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Archiv "Sofortmaßnahmen bei thoraxtraumatalogischem Notfall" (10.06.1983)

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Heft 23 vom 10. Juni 1983

in der Frühphase nach Tho- raxtrauma entscheiden die ergriffenen oder unterlasse- nen Maßnahmen besonders über den weiteren Verlauf und das Schicksal des Ver- letzten. Diagnostische Über- legungen und therapeuti- sches Handeln müssen dabei Hand in Hand gehen. Mit ein- fachen Untersuchungsme- thoden läßt sich die Situation schnell erfassen, mit eben- falls oft einfachen Maßnah- men können die Thoraxtrau- mafolgen gezielt abgewen- det und insbesondere eine mechanisch bedingte Atem- störung und eine intrathor- akale Blutung beherrscht werden. Grundvorausset- zungen sind eine schnelle,

vollständige Diagnose mit

möglichst einfachen Mitteln

und entschlossenes aktives Handeln. Alle Sofortmaßnah- men des Rettungsdienstes oder in der ersten Phase der Klinikaufnahme haben zwei Zielrichtungen: Erken- nung und Abwendung akut lebensbedrohender Kompli- kationen und Vorbeugung späterer Komplikationen.

Sofortmaßnahmen bei

thoraxtraumatalogischem Notfall

Wilhelm Harte! und Jürgen Radomsky

Aus der Chirurgischen Abteilung

(Leitender Arzt: Oberstarzt Professor Dr. med. Wilhelm Harte!) des Bundeswehrkrankenhauses Ulm

(Chefarzt: Oberstarzt Dr. med. Claus H. Kalbitzer)

Thoraxverletzte sind häufig mehr- fachverletzt Nicht der Thorax- oder Herzchirurg tritt in der Regel als Erstbehandelnder auf, sondern Notarzt, Allgemein- oder Unfall- chirurg und Anästhesist.

in der Gesamtbeurteilung des Schwerverletzten muß die Thorax- verletzung Teilaspekt bleiben. Al- lerdings kann sie auch initial le- bensbedrohlich sein oder sich all- mählich zum Notfall entwickeln.

1. Häufigkeit

An der Gesamtzahl aller Unfallver- letzungen hat das Thoraxtrauma einen Anteil von etwa 10 Prozent.

Bei polytraumatisierten Patienten ist der Brustkorb in 80 Prozent mitverletzt Bei rund 35 Prozent aller Unfalltoten ist ein Thorax- trauma die Todesursache (5).

2. Verletzungsursachen

Häufige Ursachen stumpfer Tho- raxtraumen im Straßenverkehr oder am Arbeitsplatz sind:

..,. Thoraximpression (z. B. Lenk- radaufprall},

..,. Thoraxkompression (z. B. Ein- klemmung),

..,. Dezeieration (z. B. Absturz). Die offenen Thoraxverletzungen (Schuß-, Stich-, Hiebverletzungen u. ä.) überwiegen in Kriegszeiten, ebenso die sogenannten "blast injuries" oder Explosionsverlet- zungen.

Pathologisch-anatomisch kombi- niert sich dabei die Kontusion mit der Parenchymruptur.

3. Sofortmaßnahmen

Alle Sofortmaßnahmen im Rah- men des Rettungsdienstes (8) oder in der ersten Phase der Kli- nikaufnahme haben zwei Zielrich- tungen:

..,. Erkennung und Abwendung akut lebensbedrohender Kompli- kationen (Tabelle 1, Tabelle 2), ..,. Vorbeugung späterer Kompli- kationen (Tabelle 3).

Gerade in der Frühphase nach Thoraxtrauma entscheiden die er- griffenen oder unterlassenen Maß- nahmen über Verlauf und Schick- Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 23 vom 10. Juni 1983 25

(2)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Thoraxnotfälle

sal des Patienten (6). Diagnosti- sche Überlegungen und therapeu- tisches Handeln müssen dabei Hand in Hand gehen.

4. Verletzungen des knöchernen und muskulären Thorax 4.1. Sternumfraktur

Sternumfrakturen, meist als ge- ring dislozierte Querfrakturen, tre- ten gegenüber den Rippenfraktu- ren seltener auf, sind aber in 20 Prozent mit einer inneren Thorax- verletzung, oft einer Herzkontu- sion, verbunden. Sie haben des- halb Signalcharakter. Operative

Maßnahmen mit Reposition und Fixation stellen Ausnahmen dar.

4.2. Rippenfrakturen

Die Fraktur der durch den Schul- tergürtel geschützten Rippen 1 bis 3 ist Ausdruck einer starken Ge- walteinwirkung (Tabelle 4). Nach Begleitverletzungen der Arteria und Vena subclavia, des Plexus brachialis, des Tracheobronchial- systems und der thorakalen Aorta muß gesucht werden. Bei den Frakturen der beweglichen basa- len Rippen kann die verletzende Energie auch Leber, Milz und Nie- ren treffen. Die Rippenfraktur wird in der Regel klinisch diagnosti-

Sofort-Diagnostik beim Thoraxtrauma Inspektion: Atemwege frei?

respiratorische Insuffizienz?

Schockzeichen?

Verletzungen des knöchernen Thorax?

Auskultation und Pneumothorax?

Perkussion: Hämatothorax?

Herztamponade?

Tabelle 1

Diagnostisches Klinikprogramm beim Thoraxtrauma Atemwege: endobronchiales Absaugen

(eventuell flexible Bronchoskopie)

Kreislauf: RR, Pulsfrequenz, EKG-Überwachung, ZVD Labordiagnostik: Hb, Hk, K+, Na+, arterielle BGA, Blutgruppe Röntgendiagnostik: Rö-Thorax-Übersicht, möglichst in 2 Ebenen

Tabelle 2

Sofortmaßnahmen beim Thoraxtrauma

G) respiratorische Insuffizienz: Intubation und Beatmung

@ Verletzung des Analgetikagabe i. v.,

knöchernen Thorax: ..,. wirksamer: Frühbeatmung und hochdosierte Analgesie

@ Pneumothorax, Hämatothorax: Pleurapunktion, Thoraxdrainage

@ Herztamponade: Perikardpunktion

Tabelle 3

ziert, denn ihre röntgenologische Darstellung ist nicht immer sicher, im knorpeligen Rippenteil sogar unmöglich.

Bei parasternalen Rippenserien- frakturen oder bei einseitigen Rip- penserien-Stückbrüchen wird ein Thoraxwandteil frei beweglich und nimmt an den Atemexkursio- nen gegensinnig teil. Unter Unauf- merksamkeit erschöpft sich die dadurch gestörte Atemmechanik zwischen dem 2. und 4. Tag. Eine Letalität bis zu 40 Prozent weist auf die Gefährlichkeit der instabi- len Thoraxwand hin.

Die maschinelle Langzeitbeat- mung mit positivem endexpiratori- schem Druck (PEEP) stellt den we- sentlichen Teil im therapeutischen Konzept dar; ihr verdanken viele Thoraxverletzte das Überleben.

Operative Stabi I isie ru ngsmaßnah- men werden derzeit nur unter be- sonderen Indikationen oder ohne- hin erforderlicher Thorakotomie angewandt (4).

4.3. Hämatothorax

Thoraxwand- und Zwerchfellver- letzungen sowie Brustwirbelkör- per-(BWK-)Frakturen führen meist zu einem begrenzten Hämatotho- rax, der elektiv therapierbar ist.

Bei Lungen- und intrathorakalen Gefäßverletzungen blutet es schnell und widerstandslos. Durch Schock und Lungenkompression entwickelt sich in Kürze ein tho- raxtraumatalogischer Notfall (Ta- belle 5).

Unterhalb einer Menge von 300 ml ist ein Hämatothorax sowohl kli- nisch als auch röntgenologisch nur schwer erkennbar. Diagno- stisch am sichersten ist die Punk-

tion. Die primäre Thoraxsaugdrai-

nage zur möglichst kompletten Evakuierung stellt die Regelbe- handlung eines Hämatothorax von geschätzt mehr als 300 ml dar. Sie kann ihre Aufgabe jedoch nur un- ter zwei Bedingungen erfüllen:

26 Heft 23 vom 10. Juni 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

(3)

Rippenfrakturen

CD

Lokalisation:

@ Diagnose:

G) Komplikationen:

respiratorische:

häufig: 5.-9. Rippe selten: 1.-3. Rippe lokaler Druckschmerz Kompressionsschmerz Krepitation

eventuell

paradoxe Atmung eventuell Hautemphysem Röntgen

knöch. Hemithorax Schonatmung Atelektase Sekretstau Pneumonie

Hämatothorax

CD

Ursachen:

@ Folgen:

G) Therapie:

Tabelle 5

Thoraxwandverletzung Lungenverletzung

intrathorakale Gefäßverletzung Brustwirbelfrakturen (BWK 4-6) Zwerchfellverletzung

Volumenmangelschock Lungenkompression Mediastinalverlagerung Volumenersatz

Drainage

Notthorakotomie, Frühthorakotomie

mechanische: instabile Thoraxwand gestörte Atemmechanik Atemerschöpfung

Traumatischer Pneumothorax

0

typische Begleit- verletzungen:

®

Therapie:

Pneumothorax Hämatothorax Lungenkontusion

CD

Ursachen: Lungenverletzungen (in 90%

durch Rippenfrakturen) Bronchus- und

Tracheaverletzungen

traumatische Eröffnung der Pleu- rahöhle nach außen (z. B. Messer- stich)

a) Analgetika, Sekretoly- se, interkostale Leitungs- anästhesie, Lokalanäs- thesie über Periduralka- theter, Atemtherapie

@ Symptome: Dyspnoe verschiedener Schwere-

b) bei respiratorischer In- suffizienz infolge instabi- ler Thoraxwand: Lang- zeitbeatmung mit PEEP, eventuell Rippenosteo- synthesen, eventuell Sta- bilisierung einer vorderen Thoraxwand i nstabi I ität

G) Therapie:

Tabelle 4

~ korrekte Lage im 7. Interkostal- raum (ICR) in der hinteren Axillar- linie,

~ ausreichendes Drain-Lumen (mindestens Charriere 28).

Die Indikation zur Notthorakoto- mie stellt sich, wenn initial 1000 bis 2000 ml und stündlich 200 bis 300 ml abfließen.

Der ältere Hämatothorax mit ge- ronnenem Blut sollte vor dem 8.

Tag durch eine Frühthorakotomie ausgeräumt werden, um Ver- schwartung und Empyem vorzu- beugen (1 ). Wird dieser Zeitpunkt

Tabelle 6

verpaßt, sollte besser die Bildung einer Grenzschicht nach 6 Wo- chen abgewartet werden.

4.4. Pneumothorax

Der traumatische Pneumothorax (Tabelle 6, Tabelle 7) führt in Ab- hängigkeit vom Ausmaß des Lun- genkollapses und präexistenter Lungenerkrankung zur Ventila- tionsstörung (Darstellung 1 ). Eine Thoraxdrainage (Bülau-Drainage) sollte schnell eingelegt werden, ei- ne alleinige Punktionsbehandlung des Pneumothorax ist unzuläng- lich. Die Drainage kann am gün-

grade

hypersonorer Klopfschall abgeschwächtes Atemgeräusch eingeschränkte Atemexkursion Thoraxdrainage,

eventuell mit Dauersog

~ Ausnahme: ein schmaler Man- telpneumothorax kann zunächst beobachtet werden

stigsten medioklavikular im 2.

oder 3. Interkostalraum (ICR) pla- ziert werden. Ein häufiger Begleit- hämatothorax muß dabei jedoch berücksichtigt werden. Liegt nur ein Mantelpneumothorax vor, kann abgewartet werden. Ein offe- ner Pneumothorax mit Mediasti- nalflattern sollte nur dann abge- dichtet werden, wenn Punktions- und Drainagemöglichkeiten beste- hen. Der iatrogene Spannungs- pneumothorax könnte sonst die Folge sein. Am besten sind Intuba- tion und Beatmung.

Fehlende Lungenausdehnung trotz korrekter Thoraxdrainage Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 23 vom 10. Juni 1983 27

(4)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Thoraxnotfälle

kann ein Indiz für eine Tracheo- bronchialverletzung sein. Ein Spannungspneumothorax bedeu- tet wegen seiner pathophysiologi- schen Folgen akute Lebensgefahr und muß sofort in Form einer

„Auslaßöffnung" entlastet werden (Tabelle 7).

4.5. Frakturen

thorakaler Wirbelkörper

Frakturen thorakaler Wirbelkörper (Darstellung 2) finden sich in 3 bis 5 Prozent aller Thoraxverletzun- gen. Während die stabile Fraktur keinen Notfall darstellt, gehört die instabile Fraktur mit motorischen und sensiblen Ausfällen wegen der Gefahr der Irreversibilität in- nerhalb von 12 Stunden unbedingt in neurochirurgische Hände (Ta- belle 8).

4.6. Zwerchfellruptur

Die breitflächige Gewalt gegen beide Körperhöhlen führt zu einer Zerreißung meist des linken cen- trum tendineum, in 25 Prozent be- gleitet von einer Milzruptur. Der thorakale Notfall erklärt sich aus den pathophysiologischen Folgen (Tabelle 9).

Die Symptomatik wird häufig von Schock- und Peritonitiszeichen beherrscht. Die Diagnose ist daher primär schwierig, zumal der Pro- laps meist verzögert entsteht.

Thoraxübersichtsaufnahmen soll- ten wiederholt angefertigt werden!

Wegen der Komplikationsgefah- ren ergibt sich die Indikation zur Sofortoperation. Als Zugang ist bei linksseitigen Rupturen wegen der besseren Revisionsmöglich-

keit im Abdomen die Laparotomie geeignet, bei rechtsseitigen Ver- letzungen ist die Versorgung von thorakal her einfacher (1).

5. Verletzungen von Trachea, Bronchien und Lunge

5.1. Trachea-

und Bronchusrupturen

Trachea- und Bronchusverletzun- gen (Tabelle 10) treten im Rahmen des Thoraxtraumas selten auf; den häufigsten Verletzungstyp stellt der carinanahe quere vollständige Hauptbronchusabriß dar. Sie kön- nen in der Frühphase leicht über- sehen werden. Eine Symptomen- kombination von Haut- und Media- stinalemphysem und therapieresi- stentem Pneumothorax muß Anlaß zu einer frühen Bronchoskopie

Traumatischer Spannungspneumothorax (:)i Ursache: Thoraxtrauma mit Einlaß-

ventilwirkung der Lun- gen- oder Bronchuslä- sion und ansteigendem Druck im Pleuraraum pathophysio- zunehmende Lungen- logische Folgen: kompression

zunehmende Hypoxie zu nehmende Med iasti nal- verlagerung

zunehmende Behinde- rung des

venösen Rückstromes C) klinisches Pneumothoraxzeichen

Leitsymptom: plus rapide Verschlechte- rung der kardiorespirato- rischen Funktion C) röntgenologisches Pneumothoraxzeichen

Leitsymptom: plus Verschiebung des Mediastinums zur Gegen- seite

© Therapie: sofortige Druckentla- stung durch

a) nach außen offene, großkalibrige Punktions- kanüle (Erste Hilfe) b) Thoraxdrainage (Kli- nikmaßnahme)

Frakturen thorakaler Wirbelkörper

0

stabile Fraktur: nervale Ausfälle selten Darmatonie häufig C instabile Fraktur: nervale Ausfälle häufig

Darmatonie bis paralyti- scher Heus häufig Tabelle 8

Zwerchfellruptur

0

linksseitig: Verlagerung von Magen, linkem Kolon, Milz, Netz, Dünndarm, linkem Leber- lappen

0

rechtsseitig: Verlagerung der Leber Komplikationen: Inkarzeration

Strangulation

® pathophysio- Einschränkung logische Folgen: der Zwerchfellfunktion

Lungenkompression Verkleinerung der Atemfläche

Mediastinalverlagerung, eventuell mit

Behinderung des

Rückstromes zum Herzen

Tabelle 7 Tabelle 9

28 Heft 23 vom 10. Juni 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

(5)

(am besten mit flexiblem Endo- skop über den Beatmungstubus) sein (Darstellung 3).

Relevante Tracheabronchialein- risse bzw. -abrisse müssen nach Stabilisierung der Allgemeinsitua- tion bald operativ behandelt wer- den, da sonst die Gefahr der Lungeninfektion steigt und die Naht oder Reanastomosierung technisch unsicherer wird (9).

5.2. Lungenkontusion

Diese häufige Folge (Tabelle 11) eines stumpfen Thoraxtraumas sollte aus therapeutischen und prognostischen Gründen in zwei Formen unterteilt werden, in

~ einfache Lungenkontusion (ohne respiratorische Insuffizienz, arterieller p02 unter Luftatmung normal oder gering erniedrigt) und

~ schwere Lungenkontusion (mit Darstellung 1. traumatischer Pneumothorax

respiratorischer Insuffizienz, arte- rieller p02 stark erniedrigt) (1 ).

Das röntgenologische Ausmaß der disseminierten Lungenverschat- tung korreliert nicht mit den funk- tionellen Parametern.

Die Gefahr liegt im unbemerkten Übergang der leichten in die pro- gnostisch sehr viel ungünstigere (Letalität 10 Prozent) schwere Form (3). Deswegen erfolgt die Therapie der leichten Form ex- spektativ unter häufigen Blutgas- analysen; bei einer Verschlechte- rung müssen unverzüglich Intuba- tion und Überdruckbeatmung hin-

zukommen. Darstellung 2: Instabile und stabile thorakale Wirbelkörperfraktw

5.3. Penetrierende Lungenverletzungen

Von den in Tabelle 12 aufgezähl- ten Ursachen stellt die Lun(:1Emver- letzung durch Hochgeschwindig- keitsgeschosse die gefährlichste dar (2), denn neben dem Schußka- nal entsteht zusätzlich eine druck- bedingte Zerreißung und Kontu-

sionierung (Kavitation). Selbst Thoraxstreifschüsse können zu dieser Kontusionierung führen. Ei- ne korrekte konservative Therapie der penetrierenden Lu ngenverlet- zungen macht eine Thorakotomie meist überflüssig (2). Alle Erfah- rungen sprechen gegen eine routi- nemäßige operative Thoraxrevi- sion.

6. Herz-

und Aortenverletzungen 6.1. Stumpfe Herzverletzungen Genauso wie Patienten mit pene- trierenden Herzverletzungen zu 80 Prozent die Klinik nicht mehr er- reichen, bleiben die schweren Herzverletzungen beim stumpfen Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 23 vom 10. Juni 1983 29

(6)

Trachea- und Bronchusruptur

a) Haut- und/oder Mediastinalemphysem b) trotz korrekter Thoraxdrainage persistierender Pneumothorax c) therapieresistente Segment- oder Lappenatelektase d) posttraumatische Hämoptoe

Leitsymptome:

C) Diagnostik: frühe Bronchoskopie (D Spätfolgen

unbehandelter Rupturen:

Bronchusstenosen, Atelektasen,

Pneumonien, Abszesse, Bronchiektasen, broncho-ösophageale Fisteln

a) konservativ bei geringfügigen Verletzungen mit beherrschbaren Folgen, ansonsten:

b) operativ (Bronchusnaht, Reanastomosierung, eventuell

Lungenlappenresektion) C) Therapie:

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Thoraxnotfälle

Tabelle 10

Penetrierende Lungenverletzungen

O Ursachen: Thoraxstichverletzung Thoraxschußverletzung Thoraxpfählungsverlet- zu ng

0

Komplikationen: Hämatothorax Pneumothorax Spannungspneumo- thorax

• Therapie: möglichst konservativ (Thoraxdrainage, Schockbekämpfung, Prophylaxe

respiratorischer Komplikationen) keine routinemäßige operative Thoraxrevision!

Lungenkontusion

• pathophysio- a) Permeabilitätsstö- logische rung, interstitielles ödem Folgen: b) Mikroatelektasen

c) Surfactantgehalt-Ab- nahme

d) Abnahme der funktio- nellen Residualkapazität e) intrapulmonaler Rechts-links-Shunt f) arterielle Hypoxie g) progressive respiratorische Insuffizienz

C) Therapie in a) Schmerzbekämpfung leichten Fällen: b) forcierte Sekretentlee-

rung

c) aktive Atemtherapie d) physikalische Maß- nahmen

e) eventuell prophylakti- sche maschinelle Beat- mung mit PEEP

• Therapie in a) unverzügliche PEEP- schweren Fällen: Beatmung

b) Erhöhung des onkoti- schen Drucks durch Flüs- sigkeitsreduktion und Hu- manalbumin-Gabe c) Bolusinjektionen von Cortison (1 bis 2 g Methyl- prednisolon i. v., eventu- ell Wiederholung nach 8 und 16 Stunden)

Tabelle 11

Stumpfe Herzverletzungen

C) selten, Herzwandrupturen ohne klinische Septumrupturen Relevanz: Klappeneinrisse u. ä.

C) häufig: Herzkontusion (bei etwa 10% aller stumpfen Tho- raxtraumen)

® Perikardeinrisse: häufig

asymptomatisch, gelegentlich mit Herzluxation

® Herztamponade Perikardeinrisse durch: Herzwandrupturen

Myokardkontusionsherde Koronargefäßverletzu ng

Tabelle 12 Tabelle 13

30 Heft 23 vom 10. Juni 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

(7)

Thorakale Aortenruptur

C) Ursachen: a) Dezeleration plus Tho- raxkompression (Typ Lenkradaufprall)

b) vertikale Dezeleration

(Typ Sturz aus der Höhe) c) alleinige

Thoraxkompression d) Sturz auf den flachen Rücken

© Lokalisation: 93% im Aortenisthmus,

peripher des Abganges der linken

A. subclavia

®

Typ: Querruptur

a) komplett b) inkomplett, die Adventitia bleibt als letzte

Barriere erhalten

® klinische Leitsymptome:

a) Rücken-Schulter- Schmerz

b) Schock

c) systol. Geräusch d) RR-Differenz zwischen oberer und unterer Extremität

®

röntgenologisches verbreitertes Leitsymptom: Mediastinum C) Diagnostik: transfemorale

Katheteraortographie Thorakotomie und Rekonstruktion (End-zu-End-Naht, gelegentlich Dacron-lnterponat) unter kurzen Abklemmzeiten

ohne Shunt oder Herz- Lungen-Maschine C) Therapie

der Aortenruptur typischer Lokalisation:

Verletzung der linken Arteria subclavia

C) Ursache: stumpfes oberes Thorax- trauma mit Fraktur von Klavikula und/oder 1.

Rippe

© Verletzungstyp: a) selten: Ruptur b) häufig: Gefäßwand- quetschung mit thrombo- tischem Verschluß C) Symptome: a) Halsschwellung b) Hämatothorax

c) nervale Ausfälle am linken Arm

d) Pulsverlust der A. ra- dialis links

(j) Therapie: Gefäßchirurgisches Vor- gehen (Naht, Thrombek- tomie, eventuell Inter- ponat)

Tabelle 15

Verletzung des Ductus thoracicus

O Ursache: a) Hyperextension der Brustwir- belsäule

b) obere Brustwirbel-Kompres- sionsfraktur

c) Rippenfrakturen mit dislozier- ten Anteilen im hinteren Bogenge- biet

© Diagnose: Zufallsbefund, wenn das Punktat eines Pleuraergusses milchig-weiß oder

kakaofarben (infolge Vermischung mit Blut) erscheint

(D Therapie: a) konservativ: Thoraxsaugdraina- ge, vollständige intravenöse Er- nährung

b) ausnahmsweise operativ mit epiphrenaler Ligatur nach 3wöchi- ger erfolgloser konservativer Be- handlung

Tabelle 14

Thoraxtrauma (Tabelle 13) auch meist ohne klinische Bedeutung (Darstellung 4).

Dagegen stellt die Herzkontusion bei etwa 10 Prozent aller stumpfen Thoraxverletzungen ein häufiges Ereignis dar. Nach ihr muß ge- sucht werden (EKG, Röntgen-Tho-

Tabelle 16 rax, Enzymdiagnostik, CPK-Iso- enzyme, LDH 1 -, LDH 2-lsoenzyme, ZVD, Herzzeitvolumen-Bestim- mung); denn ihre Symptome (prä- kordialer Schmerz, erhöhte ZVD, RR-Abfall ohne Hypovolämie, Herzinsuffizienzzeichen) sind dis- kret und oft von denen der Thorax- wandverletzung überdeckt.

Die Therapie besteht in einer In- tensivüberwachung und ent- spricht der des Myokardinfarktes.

Ausnahmefolgen sind traumati- scher Herzinfarkt oder spätere Ruptur.

Gelegentlich können die oft asym- ptomatischen Perikardeinrisse so 32 Heft 23 vom 10. Juni 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

(8)

Darstellung 3:

Hauptbronchus- ruptur und ihre pa- thophysiologi- schen Folgen.

Bronchial- und ebenso Trachea- einrisse bzw. -ab- risse müssen nach Stabilisierung der Allgemeinsitua- tion baldigst ope- rativ behandelt werden, da sonst die Gefahr einer Lungeninfektion wächst

Darstellung 4: Beispiele für stumpfe Herzverletzungen

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Thoraxnotfälle

Darstellung 5: Inkomplette thorakale Aortenruptur

ausgedehnt sein, daß es einige Ta- ge nach dem Unfall zu einer par- tiellen oder kompletten Herzluxa- tion kommt. Dieser Notfall mit An- stieg des ZVD, Blutdruckabfall, Ta- chykardie, Einflußstauung und Ab- schwächung der Herztöne ist nur schwer von einem Hämatoperi- kard abzugrenzen. EKG (Abwei- chung der elektrischen Herzach- se?) und Röntgenbild (Herzverla- gerung? atypische Herzsilhouet- te?) helfen in der Differentialdia- gnose.

Beide lebensbedrohenden Zu- standsbilder — Herzluxation und Herztamponade — können bei schneller Diagnostik an jedem Krankenhaus ohne Herz-Lungen- Maschine durch eine Notthorako- tomie — bei der Herztamponade als erster Schritt durch eine subxi- phoidale Perikardpunktion — wir- kungsvoll behandelt werden.

6.2. Thorakale Aortenruptur Als Traumafolge rupturiert der thorakale Aortenabschnitt durch Dezeleration meist an typischer Stelle (Tabelle 14). Mit 15 Prozent ist diese Aortenverletzung an den tödlichen Verkehrsunfällen betei- Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 23 vom 10. Juni 1983 35

(9)

ligt, zirka 20 Prozent derart ver- letzter Patienten — meist mit in- kompletter Ruptur — erreichen noch die Klinik. Da bei 95 Prozent dieser Patienten innerhalb der er- sten 18 Stunden (7) auch der schützende Adventitiamantel rup- turiert (Darstellung 5), kann die Behandlung nur in einer dringli- chen Operation bestehen. Bei der Operation setzt sich die Gefäßab- klemmung unter Verzicht auf By- passmethoden mehr und mehr durch. Jede Zeitvergeudung er- höht das Risiko; antihypertensiven Maßnahmen kommt nur ein Pallia- tivcharakter zu.

7. Verletzungen der Aorta subclavia, des Ductus

thoracicus und des Ösophagus Auf die beiden erstgenannten, sehr seltenen Verletzungen sei nur durch Tabelle 15 und Tabelle 16 hingewiesen. Eine traumatische Ösophagusruptur bleibt auch in einer Zeit häufiger, schwerer Mo- torradunfälle eine extreme Rarität.

Zusammenfassung

In enger Zusammenarbeit zwi- schen Chirurgen und Anästhesi- sten lassen sich die dargestellten thoraxtraumatologischen Notsi- tuationen — auch bei den oft vorlie- genden Kombinationsverletzun- gen — erfolgreich behandeln.

Grundvoraussetzungen sind eine schnelle, vollständige Diagnose mit möglichst einfachen Mitteln und entschlossenes aktives Han- deln.

Literatur beim Sonderdruck Anschrift der Verfasser:

Professor Dr. med. Wilhelm Hartel, Oberstarzt

Dr. med. Jürgen Radomsky Oberfeldarzt

Chirurgische Abteilung Bundeswehrkrankenhaus Ulm Postfach 12 20

7900 Ulm/Donau

Jogging —

ein Analogon zur Anorexie?

Anorektische Frauen neigen häu- fig zur Selbstbeobachtung, tole- rieren gut körperliche Strapazen, verneinen ihre Schwächen. Ihr Ziel ist körperliche Attraktivität; Kom- plimente hinsichtlich ihrer Schlankheit stützen sie. Um dieses Ziel zu erreichen, halten sie eine extreme Diät ein, die schlimmsten- falls zum Tode führt.

Drei Amerikanerinnen, die sich selbst als Jogger bezeichnen und anorektische Frauen klinisch be- treuen, wiesen darauf hin, daß sol- che Frauen Joggern hinsichtlich ihres familiären Hintergrundes, ih- res sozioökonomischen Status und ihrer Persönlichkeit gleichen.

Bei Joggern stünde zwar nicht die körperliche Attraktivität, sondern ihre körperliche Leistungsfähig- keit im Vordergrund. Jogger wür- den häufig während einer Identi- tätskrise zu laufen beginnen, hät- ten Versagensängste, ertrügen körperliche Beschwerden besser als andere und neigten ebenfalls zur Isolation. Etwa 35 Prozent an- orektischen Frauen seien hyperak- tiv; sportliches Engagement sei meist das erste Symptom, oft vor der Gewichtsabnahme. Bei Fort- setzung ihrer körperlichen Ertüch- tigung würden sie männlichen Joggern hinsichtlich ihrer Persön-

lichkeit ähnlich werden und vice versa. Aus der Vielzahl ihrer Beob- achtungen beschreiben drei Auto- rinnen drei Extremfälle, Frauen, von denen jede wöchentlich min- destens 120 Kilometer lief, eine so- gar zusätzlich 10 Kilometer schwamm und mindestens 80 Ki- lometer Rad fuhr. Alle hatten Ehe- probleme, Übergewicht, Berufs- schwierigkeiten usw.

Wer fanatische Jogger und an- orektische Frauen kennt, wird sich dieser Analogie nicht ganz ver- schließen. Die Autoren warnen je- doch eindringlich vor einer Gene- ralisierung ihrer Beobachtung: Er- kenntnisse aus extremen Verhal-

tensweisen dienten zwar der intel- lektuellen Sensibilisierung, dege- nerierten jedoch schnell zum Kli- schee. Wrt

Yates, A.; Leehey, K., Shisslak, C. M.: Running

— an analogue of anorexia, New Engl. J. Med.

308 (1983) 251-255. Department of Psychiatry, University of Arizona Health Sciences Ctr. Tuc- son, AZ 85724

Pseudomembranöse Colitis unter Goldtherapie

Zu den unerwünschten Nebenwir- kungen einer medikamentösen Behandlung gehört das Auftreten blutig-schleimiger Durchfälle, wie sie insbesondere nach einer län- geren Antibiotikatherapie als pseudomembranöse Colitis, her- vorgerufen durch das Toxin von Clostridium difficile, bekannt ge- worden sind. Aber auch nach ei- ner Behandlung mit Schwerme- tallverbindungen, die Arsen, Quecksilber oder Silber enthalten, sind Colitiden beobachtet worden.

Die wenigen bislang unter einer Goldtherapie beobachteten Coli- tisfälle waren durch eine Letalität von 36 Prozent gekennzeichnet.

Die Autoren berichten über einen 58jährigen Patienten, bei dem es vier Wochen nach Beginn einer in- tramuskulären Injektionsbehand- lung seiner rheumatoiden Arthritis mit Natriumaurothiomalat zu pro- fusen wäßrigen Durchfällen ge- kommen war.

Endoskopisch konnte eine schwe- re linksseitige ulzeröse, zum Teil pseudomembranöse Colitis nach- gewiesen werden, die zunächst unter der Annahme einer Colitis ulcerosa mit Cortison und Salazo- pyrin behandelt wurde. Eine Bes- serung trat jedoch erst ein, als die Goldinjektionen abgesetzt wur- den. Die Symptome kamen inner- halb von vier Monaten zum Ver- schwinden, eine Kontrolluntersu- chung ergab unauffällige Schleim- hautverhältnisse.

Reinhart, W. H.; Kappeler, M.; Halter, F.: Seve- re pseudomembranous and ulcerative colitis during gold therapy, Endoscopy 15 (1983) 70-72, Gastroenterologische Abteilung, Insel- spital, CH-3010 Bern.

36 Heft 23 vom 10. Juni 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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