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Flugzeugstandardisierung und Beschaffungs-management der Deutschen Lufthansa AG

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Academic year: 2022

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Flugzeugstandardisierung und Beschaffungsmanagement 673

Dietger Burghardt Thomas Germer Stefan Sippel

Flugzeugstandardisierung und Beschaffungs- management der Deutschen Lufthansa AG

1. Problemstellung

2. Standardisierung von Verkehrsflugzeugen 2.1 Zum Begriff der Standardisierung 2.2 Rahmenbedingungen und Besonderheiten 2.3 Status quo der Flugzeugstandardisierung 3. Wirkungen auf das Beschaffungsmanagement

3.1 „Buy“ – Die Beschaffung von Flugzeugen 3.2 „Fly“ – Wartung und Betrieb von Flugzeugen

3.2.1 Lieferantensuche und Ersatzteilbeschaffung 3.2.2 Lagerhaltung und Teilverfügbarkeit

3.2.3 Durchführung von Wartungs- und Reparaturarbeiten 3.2.4 Beschaffung von Simulatoren

3.2.5 Technologieintegration durch standardisierte Produktkonzepte 3.3 „Sell“ – Weiterverkauf von Flugzeugen

4. Zusammenfassung und Ausblick Literaturverzeichnis

Erschienen in: Handbuch Industrielles Beschaffungsmanagement, Hrsg. D. Hahn & L. Kaufmann, 2. Auflage, Wiesbaden 2002

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674 Burghardt/Germer/Sippel

Dipl.-Ing. Dietger Burghardt ist Leiter Strategischer Einkauf der Lufthansa Technik AG, Hamburg.

http://www.lufthansa-technik.com

Dipl.-Kfm. Thomas Germer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Herbert-Quandt-Stiftungslehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Internationales Management, der WHU – Otto Beisheim Graduate School of Management in Vallendar/

Koblenz.

http://www.whu.edu/intman/

Dipl.-Kfm. Stefan Sippel ist Director Aircraft Purchasing bei der Deutschen Lufthansa A G, Frankfurt.

http://www.lufthansa.com

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Flugzeugstandardisierung und Beschaffungsmanagement 675

1. Problemstellung

Die empirische Beschaffungsmanagementforschung hat eindeutig gezeigt, daß das Be- schaffungsmanagementsystem einen signifikant positiven Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat (vgl. Kaufmann 2001, insbesondere S. 277 ff.). Der Zusammen- hang zur Standardisierung, insbesondere zur Standardisierung der Produktausgestaltung der zu beschaffenden Objekte, wurde dabei aber bisher außer Acht gelassen, obwohl über Möglichkeiten und Wirkungen von Produktstandardisierung auf deren Fertigung und Materialwirtschaft vielfältige Abhandlungen existieren. Die Auswirkungen einer Pro duktstandardisierung auf die Nutzer dieser Produkte wurden dabei bisher fast völlig ausgeblendet. Fluggesellschaften gehören zu den wenigen Dienstleistungsunternehmen, die zur Erbringung ihrer Leistung sehr kostenintensive Investitionsgüter (nämlich Flug- zeuge) nutzen und unterhalten müssen. Die Frage einer stärkeren Flugzeugstandardisie - rung ist daher für die Deutsche Lufthansa AG insbesondere für das Beschaffungs- und Materialmanagement von außerordentlich hoher Bedeutung.

Die Tatsache, daß Flugzeuge untereinander sehr heterogen sind, selbst wenn sie identisch aussehen oder sogar dem gleichen Bautyp (z. B. Boeing 737-800) entsprechen, ist vor allem durch die historische Entwicklung der Verkehrsmärkte begründet. Die schützende Hand der staatlichen Verkehrsmarktregulierung in den USA bis Anfang der achtziger und in Eu ropa bis Anfang der neunziger Jahre (vgl. Tjon 1997, S. 33 ff.) gestattete Flug- gesellschaften eine niedrige Preissensibilität und resultierte darin, daß die wirtschaftliche Notwendigkeit von Sonderwünschen und Ein zelanfertigungen bei der Beschaffungsent- scheidung der Flugzeuge teilweise außer Acht gelassen werden konnte und wurde. So entstand, verstärkt durch den intensiven Wettbewerb zwischen den wenigen Herstellern, eine unübers chaubare Fülle an Auswahlmöglichkeiten und Optionen für ein Flugzeug.

Der US-amerikanische Hersteller Boeing beispielsweise bietet für sein Großraumflug- zeug vom Typ Boeing 747 unter anderem über 100 verschiedene Schattierungen für die Farbe weiß an. Dazu besteht die Auswahl zwischen 42 verschiedenen Ruhestationen für die Kabinenbesatzung. Auch ein extra Fenster in der Toilette im Oberdeck ist möglich (vgl. Henkoff 1998, S. 96, Ponticel 1998, S. 42, Siegmund 1999, S. 29).

Mittlerweile sind die Luftverkehrsmärkte weitgehend dereguliert, ein Preis wettbewerb fin det intensiv statt, das Reisen per Flugzeug ist zum Allgemeingut geworden (vgl.

Siegmund 1999, S. 28). Die IATA (International Air Transport Association) schätzt für den Zeitraum von 2000 bis 2004, daß der internationale Linienluftverkehr jährlich um 5,6 % wachsen wird (vgl. IATA 2001). Das Passagierwachstum findet dabei vorwiegend bei den durch geringe Ausgabebereitschaft und hohe Preiselastizität gekennzeichneten Passagieren der Economy Class statt, wodurch der Durchschnittsertrag je Passagier stän- dig sinkt. Für Fluggesellschaften ergibt sich daraus die Notwendigkeit, Kosten zu reduzie ren. Die Deutsche Lufthansa AG hat unter anderem mit dem „Programm 15“ auf diesen Kostensenkungsdruck erfolgreich reagiert. Die weitere Erhöhung des Standardisierungsgrades und eine kritische Betrachtung der Notwendigkeit der Vielfalt

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bei den Sonderwünschen wird als zentrales Mittel gesehen, die Kosten weiter zu redu- zieren und weiterhin international wettbewerbsfähig zu bleiben (vgl. Burghardt 2000).

Im Rahmen dieses Beitrages soll aufgezeigt werden, wie eine Erhöhung des Standardi- sierungsgrades insbesondere auf das Beschaffungs- und Materialmanagement während des gesamten Lebenszyklus’ eines Flugzeuges wirkt. Die Ergebnisse sind dabei grundsätzlich auch auf andere Unternehmen, nicht nur aus der Airlinebranche, übertrag- bar.

2. Standardisierung von Verkehrsflugzeugen

2.1 Zum Begriff der Standardisierung

Bei Flugzeugen wird Standardisierung häufig als Reduktion der Anzahl verschiedener Flugzeugtypen in der Flotte einer Airline („Flottenhomogenität“) verstanden (vgl.

exempla risch Loers 1967).

Anders als bei der Flottenhomogenität bezieht sich Standardisierung im hier verstande- nen Sinne auf das „Innenleben“ einzelner Flugzeuge. Die Vereinheitlichung soll dazu führen, daß möglichst viele gleiche Teile in unterschiedlichen Flugzeugtypen eingebaut werden. Abbildung 1 verdeutlicht diese Unterschiede.

Generelles Ziel der Flugzeugstandardisierung ist die Senkung der Total Cost of Owners- hip (vgl. zu diesem Ansatz Ellram 1999), die ein Flugzeug in seinem Lebenszyklus verursacht. In diese „Total Cost“-Grösse gehen zum einen die Anschaffungskosten (Preis und Nebenkosten) des Flugzeuges, zum anderen die Betriebskosten (Ersatzteile, War- tung, Opportunitätskosten für Stillstände etc.) ein, wobei zwischen Anschaffungs - und Be triebskosten bestimmte Wechselwirkungen („Trade-offs“) bestehen, die eine gesamt - hafte Sicht auf die Standardisierungswirkungen erforderlich machen.

Durch eine stärkere Standardisierung soll auch in einer bezüglich Flugzeuggröße und Hersteller heterogenen Flotte von Flugzeugen eine technische Homogenität erreicht wer- den. Nicht wertschaffende Individualität im Flugzeug soll eliminiert, zumindest aber reduziert werden.

Dabei geht es in der Regel nicht um die Frage, ob ein Flugzeug standardisiert ist bzw.

werden soll oder nicht. Vielmehr stehen Entscheidungen über den Grad der Standardisie- rung im Vordergrund. Der Standardisierungsgrad ist dabei das Verhältnis der regulären zu den airlineindividuellen Bauteilen/Komponenten, die in einem Flugzeug enthalten sind (also das Verhältnis von „Katalogware“ zu „Maßschneiderei“).

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2.2 Rahmenbedingungen und Besonderheiten

Bei der Standardisierung von Verkehrsflugzeugen müssen einige Spezifika beachtet wer- den, die bei der Standardisierung anderer Güter in dieser Form nicht auftreten bzw.

beachtet werden müssen.

g Die Komplexität eines Flugzeuges ist kein Datum

Im Unterschied zu Konsumgütern wird über die genaue Spezifizierung von Investiti- onsgütern, wie z. B. Flugzeugen, bilateral zwischen Hersteller und Kunde(n) verhan- delt. In diesem Verhandlungsprozess hat der Kunde (Airline) in gewissem Maße die Möglichkeit, auf die Produktgestaltung Einfluss zu nehmen und so die Komplexität, die sich später im Betrieb des Investitionsgutes ergibt, zu beeinflussen. Ebenso ist es für den Hersteller möglich, die Spezifikation des Flugzeuges so zu steuern, daß seine eigene Komplexität bei der Produktion minimiert wird (vgl. Backhaus/Büschken 1995, Sp. 1962, Child, et.al. 1991, S. 74). Hersteller und Kunden von Investitionsgü- tern sind also jeweils gegenseitig Verursacher und Betroffene ihrer internen Kom- plexität und damit auch potentielle Initiatoren und Nutznießer von Standardisie- rungen.

g Der Werthebel übersteigt den Mengenhebel

Die positiven Wirkungen eines höheren Standardisierungsgrades eines Flugzeuges im hier verstandenen Sinne resultieren aus dem extrem hohen Wert eines einzelnen Flugzeuges und weniger aus der Flottengröße, die eine Airline betreibt. Ein

Anzahl Flugzeuge

Typ C Anzahl

Flugzeuge Typ A

Anzahl Flugzeuge

Typ B

Größenvorteile durch den Kauf möglichst vieler gleicher Flugzeuge

VertikaleAusweitung der gleichen Teile

passive, anpassendeVereinheitlichung

Flugzeuge Typ A

Flugzeuge Typ B

Flugzeuge Typ C

Größenvorteile durch die Verwendung möglichst vieler gleicher Teile

HorizontaleAusweitung der gleichen Teile

aktive, gestaltendeVereinheitlichung Flottenhomogenität StandardisierungStandardisierung

Abbildung 1: Gegenüberstellung von Flottenhomogenität und Standardisierung

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Großraumflugzeug vom Typ Boeing 747-400 kostet in der Anschaffung ohne Ersatz- teile momentan zwischen 183 und 211 Mio. USD (vgl. Boeing 2001). Ad diert man die Kosten für obligatorische Ersatzteilpakete und airlineindividuelle Um- und Aus - bauten, kommt man beim momentanen Kurs des USD (deutlich über zwei DM für ei- nen USD Mitte 2001) zu einem Gesamtwert von ca. einer halben Mrd. (!) DM pro Stück. Auch die Kosten des Betriebes von Flugzeugen sind sehr hoch. Beispielsweise wendete die Deutsche Lufthansa AG für ihre Konzernflotte von insgesamt 339 Flug- zeugen im Jahre 1998 ca. 1,7 Mrd. DM für Treibstoff auf. Würde man z. B. durch Standardisierungsbemühungen das Flugzeuggewicht soweit reduzieren können, daß der durchschnittliche Treibstoffverbrauch in der Betriebsphase um nur 1 % sinkt, würde sich der Treibstoffaufwand ceteris paribus um ca. 17 Mio. DM pro Jahr reduzieren. Selbst geringste Einsparungen durch Standardisierungen sind also von außerordentlich hoher Bedeutung.

g Überschaubarer Anbietermarkt und Kundenproduktion

Die Herstellung von strahlgetriebenen Verkehrsflugzeugen ist primär in der Hand zweier Unternehmungen, nämlich dem US-amerikanischen Hersteller Boeing und dem in Toulouse ansässigen europäischen Konsortium Airbus Industrie. Daneben exis tieren Hersteller von kleineren Flugzeugen für den Regional- und Zubringerver- kehr (z. B. Bombardier, Embraer, Fairchild Dornier, etc.). Vor diesem Hintergrund kann der Markt für Verkehrsflugzeuge als kle in und relativ transparent bezeichnet werden.

Verwendet man die Verhaltensweise der Unternehmung bei der Planung des Produktionsprogramms als konstituierendes Unterscheidungsmerkmal zwischen Markt- und Kundenproduktion, so kann man die Produktion von Flugzeugen als Kundenproduktion bezeichnen, denn Art, Menge und zeitliche Verteilung der Flug- zeugproduktion richten sich regelmäßig nach vorlie genden Kundenaufträgen und nicht nach Erwartungen wie bei der Marktpro duktion. Häufig (aber nicht notwendigerweise) handelt es sich bei der Kundenproduktion um Einzel- und Klein - serienproduktion (vgl. Riebel 1965, S. 666 ff.).

g Begrenzte Standardisierbarkeit von Flugzeugen

Da Flugzeuge in ihrer Rolle als Produktionsfaktor viele verschiedene Anforderungen bezüglich Transportkapazität, Reichweite etc. erfüllen müssen, ist eine gewisse Viel- falt erforderlich. Wie bei anderen Produktionsfaktoren gestatten technische und marktliche Anforderungen keine vollständige Standardisierung des Endproduktes Flugzeug – „das“ bzw. „ein“ Standardflugzeug kann es nicht geben. Folglich muß die Standardisierung des Flugzeuges vorwiegend an den Inputs ansetzen. Hier bietet sich insbesondere der verstärkte Einsatz von Baukästen und Plattformen an, um dem Spannungsverhältnis zwischen Komplexitätsvermeidung und Produktdifferenzierung bzw. zwischen Einheits- und Individualprodukt gerecht zu werden:

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g Baukastenprinzip

Das Baukastenprinzip beruht auf einer Standardisierung von Einzelteilen. Sämtli- che in der Unternehmung hergestellten Produkte sollen sich aus diesem Bau- kasten standardisierter Einzelteile bedienen. Durch die Kombinationsmöglichkei- ten lassen sich trotz standardisierter Einzelteile diffe renzierte Produkte bauen.

Ziel ist es dabei, Varianten erst am Ende der Wertschöpfungskette zu bilden (vgl.

Hungenberg 2000, S. 550 f., Ropohl 1979, Sp. 293 ff., Wiese/Geisler 1996, Sp.

1902).

g Plattformbauweise

Die insbesondere in der Automobilproduktion verbreitete Plattformbauweise stan- dardisiert nicht nur Einzelteile und Module, sondern vielmehr ein Kernelement der Produkte, die sogenannte Plattform. An diese können dann zur Differenzie - rung unterschiedliche Anbauteile angebracht werden. Somit sind die Produkte auf der sichtbaren Ebene weitgehend unterschiedlich, während die unsichtbare Platt- form häufig die gleiche ist (vgl. Volz 1999, S. 343 ff.).

Durch eine Standardisierung wird damit eine externe Vielfalt und Flexibilität bei geringer Komplexität ermöglicht (vgl. Child et al. 1991, S. 74).

2.3 Status quo der Flugzeugstandardisierung

In bezug auf Flugzeuge existieren insbesondere bei größeren Airlines vertikale, airlinespezifische Standards für Sitze, Küchen etc. (vgl. auch Abbildung 2), die das Ergebnis einer gewünschten Differenzierung gegenüber den Mitbewerbern darstellen.

Auch airlineübergreifend gab es beispielsweise im Rahmen der 1969 begründeten ATLAS-Kooperation zwischen den Fluggesellschaften Lufthansa, Air France, Alitalia, Sabena und Iberia gemeinsame, technikorientierte Standards. Diese Kooperation wurde im Rahmen der Einführung des ersten Großraumflugzeuges (Boeing 747) initiiert, um die erforderlichen Sekundärinvestitionen bei der Beschaffung und die laufenden Kosten der Betreuung dieses Flugzeuges durch eine Arbeitsteilung zwischen den Kooperations - partnern zu senken und so letztendlich des sen Einführung zu ermöglichen. Durch diese Arbeitsteilung und der damit verbundenen Zentralisierung von Aufgaben sollte jeder Partner die wirt schaftlichen Vorteile einer größeren Flotte nutzen können, ohne selbst eine solche besitzen zu müssen. Notwendige Voraussetzung dafür war die weit gehende Standardisierung des Flugzeuges und die Harmonisierung der technischen Komponenten bei der Neubestellung von im ATLAS-Verbund gewarteten Flugzeugen (vgl. Jansen 1989, S. 175 ff.). Solche airlineübergreifende Standardisierungen sind bisher jedoch eine Ausnahme.

Gleichwohl existieren Standardisierungsbemühungen in den verschiedenen Allianzen der Fluggesellschaften. In der „Star Alliance“, in der die Deutsche Lufthansa AG neben mo - mentan 14 weiteren Fluggesellschaften Mitglied ist, gibt es unterschiedliche Arbeits- gruppen auf verschiedenen hierarchischen Niveaus, die sich mit dieser Thematik be- fassen.

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Daneben existieren horizontale, herstellerspezifische Standards, die das Flugzeug und auch den Spezifikationsprozeß für ein Flugzeug betreffen. Ohne eine Wertung vorzu- nehmen kann man festhalten, daß die Flugzeuge von Airbus im allgemeinen einen höhe- ren Standardisierungsgrad als die von Boeing aufweisen. Airbus bietet seine Flugzeuge in der Form von Produktfamilien an, die untereinander relativ ähn lich sind. Optionen werden in der Form eines Kataloges angeboten, aus dem der Kunde aussuchen kann.

Flugzeuge der Firma Boeing hingegen sind durch eine größere Individualität gekennzeichnet. Die angebotenen Flugzeuge enthalten verhältnismäßig wenig gleiche Teile. Der Kunde kann über die Gestaltung einzelner Komponenten bzw. Bestellpositio- nen gezielt verhandeln. Bildlich gesprochen geht es in dem einen Fall lediglich um das Ankreuzen der gewünschten Alternative auf dem vorgefertigten Formu lar, während in dem anderen Fall erst noch das Formular selbst erstellt werden muß, und zwar je Kunde in der Regel ein separates Formular. Im Zuge der Entwicklung und Produktion des Mittel- und Langstreckenflugzeuges 777 („triple-seven“) hat Boeing jedoch begonnen, eine stärkere Standardisierung durch eine Plattformbauweise vorzunehmen und vermehrt gleiche Teile zu verwenden (vgl. Meyer/Lehnerd 1997, S. 244 ff.).

Individueller Standard Boeing

Individueller Standard Airbus

Individueller Standard Dornier

Individueller Standard Lufthansa

• Sitze

• Farben

• Küchen

• ...

Existierende Standards für Lufthansa

Individueller Standard Boeing

Individueller Standard Airbus

Individueller Standard Bombardier

Individueller Standard

United Airlines

• Sitze

• Farben

• Küchen

• ...

Existierende Standards für United Airlines

Individueller Standard Boeing

Individueller Standard Airbus

Individueller Standard Embraer

Individueller Standard Airline ABC

• Sitze

• Farben

• Küchen

• ...

Existierende Standards für Airline ABC

Abbildung 2: Vertikale und horizontale Flugzeugstandards

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3. Wirkungen auf das Beschaffungsmanagement

In den folgenden Abschnitten werden die Wirkungen einer stärkeren Flugzeugstandardi- sierung insbesondere auf das Beschaffungs- und Materialmanagement des Abnehmers anhand des chronologischen Ablaufes eines Flugzeuglebenszyklus‘ dargestellt. Dieser beginnt mit der Phase „Buy“ und betrifft dort die Kosten für Spezifika tion und Be- schaffung des Flugzeuges. Darauf folgt die Phase „Fly“, in der die Unterhaltungs- und Be triebskosten anfallen. Die letzte Phase „Sell“ betrifft den Weiterverkauf. Dort sind die Kosten für die Vermarktung und Veräußerung bedeutsam.

3.1 „Buy“ – Die Beschaffung des Flugzeuges

In dieser ersten Phase legt die Airline mit der Spezifikation den „individuellen Teil“ des Flugzeuges fest. Diese Spezifikationen sind dabei grundsätzlich bei jedem Flugzeug not- wendig – ein Flugzeug „von der Stange“ gibt es nicht. Auf der Grundlage eines bestimm- ten Basisflugzeuges geht es hauptsächlich um die Auswahl der Motoren, der elektrischen und hydraulischen Systeme (Bremsen, Fahrwerk etc.), der Avionics (Radar, Kommunikations- und Navigationsinstrumente) sowie um die Festlegung der Kabinenausstattung (insbesondere Sitze, Kü chen und Toiletten sowie deren Standorte im Flugzeug) und des Frachtsystems.

Die Spezifikationen umfassen dabei zum einen die Auswahl obligatorischer Optionen (z. B. Triebwerke), zum anderen die Entscheidung über echte Optionen im Sinne von Zusatzausstattungen (z. B. Videosysteme für die Kabine), die in das Flugzeug eingehen sollen. Die Airline hat dabei in der Regel zwei grundsätzliche Möglichkeiten, bestimmte Optionen auszuwählen. Sie kann entweder aus einer Reihe von Möglichkeiten wählen, die der Hersteller („seller“) anbietet. Man spricht dann vom sogenann ten seller furnished equipment (SFE). Die andere Möglichkeit besteht darin, daß der Kunde mit einem Liefe - ranten seiner Wahl das entsprechende Objekt individuell spezifiziert. Der Lieferant lie - fert diese Objekte dann später beim Hersteller des Flugzeuges zum Einbau an. In diesem Fall spricht man von buyer furnished equipment (BFE), denn diese Teile stammen vom Kunden („buyer“). Dadurch kann die Airline bei Objekten, die Gegenstand des BFE sind, Sonderwünsche einfließen lassen (vgl. auch Abbildung 3). Eine stärkere Flugzeug- standardisierung hat in dieser Phase insbesondere drei Effekte:

g Vereinfachung des Spezifikationsprozesses

Bei der Deutschen Lufthansa AG sind für die unterschiedlichen Flugzeugtypen und insbesondere für die unterschiedlichen Hersteller (Lufthansa kauft und betreibt Flugzeuge mehrerer Hersteller) jeweils separate Spezifikationen notwendig.

Die Erstellung der Flugzeugspezifikation ist eine intern erbrachte und sehr kostenintensive Dienstleistung, die dem Flugzeugkauf vorgelagert ist. Standardi- siert die Airline das Flugzeug in der Hinsicht, daß sie nur noch die vom Hersteller angebotenen Auswahlmöglichkeiten (SFE) wahrnimmt und auf individuelle (BFE

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bzw. Sonderanfertigungen) Komponenten verzichtet, nimmt auch die Standardi- sierungsmöglichkeit und die Routine die ser Dienstleistung zu (vgl. grundsätzlich Corsten 1985, S. 310).

Diese Prozeßstandardisierung reduziert direkt und indirekt die Kosten für die Air- line. Direkt werden Dauer und Komplexität der Spezifikation seitens der Airline reduziert – die Zeitersparnis kann genutzt werden, um die verbleibenden Verhand- lungsgegenstände noch intensiver zu verhandeln und Marktforschung zu betreiben.

Indirekt reduziert sich der Preis des Flugzeuges, da der Spezifikationsprozess auch für den Hersteller erheblich vereinfacht wird und diese Komplexitätsreduktion in sinkenden Preisen für das Flugzeug resultiert.

g Preiseffekte auf das Flugzeug

Diese vereinfachte Form der Spezifikation ermöglicht den noch stärkeren Einsatz elektronischer Medien und reduziert damit Transaktionskosten. Müssen Optionen nur noch „angekreuzt“ werden, kann der Hersteller des Flugzeuges im besten Fall diese Daten sofort zur Steuerung seiner Produktion und derer seiner Lieferanten entlang der Supply Chain verwenden (z. B. in Analogie zu dem einfachen Beispiel des US-amerikanischen PC-Herstellers DELL). Daraus resultieren Produktionszeit- verkürzungen und Effizienzgewinne (vgl. Abbildung 4). Daneben ermöglicht die stärkere Standardisierung des Flugzeuges, Größenvorteile und Lernkurveneffekte bei der Produktion der Flugzeuge zu realisieren. Dies gilt in bestimmtem Masse auch für die Lieferanten der nachgelagerten Stufen, die ihrerseits auch von einem stärker standardisierten Endprodukt profitieren. Diese potentiellen Preisreduktionen werden durch den intensiven Wettbewerb zwischen den Anbietern in der Regel an die Airlines weitergegeben. Die Standardisierung und die daraus abgeleitete ge-

Seller (z.B. Boeing)

Buyer (z.B. Lufthansa) Wahlmöglichkeit

für Objekt XYZ:

Typ A Typ B Typ C Wahlmöglichkeit für Objekt XYZ:

Typ A Typ B Typ C

Auswahl Objekt XYZ:

Typ A Typ B Typ C Auswahl Objekt XYZ:

Typ A Typ B Typ C

Seller (z.B. Boeing)

Seller (z.B. Boeing)

Buyer (z.B. Lufthansa)

Lieferant (z.B. Honeywell) Individuelle

Spezifikation des Objektes Buyer

(z.B. Lufthansa) Buyer (z.B. Lufthansa)

Lieferant (z.B. Honeywell)

Lieferant (z.B. Honeywell) Individuelle

Spezifikation des Objektes Individuelle Spezifikation des Objektes

Seller furnished equipment (SFE) Buyer furnished equipment (BFE)Buyer furnished equipment (BFE)

Abbildung 3: Auswahlmöglichkeiten für Optionen bei Flugzeugen

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ringere Spezifität eines Flugzeuges ermöglicht außerdem, daß die alternativen Ver- wendungsmöglichkeiten des Flugzeuges am Markt steigen und so der Preis des Flugzeuges besser vergleichbar und einschätzbar ist. Dieser Aspekt ist aus Sicht der Airline für Preisverhandlungen mit dem Hersteller nützlich.

g Flexibilität bei Kapazitätsanpassungen

Durch Optionen und Sonderwünsche wird das Flugzeug schon etwa neun bis zwölf Monate vor Auslieferungstermin kundenspezifisch. Eine Reduktion der Auswahl- möglichkeiten und der Sonderwünsche führt dazu, daß das Flugzeug erst zu einem sehr viel späteren Zeitpunkt im Produktionsprozeß kundenspezifisch wird. Inter- views haben gezeigt, daß die Hersteller daran sehr interessiert sind, um ihre eigene Produktion zu flexibilisieren. So besteht die Möglichkeit, ein Flugzeug ohne wesentliche Umrüstkosten für einen anderen Kunden zu Ende zu bauen, wenn der ursprüngliche Kunde seine Bestellung kurz vor Liefertermin storniert. Dieser Effekt kann ebenfalls den Flugzeugpreis reduzie ren.

Die Flexibilität kann langfristig für die Airline bedeuten, daß Flugzeuge sehr viel schneller beschafft werden können, weil die gesunkene Individualität für den Her- steller den Übergang von einer Kunden- zu einer Marktproduktion ermöglicht. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die abgeleitete Nachfrage nach Verkehrsleistungen von Bedeutung, die Airlines stark von konjunkturellen Schwankungen abhängig macht. Kürzere Lieferzeiten könnten die Kapazitätserweiterung, die geringere Spezifität die Kapazitätsreduktion vereinfachen.

Wahlmög- lichkeit d.d.

Hersteller:

Typ A Typ B Typ C Typ D Typ E Typ F

SFE

Wahlmög- lichkeit d.d.

Hersteller:

Typ A Typ B Typ C Typ D Typ E Typ F

SFE Grenzfall:

Keine Wahl- möglichkeit

für den Kunden (Airline) Grenzfall:

Keine Wahl- möglichkeit

für den Kunden (Airline) Individuelle

Spezifikation des Objekts zwischen Airline und

Lieferant gestattet

BFE

Wahlmög - lichkeit d.d.

Hersteller:

Typ A Typ B Typ C Typ D Typ E Typ F

SFE

Wahlmög - lichkeit d.d.

Hersteller:

Typ A Typ B Typ C Typ D Typ E Typ F

SFE

Handhabung der Sonderwünsche der Airlines durch den Hersteller

Individualität des

Flugzeuges abnehmend

Individualität des

Flugzeuges abnehmendabnehmend

Planbarkeit der

Produktionsabläufe zunehmend

Planbarkeit der

Produktionsabläufe zunehmendzunehmend

Produktionskosten

des Flugzeuges abnehmend Produktionskosten

des Flugzeuges abnehmendabnehmend Realisierung von

Größenvorteilen zunehmend

Realisierung von

Größenvorteilen zunehmendzunehmend

Abbildung 4: Kosteneffekte der Flugzeugstandardisierung auf den Hersteller

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3.2 „Fly“ – Wartung und Betrieb des Flugzeuges

Für die Standardisierungsbetrachtung ist die Instandhaltung der Flugzeuge der wichtigste Aspekt in der Betriebsphase („Fly“-Phase), die 20 Jahre und länger dauern kann. Die Tä - tigkeiten der Instandhaltung gehen bei der Deutschen Lufthansa AG von einem vor je- dem Flug durchzuführenden Trip Check (ca. 0,5 Arbeitsstunden) über einen alle vier Wochen bzw. 250 Flugstunden durchzuführenden A-Check (ca. 40 Arbeitsstunden) bis hin zu dem sogenannten D-Check, der alle 12.000 Flugstunden bzw. fünf Jahre (erstma - lig nach 25.000 Flugstunden bzw. neun Jahren) durchgeführt wird und in ca. vier Wo- chen Bodenzeit ca. 30.000 Arbeitsstunden beansprucht. Die Zeit- und Aufwandsangaben beziehen sich dabei auf Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge – die Wartung von Lang- streckenflugzeugen ist teilweise erheblich aufwendiger. Zusätzlich zu den regulären War- tungsarbeiten treten bei Bedarf Reparaturarbeiten auf.

Neben der Instandhaltung gilt es während der Betriebsphase auch, die Mitarbeiter am Bo den und an Bord der Flugzeuge entsprechend ihrer Aufgaben und den Veränderungen ihrer Arbeitsumgebungen zu schulen.

3.2.1 Lieferantensuche und Ersatzteilbeschaffung

Nach dem Anlass bzw. der Dringlichkeit ist zu unterscheiden, ob es sich bei der Ersatzteilbeschaffung um eine reguläre Be schaffung auf der Basis einer Bedarfsprognose („purchase for inventory“) oder um einen kurzfristigen „Notfallkauf“ handelt, weil das Flugzeug wegen eines defekten Teiles nicht einsatzfähig ist (sogenannte „AOG pur- chases“ für „aircraft on ground“) (vgl. auch Choudhury/Hartzel/Konsynski 1998, S. 482 f.). Bei einer Einteilung in eine Wert/Mengen-Klassifizierung (ABC-Analyse) handelt es sich bei den hier interessierenden Flugzeugteilen primär um A-Güter, also Güter, deren Anteil am Gesamtwert aller Teile relativ viel größer ist als deren Anteil an der Gesamt - menge aller Teile. Die folgenden Aussagen beziehen sich primär auf „purchases for inventory“.

g Sinkende Preise für Ersatzteile

Durch die Nachfrage einer größeren Menge gleicher Teile seitens der Airline treten unmittelbar Vorteile in Form besserer Beschaffungskonditionen (Mengenrabatte, Ve r- meidung von etc.) auf, die, neben dem Preis für das eigentliche Teil, auch dessen Kosten für Transport, Verpackung und Versicherung betreffen können (unmittelbare Kostenwirkungen der Standardisierung). Entsprechend sind die Konditionen bei air- linespezifischen Teilen häufig schlechter. Die hohe Spezifität dieser Teile erschwert dem Hersteller die Realisierung von Größenvorteilen. Die Produktionskosten werden entsprechend negativ beeinflusst, was oftmals höhere Preise zur Folge hat. Dem wirkt eine Erhöhung des Standardisierungsgrades des Flugzeuges entgegen.

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g Vereinfachung des Beschaffungsprozesses

Durch ein stärker standardisiertes Flugzeug sinkt die Vielfalt der vorzuhaltenden Er - satzteile. Es muß von „weniger“ „mehr“ beschafft werden – die Anzahl gleicher Transaktionen steigt. Das spezifische Know-how über die Lieferanten steigt, die Koordination und Überwachung der Bestellungen bzw. Abrufe aus Rahmenverträgen wird vereinfacht, die Gefahr von Fehldispositionen sinkt, ebenso der Aufwand für die Eingangsprüfung und die Termin- und Mengenkontrolle (vgl. Lingnau 1994, S. 309).

In diesem Sinne hat die Standardisierung mittelbare Wirkungen auf die Kosten, die der Betrieb eines Flugzeuges verursacht.

g Breitere Lieferantenbasis und höhere Transparenz

Insbesondere bei spezifischen Einzelanfertigungen ermöglicht die Rückkehr zu ei- nem standardisierten Ersatzteil, den oder die Lieferanten aus einer größeren Menge möglicher Lieferanten auszuwählen. Airlineindividuell gefertigte Einzel- bzw. Son- deranfertigungen stammen häufig nur von einem oder einigen wenigen Herstellern.

Verwendet die Airline je doch reguläre, airlineunspezifische Teile bzw. Komponenten, kann sie leichter auf alternative Liefe ranten bzw. Zwischenhändler zugreifen und durch die so geschaffene Vergleichsmöglichkeit Preise, Qualitäten und Konditionen besser kontrollieren und beeinflussen. Die Standardisierung verschafft der Airline eine Wahlmöglichkeit zwischen eher marktlicher und eher hierarchischer Koordina- tion, die so vorher nicht existiert hat. Es ist aber auch zu bedenken, daß die Schaffung dieser Transparenz (Suche möglicher Lieferanten, Einholung und Vergleich von Angeboten etc.) auch ex ante-Transaktionskosten verursacht. Es entsteht ein Opti- mierungsproblem zwischen den Vorteilen aus der gewonnenen Transparenz und den Kosten zur Schaffung dieser Transparenz, das nur im konkreten Einzelfall zu lösen ist.

g Nutzungsmöglichkeiten elektronischer Märkte

Daneben ermöglicht eine Standardisierung auch den verstärkten Einsatz elektroni- scher Märkte (wie z. B. www.aeroxchange.com) und trägt somit zur Reduktion von ex ante - Transaktionskosten und zur Intensivierung des Wettbewerbs zwischen den Marktpartnern bei. Nicht standardisierte, airlineindividuelle Teile sind wegen des ho- hen Aufwandes für ihre Beschreibung für solche Märkte nicht geeignet (vgl.

Choudhury/Hartzel/Konsynski 1998, S. 472 ff.).

Derartige Märkte werden auch für Flugzeugteile bereits intensiv eingesetzt, wie die Arbeit von CHOUDHURY, HARTZEL und KONSYNSKI dokumentiert. Die Autoren haben mit Interviews und einer Umfrage unter 120 Airlines die Nutzung des elektronischen Marktes „Inventory Locator Service“ (ILS) und die Konsequenzen daraus untersucht.

In ILS können Verkäufer von Teilen ihre Vorräte und Reparaturwerkstätten ihre Reparaturkapazitäten auflisten bzw. anbieten (vgl. Choudhury/Hartzel/Konsynski 1998).

(14)

Unabhängig von Standardisierungen muß aber betont werden, daß die umfangreichen Sicherheitsbestimmungen die Einsatzmöglichkeiten und Vorteile elektronischer Markt plätze insbesondere für Flugzeugersatzteile erheblich einschränken.

3.2.2 Lagerhaltung und Teileverfügbarkeit

Wie bei jedem Industriebetrieb ist es auch für ein Dienstleistungsunternehmen wie die Deutsche Lufthansa AG das Ziel, die Lagerhaltung und damit die Kosten durch Kapitalbindung, Inanspruchnahme von Lagerraum und Verwaltungsaufwand so gering wie möglich zu halten. Werden nun vermehrt standardisierte statt individuelle Komponenten in ein Flugzeug ein gebaut, so wirkt dies auf die Lagerhaltung in unter- schiedlicher Weise:

g Geringere Kapitalbindung durch sinkende Lagerbestände

Da die Spezifität der gelagerten Güter durch die Standardisierung abnimmt, kann das Lager insgesamt quantitativ reduziert werden. Die ökonomisch optimale Bestell- menge und damit die durchschnittliche Lagermenge ist unter anderem von den Be- stell- bzw. Suchkosten (also ex ante-Transaktionskosten) abhängig (vgl. Wöhe 2000, S. 436 ff.). Durch die infolge der Standardisierung gesunkene Spezifität der Güter sinken diese Transaktionskosten und damit auch die durchschnittliche Lagermenge (vgl. Choudhury/Hartzel/Konsynski 1998, S. 478). Zwar werden nun größere Materialmengen je Position benötigt, durch einen verminderten Sicherheitszuschlag sinkt jedoch die Gesamtbevorratung. Dies ist bei einer Airline wegen des regelmä ßig sehr hohen Wertes der Ersatzteile von besonderer Bedeutung. Eine Standardisierung kann hier bei hoher Verfügbarkeit der Teile die Kapitalbin dungskosten erheblich reduzieren. Insbesondere Ersatzteile für Triebwerke werden häufig und in großen Mengen benötigt und haben regelmäßig einen sehr hohen Preis (so kann z. B. der Preis für eine Triebwerksschaufel leicht den Preis einer Mittelklasselimousine übersteigen). Zusatzeffekte sind der geringere Bedarf an Lagerfläche und an be- treuendem Personal für die Verwaltung des Lagers sowie dessen vereinfachte Bewer- tung durch die geringere Spezifität (vgl. auch Loers 1967, S. 202 ff.).

Zu beachten ist aber, daß die Erhöhung des Standardisierungsgrades regelmäßig eine Reduzierung des Wertes der im Lager befindlichen „alten“ Teile mit sich bringt und für eine gewisse Zeit eine doppelte Lagerhaltung für bestimmte Teile notwendig macht (vgl. Beste 1956, S. 310).

Bei der für Reparaturen und Wartungen zuständigen Tochter der Deutschen Lufthansa AG, der Lufthansa Technik AG mit Sitz in Hamburg, werden permanent über 310.000 Ersatzteile und Ersatztriebwerke mit einem Gesamtwert von mehr als 2 Mrd. DM vorgehalten. Dieser Betrag macht deutlich., daß selbst geringste Redu- zierungen der Kapitalbindung von außerordentlich hoher Bedeutung für Ergebnis, Rentabilität und Liquidität sind.

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g Höhere Teileverfügbarkeit und geringere Bodenzeiten

Gerade für eine Fluggesellschaft ist es wegen der außerordentlich hohen Opportunitätskosten eines wegen Reparatur- oder Wartungsarbeiten am Boden befindlichen Flugzeuges von großer Bedeutung, daß die benötigten Ersatzteile schnell verfügbar und so die erforderlichen Bodenzeiten möglichst kurz sind. So verursacht z. B. ein nicht einsatzfähiger Jumbo-Jet pro Tag Kosten von ca. 50.000 DM für Zinsen sowie ca. 500.000 DM für Umsatzausfälle.

Daher bieten sich zur Beurteilung der Effizienz der Ersatzteilversorgung bei Flug- zeugen auch entsprechend an den Bodenzeiten ausgerichtete Kennzahlen wie z. B.

die „expected number of aircraft not operationally ready because of supply“ (kurz

„expected aircraft NORS“) an. Rein teile- bzw. la gerbezogene Kennzahlen wie z. B.

„fill-rate“ (relativer Anteil der Teilebedarfe, die direkt vom Lager bedient werden können) oder „expected numbers of backorders“ (kurz „EBO“) sind in diesem Zu- sammenhang weniger geeignet, die Bedeutung der Ersatzteilversorgung für die Bodenzeiten auszudrücken (vgl. Lewins/Pakenham 1985, S. 125 ff). Ein Lager (beim Hersteller und/oder der Airline) hat dabei insbesondere bei akut notwendigen Repara - turen eine besondere Rolle im Rahmen der Instandhaltung (vgl. Harling 1986, S.

129).

Auf der Seite des Herstellers bzw. des Ersatzteillieferanten sinkt das wirt schaftliche Risiko eines Lagers in der Hinsicht, daß produzierte Ersatzteile eine geringere airlinebezogene Spezifität aufweisen und damit das Lagerrisiko für den Lieferanten abnimmt. Unterstellt man, daß diese Konstellation ceteris paribus den Servicegrad des Lagers des Herstellers erhöht, ist es für die Airline besser möglich, bei kurzfristi- gen Anfragen benötigte Teile schnell zu bekommen.

Auf Seiten der Airline hat die Standardisierung in der Form Auswirkungen, daß die Flugzeugspezifität der Teile ceteris paribus geringer und damit deren Austauschbar- keit zwischen Flugzeugen besser möglich ist (vgl. Mellerowicz 1981, S. 453, Loers 1967, S. 194). Eine Lagerung von standardisierten Gütern aus Vorsicht, um möglichst schnell auf spontane Bedarfe reagieren zu können, ist nun mit geringeren Opportuni- tätskosten verbunden. Außerdem sind diese im Be darfsfall einfacher und schneller zu beschaffen, was die Notwendigkeit einer Lagerhaltung aus Vorsicht reduziert.

Es lässt sich festhalten: In der Wirkung einer höheren Teileverfügbarkeit kann Stan- dardisierung die Lebenszykluskosten des Flugzeuges in der Form reduzieren, daß ceteris paribus die für Wartung und Reparatur notwendigen Bodenzeiten verkürzt werden und die Kapitalbindung sinkt.

g Globale Ersatzteilbereitstellung und flexibilisierte Streckenplanung

International tätige Airlines wie die Deutsche Lufthansa AG verfügen nicht nur auf ihren Heimatbasen über ein Ersatzteillager (die Hauptlager der Deutschen Lufthansa AG befinden sich in Hamburg, Frankfurt und München), sondern auch an anderen Standorten im Ausland, um kleinere Schäden direkt vor Ort reparieren zu können. An diesen dezentralen Lagern können aber aus Kostengründen nicht in gleichem Maße

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Ersatzteile (und die entsprechenden Personal- und Betriebsmittelkapazitäten) vorgehalten werden. Eine Erhöhung des Standardisierungsgrades hat in diesem Zu- sammenhang zur Folge, daß die Wahrscheinlichkeit, daß ein benötigtes Teil im dezentralen Stationslager vorhanden ist, deutlich steigt, und es damit besser gewähr- leistet ist, daß eine Maschine vor Ort repariert werden kann. Dies hat großen Einfluss auf die Flexibilität der Planung der Flotte und der Streckenführungen. Wird zum Bei- spiel eine bestimmte Strecke lediglich von dem Flugzeugtyp Boeing 737 bedient, so kann diese Strecke bei einem Ausfall des vorgesehenen Flugzeuges nicht unbedingt ersatzweise von einem Airbus A 319 bedient werden. Bei einer technischen Störung wä ren am Stationslager keine entsprechenden Er satzteile vorhanden, um den Airbus reparieren zu können. Würden jedoch beide Flugzeuge stärker aus gleichen, standardisierten Bauteilen/Modulen bestehen, könnte dieses Problem reduziert wer- den, da viele Teile dann austauschbar sind. Diese Austauschbarkeit gilt dann grundsätzlich auch zwischen verschiedenen Airlines: Eine stärkere Standardisierung erhöht die Wahrscheinlichkeit, daß eine andere Airline, die vor Ort (auch) ein Lager betreibt, mit passenden Teilen „aushelfen“ kann. Die genannten Effekte betreffen in gewissem Umfang auch die Planung der regulären Wartungsumläufe der Flugzeuge.

Eine Standardisierung würde diese Planung flexibler machen (vgl. auch Loers 1967, S. 196 f.).

g Vereinfachte Dokumentation und Lagerverwaltung

Aus Sicherheitsgründen muß gemäß der Forderungen von Behörden (z. B. das Luft - fahrtbundesamt in Deutschland oder die Federal Aviation Administration in den USA) die Herkunft jedes einzelnen Bauteils mit einer Teilenummer bis zum Ur- sprung („back to birth“) dokumentiert werden, um bei einem möglichen Defekt die Ursache und die Herkunft des Teils schnell und eindeutig finden und zuordnen zu können. Diese Vorschriften machen es unmöglich, physisch identischen Teilen, die aber von mehreren Herstellern kommen, gleiche Teilenummern zu geben, um auf diese Weise die interne Dokumentation und Lagerverwaltung zu vereinfachen. Vor diesem Hintergrund ist die Reduzierung der Teilevielfalt im Rahmen einer Standardi- sierung die einzige Möglichkeit für eine Airline, die Dokumentation in der Lagerhal- tung zu vereinfachen.

Ein Beispiel (vgl. o.V. 1999) für eine (leicht abzuschaffende) Teilevielfalt, die das Lager und die Dokumentation der Airline in starkem Maße betrifft, sind die Klemm- bretter der Piloten im Cockpit, an denen z. B. Informationsblätter über Lage und An- flugrouten eines Flughafens befestigt werden. Beim US-amerikanischen Hersteller Boeing gibt es je nach Größe, Dicke, Material und Be schaffenheit der Halte- klammern 36 (!) Varianten dieser Klemmbretter. Jedes einzelne Element muß dabei von den Zulassungsbehörden zertifiziert, vom Hersteller und der Airline dokumen- tiert und in der Wartung bzw. dem Lager bevorratet werden. Eine Standardisierung dieser Bretter auf beispielsweise drei unterschiedliche Größen bei ansonsten gleichen Bauteilen und Parametern hätte entsprechend positive Auswirkungen auf die Lagerhaltung der Komponenten, und das nicht nur beim Hersteller, sondern auch bei der Airline. Da ein solches Klemmbrett wohl keine differenzierende Wirkung gegen-

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über dem Fluggast als Kunden hat, erscheint hier eine Standardisierung einfach durchführbar.

3.2.3 Durchführung von Wartungs- und Reparaturarbeiten

Gemäß des Total Cost of Ownership-Gedankens sind im Rahmen einer Flugzeugbe- schaffung auch solche Investitionen zu berücksichtigen, die zum Betrieb und zur War- tung der Flugzeuge notwendig sind. Dazu gehören neben dem quantitativen und qualitativen Personalbedarf insbesondere Kosten für Reservematerial einschließlich Reservemotoren sowie die Betriebsausstattung der Instandhaltungswerkstätten (vgl.

Loers 1967, S. 201).

g Reduzierte Sekundärinvestitionen

Durch eine Standardisierung ist es möglich, die notwendigen Investitionen in den In- standhaltungswerkstätten zu reduzieren. Dies betrifft unter anderem die Anschaffung von Prüfgeräten, Werkzeugen oder auch die vorzuhaltenden Informationen für den Arbeitsablauf (ein Instandhaltungs-„Handbuch“ für eine Boeing 747 umfasst 26 Bände mit insgesamt über 41.000 Seiten). Werden beispielsweise in einem neu be- stellten Flugzeug die gleichen, standardisierten Sitze wie in bereits vorhandenen Flugzeugen bestellt, so müssen Unterlagen für Arbeitsdurchführungen, Vorrichtungen und Werkzeuge in der Werkstatt nicht neu angeschafft werden.

g Geringere Schulungskosten der Mitarbeiter

Die Erhöhung des Standardisierungsgrades des Flugzeuges beeinflusst auch die Schulungskosten für die Mitarbeiter in der Wartung. Die reduzierte Teilevielfalt im Flugzeug macht Schulungen und Weiterbildungen weniger häufig notwendig. Das Wartungspersonal wird weniger spezifisch (vgl. dazu auch Stüssel 1985, S. 132).

Dies gilt im Rahmen der Cockpit- und Kabinenstandardisierung analog auch für die Ausbildung und das Training der Kabinencrew (Piloten und Flugbegleiter).

g Qualitätssteigerungen durch Erfahrungskurveneffekte

Bei einem Flugzeug muß die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Fehlern gering sein. Je kritischer dabei die Auswirkungen (vor allem hinsichtlich der Flugsicherheit) eines möglichen Fehlers sind, desto geringer darf die Fehlerwahrscheinlichkeit sein.

Das bedeutet unter anderem, daß die verwendeten Bauteile, Geräte und Systeme ei- nen hohen Grad an technischer Ausgereiftheit aufweisen müssen. Dazu müssen aufgetretene Fehler einfach zu lokalisieren und schnell zu beheben sein. Die Standardisierung des Flugzeuges in Form einer stärker modularen Bauweise kann helfen, diese Forderungen verstärkt zu erfüllen (vgl. Harling 1986, S. 129).

Werden die in das entsprechende Flugzeug eingebauten Teile/Komponenten beim Hersteller bzw. dessen Sublieferanten in größeren Mengen hergestellt, so machen sich deren Lern- und Erfahrungseffekte auch beim Abnehmer in der Form einer höhe- ren Qualität bemerkbar.

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Die Systeme eines modernen Verkehrsflugzeuges sind dadurch gekennzeichnet, daß sie immer stärker voneinander abhängen, sehr störungsanfällig und teuer sind. Vor diesem Hintergrund hat eine Standardisierung den Vorteil, daß die Gefahr einer nicht mehr optimalen Abstimmung zwischen allen Systemen durch eine nachträgliche individuelle Änderung seitens der Airline vermieden wird. Auf diese Weise reduziert eine Standardisierung (wenn sie entsprechend von den Airlines akzeptiert und prakti- ziert wird) ebenfalls Kosten, die sonst durch eine erneute Abstimmung und die behör- denseitige Abnahme dieser Änderung entstehen würden (vgl. Stüssel 1985, S. 140).

Für das Wartungs- und Reparaturpersonal erleichtert die Standardisierung die Realisation von Lerneffekten durch die wiederholte Arbeitsverrichtung an bzw. mit gleichen Teilen. Bezo gen auf den einzelnen Mitarbeiter führt die Standardisierung dazu, daß dieser mehr Arbeiten an gleichen Bauteilen durchführen kann und so die von HARTLEY als hemmender Faktor für die Realisation von Lernkurveneffekten be- schriebenen Diskontinuitäten in den Tätigkeiten vermieden werden (vgl. Hartley 1965, S. 127 f.). Wie die praktischen Erfahrungen mit dem ATLAS-Standard gezeigt haben, ermöglicht eine solche Konzentration von Know-how eine deutliche Senkung der Instandhaltungskosten (vgl. Jansen 1989, S. 175 ff.). Werden z. B. an verschiede- nen Flugzeugen die gleichen Triebwerke verwendet (sofern technisch möglich), so können Fehler vom Instandhaltungspersonal leichter erkannt werden, da sie mit die - sem Triebwerk vertraut sind (vgl. auch Loers 1967, S. 198). Für andere Bau- teile/Module gilt dies grundsätzlich analog. Damit ist im Zusammenhang mit der Wartung Standardisierung auch ein Aspekt zur Erhöhung der Zuverlässigkeit: Stan- dardisierung verringert die Ge fahr falscher Handgriffe, auch dadurch, daß mit der Re duzierung der Teile vielfalt auch die Vielfalt bezüglich der Unterlagen zu Prüf-, Be- und Verarbeitungsverfahren abnimmt. Durch die damit verbundene größere Rou- tine und das konzentrierte Know-how bei Reparatur- und Wartungsarbeiten ist (wie bei den oben beschriebenen Effekten bei der Teileverfügbarkeit) grundsätzlich mit ei- ner Reduzierung der notwendigen Bodenzeiten zu rechnen.

3.2.4 Beschaffung von Simulatoren

Zur Ausbildung und Schulung der Piloten sind Simulatoren notwendig. Diese Simulato- ren sind (wie das Flugzeug selbst) auch Investitionsgüter und können auch Gegenstand der Standardisierungsbetrachtung sein. Die Standardisierung der Cockpits ermöglicht nämlich ebenfalls die Standardisierung der bis zu 20 Mio. USD teuren Simulatoren. Zum einen können die Hersteller der Simulatoren ihre Fertigung entsprechend vereinfachen, wodurch ceteris paribus deren Produktionskosten bzw. Preise sinken (vgl. Shifrin 1990, S. 68 f.). Zum anderen ist es für die Airline nicht mehr notwendig, je Flugzeugtyp einen separaten Simulator anzuschaffen. Die Standardis ierung der eigentlichen Flugzeugcock- pits hat also auf die Beschaffung der notwendigen Simulatoren für die Airline einen Preis- und einen Mengeneffekt.

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3.2.5 Technologieintegration durch standardisierte Produktkonzepte

Wie andere Produkte ist auch ein Flugzeug Gegenstand von Weiterentwicklungen und des technischen Fortschritts. Daher ist die bis zum 20 Jahre andauernde Betriebsphase eines Flugzeuges durch eine gewisse Dynamik gekennzeichnet, die insbesondere durch zwei Faktoren beeinflusst wird. Der erste Faktor sind Veränderungen bzw. Veränderungs- vorschläge seitens des Herstellers sowie Forderungen und Auflagen seitens der zuständi- gen Behörden. Diese Änderungen haben eher zwingenden Charakter und werden von ex- tern in die Airline (bzw. den Hersteller) eingebracht. Der zweite Faktor sind die primär kommerziellen Veränderungen, die die Airline im Laufe des Flugzeuglebenszyklus’ in- tern und freiwillig vornimmt bzw. vornehmen lässt. Motivation für solche Verän- derungen sind neben einer Anpassung an einen veränderten Geschmack (bei der Deut- schen Lufthansa AG z. B. Modernisierung und Umgestaltung der Kabinenausstattung und des Unterhaltungssystems an Bord ca. alle fünf Jahre) auch die Verbesserung der Wirt schaftlichkeit (z. B. durch konstruktive Veränderungen am Triebwerk zur Reduktion des Treibstoffverbrauchs).

Solche Veränderungen sind mit einem trade-off zwischen den Vorteilen aus einer Einheit lichkeit der Flugzeuge und den Vorteilen aus der Veränderung verbunden (vgl.

dazu grundsätzlich Brockhoff 1999, S. 27 ff.). Kann die Airline z. B. durch eine noch besseres Unterhaltungssystem an Bord mehr Kunden für sich gewinnen, erhöht diese Veränderung ceteris paribus den Umsatz (vgl. Hozee 1995, S. 36 ff.). Gleichzeitig verursachen solche Änderungen (n eben den reinen Anschaffungskosten) aber Diskontinuitäten in den Lern- und Erfahrungskurven der Wartungsmitarbeiter und ma - chen unter Umständen die Anschaffung neuer Wartungsapparaturen und den Aufbau neuer Ersatzteilbestände notwendig.

Ein hoher Standardisierungsgrad und einer stärkeren Plattformbauweise des Flugzeuges bzw. der verbauten Komponenten und Module ist hier eine Möglichkeit, den trade-off zwischen gewünschter Einheitlichkeit und notwendiger Veränderung zu nivellieren und die Erweiterungen in der Teilevielfalt so gering wie möglich zu halten. Die Teile mit dem längsten technologischen Lebenszyklus sind als Bestandteil der Plattform zu definie ren, welcher sich selten ändert bzw. lange unverändert bleiben kann. Die eher veränderlichen Teile sind als „Anbauteile“ auf die Basisplattform zu definieren. Es ist somit möglich, Veränderungen zu isolieren und auf bestimmte Teilmo dule zu konzentrie - ren, statt sie über das gesamte Produkt zu verteilen (vgl. dazu auch Voit 2000, S. 36 f.).

Im Bereich des Flugzeugbaues ist dies deswegen von besonderer Bedeutung, weil große Technologiesprünge nicht mehr in gleicher Frequenz und Amplitude wie in der Ver- gangenheit zu erwarten sind.

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3.3 „Sell“ – Weiterverkauf des Flugzeuges

Nach einer bestimmten Nutzungszeit werden Flugzeuge an einen anderen Nutzer (Air- line oder Leasinggesellschaft) weiterverkauft, sofern sie noch betriebstauglich sind. Da- her spricht man auch von der „Sell“-Phase. Die Deutsche Lufthansa AG verkauft ca. 10- 20 Flugzeuge pro Jahr. Der Markt für gebrauchte Verkehrsflugzeuge hatte über die vergangenen zehn Jahre ein weltweites Volumen von insgesamt ca. 1.500 bis 2.500 Flug- zeugen. Die Aufgabe der Deutschen Lufthansa AG ist in dieser Phase des Lebenszy klus‘, einen geeigneten Käufer für diese Flugzeuge zu finden und einen möglichst hohen Preis zu erzie len. In dieser Phase des Flugzeug-Lebenszyklus’ resultiert ein höherer Standardisierungsgrad insbesondere in zwei Effekten:

g Vereinfachung des Verkaufsprozesses & Nutzung elektronischer Märkte

Die heute vorherrschende hohe Individualität eines Flugzeuges erschwert die Suche nach einem potentiellen Interessenten. Beim Verkauf sind die aus der Spezifität des Flugzeuges resultierenden ex ante-Transaktionskosten sehr hoch. Um den Interessen- ten adäquat zu informieren, müssen ausführliche Informationen über die exakte Spezifikation, die airline-spezifischen Umbauten etc. zusammengestellt werden.

Diese Informationen sind für den Interessenten deswegen von Bedeutung, weil er wie derum die bei ihm anfallenden Lebenszykluskosten des Flugzeuges reduzieren möchte. So ist es unwahrscheinlich, daß sich eine Airline ein gebrauchtes Flugzeug mit Rolls -Royce Triebwerken kauft, wenn die existierende Flotte nur mit Triebwer- ken von General Electric geflogen wird und so Zusatzinvestitionen für die entsprechenden Wartungstätigkeiten u.ä. anfallen würden.

Ein höherer Standardisierungsgrad des Flugzeuges kann diese Anbahnungs - und Ver- einbarungskosten senken, indem die Individualität des Flugzeuges (in der Terminolo- gie der Transaktionskostentheorie die Mehrdeutigkeit der Situation) reduziert wird.

Insbesondere airlineindividuelle Umbauten sind in diesem Zusammenhang besonders dokumentations- und erläuterungsbedürftig. Es wäre z. B. denkbar, gebrauchte Flug- zeuge bei einem hohen Standardisierungs- bzw. einem entsprechend geringen Individualitätsgrad auf einer Plattform im Internet den potentiellen Interessenten zu präsentieren. Grundsätzlich wird dies zwar jetzt schon praktiziert (z. B. unter www.flightlease.com/frames_sale.htm), der Nutzen ist jedoch sehr begrenzt, da die dort in vernünftiger Form darstellbaren Informationen nicht ausreichen, um eine Ent- scheidung oder zumindest eine profunde Entscheidungsvorbereitung zu ermöglichen.

Zweck einer solchen Plattform wäre nicht der eigentliche Kauf des Flugzeuges, son- dern die Erhöhung der Transparenz – Anbieter und Nachfrager würden leichter zuein- ander finden. Je standardisierter das Flugzeug ist, desto einfacher lassen sich solche Hilfsmittel wie eine Internet-Plattform einsetzen.

Insgesamt ergeben sich in dieser Phase bezüglich des Verkaufsprozesses ähnliche Effekte einer Standardisierung wie beim Kauf des Flugzeuges: Eine steigende Produktstandardisierung ermöglicht eine zunehmende Prozeßstandardisierung und - vereinfachung.

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g Preiseffekte auf das Flugzeug

Eine weitaus größere Bedeutung hat die Standardisierung auf den für das Flugzeug erzielbaren Preis im Rahmen des Weiterverkaufs. Abhängig von der Größe der kaufenden Unternehmung und vom künftigen Verwendungszweck wird das ent- sprechende Flugzeug beim Wechsel zu seinem neuen Besitzer mehr oder minder stark umgebaut. Kleinere Fluggesellschaften ändern verhältnismäßig wenig (lassen z. B. die Kabinenausstattung weitgehend unverändert und ändern lediglich die Lackierung), während größere Gesellschaften erheblich umfangreichere Umbauten vornehmen, um z. B. ihre eigene Kabinenausstattung einzubauen. Ebenso unterschei- den sich die Umbaukosten in Abhängigkeit davon, ob das Flugzeug beim neuen Kun- den wieder als Passagierflugzeug oder nun als reines Frachtflugzeug eingesetzt wer- den soll. Daneben entstehen aber auch Umrüstkosten in der Form, daß z. B. Meß- systeme umgestellt werden müssen (z. B. von „kg“ auf „pound“ oder von „cm“ auf

„inches“). Auch andere (marginale) Unterschiede in den Cockpits im Vergleich zur bis her geflogenen Flotte sind von erheblicher Bedeutung, da in diesem Falle kein Ein satz der eigenen Piloten auf diesen Maschinen möglich ist. Dadurch notwendige Umbauten in den Cockpits sind besonders kostenintensiv. Insgesamt verursacht diese Individualität der Flugzeuge Kosten, die bis zu 20 % des Restwertes ausmachen. Wer die Kosten des Umbaues letztendlich zu welchen Teilen trägt, lässt sich nicht genau feststellen, denn im vereinbarten Preis sind diese Faktoren berücksichtigt. Zu diesen direkten Kosten der Umrüstung müssen zusätzlich auch wieder Opportunitätskosten in der Form berücksichtigt werden, daß das Flugzeug in der Zeit des Umbaues nicht genutzt werden kann. Der höhere Standardisierungsgrad erhöht also direkt und indi- rekt den Preis, der für ein Flugzeug erzielt werden kann.

4. Zusammenfassung und Ausblick

Die Ausführungen haben verdeutlicht, daß die Standardisierung eines Flugzeuges in allen Phasen des Lebenszyklus’ insbesondere auf das Beschaffungs- und Materialmanagement einer Fluggesellschaft einen sehr großen und vielfältigen Einfluss hat. Standardisierung im hier verstandenen Sinne ersetzt dabei keine der klassischen oder modernen Verfahren des Beschaffungsmanagements, sondern stellt einen komplementä- ren Ansatz dazu dar. Man kann in diesem Zusammenhang Standardisierung als Ursachentherapie der produktgetriebenen Komplexität in der Beschaffung bezeichnen (ähnlich wie z. B. auch das Target Costing), während viele der aktuell diskutierten pro - zess- bzw. organisationsorientierten Ansätze (wie z. B. eProcurement oder Desktop Pur- chasing) eine Symptomtherapie darstellen.

Die hier beschriebene gesamthafte Denkweise setzt sich nur sehr langsam bei den Fluggesellschaften durch und wird maßgeblich durch das Engagement einiger weniger Personen von Airlines, Flugzeugherstellern und Lieferanten beeinflusst. Nach der Aufklä rung steht nun vermehrt die weitere Umsetzung im Mittelpunkt. Die „gerechte“

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bzw. sinnvolle Aufteilung der durch die Standardisierung erlangten Effizienzgewinne so- wohl zwischen als auch innerhalb der drei Hauptakteure (Airlines, Hersteller & Lieferan- ten) stellt zur Zeit das zentrale Problem in der Praxis dar. Damit verbunden ist die banal klingende, aber praktisch hochsensible Frage, wer Initiator solcher Standardisierungs- bemü hungen sein soll. Ähnlich wie bei den momentan viel diskutierten Ansätzen des Supply Chain Managements behindert nicht ein Erkenntnisdefizit, sondern ein Um- setzungsdefizit die Realisierung der an sich wenig strittigen positiven Effekte. Weder Theorie noch Praxis haben auf diese Fragen bisher Antworten g efunden. Die angewandte Forschung sollte sich daher dieser Fragestellungen annehmen.

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