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Archiv "Drogenpolitik - Das Verbot von Cannabis ist ein „kollektiver Irrweg“: Schlusswort" (13.04.2001)

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ter im Auftrag von Polizei, Justiz und Führerscheinstellen den objektiven Nachweis einer Aufnahme und Wir- kung von Drogen wie Cannabis zu führen und zu Fragen der akuten Fahr- tüchtigkeit oder der generellen Fahr- eignung kompetent Stellung zu neh- men. Mit einem vom Autor beklagten

„Zusammenspiel mit der Verwaltung“, hat das nichts zu tun. Die Forderung des Autors auf das „Recht auf Rausch“ ist nicht gerade neu. Neu ist allenfalls, dass diese Forderung im Deutschen Ärzteblatt erhoben wird.

Es ist eine Frage an unsere Gesell- schaft und nicht an uns forensische To- xikologen, ob wir uns einen derartigen Ausstieg eines Teiles unserer Jugend aus der Gesellschaft im wahrsten Sinne des Wortes leisten wollen und können.

Möglicherweise findet die Forderung nach einer Aufhebung des vom Autor beklagten „Cannabisverbotes“ eine gewisse Akzeptanz in bestimmten Be- völkerungskreisen. Keinerlei Akzep- tanz – und da bin ich mir sicher – findet allerdings sein damit verknüpfter Vor- schlag, bekiffte Kraftfahrer straffrei am Straßenverkehr teilnehmen zu las- sen. Diese Forderung lässt in der Tat auf eine „selektive Wahrnehmungs- fähigkeit“, des Autors schließen, und damit wären wir wieder bei der vom Autor im Prinzip richtig dargestellten Cannabiswirkung.

Prof. Dr. Gustav Drasch,Institut für Rechtsmedizin, Frauenlobstraße 7a, 80337 München

Leidensgeschichten ignoriert

Als Ärztlicher Direktor einer traditio- nellen Sucht-Fachklinik mit einer Fach- abteilung für junge suchtkranke Män- ner habe ich diesen Artikel teils mit Er- staunen und teils mit Erschrecken gele- sen. Unsere jungen suchtkranken Män- ner, die polytoxikoman Alkohol, Can- nabis, Ecstasy, Medikamente und ande- re illegale Drogen konsumiert haben, haben diesen Artikel mit Freude gele- sen und mit dem Gedanken, dass sie endlich einer verstanden hat – nach dem Motto, dieser Artikel macht Lust auf mehr. Leider macht er mehr Lust auf Cannabis als auf mehr Informationen.

Die Suchterkrankung hat eine multi- faktorielle Genese, die, wie den meisten

bekannt, aus der Zusammenwirkung von individuellen Faktoren, suchtmit- telspezifischen Eigenschaften und so- zialen Bedingungen entsteht. Ich ver- misse in der Darstellung des Kollegen Nedelmann die umfassende Würdigung dieser Zusammenhänge. Der vom Ärz- teblatt veröffentlichte Artikel verharm- lost meiner Ansicht nach zu sehr das Problem der schädlichen Wirkung von Cannabis und ignoriert die unbestritten schwere Leidensgeschichte von jungen suchtkranken Menschen einschließlich deren Kinder und Angehörige. Ich hoffe, dass durch die Diskussion der Leserbriefe hier noch eine Korrektur erfolgen kann.

Dr. med. Th. Redecker,Klinik am Hellweg, Robert-Kronfeld-Straße 12, 33813 Oerlinghausen

Unrichtig zitiert

Im Aufsatz von Dr. med. Nedelmann wird einleitend geschrieben: „Der Rechtsphilosoph Michael Köhler kam zu der Einschätzung, dass das Canna- bis-Verbot ein „kollektiver Irrweg“ ist, der „nicht guten Gewissens weiter ge- gangen werden kann“. Dieses Zitat ist unrichtig.

Richtig ist:

In meiner von Nedelmann heran- gezogenen strafrechtswissenschaftli- chen Arbeit: „Freiheitliches Rechtsprin- zip und Betäubungsmittelstrafrecht“, (Zeitschrift für die gesamte Straf- rechtswissenschaft 1992, 3–64) habe ich, und zwar in eindeutigem Bezug auf „harte“ Drogen wie Heroin, aus- geführt: „Das Grundsatzunrecht, zunächst einem beträchtlichen Teil der Jugend in der gegenwärtigen Ver- fassung der Gesellschaft nicht zu genügen und sie anfällig werden zu lassen für Drogensucht, Drogenab- hängige ohne hinreichende Suchthilfe zu lassen, sie schließlich als Straftäter mit ungerechten Straf-/Zwangsthera- piemitteln zu überziehen – dieser Un- rechtszusammenhang ist in der Allge- meinheit nur dunkel bewusst. Der Aufweis der prinzipiellen Ungerech- tigkeit bisheriger Grundsätze in Ein- heit mit den üblen Folgen soll dazu beitragen, dass dieser kollektive Irr- weg nicht guten Gewissens weiterge- gangen werden kann.“ Zum Schluss

meiner Arbeit bin ich u. a. für die folgende strafrechtliche Differenzie- rung eingetreten: „Das strafrechtliche Rauschdrogenverbot darf sich . . . nur auf Drogen hohen Gefährdungspoten- zials nach dem Kriterium schwerer körperlicher Abhängigkeit (wie Hero- in) beziehen. Es muss daher eindeutig wenig gefährliche Drogen (wie Can- nabis) ausnehmen (vorbehaltlich ord- nungsrechtlicher Normen der Markt- kontrolle, des Missbrauchsschutzes, zum Schutz der Jugend und des Erzie- hungsverhältnisses).“ Zu der weiter- gehenden Frage, ob Cannabis durch außerstrafrechtliche Normen in gewis- sem Umfang zu kontrollieren sei oder nicht, habe ich nicht Stellung genom- men.

Prof. Dr. jur. M. Köhler,Institut für Strafrecht und Rechtsphilosophie, Rechtswissenschaft der Universität Hamburg, Schlüterstraße 28, 20148 Hamburg

Schlusswort

Die wesentliche Frage ist, ob die medi- zinischen Befunde ausreichen, das Cannabis-Verbot weiterhin zu begrün- den. Andere als medizinische Verbots- gründe gibt es nicht, und die sind inzwi- schen sehr erschüttert. Die hier versam- melten Gegenstimmen lassen insbeson- dere die Auseinandersetzung mit der im Auftrag des Bundesgesundheitsmi- nisteriums erstellten, 1998 veröffent- lichten Studie von Kleiber und Kovar vermissen. Die Behauptung von Drasch, ich schlüge vor, „bekiffte Kraftfahrer straffrei am Straßenverkehr teilnehmen zu lassen“, ist falsch.

Köhler schreibt in seinem Leserbrief:

„Das strafrechtliche Rauschdrogenver- bot . . . muss . . . eindeutig wenig ge- fährliche Drogen (wie Cannabis) aus- nehmen.“ Wenn aber schon der gesell- schaftliche Umgang mit harten Drogen den „Aufweis der prinzipiellen Unge- rechtigkeit . . . in Einheit mit den üblen Folgen“ gestattet und daraus der Schluss „eines kollektiven Irrwegs“ ge- zogen wird, dann gilt das erst recht für Cannabis. Ich kann diese Subsumtion, die auch in seinem Leserbrief enthalten ist, nicht „unrichtig“ finden.

Dr. med. Carl Nedelmann,Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie der Freien und Hansestadt Ham- burg, Blumenau 92, 22089 Hamburg

T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 15½½13. April 2001 AA975

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