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Archiv "InfluenzaPandemie-Planung: Aktualisierte Empfehlungen bereiten Ärzteschaft auf den Ernstfall vor" (24.12.2007)

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A3526 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 51–52⏐⏐24. Dezember 2007

M E D I Z I N R E P O R T

100 000 Personen versterben wer- den? Ausgangspunkt ist die drän- gende Frage, wie die kritische Phase zwischen dem Ausbruch einer Pandemie und der Verfügbarkeit eines entsprechenden Impf- stoffs medizinisch bewältigt werden kann. Sind beispiels- weise Unternehmen ver- pflichtet, für ihre Mitarbei- ter antivirale Arzneimittel zur Prophylaxe bereitzu- stellen? Welche Personen sollten nach welchen Sche- mata behandelt werden, und wie ist die Effektivität dieser Maßnahmen einzuschätzen?

Die WHO geht seit 2002 da- von aus, dass antivirale Arzneimit- tel im Fall einer Influenzapande- mie prophylaktisch wirksam sind.

Dennoch ist die Sinnhaftigkeit einer solchen Maßnahme immer wieder kontrovers diskutiert worden. Die Spitzenverbände der deutschen Ärz- teschaft* haben 2005 in einer Stel- lungnahme empfohlen, Neurami- nidaseinhibitoren zur Therapie von akut Erkrankten für bis zu 20 Pro- zent der Bevölkerung zu bevorraten.

Der Aspekt des prophylaktischen Einsatzes antiviraler Arzneimittel wurde darin jedoch nicht im Detail behandelt. Diese Lücke wird nun mit einem aktuellen Memorandum geschlossen (siehe Bekanntgaben).

Darüber hinaus werden die gesetzli- chen – insbesondere arbeitsschutz- rechtlichen – Grundlagen darge- stellt, die der Ärzteschaft als Ent- scheidungshilfe dienen sollen.

Arzneimitteloptionen

In der Prophylaxe und Therapie von Influenzainfektionen sind die M2- Ionenkanal-Blocker Amantadin und Rimantadin sowie die Neurami-

nidaseinhibitoren Oseltamivir und Zanamivir prinzipiell wirksam.

Amantadin und Rimantadin sind nur bei Influenza A wirksam. In Deutschland sind verschiedene Amantadin enthaltende Arzneimittel sowohl für die Behandlung des Mor- bus Parkinson als auch zur Prophy- laxe und Therapie der Influenza A (ab dem fünften Lebensjahr) zuge- lassen. Rimantadin ist hierzulande nicht zugelassen.

Die Neuraminidaseinhibitoren Oseltamivir (Tamiflu®) und Zana- mivir (Relenza®) sind in der Pro- phylaxe und Therapie der saiso- nalen Influenza A und B wirksam.

Tamiflu ist hierfür bei Kindern ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, Relenza bei Kindern ab dem vollen- deten fünften Lebensjahr zugelassen.

Die Behandlung beziehungsweise Postexpositionsprophylaxe sollte so bald wie möglich, spätestens jedoch 36 bis 48 Stunden nach Auftreten der Symptome oder nach Kontakt mit einer infizierten Person begon- nen werden.

Pflichten des Arbeitgebers

Nach § 3 des Arbeitsschutzgesetzes ist der Arbeitgeber verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu tref- fen, um die Sicherheit und Gesund- heit seiner Beschäftigten zu ge- währleisten. Das bedeutet, dass er eine – auf die Art der Tätigkeit und die Zahl der Beschäftigten abge- stimmte – Organisationsstruktur aufbauen und die erforderlichen (Arznei-)Mittel bereitstellen muss.

Dazu gehört auch die Bestellung von Betriebsärzten und Fachkräften für Arbeitssicherheit. Die Indikation zur Prophylaxe mit antiviralen Arz- neimitteln und zur Impfung bei Be- schäftigten hat im Rahmen einer

INFLUENZAPANDEMIE-PLANUNG

Aktualisierte Empfehlungen bereiten Ärzteschaft auf den Ernstfall vor

Wie antivirale Arzneimittel während einer Influenzapandemie für die Postexpositions- und Langzeitprophylaxe eingesetzt werden sollten

E

ine aktuelle Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zeigt auf, dass die Influen- zapandemie-Planung innerhalb der Europäischen Union (EU) nicht nur deutlich variiert, sondern teilweise auch Mängel aufweist: Zwar haben zwei Drittel der Länder inzwischen Pläne erarbeitet, die sich an den Vor- gaben der WHO orientieren; doch nicht einmal jedes zweite Land ver- fügt über Richtlinien, wie, wann und an wen im Ernstfall antivirale Medikamente verteilt werden sollen (www.who.int/entity/bulletin/volum es/85/06-039834.pdf). Als einziges EU-Land haben nur die Niederlande eine detaillierte Pandemie-Planung ausgearbeitet.

Wie stellt sich die Situation in Deutschland dar – zumal der Natio- nale Pandemieplan im Fall einer Masseninfektion davon ausgeht, dass rund 30 Prozent der deutschen Bevölkerung erkranken und etwa

Foto:GlaxoSmithKline

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 51–52⏐⏐24. Dezember 2007 A3527

M E D I Z I N R E P O R T

arbeitsmedizinischen Vorsorgeun- tersuchung zu erfolgen. Die Kosten für diesen Maßnahmenkatalog darf der Arbeitgeber nicht den Beschäf- tigten auferlegen.

Praktische Konsequenzen

Aufgrund der möglichen hohen In- fektiosität des Pandemievirus, das auf eine immunologisch „naive“

Bevölkerung trifft, muss für Perso- nengruppen mit hohem Infektions- und Erkrankungsrisiko eine Postex- positions- oder Langzeitprophylaxe mit Neuraminidaseinhibitoren (ins- besondere in der ersten Phase der In- fluenzapandemie) ernsthaft geprüft werden. Zu diesem Personenkreis gehören medizinisches Personal, pflegende Angehörige, Kinder, Menschen mit chronischen Erkran- kungen, Mitarbeiter von Institutio- nen der öffentlichen Ordnung sowie Personen mit häufigem oder intensi- vem Kontakt mit Erkrankten.

Eine absehbare berufliche Expo- sition mit dem Pandemievirus kann eine Postexpositionsprophylaxe mit antiviralen Arzneimitteln, die im Individualfall möglicherweise als Langzeitprohylaxe anzulegen ist, erforderlich machen. Dies würde nicht nur den jeweils exponierten Personen dienen, sondern vor allem die medizinische Versorgung der Patienten sichern und die Übertra- gungswahrscheinlichkeit für gesun- de Kontaktpersonen verringern.

Eine Langzeitprophylaxe bei Be- schäftigten sollte vom Arbeitgeber mithilfe des Betriebsarztes nur unter strenger Prüfung der Notwendigkeit durchgeführt werden. In erster Linie

ist dies bei medizinischem Personal anzunehmen; es könnte aber auch bei exponierten Gruppen mit häufigem Personenkontakt (Polizisten) oder bei Beschäftigten in Bereichen der Grundversorgung (Energie- oder Wasserwirtschaft) gegeben sein.

In diesen Fällen dient die prophy- laktische Anwendung des antivira- len Arzneimittels der Aufrechterhal- tung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Der Gesetzgeber hat ge- setzliche Möglichkeiten geschaffen, dass Arbeitgeber für ihre Beschäf- tigten eine Eigenbevorratung vorse- hen können.

Die Entscheidung für einen Ein- satz von antiviralen Arzneimitteln zur Postexpositions- und Langzeit- prophylaxe ist von einem Arzt unter Berücksichtigung der betrieblichen Gefährdungsanalyse beziehungs- weise der individuell gegebenen In- dikationen zu treffen.

Nach den gängigen Simulations- modellen besteht die Möglichkeit, dass sich die pandemische Phase über den Zeitraum von sechs Wo- chen hinaus ausdehnen wird. Da die Gabe von Neuraminidaseinhibi- toren nur für vier beziehungsweise sechs Wochen zugelassen ist und noch keine wissenschaftlichen Da- ten für die darüber hinausgehende Anwendung des Arzneimittels vor- liegen, muss der Off-label-Ge- brauch von antiviralen Arzneimit- teln in Betracht gezogen werden.

Für den Arzt bedeutet dies, dass ihm beim Off-label-Einsatz gegen- über dem Patienten eine gesteigerte Aufklärungspflicht zukommt. Es wird zudem empfohlen, den Patien-

ten um eine schriftliche Einwilli- gung in die Therapie zu bitten.

Was noch zu tun ist

Derzeit erstellen die Bundesärzte- kammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung gemeinsam mit der Berufsgenossenschaft für Ge- sundheitsdienst und Wohlfahrtspfle- ge Pandemie-Notfallpläne in Form von Checklisten für die Arztpraxis.

Das Bundesministerium für Ge- sundheit sowie die Landesgesund- heitsbehörden erkennen einerseits das Erfordernis für Arbeitgeber an, antivirale Arzneimittel zu bevor- raten. Andererseits sehen sie bisher keinen Regelungsbedarf, Personen- kreise, die nicht unter arbeitsschutz- rechtliche Bestimmungen fallen, mit antiviralen Arzneimitteln zur Postexpositionsprophylaxe zu ver- sorgen. Dazu gehören Kinder be- ziehungsweise alte und chronisch kranke Menschen.

Hierzu beziehen die Spitzenver- bände* wie folgt Stellung: „Aus ärztlicher Sicht muss dafür Sorge getragen werden, allen Bevölke- rungsgruppen mit hohem Expositi- onsrisiko bei gegebener Indikation eine Postexpositionsprophylaxe, ins- besondere in der ersten Phase der Influenzapandemie zu ermöglichen.

Hierzu sind von der Politik prak- tikable Konzepte gemeinsam mit Krankenversicherungen und der Ärzteschaft zu entwickeln, die den Zugang zu antiviralen Arzneimit- teln und die Finanzierung zum Zweck des prophylaktischen Ein- satzes gewährleisten können.

Es wird nicht verkannt, welche finanziellen Anstrengungen dies vor dem Hintergrund des potenziell großen betroffenen Personenkreises bei gleichzeitig bestehender Not- wendigkeit zur therapeutischen An- wendung dieser Arzneimittel impli- ziert. Umso notwendiger und dring- licher sind Bevorratungs- und Ver- teilungskonzepte zu erstellen. Da diese Arbeiten auf vielen Ebenen zu vollziehen sind, stellen sie eine ge- samtgesellschaftliche Herausforde-

rung dar.“ I

Dr. med. Vera Zylka-Menhorn

* Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereingung (KBV) und die Arzneimittel- kommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)

DEFIZITE IN MITTELSTÄNDISCHEN BETRIEBEN

Laut einer Umfrage vom Münchner Institut für Marktforschung im Gesundheitswesen (IMIG) ist nur die Hälfte aller Unternehmen auf eine Grippepandemie vorbereitet. Dies ergab eine telefonische Befragung von 150 Unternehmen, die zwischen 1 000 und 5 000 Mitarbeiter beschäftigen. Interviewpartner waren Betriebsärzte, Werksärzte, Geschäftsführer, Abteilungsleiter und andere Entscheider für die unterneh- mensinterne Planung.

Danach wird die Influenzapandemie-Gefahr von 75 Prozent der Befragten als „mittelmäßig“ bis

„weniger groß“ eingeschätzt. Daher verwundert es nicht, dass nur die Hälfte aller Unternehmen einen konkret ausgearbeiteten Pandemieplan vorliegen hat. Etwa 80 Prozent der Befragten erwarten jedoch Schwierigkeiten im Fall seiner Umsetzung und Implementierung. Bei etwa 60 Prozent der Firmen sind zur Bevorratung antivirale Medikamente eingekauft worden. Das Spektrum reicht von zehn bis 20 Packungen (nur für die Geschäftsleitung und leitende Mitarbeiter) bis hin zu 2 000 Packungen für einen Großteil der Mitarbeiter.

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