Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 4|
27. Januar 2012 A 151STUDIEN IM FOKUS
Neue Antikoagulantien gewinnen bei der Prophylaxe thromboemboli- scher Ereignisse derzeit an Bedeu- tung. Welcher Stellenwert dem Faktor-Xa-Hemmer Apixaban im Vergleich zu Enoxaparin bei der Thromboseprophylaxe internisti- scher Patienten zukommt, ist in ei- ner doppelblinden Studie mit Dou- ble-Dummy-Design geprüft wor- den. In die Studie wurden akut kranke Patienten mit Herzinsuffi- zienz, respiratorischer Insuffizienz oder schwerer anderer internisti- scher Erkrankung und mindestens einem weiteren zusätzlichen Risi- kofaktor für ein thromboemboli- sches Ereignis eingeschlossen, die stationär behandelt wurden und bei denen eine Verweildauer von min- destens drei Tagen in der Klinik er- wartet wurde. 6 528 Patienten wur- den randomisiert und erhielten ent-
weder sechs bis 14 Tage lang 40 mg Enoxaparin s. c. einmal täglich oder 30 Tage lang zweimal täglich 2,5 mg Apixaban oral.
4 495 Patienten konnten für den primären Endpunkt (venöse Throm- boembolie, Lungenembolie, sym - ptomatische oder asymptomatische proximale tiefe Venenthrombose am Tag 30) evaluiert werden, davon 2 211 in der Apixaban- und 2 284 in der Enoxaparin-Gruppe. Von diesen Patienten erfüllten 2,71 % unter Apixaban und 3,06 % unter Enoxa- parin die Kriterien des primären Endpunktes. Das entspricht einem relativen Risiko von 0,87 unter Apixaban (95-%-Konfidenzinter- vall [KI] 0,62–1,23, p = 0,44) im Vergleich zu Enoxaparin. Bei 0,47 % der Patienten unter Apixa- ban und bei 0,19 % unter Enoxapa- rin trat eine schwere Blutung auf.
Das relative Risiko beträgt damit 2,58 (95-%-KI 1,02–7,24; p = 0,04).
Fazit: Die Studie zeigt, dass auch die neuen oralen direkten Xa-Hem- mer mit einem geringen, aber nach- weisbaren Risiko für schwere Blu- tungen assoziiert sind. Dies wäre akzeptabel, wenn durch den Einsatz der Medikamente häufigere und ge- fährlichere thrombotische Ereignis- se verhindert werden. Bei der pro- phylaktischen Behandlung internis- tischer Patienten sei dies aber nicht der Fall, meint Prof. Dr. med.
Christoph Bode, Freiburg. Daher scheide diese Indikation unter den getesteten Bedingungen in Zukunft als Anwendungsgebiet für Apixa- ban aus. Christine Vetter Goldhaber SZ, et al.: Apixaban versus Enoxa- parin for Thromboprophylaxis in Medically Ill Patients. NEJM 2011, 365: 2167–77.
THROMBOSEPROPHYLAXE
Neuer Faktor-Xa-Hemmer ist Enoxaparin nicht überlegen
Einem deutschen Forscherteam ist es gelungen, eine seltene Auto- immunerkrankung der Niere im in- dividuellen Heilversuch erfolg- reich zu therapieren: die membra- noproliferative Glomerulonephritis (MPGN). Die Erkrankung wird durch Ablagerungen von Spaltpro- dukten des Enzyms C3-Convertase in den Glomeruli ausgelöst. Die Folge ist eine allmähliche Zerstö- rung dieser Nierenfilter. Die C3-Convertase ist Teil des Komple- mentsystems.
Auf der Suche nach den Ursa- chen der Komplementaktivierung analysierte die Gruppe um Peter Zipfel vom Hans-Knöll-Institut in Jena Blutproben von MPGN-Pa- tienten. Dabei fanden sie eine Kom- bination von zwei Autoantikörpern, die die C3-Convertase aktivieren.
Das Enzym produziert dann die Spaltprodukte, die die Glomerulo- nephritis verursachen.
Die Entdeckung der Autoanti- körper öffnete den Weg zu einer möglichen Therapie von MPGN.
Sie besteht aus der Kombination einer Immuntherapie mit regelmä- ßigen Plasmapheresen. Die regel- mäßigen Plasmapheresen entfer- nen die Autoantikörper aus dem Blut, die Immuntherapie mit Ritu- ximab (plus Mycophenolat und Glukokortikoide) verhindert, dass neue Autoantikörper gebildet wer- den. Nachdem die Konzentration der Autoantikörper im Blut deut- lich gesenkt wurde, wagten die Mediziner eine Nierentransplanta- tion. Im Anschluss an die Operati- on wurden weitere Plasmapheresen durchgeführt. Die Intervalle wur-
den langsam verlängert und die Be- handlung nach 16 Wochen ganz ausgesetzt.
Nach Auskunft der Forscher ist es auch zwei Jahre nach der Trans- plantation noch nicht zu einem Re- zidiv der membranoproliferativen Glomerulonephritis gekommen.
Fazit: Mit einer Kombination aus Immuntherapie und Plasmaphere- sen ließ sich im einzelnen Heilver- such das Wiederauftreten einer membranoproliferativen Glomeru- lonephritis seit zwei Jahren nach Nierentransplantation verhindern.
Es besteht die berechtigte Hoff- nung, dass die Erkrankung ausge- heilt ist. Für die meist jugendlichen Patienten eröffnet sich damit die Perspektive auf ein Leben ohne Dialyse. Rüdiger Meyer
Chen Q, Müller D, Rudolph B, Hartmann A, Kuwertz-Bröking E, et al.: Combined C3b and factor B autoantibodies and MPGN Type II.
NEJM 2011; 365: 2340–2.
MEMBRANOPROLIFERATIVE GLOMERULONEPHRITIS