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Archiv "Kinder schwer kranker Eltern: Vier Sonnen für Mama" (09.06.2006)

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Klinikum in staatlicher Trägerschaft lei- det, ist der Direktorin daher ein Rätsel.

Der chronische Geldmangel des bereits 1786 gegründeten Krankenhauses ist je- doch auf den ersten Blick nicht offen- sichtlich. In der Eingangshalle stehen mehrere mondäne Ledersofas, der Bo- den ist aus Marmor, die Wände sind mit Blumenbouquets geschmückt. Doch das Erscheinungsbild des Eingangsbereichs täuscht darüber hinweg, dass in den ver- gangenen 20 Jahren nichts in das Klini- kum investiert wurde: Das Inventar ist veraltet, es mangelt an neuen Geräten.

Private Geldgeber, wie sie in mittel- und osteuropäischen Nachbarländern wie Ungarn, Estland oder der Slowakei aktiv geworden sind, investieren in Slowenien auch auf der sekundären Versorgungs- ebene kaum. Dabei, sagt Markovic, müs-

se vor allem in die Versorgung von chro- nisch kranken, meist älteren Langzeitpa- tienten dringend mehr Geld fließen.

Die Telefone in Bajecs privater Poli- klinik stehen heute nicht mehr still, in- zwischen sind durchschnittlich 65 Pro- zent der 24 Betten belegt. Doch noch immer fragt nur ein Drittel der Patien- ten privat zu zahlende Leistungen nach.

Die negative Grundstimmung des Chir- urgen ist geblieben. „Sloweniens Ge- sundheitswesen befand sich zwar ein- mal im Mittelfeld. Doch mittlerweile verlieren wir den Anschluss“, befürch- tet Bajec. Martina Merten

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A1584 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 23⏐⏐9. Juni 2006

Mehr als 1 000 Ärzte arbeiten am bislang ein- zigen Universitätsklinikum des Landes.

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inder schwer kranker Eltern lei- den häufiger an klinisch relevan- ten Angststörungen, Depressio- nen, psychosomatischen Beschwerden oder Lernstörungen, so die Ergebnisse der europäischen COSIP-Studie. COSIP steht für „Children of Somatically Ill Parents“. Oft vergehen Jahre, bis dies offen zutage tritt. Ärzte und Therapeu- ten am Universitätsklinikum Hamburg- Eppendorf (UKE) zeigen, wie das ver- hindert werden kann.

Bis vor wenigen Wochen glaubte Bettina Skruhl noch, eine gesunde Mut- ter von drei kleinen Kindern zu sein, glücklich verheiratet und kurz davor, ihre klinische Facharztausbildung zu beenden. Dann die Diagnose Brust- krebs: Drei Operationen folgten, Kom- plikationen unter der Chemotherapie brachten sie fast um. Ihr Leben stand Kopf, das der Kinder auch. Bei der Kli- nikentlassung schob ihr einer der Ope- rateure einen Flyer zu über COSIP, die nach eigenen Angaben einzige qua- litätsgesicherte Beratungsstelle für

„Kinder körperlich kranker Eltern“ mit universitärer Begleitforschung.

Seit Sommer 2000 bietet das Zen- trum für psychosoziale Medizin am Universitätsklinikum Eppendorf Fami- lien mit Kindern, deren Mütter oder Väter schwer bis unheilbar erkrankt sind, eine präventive psychosoziale und kontinuierliche Beratung. Prof. Dr. med.

Peter Riedesser, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie am UKE, und sein Team hatten wiederholt beobachtet, dass Kin- der und Jugendliche etwa drei bis vier Jahre nach einer krisenhaften und län- ger bedrohlich erlebten Lebenssituati- on durch klinisch relevante psychische Störungen auffielen. Doch qualitäts- gesicherte und evaluierte psychosozia- le Interventionsprogramme für Kinder

gibt es kaum. Deshalb initiier- ten Riedesser und sein Team ein dreijähriges EU-finanzier- tes Präventionsprojekt: COSIP starte- te 2002 für drei Jahre in acht euro- päischen Ländern (Finanzvolumen 2,3 Millionen Euro). Dabei untersuchten und berieten Experten nahezu 700 Fa- milien mit etwa 1 000 Kindern, deren Eltern an multipler Sklerose, Aids, Krebs oder akuten Gehirn- und Rückenmarksverletzungen litten. Ziel war es, innovative Liaison- und Bera- tungsdienste zu installieren, evaluieren sowie spezielle Risikogruppen, Risiko- faktoren und protektive Mechanismen zu identifizieren.

Wenn der Boden bricht

Bettina Skruhl nahm Ende 2005 mit ihrer Familie als eine der ersten das COSIP-Interventionsprogramm in An- spruch. Heute beschreibt sie das als Glück für sich, ihren Mann und die Kin- der. „Die Diagnose war für die Kinder der Erstkontakt mit der bösen Seite des Lebens“, erzählt sie, „der ganze Alltag stand Kopf.“ Mittendrin die Kinder – drei, fünf und sieben Jahre alt. Anfangs unwissend und verwirrt, erfuhren sie nach einer Woche von der Krebserkran- kung der Mutter.

Für diese Situationen, wenn die Dia- gnose steht und der Boden bricht, bietet die Beratungsstelle COSIP eine nieder- schwellige, kindzentrierte und präventi- ve Beratung für Familien – unabhängig davon, ob ein Kind schon psychische Symptome zeigt oder nicht. Per Über- weisung oder Konsil wird die Spezial- sprechstunde der Institutsambulanz aktiv und rechnet dies im Rahmen der kinderpsychiatrischen Diagnostik mit dem Kostenträger ab. In Einzel-,

Kinder schwer kranker Eltern

Vier Sonnen für Mama

COSIP ist ein innovatives Familien-Interventionsprogramm

für Kinder schwer kranker Eltern am Universitätsklinikum

Hamburg-Eppendorf. Ein Erfahrungsbericht

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Paar- oder Familiengesprächen beglei- tet COSIP Kinder von drei Jahren an und ihre Eltern bedürfnisorientiert und kontinuierlich bis zu sechs Monaten.

Ziel ist es, die Eltern zu stützen, sie für die Bedürfnisse ihrer Kinder zu sensibi- lisieren und den Kindern eigene aktive Bewältigungsressourcen zu zeigen.

„Die Familien, die kommen, sind kei- ne Problemfamilien“, sagt Dr. med. Ge- org Romer, Studienkoordinator und Oberarzt der Klinik für Kinder- und Ju- gendpsychiatrie und Psychotherapie des UKE, über die Hilfesuchenden,

„sondern bislang psychisch stabile Fa- milien, die durch eine existenzielle Be- drohung einfach in große seelische Not gerieten.“ Allein in Deutschland rech- nen Experten des Robert Koch-Insti- tuts jährlich mit etwa 150 000 neu be- troffenen Kindern – ausschließlich be- zogen auf die Diagnose Krebs. Fast die Hälfte von ihnen zeigt ohne Interven- tion deutliche Verhaltensauffälligkei- ten, schulischen Leistungsverfall und soziale Isolation (6). Klinisch relevante Angstsymptome, depressive Verhal- tensweisen und psychosomatische Be- schwerden fallen laut COSIP (7) bei mehr als 30 Prozent von ihnen auf. So berichtet Romer von einem neunjähri- gen Jungen, der eine merkwürdige Gangstörung entwickelte, so wie sein Vater. Dieser litt schwer unter einer tabuisierten multiplen Sklerose. Offen- bar brauchte das Kind das Vehikel Gangstörung, um auszudrücken, was es sonst nicht durfte. Erleben Kinder diese Kluft zwischen gespürter Wahrheit und gelebter Lüge über einen längeren Zeit- raum, dann ist für sie das Risiko, später

tatsächlich psychisch zu erkranken, doppelt so hoch wie für andere Kinder gleichen Alters. Präventiv psychothera- peutisch begleitete Kinder dagegen zei- gen nach Intervention im Vergleich zu Kontrollgruppen signifikant weniger klinisch relevante Auffälligkeiten (4).

Unterschätzte Ängste

Der fünfjährige Georg malte immer wieder Bilder mit vier Sonnen: „Wenn eine Krebs hat, und eine stirbt, und eine in der Nacht schläft, dann bleibt noch eine für den Tag“, ermutigte er sich selbst, und doch peinigten ihn über Monate jeden Abend neu große Einschlafängste. In COSIP-Einzelge- sprächen baute der Fünfjährige dann seine Angst als Modell und erlebte sich als handlungsfähiger Baumeister. Nach nur drei Sitzungen hörten die Schlaf- störungen auf.

Ohne COSIP sieht die Realität aller- dings oft anders aus. Kinder erfahren nicht selten als Letzte oder gar nicht von der schweren elterlichen Erkrankung.

Sie leben zwischen Andeutungen, Halb- wahrheiten und bedrohlichen Fanta- sien – geradezu ein Nährboden für Schuldgefühle und Ängste. Eine Studie (4) belegt, dass 56 Prozent der betroffe- nen Kinder nicht über den nahenden Tod des Elternteils informiert waren.

Verlust- und Zukunftsängste, lange Krankenhausaufenthalte und nebenwir- kungsreiche Therapien drängen diese Kinder zu früh in verantwortungsvolle unangemessene Rollen, die sie oft bis zur physischen Erschöpfung ausfüllen. Die Eltern sind so mit sich selbst beschäftigt, dass sie die Überforderung und Ängste der Kinder übersehen und oft auch un- terschätzen. Nach einer Studie (6) kla- gen nahezu 80 Prozent der Eltern über erhebliche Aufklärungsdefizite hinsicht- lich einer gelungenen Eltern-Kind- Kommunikation. Eltern wünschen sich deutlich mehr Informationen durch die behandelnden Ärzte. Nur vier Prozent der Ärzte klärten aber dazu auf (6).

Wie wichtig Beratungsstellen wie COSIP sind, zeigt das erstaunlichste Er- gebnis der EU-Studie: Nicht das Ausmaß der Erkrankung entscheidet über psychi- sche Auffälligkeiten der Kinder, sondern, welchen Umgang die Familien damit finden. Erfahren Kinder eine kognitive Orientierung zum Krankheitsgeschehen, einen sicheren und vertrauensstiftenden Rahmen, um ihre Ängste und Sorgen mitzuteilen, und können sie selbst aktive Bewältigungsstrategien entwickeln, dann sind sie in der Lage, eine solche Be- lastungssituation nicht traumatisch, son- dern sozial gereift zu verarbeiten. Bettina Skruhl ist dankbar: „Ohne COSIP hätten wir sicher unter mehr Zerwürfnissen und Schuldgefühlen gelitten.“

Noch für 2006 planen die Initiatoren in Hamburg und die Deutsche Krebs- hilfe, Eckdaten zu erheben für ein präventives und bundesweites Bera- tungsnetz. COSIP-Studienteilnehmer Dänemark/Aarhus installiert derzeit Ähnliches. Sabine Weiland

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 23⏐⏐9. Juni 2006 AA1585

Informationen und Kontakt:

>COSIP-Beratungsstelle, Zentrum für Psychosoziale Medizin Hamburg, Telefon: 0 40/4 28 03-22 30

>Deutsche Kinderkrebshilfe Bonn, Geschäftsstelle.

Telefon: 02 28/72 99 00

>Verein „Hilfe für Kinder krebskranker Eltern e.V.“, Frankfurt, Geschäftsstelle, Telefon: 0 69/

67 72 45 04, Internet: www.hilfe-fuer-kinder- krebskranker.de

>www.kinder-krebskranker-eltern.de, Infoportal Flüsterpost, Initiative der Ohm-Fachhochschule Nürnberg

>Deutsche Gesellschaft für Psychoonkologie Münster, Geschäftsstelle: Telefon: 07 00/

20 00 66 66, www.dapo-ev.de )

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit2306 abrufbar ist.

Foto:Sabine Weiland

Der fünfjährige Georg baute seine Ängste als Modell: unzählige Sicherungssysteme schützen den kostbaren Schatz in der Mitte.

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Literatur

1. Broeckmann S: Plötzlich ist alles anders – wenn Eltern an Krebs erkranken. Verlag Klett-Cotta 2002.

2. Romer G, Haagen M: Kinder körperlich kranker Eltern.

Hogrefe-Verlag; erscheint 2006.

3. Senf B, Rak M: Mit Kindern über Krebs sprechen. Ko- stenfreie Infobroschüre des Vereins „Hilfe für Kinder krebskranker Eltern e.V.“

4. Siegel et al.: Pattern of communication with children when a parent has cancer. In: Baider L, Cooper GL, Ka- plan De-Nour A (Eds). Cancer and the family. Chiche- ster, England; John Wiley & Sons 1996: 109–128.

5. Siegel et al.: Psychosocial adjustment of children with a terminally ill parent. Am Acad Child Adoles Psychia- try 1992; 31: 327–333.

6. Trabert et al.: Studie zur Situation krebskranker Eltern in Deutschland, Georg-Simon-Ohm Fachhochschule Nürnberg 2006, Publikation in Vorbereitung, Nennung nach Genehmigung.

7. Watson et al.: „Factors associated with emotional and behavioral problems among school age children of breast cancer patients“. British Journal of Cancer, Ja- nuary 2006; 94: 43–50.

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 23⏐⏐9. Juni 2006 AA1

Literaturverzeichnis Heft 23/2006, zu:

Kinder schwer kranker Eltern

Vier Sonnen für Mama

COSIP ist ein innovatives Familien-Interventionsprogramm

für Kinder schwer kranker Eltern am Universitätsklinikum

Hamburg-Eppendorf. Ein Erfahrungsbericht.

Referenzen

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