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Archiv "Anhaltende neurotoxische Schäden durch Ecstasy: Schlusswort" (17.05.2002)

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„Ecstasy beziehungsweise der Haupt- wirkstoff Methylendioxymethamphe- tamin“. Tatsächlich sind die Termini sy- nonym. Wahrscheinlich sind mit „Ecsta- sy“ Ecstasy-Pillen gemeint. Zur Neuro- toxizität steht für die Ratte, dass sero- tonerge Axone im Hippocampus im Ge- gensatz zum Vorderhirn nur teilweise be- troffen waren. Später heißt es, dass nach 52 Wochen die Serotoninwerte und die Serotonintransporter im Hippocampus und in mehreren Cortexregionen noch signifikant erniedrigt waren. Beim Men- schen wurden im Liquor angeblich in zwei von drei Studien Konzentrations- unterschiede von 5-HIAA gefunden mit fraglicher Aussagekraft. Tatsächlich wurden zwischen 1987 und 1999 in vier von fünf Studien erniedrigte 5-HIAA- Konzentrationen im Liquor nachgewie- sen. Die MDMA-Konsumenten waren 4 bis 18 Wochen vor Liquorabnahme dro- genfrei (n = 115 Konsumenten). Trotz teilweise angreifbarer Kontrollgruppen ist dies doch ein harter Befund!

Als neurotoxischer Mechanismus wird die selektive Hemmung der MAO A her- ausgestellt. Zwar ist die Affinität von MDMA zur MAO A Isoform höher als zur B Isoform, aber auch die MAO A wird unter In-vivo-Bedingungen nicht gehemmt (IC50:30 µM, Scorza et al. 1997).

Diese Darstellung ist paradigmatisch für die mangelnde Wichtung von wissen- schaftlichen Befunden durch die Auto- ren. Schlussfolgerungen wie „Die neuro- toxischen Effekte sind als eine konzer- tierte Aktion multipler Transmittersy- steme anzusehen, die noch nicht vollstän- dig aufgeklärt ist“ wirken antiinformativ da der Leser sich fragt, warum solche Studien überhaupt durchgeführt werden sollen, wenn doch nichts herauskommt.

Für die Praxis wichtig sind die neurologi- schen Ausfälle.

Die Autoren stellen fest, dass „über- zeugende direkte Zusammenhänge der relevanten neuropsychologischen Para- meter mit den untersuchten biologischen Variablen beim Menschen bisher nicht berichtet“ wurden. Später ziehen sie aus den neurotoxischen und neuropsycho- logischen Befunden die Schlussfolge- rung, dass „dosisabhängige Minderun- gen neurokognitiver Leistungen als Aus- druck neurotoxischer Läsionen“ anzuse- hen sind. Waren also alle bisherigen neu- rotoxischen Untersuchungen im Hin-

blick auf kausale Zusammenhänge mit neuropsychologischen Ausfällen erfolg- los oder doch nicht?

Prof. Dr. med. Hans Rommelspacher Abteilung Klinische Neurobiologie Psychiatrische Klinik und Poliklinik FUB Ulmenallee 32, 14050 Berlin

Schlusswort

Die von Herrn Rommelspacher formu- lierten „Grundsätze“ für den Umgang mit Befunden zur Neurotoxizität von MDMA sind völlig korrekt – allerdings möchten wir der Behauptung, diese in unserem Beitrag nicht hinreichend be- achtet zu haben, widersprechen: Ein wichtiger Grund für unseren Artikel war, der irrigen und in Fachkreisen durchaus weitläufigen Meinung entgegen zu wir- ken, die an Affen durchgeführten Expe- rimente, welche das hohe neurotoxische Potenzial von Ecstasy belegen, seien auf den Menschen nicht übertragbar. Kürz- lich haben sich auch in anderen For- schungsbereichen Evidenzen für anhal- tende neurotoxische Schäden durch Ecstasy ergeben. Die Ärzteschaft über diese interessanten und gesundheitspoli- tisch wichtigen Befunde zu informieren war unser Ziel. Auf die unterschiedliche Empfindlichkeit der verschiedenen Spe- zies für den neurotoxischen Effekt des MDMA haben wir ausdrücklich hinge- wiesen. Vor dem Hintergrund des derzei- tigen Forschungsstandes bleibt es nicht aus, dass sich Befunde widersprechen können und eine abschließende Bewer- tung nicht in jedem Einzelfall vorgenom- men werden kann. Der am Beispiel der Ratte unterstellte Widerspruch hingegen ist nicht evident, da eine partielle Läsion serotonerger Axone im Hippokampus eine signifikante Erniedrigung seroto- nerger Marker in dieser Region nicht ausschließt. Weiterhin ist die als „harter Befund“ bezeichnete erniedrigte 5- HIAA-Konzentration im Liquor der Ec- stasykonsumenten für sich genommen wenig aussagekräftig. Ähnliche Befunde können auch nach einer Reserpinbe- handlung erhoben werden. Da die neu- ronale Serotoninproduktion nur etwa 10 Prozent der gesamten körpereigenen Synthese ausmacht, können die Kon- zentrationsschwankungen an 5-HIAA durchaus auch andere Ursachen haben.

Was die Hemmung von MAO-A anbe- langt, wurde diese nicht besonders „her- ausgestellt“, zumal sie für die Axondege- neration eher nicht verantwortlich ist. Im Unterschied zu Scorza et al. haben wir es vorgezogen, die Hemmung der humanen MAO zu untersuchen und zwar der MAO-B, da nur diese Enzymform in serotonergen Nervenendigungen vor- kommt (IC 50: < 50 µmol/L).

Eine Gleichsetzung von „Ecstasy“

und MDMA ist deshalb problematisch, weil die in den Tabletten enthaltenen Substanzen stark variieren. Das bewei- sen die Analysen der sichergestellten Ecstasy-Tabletten durch das Bundeskri- minalamt (BKA: Rauschgift-Jahresbe- richt Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 1999). Die 248 042 im Jahre 1999 aufgegriffenen Monopräparate ent- hielten zu 86 Prozent MDMA, 11 Pro- zent Amphetamin, 2 Prozent DA und zu 1 Prozent Methamphetamin, MDE, BD- MPEA und Ephedrin. Bis Mitte der 90er-Jahre war der Anteil an Kombina- tionspräparaten der auf dem illegalen Markt als „Ecstasy“ vertriebenen Tablet- ten zahlenmäßig höher als der Anteil an Monopräparaten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen zwar zahlreiche Evi- denzen für das hohe neurotoxische Po- tenzial von Ecstasy vor – ein überzeugen- des pathogenetisches Modell, das die verschiedenen Einzelbefunde zu inte- grieren vermag, steht noch aus. Deshalb ist eine nachhaltige Intensivierung der experimentellen und klinischen Ecstasy- Forschung mit Nachdruck zu befürwor- ten. Die Aufklärung der Ärzteschaft über den akutellen Stand der Forschung sollte offene Fragen nicht aussparen.

Durch Übergehung von Wissenslücken und übermäßige Bewertung von Einzel- befunden haben sich weiterführende Forschungsansätze in der Vergangenheit nur selten entwickelt. In diesem Feld ei- nen substanziellen Beitrag zu leisten, ist weiterhin ein wichtiges Ziel der interdis- ziplinären Forschungsgruppe „Ecstasy“

im Universitätsklinikum Hamburg-Ep- pendorf.

Dr. med. Jost Obrocki

Priv.-Doz. Dr. phil. Burghard Andresen Prof. Dr. med. Achim Schmold Prof. Dr. med. Rainer Thomasius Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Martinistraße 52, 20246 Hamburg M E D I Z I N

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A1384 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 2017. Mai 2002

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