Kalzium-, Kalium- und Phosphor-Aufnahme von Apfelsämlingen in Abhängigkeit von der Stickstoff orm
CHRISTIAN GYSI
Zusammenfassung
Die Ca- und K-Aufnahme und Verlagerung in die Blätter von Apfelsämlingen wurde durch eine N03-Nährlösung gefördert und durch eine NH4-Nährlösung ge
hemmt. Die P-Aufriahme zeigte eine gegenläufige Tendenz. Die mögliche Bedeu
tung dieses Ergebnisses für praktische Maßnahmen zur Verhinderung physiologi
scher Störungen wird diskutiert.
Einleitung
Physiologische Störungen sind Pflanzenkrankheiten, die nicht auf einen Befall durch Krankheitserreger, wie Pilze, Insekten, Viren oder Bakterien, zurückzufüh
ren sind:) sondern hauptsächlich auf eine unharmonische Ernährung der Pflanze, also auf ein allgemein zu hohes Angebot der Hauptnährstoffe NPK oder ein über
mäßiges Angebot einzelner Nährstoffe. Aus Intensivkulturen ist heute eine ganze Reihe physiologischer Störungen bei Früchten und Gemüsen bekannt: z. B. Stippe beim Apfel, Stiellähme bei der Rebe, Blattpunktnekrosen bei verschiedenen Gemü
sen. Die Bedeutung dieser Störungen scheint mit der fortschreitenden Intensivie
rung der Kulturen zuzunehmen.
Trotz jahrelanger Untersuchungen konnten die Ursachen der physiologischen Störungen nicht eindeutig geklärt werden. Für deren Auftreten ist immer das Zu
sammenwirken verschiedener Faktoren, wie unharmonische Ernährung, Schwan
kungen im Wassergehalt des Bodens, ungünstige klimatische Verhältnisse, Kultur
maßnahmen usw., erforderlich. Aus den meisten bisherigen Untersuchungen geht j edoch hervor, daß die Ca-Versorgung im betroffenen Gewebe ungenügend ist und daß das Verhältnis von Ca insbesondere zu Mg und K gestört ist. Das Kalzium nimmt bei der Suche nach den Ursachen von physiologischen Störungen eine Schlüsselstellung ein [l, 3] .
Ca-Mangel kann durch eine ungenügende Verfügbarkeit im Boden beziehungs
weise in der Bodenlösung, durch Ionenkonkurrenz bei der Aufnahme durch die Wurzel oder durch eine ungünstige Wanderung und Verteilung innerhalb der Pflanze hervorgerufen werden. Ca-Mangel im Boden scheint für die meist kalk
haltigen Standorte der schweizerischen Intensivkulturen kaum in Frage zu kom
men. Ionenkonkurrenz bei der Aufnahme und Störung der Translokation der Nähr
stoffe ist hingegen bei den hohen Düngergaben, die bei diesen Kulturen üblich sind, weit wahrscheinlicher. Verschiedene Autoren haben gezeigt, daß durch die Art der
Stickstofform als Ammon- oder ·Nitratstickstoff das Anion-Kation-Verhältnis und damit die Aufnahme verschiedener Nährstoffe und besonders auch des Kalziums entscheidend beeinflußt werden kann [4, 5, 9, 10, 11, 15]. Meist wurden jedoch für diese Untersuchungen nicht ausdauernde Pflanzen verwendet. Arbeiten über den Einfluß der Stickstofform auf die Ernährung mehrjähriger Pflanzen sind dem
gegenüber weit weniger zahlreich. Es ist das Ziel der vorliegenden Arbeit, mögliche Konkurrenzmechanismen bei der Ca-, K- und P-Aufnahme und Verlagerung ins Blatt von Apfelsämlingen in Funktion der in der Nährlösung verwendeten Stick
stofform aufzuzeigen. Zudem soll kurz der Einfluß unterschiedlicher Stickstoff
formen auf die Zusammensetzung der Bodenlösung diskutiert werden.
Material und Methoden
Frisch gekeimte Apfelsamen (Sorte Tobiäsler) wurden auf ein wassersaugendes, grobporiges Tuch gelegt und mit Vermiculit überdeckt. Das Tuch war über einer
Tabelle 1 Zusammensetzung der Nährlösungen (modifiziert nach Co'ic et al. [4])
Bezeichnung Zusammensetzung in mval pro Liter *
der Nährlösung Kationen N03-
so
4--c1-
TotalK+ 5 5
ca++ 10 10
N03-Lösung Mg++ 5 5
NH4+
Total 10 5 5 20
K+ 5 5
Ca++ 5 5 10
NH4-N03-Lösung Mg++ 5 5
NH4+ 5 5
Total 5 10 10 25
K+ 5 5
ca++ 10 10
NH4-Lösung Mg++ 5 5
NH4+ 10 10
Total 15 15 30
* Alle Lösungen enthalten zudem bei pH 5,0 pro Liter 10 mval H3P04, 3,6 mval NaOH, 1 mval NaCl, 0,5 mval MnCI2, 0,5 mval ZnCI2, 0,25 mval FeEDTA.
12-Liter-Wanne mit künstlich belüfteter NHrN03-Nährlösung (Tabelle 1) auf
gespannt. Nach etwa drei Wochen hatten die Sämlinge bei 16 Stunden künstlichem Licht und 22 °C außer den Keimblättern mindestens vier Blätter entwickelt und maßen total ungefähr 10 cm. Bei Versuchsbeginn wurde die NH4-N03-Nährlösung durch die NHr beziehungsweise N03-Nährlösung ersetzt (Tabelle 1), die mit 3 µc
45Ca/l, beziehungsweise 10 µc 32P /1, beziehungsweise 10 µc 86Rb/l, markiert war.
Da Rb die K-Aufnahme direkt konkurrenziert, kann Rb annäherungsweise als Mar
kierung für K verwendet werden [8, 21]. Das Ausgangs-pH der Nährlösung betrug 5,0, erhöhte sich bei der N03-Lösung auf pH 5,5 und sank bei der NH4-Lösung.auf pH 4,0 bis zum· Versuchsende. Da den total etwa 60 Sämlingen ein relativ großes Nährlösungsvolumen von 12 Litern zur Verfügung stand, wurden die Lösungen nicht erneuert. Nach der Aufnahmeperiode von 1, 3, 6 oder 9 Tagen wurden die Blätter (außer den Keimblättern) von 15 ungefähr gleich großen Sämlingen ge
trocknet. 5 Aliquote von je etwa 150 mg Blattmasse wurden direkt in Scintillations
gläsern naß verascht [17] und deren Radioaktivität beziehungsweise deren Gesamt
aufnahme im Scintillationszähler für 45Ca, 86Rb oder 32P bestimmt.
Für die Untersuchung der Bodenlösung in zwei Rebbergparzellen (Düngung:
240 kg N pro Hektare als [NH4]2S04 oder NaN03) wurden je drei Sonden zur Ent
nahme der Bodenlösung [ 6] im Hauptwurzelraum (30 bis 60 cm) vergraben. Die Saugspannungen waren in den beiden Parzellen während der ganzen Vegetations
periode annähernd gleich, so daß die Gehalte an Nährstoffen in der Bodenlösung vergleichbar sind. Alle 14 Tage wurde die Bodenlösung gesammelt und bis zur Analyse eingefroren. NH4 und N03 wurden mittels Elektroden [13], P colori
metr�sch und Ca, Mg, K mit dem Atomabsorptionsspektrometer bestimmt.
Resultate und Diskussion
Die Aufnahme und Translokation der Kationen Ca und K beziehungsweise Rb in die Blätter von Apfelsämlingen wird durch die N03-Lösung gefördert, durch die NH4-Lösung gehemmt (Abbildung 1). Ob dieser Unterschied wirklich nur aut die unterschiedliche Stickstofform zurückzuführen ist, kann nicht ganz sicher gesagt werden, weil die N03-Lösung und die NH4-Lösung auch noch im Gehalt an
c1-
und
so
4---Ionen verschieden sind (Tabelle 1). Die Tatsache, daß die NQ3-- und NH4 + -Ionen·· von Gegenionen begleitet· sein.· müssen, die die Nährlösung zusätzlich verändern, ist nicht zu umgehen. Immerhin sindc1--
undso
4---Ionen physiologisch weniger aktiv als NQ3--und NH/-Ionen, die für den Stoffwechsel in großen Mengen benötigt werden. Der relative Konzentrationsunterschied der Begleitionen ist zudem durch die Zusammensetzung der Nährlösung möglichst gering gehalten. Wir können also annehmen, daß die Aufnahme und Verlagerung der Kationen Ca und K effektiv durch N03 - gefördert beziehungsweise durch NH/ vermindert wurde.
Dieser Befund wird auch bestätigt, wenn wir demgegenüber die Aufnahme eines Anions, zum Beispiel des Phosphates, untersuchen. Hier verläuft die P-Aufnahme
und Verlagerung ins Blatt "':7ährend der ersten sechs Tage bei N03-und NH4-Ernäh
rung ungefähr parallel, um sich erst nach neun Tagen bei der N03-Lösung Signi
fikant zu verringern (Abbildung 1). Es handelt sich dabei nicht um einen absoluten
10 M Ca;9 -6
60.,---,---,---r---,
3 6 9Tage
N03 - Nährlösung N H4 - Nährlösung I gesicherte Differenz 5%
10. -6 M K;g
( resp. Rb)
/
---
/
---- ........
.. ..
0-1'-=1--+----1----'
o 1 3 6 9 Tage
10 M -6 P/g
60�-�- ---,,'
..
, ,,-3 6 9 Tage
Abbildung 1 Ca-, K-(resp. Rb-) und P-Aufnahme (Mol pro Gramm Trockengewicht) in Blättern von Apfelsämlingen bei unterschiedlicher Stickstofform in der Nährlösung.
P-Verlust, sondern lediglich um eine Konzentrationserniedrigung, da die Pflanzen während der ganzen Aufnahmeperiode einen kräftigen Zuwachs verzeichneten.
Diese Ergebnisse mit Apfelsämlingen stimmen überein mit den Ergebnissen ver
schiedener Autoren [4, 9, 10, 14], welche bei einjährigen Kulturpflanzen ganz all
gemein eine relative Zunahme der Kationenkonzentration und eine relative Ab
nahme der Anionenkonzentration bei N03-Emährung im Vergleich zur NH4-Ernäh
rung feststellten. Diese bevorzugte Aufnahme von Kationen beziehungsweise von Anionen bei N03- beziehungsweise NH4-Ernährung wird mit der Notwendigkeit der Pflanze, das elektrostatische Gleichgewicht aufrechtzuerhalten, in Zusammen
hang gebracht. Sämlinge von mehrjährigen Pflanzen scheinen sich - nach unseren Resultaten - in ihrer Reaktion auf das Angebot verschiedener Stickstofformen gleich zu verhalten wie einjährige Pflanzen.
Demgegenüber stehen die Untersuchungen von SHEAR und FAUST [16] in einem gewissen Gegensatz: Die totale Ca-Aufnahme von Apfelsämlingen war nicht von der Stickstofform abhängig; hingegen zeigten Autoradiographien, daß Ca bei N03-
Ernährung vor allem in ältere Blätter, bei vorwiegender NH4-Ernährung in j üngere Blätter eingelagert wurde. Eigene Untersuchungen mit Autoradiographien, die hier nicht wiedergegeben werden, konnten keinen Unterschied in der Ca-Aufnahme nach dem physiologischen Alter der Blätter nachweisen. Hingegen war die Total
aufnahme, · wie in Abbildung 1 dargestellt, in Abhängigkeit von der Stickstofform sehr stark verschieden. Wahrscheinlich muß die Erklärung für diese abweichenden Befunde im unterschiedlichen Alter der verwendeten Apfelsämlinge gesucht wer-
den. SHEAR und FAUST [16] verwendeten 6 bis 8 Wochen alte Sämlinge von etwa 30 cm Länge, während unsere Sämlinge erst drei Wochen alt und etwa 10 cm hoch waren. In diesen jungen Sämlingen ist noch keine Differenzierung der Ca-Auf nahme nach dem Alter der Blätter festzustellen.
1Ö3M N03 12
8
4
0 pril
1Ö3M Ca 6
;,.
...
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... i'·
4
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2
0 +-+----+--+--1----1---+----4---'
0
4,+-+---+--+---,�-+--+-�'--�
....
...A
'· '
0
240 Kg N/ha als Na N 03
240 Kg N/ha als ( N H4h S04
gesicherte Differenz 5%
1Ö6M NH4 30
20
10
A 0
1Ö3M K
6
.,,.-
/.�. ,_,... ·, .
4
2
0 1Ö6M P 30
\
20
10
0 A 0
Abbildung 2 Gehalt an Nährstoffen (Mol pro Liter) in der Bodenlösung eines Rebberges im Verlaufe einer Vegetationsperiode bei unterschiedlicher Stickstoffdüngung
(Entnahme der Bodenlösung nach CZERATZKI [6]).
Unsere Ergebnisse unterstütze!¼ die Hypothese, wonach durch die N03-Ernäh
rung die Versorgung von Apfelbaumen mit Kationen und insbesondere mit Ca ver
bessert werden kann. Ob sich eine bessere Ca-Versorgung des Baumes direkt gün
stig auf das Auftreten der Stippigkeit auswirken kann, ist eine andere Frage, weil in diesen Kurzzeitversuchen die Ca-Verlagerung nur bis. ins Blatt, nicht aber bis in die Frucht selbst verfolgt wurde. Obwohl Arbeiten vorliegen, die über eine enge Beziehung zwischen der Ca-Blattkonzentration und der Ca-Fruchtkonzentration berichten [2, 7], ist nach den neuesten Arbeiten von WIENEKE und FÜHR [18, 19]
selbst bei einer verbesserten Ca-Totalaufnahme nicht unbedingt mit einer höheren Ca-Fruchtkonzentration zu rechnen. Dem Zeitpunkt der Ca-Aufnahme und den verschiedenen Bindungsformen des aufgenommenen Ca - teilweise als physiolo
gisch inaktive Ca-Kristalle [19, 20] - kann bei der Ca-Verteilung und Verlagerung innerhalb des Baumes entscheidende Bedeutung zukommen.
Falls sich die erwähnte Hypothese - Verbesserung der Ca-Aufnahme durch N03- Ernährung - in weiteren Versuchen bestätigen sollte, müßte für die praktische Düngung möglicherweise eine Umstellung von den heute üblichen Ammonium
und Ammoniumnitratdüngern zu Nitratdüngern befürwortet werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Zusammensetzung der Bodenlösung an verfügbaren Nähr
stoffen durch einen solchen Wechsel sehr stark beeinflußt werden kann. Auf Ver
änderungen des gesamten Nährstoffangebotes durch die Düngung haben in diesem Zusammenhang neulich NEMETH und GRIMME [12] hingewiesen. So zeigten sich in einem Vorversuch in einem Rebberg erhebliche Unterschiede in der Zusammen
setzung der Bodenlösung nicht nur in bezug auf den Gehalt an Stickstoffionen.
Durch die Stickstoffdüngung in Form von (NH4)2S04 wurden im Vergleich zu N aN03 während der ganzen Vegetationsperiode signifikant höhere Mengen an Ca, K und Mg in der Bodenlösung freigesetzt (Abbildung 2). Diese Erhöhung des Kationengehaltes in der Bodenlösung ist auf das stärkere Austauschvermögen der NH4-Ionen im Vergleich zu Na-Ionen zurückzuführen. Der P-Gehalt der Boden
lösung war hingegen nicht signifikant verschieden.
Durch einen Wechsel der Düngerform von (NH4)2S04 zu NaN03 sind also Ver
änderungen auf zwei völlig verschiedenen Ebenen zu erwarten: einerseits Vermin
derung des Kationengehaltes in der Bodenlösung; andererseits verbesserte Auf
nahme der Kationen durch die Wurzel. Welcher dieser beiden entgegengesetzten Einflüsse die Ca-Aufnahme und Verteilung innerhalb der Pflanze im praktischen Obstbau schließlich stärker verändert, wird gegenwärtig an unserer Forschungs
anstalt in einem mehrjährigen Freilandversuch geprüft.
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