• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Umsatzsteuer: Rechtsprechung im Sinne der Ärzte" (20.08.2012)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Umsatzsteuer: Rechtsprechung im Sinne der Ärzte" (20.08.2012)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

S

eit etwas mehr als zehn Jahren ist die Frage, ob Leistungen selbstständig tätiger Ärzte umsatz- steuerfrei oder umsatzsteuerpflichtig sind, diffizil geworden. Insbesonde- re ergeben sich Probleme, wenn die ärztlichen Leistungen nicht im Rah- men der Heilbehandlung eines be- stimmten Patienten erfolgen. Die Finanzämter erkennen die Umsatz- steuerfreiheit – basierend auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und der Recht- sprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur an, wenn die Behandlung im Rahmen eines persönlichen Ver- trauensverhältnisses für bestimmte Patienten aufgrund eines individuel- len Leistungskonzepts erfolgt. Dies hat zur Konsequenz, dass ärztliche Leistungen, die zwar auch der The- rapie dienen, aber nicht im Rahmen eines persönlichen Vertrauensver- hältnisses erbracht werden, grund- sätzlich nicht als umsatzsteuerfrei angesehen werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Finanzbehörden für die Umsatz- steuerfreiheit eine Tätigkeit an einem Ort außerhalb von Krankenhäu- sern fordern. Nach diesen Grund sätzen

müssten dann selbstständig tätige Belegärzte und teilweise auch La- borärzte ihre Leistungen der Um- satzsteuer unterwerfen. Für diese Tä- tigkeiten, die nicht der Umsatzsteuer unterworfen werden sollen, sind je- doch Sonderre gelungen geschaffen worden. Nach dem Umsatzsteueran- wendungserlass des Bundesfinanz- ministeriums sind explizit von der Umsatzsteuerpflicht ausgenommen:

Belegärzte,

Laborärzte, die eine Vertragsarzt- zulassung nach § 95 Sozialgesetz- buch V haben und

an Krankenhäusern angestellte Ärzte, die dort auch selbstständige Leistungen erbringen (Chefärzte und zum Teil auch Oberärzte).

Als unklar ist die Behandlung der Konsiliarärzte einzustufen. Lediglich wenn die konsiliarärztliche Tätigkeit in der Mitbehandlung von Patienten besteht, kann bei unmittelbarem Pa- tientenkontakt von der Umsatzsteu- erfreiheit dieser Behandlungsleistun- gen ausgegangen werden.

Klar geregelt ist die Behandlung ärztlicher Laborgemeinschaften. Die- se bedürfen des Zusammenschlusses selbstständig tätiger Ärzte, die um-

satzsteuerfreie Leistun- gen erbringen, zu

einer solchen Gemeinschaft. Es sind dann die Leistungen dieser Gemein- schaften, soweit sie für die umsatz- steuerfreien ärztlichen Tätigkeiten ih- rer Mitglieder verwendet werden und diese Gemeinschaft sich von ihren Mitgliedern die genauen Kostenan- teile erstatten lässt, umsatzsteuerfrei.

Häufig strittig ist die Einstufung gutachterlicher Tätigkeiten. Besteht der Zweck dieser Gutachten haupt- sächlich in der Heilkunde, dann sind Entgelte für diese Gutachten umsatz- steuerfrei. Beispiele hierfür sind:

Alkohol- und Drogengutachten zum Zweck einer anschließen- den Heilbehandlung,

Gutachten, Berichte und Beschei- nigungen, die der schriftlichen Kommunikation unter Ärzten die- nen, wenn die medizinische Be- treuung im Vordergrund steht,

Gutachten zu medizinischen Vor- sorge- und Rehabilitationsleistun- gen und

Gutachten zur Hilfsmittelversor- gung und zur häuslichen Kran- kenpflege.

Besteht hingegen der Zweck der Gutachten hauptsächlich darin, recht- liche Verfahren, Verfahren der So - zialversicherung und Tauglichkeits- feststellungen durchzuführen, ist von einer Umsatzsteuerpflicht auszuge- hen. Beispiele hierfür sind:

Medizinisch-psychologische Gut- achten über die Fahrtauglichkeit,

Blutgruppenuntersuchungen und DNA-Analysen im Rahmen der Vaterschaftsfeststellung oder zur

Spurenauswertung,

Forensische Gutachten zur Fra- ge der Schuldfähigkeit und

zur Frage der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus,

Gutachten für die Staatsan- waltschaft und Gerichte zur Klärung des Kausalzusam- menhangs zwischen ärztli- cher Fehlbehandlung und ei- UMSATZSTEUER

Rechtsprechung im Sinne der Ärzte

Es genügt nunmehr für die Umsatzsteuerfreiheit, dass die ärztliche Leistung ein unerlässlicher, fester und untrennbarer Bestandteil eines Gesamtverfahrens ist.

Foto: Fotolia/WoGi

A 1715

W I R T S C H A F T

(2)

A 1716 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 109

|

Heft 33–34

|

17. August 2012 ner Gesundheitsstörung bezie-

hungsweise dem Todeseintritt,

Gutachten über die Minderung der Erwerbstätigkeit in Schadens- ersatzprozessen,

Gutachten zur Feststellung der Voraussetzungen von Pflegebe- dürftigkeit oder zur Feststellung, welche Stufe der Pflegebedürf- tigkeit vorliegt und

Gutachten, bei denen die Frage der Tauglichkeit für eine bestimm- te Tätigkeit im Vordergrund steht.

Außerhalb von Gutachten sind folgende Tätigkeiten ebenfalls um- satzsteuerpflichtig:

schriftstellerische oder wissen- schaftliche Tätigkeiten (auch Be- richte in einer ärztlichen Fach- zeitschrift),

Vortragstätigkeiten (auch Vorträge vor Ärzten bei Fortbildungen),

Lehrtätigkeiten,

die Lieferung von Hilfsmitteln, zum Beispiel Kontaktlinsen und Hörgeräten,

entgeltliche Nutzungsüberlassung von medizinischen Großgeräten,

Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe, die keinen unmittel- baren Krankheitsbezug haben, weil sie lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial beding- ter Ungleichheit von Gesundheits - chancen erbringen sollen,

Untersuchungen über die Freiheit des Trinkwassers von Krankheits- erregern und über die chemische Zusammensetzung des Wassers,

dermatologische Untersuchungen von kosmetischen Stoffen und

ärztliche Leistungen von Schön- heitschirurgen, wenn kein thera- peutisches Ziel im Vordergrund steht. Das Gleiche gilt für ver- gleichbare Leistungen der Der- matologen oder Anästhesisten.

Die neue Rechtsprechung und ihre Folgen

Der Europäische Gerichtshof hat es in einem Urteil vom 18. Novem- ber 2010 (Az.: C-156/09) als ausrei- chend für die Umsatzsteuerfreiheit angesehen, dass die ärztliche Leis- tung ein unerlässlicher, fester und untrennbarer Bestandteil eines Ge- samtverfahrens ist. In dem Fallging

es um die Frage, ob diese Vorausset- zung gegeben ist, wenn Gelenk- knorpelzellen aus dem einen Men- schen entnommenen Knorpelmate- rial zwecks Reimplantation ver- mehrt werden, wobei es nicht darauf ankommen soll, ob die vermehrten Zellen dem Patienten, dem sie ent- nommen wurden, oder einem Dritten wieder implantiert werden. Sowohl der EuGH als auch nachfolgend der BFH bejahen in dem entschiede- nen Fall das Vorliegen dieser Voraus- setzung und damit die Umsatzsteu - erfreiheit. Nach dieser Rechtspre- chung kommt es für die Umsatzsteu- erfreiheit also nicht auf das vom Finanzamt geforderte individuelle Leistungskonzept im Rahmen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses für bestimmte Patienten an; das im Übrigen vielfach auch nicht bei Heil- behandlungsleistungen zur Bekämp- fung von Epidemien bestehen dürfte.

In einem weiteren Urteil verwen- det der BFH (Urteil vom 29. Juni 2011, Az.: XI R 52/07) für die Frage der Umsatzsteuerfreiheit wiederum das Kriterium unerlässlicher, fester und untrennbarer Bestandteil eines Gesamtverfahrens. Bei dieser Ent- scheidung ging es um die Frage, ob die Leistungen eines Facharztes für Mikrobiologie, Virologie und Infek- tionsepidemiologie, der für andere Arztpraxen, Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime tätig war, der Um- satzsteuer zu unterwerfen waren. Der BFH vertrat die Auffassung, dass die Leistungen dieses Arztes Bestandteil eines Gesamtverfahrens zur Behand- lung von Patienten und deshalb als umsatzsteuerfrei einzustufen seien.

Die Finanzbehörden haben noch nicht erklärt, ob sie ihre bisherige zu enge Abgrenzung umsatzsteuerfreier ärztlicher Leistungen aufgeben. Da jedoch das BFH-Urteil vom August 2011 sehr sorgfältig insbesondere unter Berücksichtigung der EuGH- Rechtsprechung und auch in sich wi- derspruchsfrei begründet worden ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Finanzbehörden ihre Positi- on revidieren müssen – unter Um- ständen nach weiteren einschlägigen Urteilen. Eine Änderung des Um- satzsteuergesetzes mit dem Ziel, die bisherige Auffassung der Finanzbe- hörden festzuschreiben, ist nicht zu

erwarten. Eine solche Änderung wür- de gegen Europarecht, genauer ge- gen die Mehrwertsteuersystemricht- linie, verstoßen, und die Finanzbe - hörden müssten befürchten, dass die Gesetzesänderung ungültig wäre.

Die neue BFH-Rechtsprechung hat Bewegung in die Umsatzver- steuerung freiberuflich tätiger ärztli- cher Leistungen gebracht. Haben bisher die Finanzbehörden und deut- sche Finanzgerichte für die Umsatz- steuerbefreiung auf das Merkmal individuelles Leistungskonzept im Rahmen eines persönlichen Vertrau- ensverhältnisses für bestimmte Pa- tienten abgestellt, so genügt es nun- mehr für die Umsatzsteuerfreiheit, dass die ärztliche Leistung ein uner- lässlicher, fester und untrennbarer Bestandteil eines Gesamtverfahrens ist. Dazu gehört auch eine Beratung von Krankenhäusern und anderen Einrichtungen, in denen Krankhei- ten oder andere Gesundheitsstörun- gen von Personen diagnostiziert und behandelt werden, ohne dass der be- ratende Arzt überhaupt einen Patien- tenkontakt hat.

Die Heilbehandlung muss im Mittelpunkt stehen

Nunmehr ist davon auszugehen, dass auch Laborärzte, Ärzte für Mikrobiologie, Virologie und In- fektionsepidemiologie, die keinen Patientenkontakt haben, jedoch Leis- tungen erbringen, die Bestandteil eines Gesamtverfahrens der Heil- kunde sind, umsatzsteuerfreie Leis- tungen erbringen. Das gilt sogar, wenn keine Vertragsarztzulassung besteht. Das Gleiche gilt für konsi- liarärztliche Tätigkeiten ohne Mit- behandlung von Patienten.

Insgesamt ist festzustellen, dass selbstständige ärztliche Tätigkeiten, bei denen die Heilbehandlung von Menschen im Vordergrund steht, als umsatzsteuerfrei zu qualifizieren sind, selbst wenn die Heilbehand- lung nicht im Rahmen eines persön- lichen Vertrauensverhältnisses zum Patienten erbracht wird. Hiervon dürfte eine nicht unbeträchtliche Anzahl selbstständig erbrachter ärzt- licher Heilbehandlungsleistungen be-

troffen sein.

Prof. Dr. rer. pol. Axel Otte Wirtschaftsprüfer/Steuerberater, Heilbronn

W I R T S C H A F T

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

KG , deren Be- tätigung sich auf den Be- reich der Vermietung und Verpachtung beschränkt , durch Vorschaltung einer GmbH ihren Gesellschaf- tern wieder gewerbliche

Diese bestimmt, dass die mit dem Betrieb der Krankenhäuser, Diagnosekliniken und ande- ren Einrichtungen ärztlicher Heilbehandlung, Diagnostik oder Befunderhebung eng

Nach der Rechtsprechung der Finanzgerichte liegt eine „verdeckte Gewinnausschüttung“ im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes dann vor, wenn es zu einer Bereicherung eines

Extremverhältnisse ab 2.Tag pro Jahr berücksichtigt 2 Punkte pro Tag/Jahr max. 2) EP-Bodenklimazahl = Summe der Ertragsmesszahlen aller Erschwernisflächen dividiert durch

1.1 Ziele dieses Vertrags sind im Einklang mit dem Überein- kommen über die biologische Vielfalt die Erhaltung und nachhaltige Nutzung pflanzengenetischer Ressourcen für

Zwar geht das BMF weiter grundsätzlich davon aus, dass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht erfüllt sind, wenn der Unternehmer keinen ordnungsgemäßen Buch-

Das Büro für Wirtschaftsförderung gratuliert Christiane Dreißig im Namen der Stadt Zwickau für die Auszeichnung, mit der ihr Unternehmen Feinkost 30 in den Kreis2.

Für Grundstückslieferungen außerhalb des Zwangsverste i- gerungsverfahrens können Unternehmer den Verzicht auf die Steuerbefreiung jedoch zukünftig nur noch im