Eine topographische Bodensequenz in
subalpinen .·Lawinenrunsen auf silikatischem·Gestein
PETER BLASER UND MARGRIT REISER
Einleitung
Bei den .Vorarbeiten zur Bodenkartiemng der Versuchsflä�he· Stillberg.wurde festgestellt, daß sich die Böden in den Hangrinnen-_d�r Lawinenzüge_ von_ allen anderen Bodentypen der .Fläche morphologisch grundsätzlich unterscheiden. In der Literatur konnten keine Hinweise auf vergleichbare Böden gef-µnden werden ..
Die Versuchsflädie liegt.
am NE-exponierten Hang des Di�chmatal�s beiDcWOS zwischen 2000 und 2230 m ü. M. Geologisch gehfüt das Dischmatal zum.J<:ristal
linen Deckenmassiv der Silvretta, dasin s�inem Aufba_u-_vorwiegend aus kristallin,en
oc 1 0
9 8 7 6 5 4 3 2
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J F M A M J J A S O N D
Abbildung 1 Monatsmittel der täglichen Temperatui-Minirria in der großen Hangrinne
Schiefem und Gneisen besteht. Die besonders im oberen Teil sehr steile Fläche (80-lQQ %,. N�igt1ng) ist ,or9gr�pl.u,s9li stark gegli�clert. Sie: weist eine Anzahl mar
kanter· Geländerippen und Hangrinnen auf, in welchen die häufig anbrechenden Lawinen niedergehen. D�,r untere Jeil der V t!rsuchsfläche ist etwas weniger steil und von grobblockigem Hangschutt überdeckt. Die Ausläufer der Hangrinnen set
zen sich aber meistens bis weit in diesen «Schuttkegel» hinein fort.
Bedingt durch die Lawinentätigkeit stellfn diese Hangrunsen Spezialstandorte dar, die in der Versuchsfläche beinahe ausnahmslos von Reitgrasrasen (Calama
grostietum villosae) besiedelt werden. In dieser GeseUschaft dominiert das wollige Re'Ügras,>welthesfür ·,hese Stand�rte aspektbestimmend ist (Kuocli� 1970).
Großklimatisch liegt das Gebiet in der kühl-humidehione. Die mittlere Jahres
t�mperatur liegt qei 1,6 °C (Januarmittel: :._ 6,1 °C; Julimittel: 8,9 °C), die mittle
ren Jah:resniederschlä�e Bettagen· etwa 1240.mm (TukNirn:, mündliche Mittdiung).
· _Mikrnklhn�tisch2eichnen sichdie H�ngrnnsen besonders dadurch aus, daß an Mr Bo_denoberffäche die Monatsmittelder. täglichen Tempernturminima nur wäh
rei{a ·etwa 3'-Monaten· des'Jalires "(Oktober bis'.Dezember) unter deni Gefrierpunkt liegen und daß Bodenfrost, sehr im Gegensatz zu anderen Standorten der Ver
suchsfläche, praktisch nicht auftritt, was für die Bodenbildung von großer Bedeu
tung zu sein scheint.
Morphologie eines typischen Runsenbodens
Die Verbreitung der nachfolgend beschriebenen Böden ist streng auf die Sohlen der Hangrinnen beschränkt und deckt sich weitgehend mit dem Areal des Calama
grostietum villosae. Bei den Kartierungsarbeiten hat sich herausgestellt, daß diese Pflanzengesellschaft für diese Böden einen ausgezeichneten Zeigerwert besitzt.
Profilbezeichnung eines hochentwickelten Bodens aus dem Mittelabschnitt einer Hangrinne. (Profil 3)
An diesem Profil sind folgende Merkmale bemerkenswert:
- eine Rohhumusauflage fehlt
- der A-Horizont enthält nur wenig organische Substanz - der E-Horizont ist außerordentlich mächtig
- alle Horizontüberg�nge sind fließend und erstrecken . sich über größere Tiefen- bereiche
- sofern ein Bh-Horizo11-t vorhanden ist, liegt dieser tiefer als der B8-Horizont - der mineraÜsche Aufbau besteht aus grobem Sand . .. und großen Mengen von
scharfkantigem Hangschutt unterschiedlicher Größe · - das ganze Profil ist sehr durchlässig.
Die ver�reiteten Eisenhumus-Podsole der Umgebung besitzen dagegen aus
nahmslos eine Rohhumusauflage und sind im ganzen Profil humusreicher. Ihre 200
Horizont Tiefe Beschreibung cm
(F) 0-2 Abgestorbene und teilweise zersetzte Gräser. Nicht durch
gehend; nesterweise.
A 2-10 Dunkelgrauer, schwach humoser Horizont, der durch das Wurzelwerk der_ Grasvegetation stark verfilzt ist. Sandige· Textur ohne Krümelung. Vermutlich handelt es sich -bei dieser Humusform um einen oligotrophen Mull im Sinne DUCHAUFOURS (1970). Hauptwurzelraum.
E 10-60 Hellgrauer, grobsandiger Mineralerdehorizont mit Einzel
korngefüge. Sehr durchlässig. Nebenwurzelraum.
B81 60-90 Übergangshorizont vom E zum B82 mit fließenden Grenzen.
Nach unten langsam zunehmende Rostrotverfärbung.
B82 90-110 Intensiv rostfarbiger, kompakter Mineralerdehorizont von sandiger Textur. Hüllengefüge.
Bs,h 1 10-130 Dunkelrostbrauner, eisenreicher Mineralerdehorizont mit nur wenig organischem Material. Kompaktes Hüllengefüge, sehr steinig. Dieser Horizont ist nicht überall und oft nur in Flecken vorhanden.
BC 140 Rostig gefärbter Hangschutt, der sich in Verwitterung be
findet.
Bleichhorizonte sind weniger mächtig, die Horizontgrenzen aber schärfer ausge
bildet. Die B11-Horizonte liegen über den B8-Horizonten.
Wie die Felduntersuchungen zeigten, ist diese Profilausbildung für Runsen
böden in den Mittelhangpartien charakteristisch. Bei den morphologischen Unter
suchungen der Hangserien in den Geländemulden sind von dieser Hauptboden-'
form einige Abweichungen festzustellen.
So sind die Böden in den obersten, meist ausgefächerten Partien der Gelände
rinnen im Verbreitungsgebiet des Empetro-V accinietums flachgründiger, humus
reicher und zeigen Ähnlichkeiten mit einem wenig entwickelten Podsol.
In den untersten, etwas weniger steilen Teilen der Hangrunsen im Verbreitungs
gebiet des Rhododendro-V accinietums besitzen die Böden -Rohhumusauflagen und weisen den charakteristischen Profilaufbau des Eisenhumus-Podsols auf, mit dem Unterschied, daß die E-Horizonte viel mächtiger sind als bei allen anderen Eisen
Um .über den Chemismus dieser Böden Aufschluß zu erhalten, wurden einige Glieder einer Hangserie untersucht.
Methoden
Das pH wurde in 0,01 M CaC12-Lösung elektrometrisch bestimmt. Das Boden/
Lösungsmittelverhältnis betrug 2 : 5. Zur Glühverlustbestimmung wurden die bei 105 °C vorgetrockneten Proben während 8 Stunden bei 400 °C verascht. Die C-Bestinünungell in der Feinerde und in den Extrakten erfolgte durch nasse Ver
brennung mit H2S04 bei 160 °C in Gegenwart von K2Cr207• Das reduzierte Cr3+
wurde bei 590 nm kolorimetrisch ermittelt (VAN HovE et al., 1959; ÜRLOV et al., 1967 a, b). Zur Extraktion der organischen Substanz wurden die Proben bei einem Bbderi/Lösungsmittelverhältnis von l : 40 mit 0;1 N NaOH bei Raumtemperatur während 15 Stunden geschüttelt. Die Ausfüllung der HS erfolgte bei pH 1.
Analysen zu Profil 1 ,Lage: oberer Teil einer Lawiq.enrunse
Vegetation: Empetro-V accinietum Horizont
Mächtigkeit cm pH CaC12
Gfühverlust '0/o
Organisches C, total O / o Extrahierbarkeit 0/o
Huminsäuren in 0/o des extrahierbaren C N in 0/o der Feinerde
C/N Extinktionskoeffizient-Ec der Huminsäuren Fe0 in 0/oo der Feinerde
Fect.in 0/oo der Feinerde Fe0/Fec1
Fe an extrahierter organischer Substanz (0/oo der Feinerde)
«Freies» Al, in 0/oo der Feinerde Mnc1 PPl11:
T-Wert, mäq/100 g Feinerde H-Wert, mäq/100 g Feinerde S-:Wert, mäq/100 g Feinerde V-Wert in '0/o
202
(A)E 10-45
3,12 7,60 2,73 48,7 54,1 0,22 12,5 12,3 0,27 2,83 0,10 0,17 0,37 13,18 3,4 11,75 1,43 10,85
Bh,s Bs
45-55 55-100
3,56 3,83
11,69 3,37
4,47 1,28
63,5 69,5
63,0 39,3
0,20 0,08
22,1 16,0
13,4 11,6
3,40 l,50
5,41 3,97
0,63 0,38
1,84 0,12
1,07 1,19
26,6 .144,0 20,37 10,82 19,44 10,08
0,93 0,74
4,57 6,84
Der Koeffizient der optischen Dichte ECmg mI wurde nach PLOTNIKOVA et al.
(1967) .berechnet. Die Bestimmung des .Fed erfolgte nach HoLMGREN (1967) bei einer Extraktionsdauer von 24 Stunden, diejenige des FE0 nach SCHWERTMANN (1964). Das Mnd wurde im gleichen Extrakt wie das Fed gemessen (BLUME et al., 1969). Die Bestimmung dieser Metalle erfolgte atomabsorbtions-spektrometrisch.
Das «freie» Aluminium wurde nach vorangehender Entfernung des «freien» Eisens nach JACKSON (1965) extrahiert und das gelöste Al kolorimetrisch nach McLEAN (1965) bestimmt. Die Gesamtstickstoffbestimmung erfolgte nach Kjeldahlauf
schluß (JACKSON, 1958). Die H- und S-"Werte wurden nach JACKSON (1958) ermit
telt, die T- und V-Werte daraus berechnet.
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cm
N Analysen zu Profil 2 Lage: oberster Teil einer Lawinenrunse
Vegetation: Calamagrostietum villosae
Horizont A AE AE (AE)B Bh, s Bs
Mächtigkeit cm 0-5 5-50 50-60 60-65 65-110
pH CaC12 3,58 3,40 · 3,55 3,65 3,83 4,05
Glühverlust 0/o 4,34 6,43 4,82 2,90 3,93 4,75
Organisches C, total O / o 2,06 3,09 2,54· 1,69 1;72 1,58
Extrahierbarkeit O / o 41,8 34,3 44,l 48,5 81,4 95,6
Huminsäuren inO/o des extrahierbaren C 50,0 59,4 51,8 42,7 42,1 22,5
N in °/o der Feinerde 0,15 0,14 . 0,17 0,11 0,11 0,08
C/N 13,4 21,9 15,1 15,6 16,2 19,5
Extinktionskoeffizient Ec der Huminsäuren 6,6 5,8 7,6 9,7 7,5 8,1
Fe0 in ° / oo der Feinerde 0,78 1,28 1,76 2,10 2,20 3,40
Fed in
° /
oo der Feinerde 4,05 5,05 5,75 5,75 6,00 6,60Fe0/Fed 0,19" 0,25 0,31 0,37 0,37 0,52
Fe an extrahierter organischer Substanz (0/oo der Feinerde) 0,30 0,38 0,49 0,25 Q,30 0,78
«Freies» Al, in °/oo der Feinerde 0,45 0,50 0,60 0,97 . 1;26 l,44
Mna ppm 14,5- 18,5 45,0 38,5 40,0 - 85,0
T-Wert, mäq/100 g Feinerde 9,86 , ' 13,00 11,69 10;02 .11,77 13,59
H-Wert, mäq/100 g Feinerde 8,94 12,00 10,80 9,36 11,04 12,84
S-Wert, mäq/100 g Feinerde 0,92 1,00 0,89 0,66 0,73 0,75
V-Wert in 0/o 9,33 7,69 7,61 6,59 6,20 5,52
Untersuchungsergebnisse
Die .hier vorgestellten Böden sind für vier Standorte repräsentativ, die sich in einer Lawinenrunse von oben nach unten folgen. Das Profil Nr. 1 wurde im ober
sten Teil der Runse aufgenommen, der noch im Verbreitungsgebiet · des Empetro
V accinietums liegt. Profil Nr. 2 liegt etwas tiefer, · im Verbreitungsgebiet des Calamagrostieturhs. Das Profil Nr. 3 ist charakteristisch für die tiefgründigen Run
senböden in den unteren Mittelhangpartien, wogegen das Profil Nr. 4 in der aus
laufenden ·Lawinenrunse am Hangfuß im Verbreitungsgebiet des Rhododendro
V accinietums aufgenommen wurde.
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N Analysen zu Profil 3 Lage: unterer Mittelabschnitt einer Lawinenrunse
Vegetation: Calamagrostietum villosae
Horizont A AE E Bs1 Bs2 Bh, s
Mächtigkeit· cm 0-10 10-20 20-60 60-85 85-110 110-140
pH CaCI2 3,39 3,46 3,55 3,64 3,75 3,80 3,98 3,89
Glühverlust 0/o 10,95 5,82 3,34 2,03 1,82 1,91 2,22 3,44
Organisches C, total 0; 0 7,00 2,98 1,77 1,03 0,96 0,84 0,98 1,58
Extrahierbarkeit 0/o 23,6 34,6 42,4 51,5 45,8 46,4 63,3 57,0
Huminsäuren in 0/o des extrahierbaren C 42,4 48,5 53,3 50,9 54,6 48,7 30,7 34,4
N in 0/o der Feinerde 0,38 0,22 0,15 0,08 0,07 0,06 0,06 0,08
C/N 18,7 13,6 12,1 12,9 14,3 13,3 15,3 19,5
Extinktionskoeffizient Ec der Huminsäuren 6,4 6,3 6,3 7,0 7,0 9,5 11,9 12,3
Fe0 in 0/oo der Feinerde 0,66 0,52 0,48 0,37 0,58 0,88 2,00 2,70
Fea in 0/oo der Feinerde 1,10 1,00 0,80 0,93 1,05 1,25 2,08 4,00
Fe0/Fea 0,60 0,52 0,60 0,40 0,55 0,70 9,96 0,68
Fe an extrahierter organischer Substanz
(0 / oo der Feinerde) 0,28 0,27 0,27 0,22 0,12 0,10 0,10 0,13
«Freies» Al, in 0/oo der Feinerde 0,39 0,39 0,43 0,41 0,47 0,48 0,59 1,10
Mna ppm 35,6 20,6 18,1 8,1 4,4 6,9 5,6 50,0
T-Wert, mäq/100 g Feinerde 16,24 12,85 10,97 8,09 7,67 7,85 10,08 13,17 H-Wert, mäq/100 g Feinerde 14,46 11,82 10,.14 7,38 6,96 7,14 9,48 12,48
S-Wert,. mäq/100 g Feinerde 1,78 1,03 0,83 0,71 0,71
o,n
0,60 0,69V-Wert in 0/o 10,96 8,02 7,57 8,78 9,26 9,04 5,95 5,24
Diskussion
Wie aus den Analysen des Profiles 3 hervorgeht, · handelt es sich beim typischen Runsenboden um einen Boden, der in den oberen, zum· Teil stark gebleichten Horizonten nur wenig organische Substanz und pedogene Oxide ( amorphe Fe- und Al-Hydroxide) enthält. In den tieferliegenden, rost- bis schwarzroten Horizonten
sind dagegen größere Mengen von «freiem» Eisen und Aluminium vorhanden.
(F) A A E E
Bs,h
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50
cm
1 00
140
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0 5 1 0 13
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50
cm
100
140
0 1.0 2.0 3.0 4.0 ¾o Fed
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100% 0 1.0 2.0 %0
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1 40
Analysen zu Profil 4 Lage: auslaufende Lawinenrunse amHangfuß
Vegetation: Rhododendro"-Vaccinietum,reich an Calamagrostis villosae
Horizont A E Bh,s Bs
Mächtigkeit cm 0-10 10--55 55-,-85 85-110
pH CaC12 3,11 3,44 3,73 4,00
Glühv�rlust 0/o 25,19 4,81 18,82 7,38
Organisches -C,-total -o / o 9,15 1;87. 6,96 2,88 Extrahierbarkeit ·0/o 33,7 64,2 73,6:-. 83,3 Huminsäuren in 1°/o des extrahierbaren C 51,0 60,Q 42,4 20,0
N in ·o / o der Feinerde 0,55 0,12 0,39 0;96
C/N 16,7 11,7 18,1 3,0
Extinktionskoeffizient E0 der Huminsäuren 13,2 12,1 11,4 9,3
Fe0 in 0/oo der Feinerde 0,38 0,43 3,50 5,5
Fed in 0/oo der Feinerde 1,44 2,66 6,72 9,22
Fe0/Fed 0,26 0,16 0,52 0,60
Fe an extrahierter organischer Substanz
(0/oo der Feinerde) 0,25 0,49 1,93 0,28
«Freies» Al, in 0/oo der Feinerde 0,24 0,42: 0,63 0,80
Mnd ppm 46,3 24,4 -29,8 41,0
T-Wert, mäq/100 g Feinerde 20,90 11,80 33,81 24,09 _H-Wert, mäq/100 g Feinerde 19,08 11,22 32,94 23,40 S-Wert, mäq/100 g -Feinerde 1,82 0,58 0,87 0,69
V-Wert in 'O/o 8,71 4,92 2,57 2,�6
Bei der Horizontierung und der Verteilung der «freien» Oxide und Hydroxide im Profil, besonders des für die morphologische Differenzierung des Bodenkörpers wichtigen Eisens, stellt sich die Frage nach den Ursachen · dieser ungleichen -Ver
teilung und nach den Verlagerungsbedingu_ngen. Damit das bei der Verwitterung freigesetzte Eisen verlagert werden kann, müssen verschiedene-__ Voraussetzungen erfüllt sein.
Die wohl wichtigste Rolle spielt dabei die Vegetation durch die Art und Menge der von i�r anfallenden Streu. Beim Streuabbau werden u. a. wasserlösliche orga
nische Säuren freigesetzt, die zur Komplexbildung mit Eisen befähigt sind. Erst durch diesen Prozeß wird Eisen, das unter aeroben Verhältnissen im pH-Bereich
>
3 in der schwerlöslichen dreiwertigen Form vorliegt, mobil und kann verlagertwerden. (BLOOMFIELD, 1964; BRUCKERT, 1970) 208
Die Wirkung dieser organischen Komplexbildner auf die Eisenverlagerung wird erhöht, wenn ihr biologischer Abbau unterbleibt und wenn sie nicht durch größere Mengen tauschbarer Basen neutralisiert werden. Große Sickerwassermengen und ein tonaqnes, durchlässiges Filtergerüst beinflussen die Verlagerungstiefe und da
mit die Profildifferenzierung.
In der Versuchsfläche sind. ganz allgemein die Voraussetzungen für die -Eisen:.
verlagerung und Podsolierung günstig. Bei den hohen Niederschlägen und den
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Fe org. Al • ,._ Fe d
relativ tiefen mittleren .Jahrestemperaturen • resultieren. große Sickerwassermengen.
Das saure, basenarme Gestein und die große Durchlässigkeit des Bodens besonders auf Hangschutt sind weitere begünstigende Faktoren. Es erstaunt deshalb nicht, daß in der Versuchsfläche ein breites Spektrum· vori Podsolvarianten anzutreffen ist. An den zur Diskussion stehenden Spezialstandorten treten · aber noch einige Faktoren hinzu, welche die Eisenverlagerung begünstigen.
Die Geländerinnen sind-nicht nur Sammelkanäle für die niedergehenden Lawi
nen, sondern auch für das Schmelzwasser und zum Teil wohl auch für das Nieder
schlagswasser nach Starkniederschlägen. Die Sickerwassermenge dürfte in den Rinnen größer sein als an den Einhängen oder auf den Kreten. Im humusarmen Oberboden wird das Wasser; im Gegensatz zu den Böden mitmächtigen Humus
horizonten, nicht wesent,lich zurückgehalten.
Obwohl die Eisenve�fagerung immer wieder mit Rohhunmsauflagen in Ver
bindung· gebracht wird und diese· oft als Ursache der Podsolierung betrachtet wird, zeigten neuere Untersuchungen (BLOOMFIELD, 1964; BRUCKERT, 1970), daß die wasserlöslichen Streusubstanzen bezüglich der . Eisenverlagerung eine yiel größere Wirkung aufweisen als bereits' humifiziertes Material. Vergleichende·pntersuchun
gen über die Wirksamkeit von wässerigen Extrakten verschiedener· Streuarten auf ihr Eisenbindungsvermögen zeigten, daß unter gleichen Bedingungen di� Streu der . Reitgrasgesellschaft von allen untersuchten Streuarten der Versuchsfläche die größte Wirkung bezüglich der verlagerten Eisenmenge wie auch der Verlagerungs
tiefe besitzt (BLASER, 1974). Dieser Effekt wird durch das Mikroklima noch ver
stärkt. Da in den Mulden die Temperatur auch im Winter meist über dem Gefrier
punkt liegt und der Boden praktisch nicht gefriert, kann besonders mit dem Ein
treten der Schneeschmelze das Wasser durch den Boden versickern. Während der langen Naß-Kalt-Phase, die sich bis weit in den Vorsommer hinziehen kann, bleibt der Streuabbau infolge der ungünstigen Temperaturen gehemmt. Die mit dem Sickerwasser transportierten organischen Verbindungen, die aus der abgestorbenen Grasvegetation ausgewaschen werden, entgehen dem mikrobiellen Abbau und gelangen voll zur Wirkung.
Das Fehlen eines zusammenhängenden F-Horizontes sowie die schwache Aus
bildung des humusarmen A-Horizontes deuten darauf hin, daß die �nfallende Streu des Reitgrasrasens innert Jahresfrist weitgehend abgebaut und mineralisiert wird.
Dies dürfte in erster Linie auf die leichte Abbaubarkeit der Rasenstreu zurückzu
führen sein. Die rasche Mineralisation der Streu hat zur Folge, daß die Humus
bildung und die Verlagerung -Von Humusstoffen gering sind. Die untersuchten typischen Runsenböden sind denn auch im ganzen Profil relativ humusarm.
Bei der Beurteilung der Entstehung dieser Böden gibt es verschiedene Argu
mente, die darauf hinweisen, daß diese in situ entstanden sind.
Ari ·den untersuchten Spezfalstandorten sind die Voraussetzungen für eine inten
sive Eisenverlagerung erfüllt. Bei den oberen, hellgefärbten Horizonten dürfte es sich demnach um Eluvialhorizonte handeln, die durch Auswaschung verarmt sind.
Als Folge davon besitzen diese Horizonte ein I strukturloses Einzelkorngefüge.
210
Demgegenüber handelt es sich bei den tieferliegenden, rostrotgefärbten Horizonten um Illuvialhorizonte, in denen besonders Eisen und Aluminium angereichert wur
den. Wie die Analysen zeigen, nehmen überdies in den Illuvialhorizonten die Men
gen von organischem C, die Tauschkapazität, das C/N-Verhältnis, die Fulvosäure
mengen, die optische Dichte der Huminsäuren (EC-Werte) sowie da Fe0/Fed-Ver
hältnis zu. Dies · deutet darauf hin, daß auch eine Verlagerung von organischer Substanz stattgefunden hat (ScHLICHTING et al., 1966; BLUME et al., 1967), deren Akkumulation aber eher von untergeordneter Bedeutung ist. In diesen Horizonten konnte durch die angereicherten Stoffe ein stabiles Hüllengefüge entstehen. Die fließenden HorizoritÜbergänge sind ein weiterer Hinweis, daß die Bodenbildung ungestört verlaufen konnte. Abtrag und Aufschüttung dürften keine wesentliche Rolle spielen: Es ist nicht anzunehmen, daß es sich bei diesen Böden um erodierte Podsole handelt, deren organische Horizonte bis zum Eluvialhorizont abgetragen wurden.
Alle diese Merkmale weisen darauf hin, daß - die untersuchten Runsenböden Bodenbildungsprozessen unterliegen, welche für die Podsolierung charakteristisch sind. Im Gegensatz zu den Eisenhumus-Podsolen der Zwergstrauchgesellschaften konnte >sich aber unter der Rasenvegetation kein Rohhumus bilden. Die Sesqui
oxidanreicherung erreicht erst im B2 das Maximum, und die Anreicherung von Humusstoffen im B-Horizontist gering.
Das eng begrenzte· Areal, in dem diese Böden vorkommen, deutet darauf hin, daß die Bodenbildung · in • den Hangrunsen an ganz spezifische Standortfaktoren gebunden ist. Dasselbe trifft auch auf die Verbreitung des Calamagrostietums zu,
das· in seiner reinen Ausbildung in der Versuchsfläche streng auf die. Hangrinnen
beschränkt ist.
Als wichtigste Standortfaktoren, welche eine unterschiedliche Differenzierung des Bodenkörpers bewirken, dürfen in der Versuchsfläche Relief, Mikroklima und Veg�tation betrachtet werden. Sind die standörtlichen Voraussetzungen für das Gedeihen des Calamagrostietums günstig, so findet man im Gefolge dieser Vege
tation die stark ausgewaschenen Runsenböden. Da sich die beiden -Areale in der Versuchsfläche decken, ist es nicht möglich, Ursache und Wirkung dieser engen Verflechtungauseinanderzuhalten. Nach den Angaben von KuocH (1970) bevorzugt das Calamagrostietum sickerfrische, steinige Standorte auf kalkarmem Mutter
gestein. Vermutlich vermag es aber in det Versuchsfläche nur auf Spezialstandorten zu gedeihen, welche nicht von den Zwergstrauchgesellschaften besiedelt werden können. Es ist anzunehmen, daß die direkten und indirekten Einflüsse der Lawinen
tätigkeit auf die Konkurrenzfähigkeit des Calamagrostietums von ausschlaggeben
der Bedeutung sind.
Wie unsere Versuche gezeigt · haben, bewirken umgekehrt die wasserlöslichen Streusubstanzen dieser Vegetation in Verbindung mit anderen, verstärkenden Fak
toren (Relief, Mikroklima, Hangwasser) eine tiefe Auswaschung und Bleichung der Böden. Ebenso ist die Vegetation für die Humusarmut dieser Standorte mitverant
Folge davon auch etwas abweichende Bodenformen. Liegt der o b e r st e T e i 1 der Hangrinnen mit meist weniger markantem Runsenrelief noch im Vorbereitungs
gebiet des Empetro-V accinietums, so· bildeten sich flachgründige, mehr oder weni
ger stark podsolierte Böden mit Rohhumusauflagen (Profil 1). Sobald sich der Reitgrasrasen zu etablieren vermag, ändert das Bild. Unter dieser Rasengesellschaft konnte nie ein Auflagehumus beobachtet werden. Unmittelbar auf den meist nur wenige cm mächtigen schwachhumosen A-Horizont folgt der aschefarbige, struk
turlose E-Horizont, der in größerer Tiefe langsam in den rostfarbige11 B::Horizont übergeht. Im oberen Teil der Runsen sind auch die�e Böden noch . relativ flach
gründig (Profil 2). Mit zunehmendem, feliefbedingtem --Einfluß des-Hangwassers nehmen .Profiltiefe und Mächtigkeit der Eluvialhorizonte zu. In den unteren Teilen der -Geländerinnen finden sich die ausgeprägtesten Formen der Runsenböden (Profil 3).
Die S c h a t t e n e i n h ä n g e der Geländerinnen werden meistens vom_ Empe
tro-V accinietum hylocomietosum besiedelt. An diesen Standorten sind Eisenhumus
Podsole mit außerordentlich mächtigen L-, F- und H-Horizonten im Auflagehumus verbreitet. An den S o n n e n e i nh _ä n g.e.n , im -Verbreitungsgebiet des .] unipero
Arctostaphyletums bildeten sich sehr humusreiche, alpine. Moderformen; Die Böden dieser Standorte sind nur schwach podsoliert. Stellenweise ist das Ocker
podsol verbreitet. Im ,untersten, etwas weniger steilen und stark überschütteten Teil des Hanges (Hangfuß) sind die Rinnen weniger markant ausgebildet, unddie kana
lisierende Wirkung auf die niedergehenden Lawinen ist geringer. An solchen Stand
orten geht der Reitgrasrasen stellenweise in eine reitgrasreiche Variante der Alpen
rosen-Vaccinienheide (Rhododendro-Vaccinietum) über. In diesem Teil der Fläche sind Bodentypen verbreitet, die Merkmale der typischen Runsenböden und der Eisenhumus-Podsole in sich vereinigen. Mit zunehmendem Anteil von Vaccinien und Moosen in der Vegetationszusammensetzung bildet sich eine-Rohhumusauf
lage. Parallel dazu zeigt das Profil mehr und. mehr den typischen Aufbau des Eisenhumus-Podsols.
Die oft stark gebleichten und mächtigen E-Horizonte lassen vermuten, daß diese unter Bedingungen entstanden sein müssen, die denjenigen der extremen Gelände
rinnen ähnlich gewesen sind. Die vaccinienreiche Vegetation,-_ die Rohhumusauf -
lagen sowie die unterschiedlich entwickelten Eh-Horizonte zeigen aber die nahe Verwandtschaft dieser Böden zu den Eisenhumus-Podsolen(Profil 4).
Die Vermutung liegt nahe, daß die Böden am_ «Hangfuß» einer regressiven Entwicklung unterliegen. Je mehr der «Runseneffekt» durch.Aufschüttung zurück
gedrängt wird, desto rascher weicht das Calamagrostietum einer rohhumusbilden
den Zwergstrauchgesellschaft, und die Bodenbildung nimmt einen anderen Verlauf.
So sind die unproportionalen E-Horizonte dies_er Böden vermutlich früher-unter extremeren «Runsenbedtngungen» entstanden, _wogegen die Humusbildung und die Humusanreicherung im Bli-Horizont jüngeren Datums seindürften.
In Abbildung 6 ist die Bodenentwicklung entlang einer Lawinenrunse_ schema
tisch dargestellt.
212
N 1--4 V,)
Empetro - Voccinietum
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[(((((t(t2040
�
m
E isenhumuspodsol
vi llosoe
Progressive Entwicklung
11 Runsenböden 11 = extreme Eisenpodsole
Abbildung 6 Bodensequenz in einer Lawinenrunse (schematisch, überhöht)
Rhododendro - Voccinietum
�
�
-8,
Regressive Entwicklung sekundäres Eisenhumuspodsol
Verdankung
Die Autoren danken Herrn ·Dr. H. TURNER für die zur Verfügung gestellten Klimadaten sowie für die vielen wertvollen Anregungen und Diskussionsbeiträge . . Ferner sei Herrn H. P. LÄSER für. die sorgfältige Präparation der Bodenprofile und
für die Ausführung der Zeichenarbeiten an dieser Stelle gedankt.
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