfälle Untere Grenze Obere Grenze

Alle Ursachen 001-999 170 1,10 0,94 1,28

Alle infektiösen Erkrankungen (nicht Aids) 001-139 (nicht Aids) 4 3,31 0,85 9,21

Krebs insgesamt 140-208 21 0,71 0,41 1,18

Einzelne Krebslokalisationen

Mundhöhle/Rachen 140-149 4 1,97 0,50 5,48

Dickdarm 153 1 0,63 0,02 3,85

Enddarm 154 1 1,04 0,02 6,33

Leber 155-156 1 1,26 0,03 7,61

Pankreas 157 2 1,62 0,18 6,36

Lunge/Bronchialsystem 162-163 5 0,77 0,24 1,97

Malignes Melanom 173 1 14,89 0,35 90,23

Hoden/andere Genitalorgane 186-187 1 1,30 0,03 7,86

Alle Lymphome 200-202 1 1,46 0,17 5,73

Non-Hodgkin-Lymphome 200-202 2 2,41 0,27 9,45

Alle Leukämien 204-208 1 0,78 0,02 4,74

Zerebrovaskuläre Erkrankungen 430-438 1 0,26 0,01 1,56

Alle kardiovaskulären Ursachen 390-429 9 0,41 0,18 0,86

Leberzirrhose 571 3 0,35 0,07 1,12

Nephritis und Nephrose 580-589 1 1,71 0,04 10,34

Kfz-Unfälle E810-E825 7 0,55 0,21 1,24

Flugzeugunfälle E840-E844 8

Alle äußeren Ursachen außer Flugzeugunfälle E800-E999, 22 0,62 0,37 1,02

außer E840-844

Suizid E950-959 11 0,82 0,39 1,6

Gewaltsame Todesfälle E960-999 4 1,61 0,41 4,49

Aids 042.9 62 40,04 28,87 55,83

ICD, Internationale Klassifikation der Erkrankungen 9. Revision; KI, Konfidenzintervall; SMR, standardisierter Mortalitätsquotient

(6)

Kosmische Strahlenbelastung

Obwohl ein Schwerpunkt der Kohor- tenstudie auf der Schätzung des strah- leninduzierten Krebsrisikos lag, war schon bei der Planung klar, dass die Studie nur ausreichend statistische Aussagekraft haben würde, große Ab- weichungen von derzeit akzeptierten Risikoschätzungen zu erkennen. Sol- che Abweichungen wurden in der Stu- die der Autoren nicht beobachtet. Die

detaillierten Erfassungen der Berufsbio- grafie haben erstmals zu zuverlässigen individuellen Schätzungen der Strahlen- exposition für das Cockpitpersonal ge- führt.

Für das Kabinenpersonal war das Datenmaterial dazu nicht ausreichend.

Vermutlich liegt jedoch die Strahlen- exposition in der gleichen Größen- ordnung wie bei den Piloten. Es zeig- te sich, dass die kumulative Lebens- zeitdosis für alle Cockpitbeschäftigten

bisher unter 100 mSv liegt, für die mei- sten sogar weit darunter. Auch wenn davon ausgegangen werden muss, dass die durchschnittliche jährliche Strah- lenbelastung für derzeit Beschäftigte etwas höher liegt als in der Vergan- genheit, wird eine Lebenszeitdosis von 100 mSv praktisch nicht über- schritten.

Bei einer Exposition in dieser Grö- ßenordnung ist nach strahlenepide- miologischen Modellen nur eine ge-

´ Tabelle 4 C´

Ergebnisse für das weibliche Kabinenpersonal, Zeitraum 1960–1997

Todesursache ICD-9 Beobachtete SMR 95 % KI

Todesfälle Untere Grenze Obere Grenze

Alle Ursachen 001-999 141 0,79 0,67 0,94

Alle infektiösen Erkrankungen (nicht Aids) 001-139 2 1,30 0,15 5,16

Krebs insgesamt 140-208 44 0,79 0,54 1,17

Einzelne Krebslokalisationen

Magen 151 2 0,73 0,08 2,90

Dickdarm 153 2 0,75 0,08 2,97

Leber 155-156 1 0,86 0,02 5,26

Lunge/Bronchialsystem 162-163 2 0,57 0,06 2,28

Brust 174-175 19 1,28 0,72 2,20

Gebärmutterhals 180 2 0,57 0,06 2,27

Gebärmutter andere 179.181-182 2 1,80 0,20 7,17

Ovarien 183 3 0,86 0,17 2,77

ZNS 191-192 2 0,82 0,09 3,25

Alle Lymphome 200-202 4 1,88 0,48 5,29

Non-Hodgkin-Lymphome 200/202 2 1,66 0,19 6,60

Hodgkin-Lymphome 201 2 2,15 0,24 8,57

Alle Leukämien 204-208 2 0,79 0,09 3,13

Diabetes 250 1 0,66 0,02 4,03

Zerebrovaskuläre Erkrankungen 430-438 3 0,50 0,10 1,60

Alle kardiovaskulären Ursachen 390-429 3 0,23 0,04 0,74

Nichtmaligne Atemwegserkrankungen 460-479,488-519 1 0,35 0,01 2,12

Leberzirrhose 571 1 0,12 0,00 0,76

Kfz-Unfälle E810-E825 16 1,61 0,86 2,88

Flugzeugunfälle E840-E844 13 96,29

Alle äußeren Ursachen außer Flugzeugunfälle E800-E999, 34 1,15 0,74 1,77

ohne E840-844

Suizid E950-959 11 0,87 0,41 1,72

Gewaltsame Todesfälle E960-999 4 1,16 0,29 3,26

Alle anderen äußeren Ursachen Rest E899-E999 3 0,85 0,16 2,75

Aids 042.9 1 1,07 0,03 6,57

(7)

ringe Erhöhung des Krebsrisikos zu erwarten (relatives Risiko um 1,10 für Leukämien und kleiner als 1,05 für so- lide Tumoren). Risikoerhöhungen in dieser Größenordnung können in der Studie der Autoren nicht nachgewie- sen werden (5). Die Daten zeigen aber, dass zum Beispiel eine Verdop- pelung des Leukämierisiko für das fliegende Personal mit hoher Wahr- scheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.

Krebstodesfälle

Für alle drei Kohorten liegt das Risiko für Krebstodesfälle geringfügig (circa 20 Prozent) unter dem der Vergleichs- population. Statistisch signifikante Abweichungen vom Erwartungswert werden für keine Tumorart beobach- tet.

Das Brustkrebsrisiko beim weib- lichen Kabinenpersonal, für das in drei Inzidenzstudien Risikoerhöhun- gen berichtet wurden, (13, 15, 16) ist auch in der deutschen Kohorte leicht (SMR = 1,28), aber nicht statistisch signifikant erhöht. Als mögliche Ursa- chen werden häufig unterschiedliche reproduktive Faktoren genannt, über deren genauen Beitrag aber wider- sprüchliche Einschätzungen (13, 15) vorliegen. Für drei Lokalisationen wird bei den Piloten eine Erhöhung des Risikos beobachtet (Hirntumoren, Prostata, Pankreas).

Die meisten Fälle traten bei Per- sonen mit hoher Beschäftigungsdauer auf. In vorangegangenen Inzidenzstu- dien in nordischen Ländern wurde für Piloten ein erhöhtes Risiko für Hautkrebs und das maligne Melanom beobachtet (9, 14).

In der Studie der Autoren wurde nur ein Todesfall (bei mehr als zwei er- warteten) bei den Piloten gefunden, wohingegen beim Kabinenpersonal keine Fälle aufgetreten sind. Unter- schiede zwischen Mortalitätsstudien (zum Beispiel 12) und Inzidenzstudien (7–9, 13–16) sind zu erwarten, insbe- sondere bei Krebsarten mit guter Pro- gnose nach frühzeitiger Erkennung (wie beispielsweise Brustkrebs und Melanom).

Möglicherweise führt die regelmä- ßige medizinische Betreuung zu einer

Früherkennung und damit Reduktion der Mortalität bei konstanter oder so- gar erhöhter Inzidenz. Dieser Frage muss in weiteren Untersuchungen nachgegangen werden. Leider sind in Deutschland (noch) keine Inzidenz- studien für Berufskohorten möglich, da es keine flächendeckende Krebsre- gistrierung gibt.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Bemerkenswert ist die niedrige Mor- talität infolge der Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems bei Piloten und beim Kabinenpersonal. Offen- sichtlich spielt hier die Auswahl bei der Berufswahl eine wichtige Rolle. Es ist allerdings bemerkenswert, dass die- se Reduktion auch nach langer Be- schäftigungsdauer und nach dem Aus- scheiden aus dem Beruf erhalten bleibt.

Vermutlich ist die Prävalenz starker Risikofaktoren (Übergewicht, Rau- chen) gering. Demgegenüber stehen eine Reihe von beruflichen Faktoren, die einen negativen Einfluss haben könnten, wie zum Beispiel die unre- gelmäßigen Arbeitsbedingungen und sitzende Tätigkeit (im Cockpit). Die Risikoprofile der Beschäftigten soll- ten in einer Querschnittstudie näher untersucht werden.

Andere Todesursachen

Auffallend bei den übrigen Todesfäl- len ist die Zahl der Flugzeugabstürze in allen drei Gruppen sowie die hohe Zahl an Aids-Todesfällen beim männ- lichen Kabinenpersonal. Todesfälle durch Flugzeugabstürze treten sowohl im Beruf als auch in der Freizeit auf, auch letztere sind hier häufiger als in der Vergleichspopulation, wie zum Beispiel in der norwegischen Piloten- kohorte gezeigt wurde.

Ob beruflich bedingte Unfälle ins- gesamt häufiger sind als in vergleich- baren Berufsgruppen, kann aber mit den vorliegenden Daten nicht ab- schließend geklärt werden, hierzu wä- re eine Aufarbeitung der Einzelfälle notwendig. Die Aids-Todesfälle beim männlichen Kabinenpersonal sind seit Anfang der 90er-Jahre deutlich rück- läufig.

Ausblick

Es ist empfehlenswert, die Kohorte weiter zu beobachten, um die statisti- sche Aussagekraft und damit die Aus- sagekraft der Studie zu vergrößern.

Eine Verlängerung des Follow up um fünf Jahre (bis 2002) bedeutet einen Zugewinn an Personenjahren um circa 25 Prozent bis 30 Prozent. Durch ein zeitnahes Follow up sind Informati- onsverluste durch Umzüge oder ver- nichtete Totenscheine gering, zudem wird der Anteil älterer Personen und damit auch die Zahl der Todesfälle überproportional ansteigen. In weni- gen Jahren können daher stabilere Aussagen erwartet werden. Gewarnt werden muss aber vor übertriebenen Erwartungen, da die Aussagekraft auch dann noch nicht ausreichen wird, Risikoerhöhungen in der Größenord- nung von 1,1 wie sie zum Beispiel für Leukämien zu erwarten sind, stabil zu schätzen. Die Daten der deutschen Studie werden derzeit mit Daten aus weiteren acht europäischen Ländern gemeinsam ausgewertet. Die Ergeb- nisse dieser Auswertung werden in Kürze vorliegen.

Die Studie wurde von der BG Fahrzeughaltung Ham- burg, der Deutschen Lufthansa AG, der LTU, den Ge- werkschaften ÖTV und DAG, der Deutschen Akademie für Flugmedizin, der Vereinigung Cockpit und der Verei- nigung unabhängiger Flugbegleiter (UFO) gefördert.

Die Autoren danken zahlreichen Mitarbeitern und Mit- arbeiterinnen der Berufsgenossenschaft und der bei- den Fluggesellschaften für vielfältige Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchführung der Studie.

Manuskript eingereicht: 22. 8. 2002, revidierte Fassung angenommen: 14. 10. 2002

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 3462–3469 [Heft 51–52]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit5102 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. rer. nat. Maria Blettner Fakultät für Gesundheitswissenschaften Universität Bielefeld

Postfach 100131 33501 Bielefeld

E-Mail: Blettner@uni-bielefeld.de

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