A 1852 Deutsches Ärzteblatt
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18. September 2009BEFREIUNG VON DER UMSATZSTEUER
Das Finanzministerium bringt etwas Licht ins Dunkel
Früher galten ärztliche Leistungen als von der Umsatzsteuerpflicht befreit.
Heute erfolgt die Einstufung tätigkeitsbezogen – was regelmäßig für Verwirrung sorgt. Ein Erlass des Bundesfinanzministeriums sorgt für mehr Klarheit.
M
it Wirkung zum 1. Januar 2009 hat der Gesetzgeber die Umsatzsteuerbefreiung im Be- reich der Humanmedizin neu gere- gelt. Durch die Neuregelung wer- den ambulante wie auch stationäre Leistungen, die der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten oder anderen Gesund- heitsstörungen dienen, in einer Be- freiungsvorschrift zusammengefasst.Mit Schreiben vom 26. Juni 2009 hat das Bundesfinanzministerium ausführlich zur gesetzlichen Neu- fassung Stellung genommen.
Demnach umfasst die Steuerbe- freiung Tätigkeiten, die zum Zweck der Vorbeugung, Diagnose, Be- handlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Ge- sundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden. Aufgrund
der Rechtsprechung des Europä - ischen Gerichtshofs müssen die Leistungen dem Schutz der Ge- sundheit des Betroffenen dienen.
Dies gilt unabhängig davon, um welche konkrete heilberufliche Leis- tung es sich handelt, sodass auch Atteste und Gutachten unter die Steuerbefreiung fallen können.
Dementgegen können aber auch Untersuchungen, die nicht dem Schutz der Gesundheit dienen, um- satzsteuerpflichtig ausfallen.
Der Adressat der Leistung, also derjenige, für den diese erbracht wird, rückt dabei ebenso in den Hintergrund, wie es auch irrelevant ist, durch wen die Leistung ausge- übt wird – freiberuflich tätiger oder angestellter Arzt, Heilpraktiker, Phy- siotherapeut, Unternehmer (der ähn- liche heilberufliche Tätigkeiten aus- übt), Krankenhaus, Medizinisches
Versorgungszentrum. Zentrales Kri- terium für die Steuerbefreiung ist daher, dass ein therapeutisches Ziel der Leistung im Vordergrund steht.
Dieser Argumentation folgend ist ei- ne Reihe von (ärztlichen) Tätigkei- ten, wie etwa Supervisionsleistungen oder auch die Erstellung bestimmter Gutachten, per se von der Umsatz- steuerbefreiung ausgeschlossen (sie- he Kasten).
Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin
Neben dem therapeutischen Ziel, also dem Kriterium der Heilbe- handlung, muss für die Anwendung der Steuerbefreiung auch eine ent- sprechende Befähigung des Unter- nehmers vorliegen. So definiert das Bundesfinanzministerium die Tä- tigkeit als Arzt für Zwecke der Um- satzbesteuerung als „die Ausübung
Folgende (ärztliche) Tätigkeiten unter- liegen der Umsatzsteuer, weil nach An- sicht des Bundesfinanzministeriums das therapeutische Ziel der Leistung nicht im Vordergrund steht:
●
die schriftstellerische oder wis- senschaftliche Tätigkeit, auch soweit es sich dabei um Berichte in einer ärztli- chen Fachzeitschrift handelt●
die Vortragstätigkeit, auch wenn der Vortrag vor Ärzten im Rahmen einer Fortbildung gehalten wird●
die Lehrtätigkeit●
die Erstellung von Alkohol-Gutach- ten, Zeugnissen oder Gutachten über das Sehvermögen, über Berufstauglich- keit oder in Versicherungsangelegenhei-ten, Einstellungsuntersuchungen, Unter- suchungsleistungen, wie zum Beispiel Röntgenaufnahmen zur Erstellung eines umsatzsteuerpflichtigen Gutachtens
●
die Lieferungen von Hilfsmitteln wie zum Beispiel Kontaktlinsen oder Schuheinlagen●
die Nutzungsüberlassung gegen Entgelt von medizinischen Großgeräten●
kosmetische Leistungen von Po- dologinnen oder Podologen in der Fuß- pflege●
Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe im Sinne des § 20 SGB V, die keinen unmittelbaren Krankheitsbe- zug haben, weil sie lediglich „den all- gemeinen Gesundheitszustand verbes-sern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Un- gleichheiten von Gesundheitschancen erbringen“ sollen
●
ästhetisch-plastische Leistun- gen, soweit ein therapeutisches Ziel nicht im Vordergrund steht. Indiz hierfür kann sein, dass die Kosten regelmäßig nicht durch Krankenversicherungen übernommen werden●
Supervisionsleistungen sowie●
die Durchführung einer Leichen- schau, soweit es sich um die zweite Leichenschau oder weitere handelt so- wie das spätere Ausstellen der Todes- bescheinigung als Genehmigung zur Feuerbestattung.KEINE HEILBEHANDLUNG
W I R T S C H A F T
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18. September 2009 A 1853 der Heilkunde unter der Berufsbe-zeichnung Arzt oder Ärztin“. Um diese Worthülsen zu füllen, führt das Bundesfinanzministerium wei- ter aus: „Zur Ausübung der Heil- kunde gehören dabei Maßnahmen, die der Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden beim Men- schen dienen.“ Dazu gehören auch die Leistungen der vorbeugenden Gesundheitspflege zur Ausübung der Heilkunde sowie die im Zu- sammenhang mit einem Schwan- gerschaftsabbruch nach § 218 a des Strafgesetzbuches (StGB) ste- henden ärztlichen Leistungen. Un- ter letztere Leistungen fällt vor al- lem auch die strafgesetzlich vor- geschriebene Sozialberatung durch einen Arzt.
Ebenso zu den umsatzsteuerfreien Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gehört die Tätigkeit als Zahnarzt, Heilpraktiker, Physio- therapeut und Hebamme, welche zu- dem ausführlich im Schreiben des Bundesfinanzministeriums definiert werden. Noch ausführlicher nimmt das Ministerium zu den Leistungen als Angehöriger ähnlicher heilberuf- licher Tätigkeiten Stellung (siehe Kasten).
Werden Leistungen aus der Tätig- keit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker oder aus einer anderen heilberufli- chen Tätigkeit im Sinne der Befrei- ungsvorschrift erbracht, kommt es für die Steuerbefreiung nicht darauf an, in welcher Rechtsform der Un- ternehmer die Leistung erbringt
Auch die Umsätze einer Perso- nengesellschaft aus einer heilberuf- lichen Tätigkeit sind umsatzsteuer- frei, wenn die Gesellschaft daneben eine Tätigkeit ausübt, die ertrag- steuerlich als Einkünfte aus Gewer- bebetrieb zu qualifizieren sind.
Darüber hinaus steht es der Be- freiung von Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin nicht entgegen, wenn diese im Rahmen von Verträgen der hausarztzentrier- ten Versorgung nach § 73 b Sozial- gesetzbuch (SGB)V oder der beson- deren ambulanten ärztlichen Versor- gung nach § 73 c SGB V beziehungs- weise nach anderen sozialrechtlichen Vorschriften erbracht werden.
Neben den Heilbehandlungen im
Bereich der Humanmedizin be- schäftigt sich das Bundesfinanz- ministe rium in seinem Erlass auch mit der umsatzsteuerlichen Be- handlung von Praxis- und Appara- tegemeinschaften. Die Leistungen solcher Praxis- und Apparatege- meinschaften bestehen unter ande- rem in der Zurver fügung stellung von medizi nischen Einrichtungen, Apparaten und Geräten. Des Weite- ren führen die Gemeinschaften beispielsweise mit eigenem me- dizinisch-technischem Personal La- boruntersuchungen, Röntgenaufnah- men und an dere medizinisch-techni- schen Leistungen für ihre Mitglie- der aus.
Voraussetzung für die Steuerbe- freiung von Praxis- und Apparate- gemeinschaften ist, dass die Leis- tungen von den Mitgliedern unmit- telbar für steuerfreie Umsätze ver-
wendet werden. Übernimmt die Ge- meinschaft für ihre Mitglieder zum Beispiel die Buchführung, Rechts- beratung oder die Tätigkeit einer ärztlichen Verrechnungsstelle, han- delt es sich um Leistungen, die nur mittelbar zur Ausführung von steu- erfreien Heilbehandlungsleistungen bezogen werden und deshalb nicht von der Umsatzsteuer befreit sind.
Für die Steuerbefreiung ist es jedoch unschädlich, wenn die Ge- meinschaft den jeweiligen Anteil der gemeinsamen Kosten des Mit- glieds direkt im Namen des Mit- glieds mit den Krankenkassen ab- rechnet. Die Leistungsbeziehung zwischen Gemeinschaft und Mit- glied bleibt dabei weiterhin beste- hen. Der verkürzte Abrechnungs- weg kann als Serviceleistung ange- sehen werden, die als unselbststän - dige Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung teilt, also auch unter die Umsatzsteuerbefreiung fällt.
Auch Laborleistungen gemäß
§ 25 Abs. 3 des Bundesmantelver- trags-Ärzte, wonach die Laborge- meinschaft für den Arzt die auf ihn entfallenden Analysekosten gegen- über der zuständigen Kassenärztli- chen Vereinigung abrechnet, erfül- len hinsichtlich der dort geforderten
„genauen Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kos- ten“ die Voraussetzung der Umsatz- steuerbefreiung für Praxis- und Ap- parategemeinschaften.
Leistungen der Gemeinschaft an Nichtmitglieder sind von der Befrei- ung nach § 4 Nr. 14 Buchst. d Um- satzsteuergesetz ausgeschlossen. Das gilt auch dann, wenn ein Leistungs- empfänger, der nicht Mitglied ist, der Gemeinschaft ein Darlehen oder ei- nen Zuschuss gegeben hat.
Neben den vorgenannten The- men beschäftigt sich der Ministeri- umserlass auch noch mit Kranken- hausbehandlungen und Leistungen von Einrichtungen nach § 140 b Abs. 1 SGB V zur integrierten Ver- sorgung. Insoweit wird jedoch di- rekt auf das BMF-Schreiben ver- wiesen, das im Internet unter www.
bundesfinanzministerium.de herun- tergeladen werden kann. ■ Christoph Iser, Steuerberater E-Mail: Stb.Iser@Steuerempfehlung.de Von den nicht ärztlichen Berufen unterliegen unter ande-
rem folgende Gruppen nicht der Umsatzsteuerpflicht:
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Ergotherapeuten●
Krankenschwestern und Krankenpfleger (sozialpfle- gerische Leistungen, wie Grundpflege und hauswirtschaft- liche Versorgung, sind jedoch nicht nach § 4 Nr. 14 Um- satzsteuergesetz steuerfrei)●
Logopäden●
Masseure und medizinische Bademeister (die Steu- erbefreiung kann von den genannten Unternehmern unter anderem für die medizinische Fußpflege und die Verabrei- chung von medizinischen Bädern, Unterwassermassagen, Fangopackungen und Wärmebestrahlungen in Anspruch genommen werden)●
auf dem Gebiet der Humanmedizin selbstständig tätige medizinisch-technische Assistenten●
Dipl.-Oecotrophologen (Ernährungsberater) im Rahmen einer medizinischen Behandlung●
Orthoptisten●
Podologen●
Psychologische Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten●
Rettungsassistenten sowie●
Sprachtherapeuten.Keine ähnliche heilberufliche Tätigkeit und damit nicht umsatzsteuerbefreit sind: