K
rankenhausplanung bedeutet seit Jahren vor allem die Still- legung von Klinikbetten. Die- ser Vorgang ist wie kein ande- rer Eingriff in das Krankenhausleben geeignet, Emotionen zu wecken.Mangel an Transparenz ist ein Grund dafür, der nachhaltig nur durch Struk- turänderungen gebessert wird. Es kommt aber auch zum Ausdruck, daß offenbar immer noch die – falsche – Einschätzung besteht, daß am Kran- kenhaus-Planbett alles hängt:
! Arbeitsplätze werden von Personalräten und Gewerkschaften eher mit Bettenzahlen als mit Lei- stungserbringung verbunden,
! Sparpotentiale vermuten Krankenkassen insbesondere in der Bettenstreichung,
! Ansehen und Einfluß leiten viele Abteilungsleiter aus ihrer Bet- tenzahl ab.
Die Länder stützen mit detaillier- ten Planungsvorgaben diese überhol- te Wertephilosophie. Wesentlicher als die vom Bedarf her leicht manipulier- bare Bettenzahl wird künftig die Ver- einbarung mit den Krankenkassen über die zu finanzierenden Versor- gungsaufgaben für die Patienten. Mit einer an fachlicher Leistungserbrin- gung orientierten Bemessung hat die ärztliche Selbstverwaltung das Plan- bettendogma in der Weiterbildung in- zwischen verlassen.
Betten-Soll-Wert je 1 000 Ein- wohner = (Krankenhaushäufigkeit je 1 000 Einwohner x Verweildauer) : (365 x Auslastung)
Diese Formel wird in Kranken- hausplänen angewendet.
Die Parameter offenbaren, daß es sich um „weiche“ Daten handelt:
Bevölkerungsprognosen und morbi-
ditätsbezogene Daten unterliegen Entwicklungseinflüssen, die sowohl für den Trend als auch zur Quantität selbst über einen mittelfristigen Zeit- raum keine so verläßliche Aussage zulassen, daß starre Planungsvorga- ben angemessen wären. Auch die Krankenhausverweildauer ist ein leicht beeinflußbares Chamäleon, wie Krankenhausinsider wissen. Derart weiche Planungsgrundlagen werden dann ungerechtfertigt zu einem
„knallharten“ Planungsergebnis ge- rechnet. Heruntergebrochen auf je- des einzelne Krankenhaus und darin auf die einzelne Fachabteilung wird diese Planzahl zur bestimmenden Ar- beitsgrundlage für Stellenpläne, Bau- planungen und Budgets.
Flexible Planung in Eigenverantwortung Es ist bei der eintretenden Ver- schiebung von der Betten- zur Lei- stungsplanung nicht mehr stimmig, daß vom Land eine starre Detailpla- nung jeder einzelnen Fachabteilung vorgenommen wird. Auch ein bisher unterbewerteter sozial verantwortli- cher Wettbewerb in Form der Nach- frage nach Leistungsangeboten eines Krankenhauses durch Patienten und einweisende niedergelassene Ärzte erfordert Flexibilität im Kranken- haus. Als Strukturänderung wird hier durch die Ärztekammer Berlin vorge- schlagen:
¿ Die Länder beschränken sich künftig auf den ordnungspolitischen Auftrag, in einem Rahmenplan je Krankenhaus die Fächer sowie eine Obergrenze der Gesamtbettenzahl letztverantwortlich festzulegen.
À Die so ausgewiesenen Fächer erhalten vom Land im Einvernehmen mit Kassen und Krankenhaus eine mittlere Planbettenzahl mit einer vom Krankenhaus eigenverantwort- lich zu handhabenden Bandbreite von beispielsweise +/-20 Prozent.
Á Die Details über den Versor- gungsauftrag des Hauses und die zu erbringenden beziehungsweise zu fi- nanzierenden Leistungen werden ei- genverantwortlich zwischen Kran- kenkassen und Krankenhäusern ver- einbart.
Sobald das jeweilige Kranken- haus innerbetrieblich mit diesem An- teil in die Planungsverantwortung eingebunden ist, wird eine eigenver- antwortliche Entscheidung über die
„richtige“ Abteilungsgröße gefordert.
Dieses „richtig“ ist bei durchlässig werdenden Abteilungsgrenzen neu zu definieren, und es wird erfahrbar wer- den, daß als Ziel der einzelnen Abtei- lung nicht Größen-Maximierung, son- dern unter kooperativen Gesichts- punkten Größen-Optimierung an- strebenswert ist. Eine so strukturell organisierte Betroffenenbeteiligung schafft dem Krankenhausbereich eine wirkliche Aufgabe im Planungsge- schehen. Bei der Umsetzung wäre die Ärzteschaft besonders gefordert, eine aus der Arbeitspraxis begründete Fachkompetenz in das Planungsge- schehen einzubringen.
Krankenkassen, Land und Kran- kenhausträger sind die am Planungs- geschehen Beteiligten. Bisher sind nach dem Krankenhausfinanzie- rungsgesetz (KHG) bei der Landes- planung mit den Kassen „einver- nehmliche Regelungen anzustreben“.
Das im Vermittlungsausschuß gescheiterte „Krankenhausneuord- nungsgesetz 1997“ (KHNG 1997) be- absichtigte, die Krankenkassen zu stärken, indem künftig gelten sollte, daß „die Krankenhausplanung mit den Landesverbänden der Kranken- kassen im Einvernehmen erfolgt“.
Statt nur zu beraten, kämen damit die Krankenkassen direkt in die Pla- nungsverantwortung. Als Ziel der KHG-Novellierung wurde herausge- stellt, „eine hochwertige medizinische Breitenversorgung und den medizini- schen Fortschritt in Übereinstim- mung mit dem Leistungsvermögen der Beitragszahler zu sichern. Dazu A-2602
P O L I T I K AKTUELL
(26) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 41, 11. Oktober 1996
Ärzteschaft
an der Planung beteiligen!
Krankenhausplanung hinter verschlossenen Türen von Krankenkassen und Politik schafft Verunsicherung und ärgert. Transparenz kann durch Einbeziehung in die Pla- nungsverantwortung geschaffen werden. Dies zu erreichen, fordert die Einmischung der Ärzteschaft in die Debatte um die nächste Stufe der Gesundheitsstrukturreform.
Krankenhaus
werden das Selbstverwaltungsprinzip gestärkt, die positiven Wirkungen ei- nes sozial verantwortlich ausgestalte- ten Wettbewerbs genutzt sowie mehr Transparenz und mehr Eigenverant- wortlichkeit bei allen Beteiligten ge- schaffen.“ In der weiteren Beratung über eine Fortschreibung der Ge- sundheitsstrukturreform werden Tei- le dieser Ziele Bestand haben.
Für eine wirkliche Stärkung des Selbstverwaltungsprinzips ist die künftige institutionelle Einbeziehung ärztlicher Kompetenz in die Kranken- hausplanung unabdingbar. Die Ärzte- kammer Berlin beispielsweise schlägt vor, dies durch eine Änderung des § 7 KHG mit der kursiv gesetzten Einfü- gung herbeizuführen: „Bei der Durchführung dieses Gesetzes arbei- ten die Landesbehörden mit den an der Krankenhausversorgung im Lan- de Beteiligten eng zusammen; das be- troffene Krankenhaus und die zustän- dige Landesärztekammer sind an- zuhören.“ Mit der grundsätzlichen Einbeziehung der Krankenhäuser als anzuhörende Beteiligte ist eine hin- reichende Einbeziehung der ärztli- chen Fachkompetenz bisher nicht er- folgt. Medizinisch-therapeutische Er- fahrung sollte von allen Beteiligten als wünschenswerte Ergänzung von Träger-, Landes- und Krankenkassen- interessen gewertet werden. Diese Aufgabe sollte gemeinsam von Ärz- tinnen und Ärzten in ambulanter und stationärer Patientenbetreuung wahr- genommen werden. Damit kann durch die ärztliche Selbstverwaltung in der Versorgungsplanung der fachli- che Beitrag geleistet werden, der bis- her für die Patienten ungenutzt bleibt.
Diese Vorschläge formulieren ei- nen Selbstverwaltungsanspruch, der die Möglichkeiten und Aufgaben der Landeskrankenhausgesellschaf- ten übersteigt. Will die Ärzteschaft diese Anliegen nicht weiterhin ande- ren überlassen, muß die ärztliche Selbstverwaltung initiativ werden.
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Roland Bersdorf
Vorsitzender des Krankenhausaus- schusses der Ärztekammer Berlin Geschäftsführer des Gemeinschafts- krankenhauses Havelhöhe
Kladower Damm 221 14089 Berlin
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P O L I T I K AKTUELL
Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 41, 11. Oktober 1996 (27)
„Von den insgesamt 505 aufge- stellten Betten befinden sich 155 in Sälen oder saalähnlichen Räumen.
Weitere 74 Betten stehen in großen Mehrbettzimmern mit fünf bis sieben Betten je Raum. Bedingt durch die räumliche Enge werden Patienten- schränke auf Fluren und in Magazinen untergebracht. Diese Situation bedeu- tet für die dort lebenden Personen we- der ein Mindestmaß an Individualität noch eine reale Möglichkeit zur Nor- malisierung ihrer Lebensbedingun- gen“, so werden in einer Verwaltungs- vorlage die Zustände beschrieben, wie sie noch 1989 in den Langzeitberei- chen der Landesklinik Bedburg-Hau (bei Kleve) herrschten. Diese Zustän- de waren damals der Auslöser für ein 70,5-Millionen-DM-Programm des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR), Köln, zur Enthospitalisierung von Langzeitpatienten. Mit Hilfe des Geldes sollten Wohnungen für chro- nisch psychisch Kranke in ihren Hei- matgemeinden geschaffen und zu- gleich veraltete Stationsgebäude mo- dernisiert werden. In das Programm wurden auch andere Rheinische Lan- deskliniken einbezogen, wie zum Bei- spiel die Klinik in Viersen. Jetzt zog der LVR eine Zwischenbilanz.
Die Außenwohngruppe in Wil- lich-Anrath (in der Nähe von Krefeld) ist eines der sechs Projekte im Rah- men dieses Programms. Dort leben in einem kleinen freistehenden Haus vier Frauen und zwei Männer. Einige von ihnen waren mehr als 30 Jahre auf einer Krankenstation untergebracht.
„Die Probleme, die sich aus der jahre- langen Hospitalisierung ergeben, sind oft schwerwiegender als die, die mit der eigentlichen Krankheit zusam- menhängen. Die Leute verlieren durch den streng geregelten Tagesab- lauf in der Klinik jegliche Art von In- itiative, denn die Maxime im Massen- betrieb der Kliniken beschränkte sich, was die Patienten anging, oft auf ,satt und sauber‘ “, sagte Diplom-Psycho-
login Ruth Vogel, Leiterin der Abtei- lung Rehabilitation der Landesklinik Viersen, vor Journalisten.
In ihrem „neuen Zuhause“ wer- den die Patienten nur von neun bis fünfzehn Uhr betreut. Daß sie zusam- men kochen, aufräumen und wa- schen, ist heute selbstverständlich.
Die Bewohner machen jetzt vieles, was sie sich noch vor fast eineinhalb Jahren, als sie in Anrath einzogen, niemals zugetraut hätten. „Natürlich war der Umzug für alle eine große Umstellung, auch für die Mitarbei- ter“, berichtete Ruth Vogel. Aber trotz allem habe es in den sechs Pro- jekten von Viersen nur zwei Patienten gegeben, die in die Geborgenheit der
„Anstalt“ zurückkehren wollten.
Rasen mähen statt Blutdruck messen
„Unser Berufsbild hat sich völlig verschoben“, stellte Bettina Kleiner fest, eine der Betreuerinnen in An- rath. „Früher war ich Krankenschwe- ster. Jetzt fallen natürlich viele Aufga- ben weg, wie das Blutdruckmessen zum Beispiel. Dafür sind andere wie Rasenmähen und das Wechseln von Glühbirnen dazugekommen.“
Trotz aller Fortschritte warten aber immer noch 230 Langzeitpatien- ten auf einen Platz außerhalb der Kli- nik. Allein die Landesklinik Viersen braucht weitere 40 Plätze. Im näch- sten Jahr werden elf zur Verfügung stehen. Die Situation auf den Sta- tionen wurde nach Angaben des LVR so weit wie möglich verbessert. In Viersen wurden drei Stationen umge- baut und eine Beschäftigungsthera- pie eingerichtet. Die Bettenzahl der Rheinischen Landeskliniken konnte von 6 202 (1989) auf 5 382 (1994) ver- ringert werden. Dabei ging die An- zahl der Betten im Langzeitbereich um rund 1 100 zurück, wohingegen sie im Akutbereich stieg. Tanja Planko