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Wilhelm Rau nach kurzer schwerer Erkrankung

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Wilhelm Rau (1922-1999) 1 Gesellschaft

Von Michael Hahn, Marburg

Am 29. Dezember 1999 verstarb der emeritierte .ordentliche Professor' - so

seine ursprüngliche Amtsbezeichnung - Dr. Wilhelm Rau nach kurzer

schwerer Erkrankung. Nur wenige Tage später, am 3. Januar 2000, wurde er

im engsten Familienkreis in seiner Heimatstadt Gera beigesetzt. Wilhelm

Rau hat eine ungewöhnlich lange Zeit in Marburg als Student, Habilitand

und Universitätslehrer verbracht und ist dem Marburger Seminar - ehemals

Indisch-Ostasiatisches Seminar, jetzt Fachgebiet Indologie - noch mehr als

fünf Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst als akademi¬

scher Lehrer und Betreuer von Magisterarbeiten und Dissertationen ver¬

bunden geblieben.

Anlässlich des 65. Geburtstages von Wilhelm Rau stellten drei seiner

ehemaligen Schüler, Frau Prof. Dr. Heidrun Brückner (jetzt Würzburg),

der leider allzu früh verstorbene Bibliotheksdirektor Dr. Dieter George

(Berlin) und Prof. Dr. Claus Vogel (Bonn), sowie sein Hamburger Kollege

Prof. Dr. Albrecht Wezler eine umfangreiche Festschrift zusammen, die

1987 als Band 13/14 der Studien zur Indologie und Iranistik erschien. Dieser

Band enthält eine auf Raus eigenen Vorarbeiten beruhende Bibliographie

seiner Schriften' sowie eine Liste der Arbeiten seiner Schüler,^ beides zu¬

sammengestellt von seinem Kollegen und engen Freund Prof. Dr. Joachim

Sprockhoff (Bochum), der in einem sehr persönlich gehaltenen Epilog'

den Menschen und Wissenschaftler Wilhelm Rau charakterisiert. Das

dort Gesagte und Verzeichnete braucht hier nicht wiederholt zu werden.

Ebensowenig das, was Oskar von Hinüber, Raus Fachkollege in der

Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur, in seinem ausge¬

wogenen „Nachruf auf Wilhelm Rau'"* geschrieben hat. Als einstiger Schüler

und späterer Nachfolger im Amt möchte ich an dieser Stelle den knappen

Abriss seiner Lebensdaten, seines wissenschaftlichen Werdeganges und den

' S. 431-448.

2 S. 449-450.

' S. 417-430.

■* In: Jahrbuch 1999. Altademie der Wissenschaften und der Literatur. Stuttgart 1980, S. 138-141.

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Versuch einer kurzen Würdigung durch einige Reminiszenzen aus meinen

Studienjahren in Marburg ergänzen, die noch zum Beginn von Raus dor¬

tiger Lehrtätigkeit zählen, sowie einige aus der Zeit des Emeritus, der Zeit

seines letzten Wirkens.

Wilhelm Rau wurde am 15. Februar 1922 in Gera als Sohn des Studi¬

enrats Dr. Rudolf Rau und seiner Frau Johanna geboren. In Gera besuchte

er von 1928-1932 die Volksschule und von 1932-1940 das Gymnasium

Rutheneum, an dem er am 29. Januar 1940 das Abitur mit Auszeichnung

ablegte. Mit Dank erinnert er sich in dem seiner Dissertation beigefügten

Lebenslauf seiner „vortrefflichen Lehrer", die schon in seiner Schulzeit sein

Interesse an den klassischen Sprachen und der Vergleichenden Sprachwis¬

senschaft erweckten, und seines Vaters, der ihn in die Philosophie einführte.

Seit dem 15. Lebensjahr beschäftigte er sich privat mit dem Sanskrit, dem

Altindischen par excellence. Als er 1963/1964 in Marburg eine zweisemest-

rige Einführung in die altindische Mathematik gab, wobei er sich auf ein

außerordentlich schwieriges und konzises Lehrbuch aus dem 11. Jh. stützte,

nämlich Bhäskaräcäryas Lilävati, mit dem die Teilnehmer seines Seminars

- allesamt Studenten aus höheren Semestern - ihre liebe Not hatten, erzählte

er schmunzelnd, dass dies seine erste Sanskritlektüre mit 15 Jahren gewesen

sei. Nicht der Wunsch, ein besonders schwieriges und anspruchsvolles Werk

zu lesen, sei die Triebfeder gewesen, sondern die schlichte Tatsache, dass

dies der erste Text war, dessen er in Gera hatte habhaft werden können. Er

zeigte den Teilnehmern des Seminars das Büchlein mit seinen handschrift¬

lichen Bemerkungen und berichtete weiter, dass ihm an Hilfsmitteln kein

umfassendes modernes Wörterbuch, sondern nur das Sanskrit-lateinische

Glossar von Bopp zur Verfügung gestanden habe, das natürlich keinen ein¬

zigen mathematischen Fachbegriff verzeichnete. Ein altindischer Kommen¬

tar, der für das Verständnis wissenschaftlicher Texte unerlässlich ist und der

in keiner modernen Ausgabe fehlt, war ihm ebenfalls nicht zugänglich.

Nach dem Abitur studierte Wilhelm Rau zwei Trimester an der Uni¬

versität Leipzig Indologie, Vergleichende Sprachwissenschaft und klassi¬

sche Philologie. Sein wichtigster akademischer Lehrer in Leipzig war der

angesehene Indologe und Buddhismusforscher Friedrich Weller, und

aus der nur sechsmonatigen Begegnung mit dem 33 Jahre älteren Gelehrten

entwickelte sich eine Freundschaft, die bis zu Wellers Tod 1980 andauerte.

Durch die Einberufung zur Wehrmacht und amerikanische Kriegsgefan¬

genschaft wurde Raus Studium für fünf Jahre unterbrochen, und erst nach

einem weiteren Jahr konnte er es im November 1946 an der Philipps-Univer¬

sität fortsetzen. Die Zeit als Soldat war nicht völlig verloren, denn aufgrund

seiner Sprachkenntnisse wurde Rau in der Nachrichtentruppe eingesetzt.

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Zusammen mit anderen Indologen fungierte er als Betreuer der Angehörigen

der sogenannten „Indischen Legion". Hierbei handelte es sich um kriegsge-

fangene indische Soldaten, die sich freiwillig zum Kampf gegen die britische

Kolonialmacht hatten anwerben lassen - so die damalige offizielle Lesart.

Zu Raus Aufgaben gehörte es, als Dolmetscher bei Gerichtsverhandlungen

zu wirken, wenn sich Angehörige der „Indischen Legion" oder andere in¬

dische Kriegsgefangene etwas hatten zuschulden kommen lassen. Dies bot

ihm die Gelegenheit, sich gute Kenntnisse im Hindi und Hindustani, zwei

Spielformen der verbreitesten nordindischen Sprache, anzueignen. Die erste

gedruckte Publikation Raus aus dem Jahr 1951, „Ein indisches Soldatenlied

aus dem letzten Kriege", ist eine Nachwirkung dieser Tätigkeit.

Bei der Wiederaufnahme seines Studiums trat an die Stelle der Klassi¬

schen Philologie nunmehr die Iranistik, ein Zeichen der stärkeren Hinwen¬

dung zur Vergleichenden Sprachwissenschaft. In nur zweieinhalb Jahren

gelang es Rau, sein Studium abzuschließen: am 22. Mai 1949 reichte er seine

Dissertation ein, und am 29. Juni 1949 legte er das Rigorosum ab. Schon

die Tatsache, dass Rau trotz sechs durch Krieg und Kriegsfolgen verlorener

Jahre mit 27 Jahren promovieren konnte, zeigt seine überragende Begabung

und Zielstrebigkeit.

Die Dissertation trägt deutlich die Handschrift seines Marburger akade¬

mischen Lehrers Johannes Nobel, bei dem er die schöne Literatur Indiens,

den Buddhismus und das Tibetische studierte. In ihr untersucht er den

ältesten Kommentar zu einem altindischen Kunstgedicht aus dem 7./8.Jh.

n.Chr., dessen Textbestand und Wert bis zu diesem Zeitpunkt nur sehr un¬

zureichend gewürdigt worden waren. Die nur in wenigen Exemplaren vor¬

handene Arbeit, die es auch heute noch verdiente, einem breiteren Kreis von

Fachkollegen zugänglich gemacht zu werden, ist eine kleine Meisterleistung,

setzte sie doch die Durcharbeitung eines langen, mit zahlreichen Schwierig¬

keiten gespickten Werkes, zweier altindischer Kommentare und einer bisher

unbearbeiteten Handschrift des älteren der beiden Kommentare voraus.

Rau gelingt es, zwei Rezensionen in der Überlieferung des Kommentars

zu unterscheiden und zahlreiche Verbesserungen gegenüber der gedruckten

Ausgabe vorzuschlagen. Für den sechsten Gesang des Werkes, einer außer¬

ordentlich kunstvollen Beschreibung der Jahreszeiten, von denen es nach

der jüngeren indischen Einteilung sechs gibt, legt er eine Musteredition vor,

die ihn als kompetenten Philologen ausweist.

Mit dem Gegenstand der anspruchsvollen schönen Literatur, für den

er damals sehr treffende würdigende Worte findet und der ihn sowohl mit

seinem Vorgänger Im Amt wie mit seinem Nachfolger verbindet, hat sich

Rau später nur sehr sporadisch in kürzeren Aufsätzen und Rezensionen

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Wilhelm Rau (1922-1999) 5

beschäftigt. Nicht sehen spricht er in späteren Lebensjahren sogar gering¬

schätzig von den Werken der reinen Dichtung, die für ihn nun nur noch l'art

pour l'art repräsentieren und ihm sehr viel geringer gelten als etwa hochent¬

wickelte handwerkliche Fertigkeiten. Diese Auffassung kann man als die

eines durch Erfahrung und Interessenverlagerung gewandelten Blickwin¬

kels durchaus respektieren, ohne dass man sie unbedingt teilen muß.

Bereits drei Jahre nach der Promotion wurde Rau 1952 mit der Arbeit

über Staat und Gesellschaft im alten Indien. Nach den Brähmana-Texten

dargestellt^ von der Philosophischen Fakultät der Philipps-Universität habi¬

litiert. In knappster Form stellt Rau dar, was sich aus der historisch gesehen

Zweitältesten Gruppe innerhalb des Korpus der sogenannten vedischen Li¬

teratur an Aussagen über die Organisation des altindischen Gemeinwesens

in der Zeit vor der Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends sagen läßt.

Nur Spezialisten können es ermessen, welches Maß an sprachlicher und

analytischer Kompetenz in dieser an Seiten nicht umfangreichen Studie

steckt. Die Hinwendung zu einer gegenüber der Dissertation um mehr als

tausend Jahre älteren Periode der indischen Kultur dürfte sowohl auf Raus

ersten Lehrer Weller zurückgehen, der ebenfalls einige Arbeiten hierzu

verfaßt hat, wie auch auf Raus 17 Jahre älteren Kollegen Paul Thieme, den

er während des Dienstes in der Wehrmacht kennenlernte. Die Erforschung

der vedischen Literatur, insbesondere der Brähmanas, sollte fortan eines von

Raus Spezialgebieten werden.

An die Habilitation schloss sich ein zweijähriges Stipendium für Indien

an. Rau begab sich an die von Rabindranath Tagore gegründete Uni¬

versität Vishvabharati und studierte dort unter der Anleitung des indischen

Gelehrten Shantibhikshu Shastri, eines Pandits, das System der einheimi¬

schen indischen Grammatik. Hierbei handelt es sich um ein Gebiet, auf dem

die indische Wissenschaft der abendländischen lange Zeit weit überlegen war.

Zu den Einsichten über den Bau der Sprache, die indische Gelehrte bereits

vor zweieinhalb tausend Jahren gewonnen hatten, konnten europäischen

Wissenschaftler erst im 19. Jh. aufschließen, nachdem sie mit der indischen

Grammatiktheorie Bekanntschaft gemacht hatten. Der Unterricht fand in der

traditionellen Weise statt, d. h. mündlich und ausschließlich auf Sanskrit.

Kurze Zeit nach der Rückkehr nach Deutschland wurde Rau auf den

Lehrstuhl für Vergleichende Sprachwissenschaft an der Universität Frank¬

furt berufen. Dieses Amt hatte er nur für zwei Jahre inne, denn schon 1957

berief ihn die Philipps-Universität als Nachfolger von Johannes Nobel

auf den indologischen Lehrstuhl. Seit dem 14. Dezember 1957 bis zu seiner

^ Erschienen Wiesbaden 1957.

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endgültigen Emeritierung zum 30. März 1988 wirkte Rau ununterbrochen

in Marburg - einen Ruf nach Münster lehnte er 1963 ab -, wo er sich in

der Lehre, in der Forschung und in der akademischen Selbstverwaltung

durch sein pflichtbewusstes und uneigennütziges Wirken große Achtung

und große Verdienste erwarb. Neben den Aufgaben in der Universität

- mehrfach war er Dekan der Philosophischen Fakultät und später des

Fachbereichs „Außereuropäischen Sprachen und Kulturen" - übernahm er

einer Fülle weiterer Ämter und Verpflichtungen an anderer Stelle. Es seien

hier nur seine Tätigkeit als langjähriger Herausgeber der Orientalistischen

Literaturzeitung (seit 1962), sein Wirken im Verwaltungsrat der „Helmuth

von Glasenapp-Stiftung" (seit 1964) und seine Mitgliedschaft in der Mainzer

Akademie der Wissenschaften (seit 1979) genannt.

Als akademischen Lehrer zeichneten Rau eine beispiellose Geduld und

Freundlichkeit aus. Im Unterricht fühlte man sich nie blamiert, auch wenn

man aus mangelnder Erfahrung - vorsichtig ausgedrückt - sehr kühne

Deutungen schwieriger Passagen vortrug, die sich dann als nicht haltbar er¬

wiesen. Meistens gelang es Rau, den Lernenden mit Hilfe der sokratischen

Methode auf die Schwächen des Vorschlags hinzuweisen und ihn allmählich

zur richtigen Lösung hinzuführen. Bei der Abfassung der Examensarbeiten

konnte jeder Studierende stets mit umfassender Beratung und Korrekturen

von Entwürfen rechnen. Zwischen 1961 und 1994 wurden 18 Dissertationen

und ca. 10 Magisterarbeiten unter seiner Betreuung angefertigt. Fünf seiner

Schüler sind heute als Hochschullehrer in Deutschland, Indien und Japan

tätig. Andere haben verantwortliche Stellen als Lektoren, im Bibliotheks¬

dienst, an Goethe-Instituten und an der Deutschen Welle gefunden.

Als Forscher hat Rau ein beachtliches oeuvre hinterlassen. Die oben

genannte bis 1987 reichende Publikationsliste umfasst - unter Einschluss

der Besprechungen und der an eine breitere Öffentlichkeit gerichteten Arti¬

kel - bereits 212 Einträge. Die Schwerpunkte der Forschungstätigkeit liegen

seit der Habilitationsschrift auf den Gebieten der vedischen Literatur, die

- sehr grob geschätzt - zwischen 1000 und 500 v. Chr. entstanden sein dürfte,

auf der Erforschung der materiellen Kultur der vedischen Zeit und auf der

einheimischen indischen Grammatik. Raus opus magnum ist zweifellos

seine 1977 erschienene kritische Ausgabe von Bhartrharis Väkayapadiya,

eines aus 2300 Strophen bestehenden sprachphilosophischen Werkes, das

aufgrund seines schwierigen Inhalts nur sehr wenigen Gelehrten innerhalb

und außerhalb Indiens wirklich zugänglich ist; im Gespräch meinte er ein¬

mal, dass deren Zahl an den Finger beider Hände abzuzählen sei. Seine seit

längerem fertiggestellte deutsche Übersetzung dieses Werkes soll er einem

Kollegen zur Veröffentlichung übergeben haben. Im Bereich der vedischen

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Wilhelm Rau (1922-1999) 7

Literatur verdanken wir Rau präzise Neuübersetzungen einiger wichtiger

Upanischaden - diese stellen den Beginn der philosophischen Literatur der

Inder dar -, kulturgeschichtliche Betrachtungen und - als Betreuer einer

ganzen Anzahl von Dissertationen - wesentliche Fortschritte bei der Erfor¬

schung des Jaiminiyabrähmana, eines sehr schlecht überlieferten und nur

in einer einzigen unbefriedigenden Ausgabe vorliegenden wichtigen alten

Werkes der vedischen Literatur.'' Eine Sonderstellung nehmen die Studien

zur materiellen Kultur des vedischen Indien ein, in denen er durch die Kom¬

bination von Philologie, Archäologie und Technologiegeschichte bestimmte

Aspekte des alltäglichen Lebens in einer bisher nicht gekannten Präzision

behandelt. Er geht dabei auf so unterschiedliche Gebiete wie Weben und

Flechten, Töpferei und Tongeschirr, Metalle und Metallgeräte, die Brenn¬

linse, Esel und Maultier, Naturbeobachtung und Handwerkskunst ein. Sein

Interesse für diesen Bereich hat sich auch in den Arbeiten seiner Schüler nie¬

dergeschlagen. Die letzte von ihm betreute Dissertation behandelt ein alt¬

indisches Kochbuch, und eine in Bochum angefertigte Habilitationsschrift,

die aus einer umfassenden Studie zum altindischen Handwerk besteht, geht

auf seine Anregung zurück.

In einer Reihe von öffentlichen Vorträgen, die später in gedruckter

Form erschienen, nahm Rau sich in geistreicher Form auch übergeordneter

Fragestellungen wie des Beitrages Indiens zur Menschheitskultur und der

Bedingungen und Möglichkeiten einer vedischen Archäologie an. In der

zuerst genannte Abhandlung hebt er so gegensätzliche Dinge hervor wie die

Schaffung des Dezimalsystems - ohne die die moderne numerische Mathe¬

matik und damit auch die Computerwissenschaft gar nicht möglich gewesen

wäre -, die moderne Form der Sprachanalyse und handwerkliche Künste

wie die bis heute nicht wieder erreichte „Maurya-Politur", die gewöhnlichen

Steinen die Glätte von Marmor verleiht. Auch die in dieser Arbeit wegen

ihres verspielten Charakter gescholtene indische Poesie kommt an anderer

Stelle wieder zur Sprache, wenn er über die Konventionen indischer Dicht¬

kunst schreiben, Spruchweisheit aus der ältesten indischen Literatur unter

dem Titel „Vedische Lebensweisheit" oder sozialkritische Strophen aus der

Raus Schüler Dr. Gerhard Ehlers, Mitarbeiter bei der Katalogisierung der Orien¬

talischen Handschriften in Deutschland und Privatdozent an der Freien Universität Ber¬

lin, hat sich nach seinen Emendationen zum Jaimimya-Brähmana (Zweites Buch), Bonn

1988, in seiner unveröffentlichten Habilitationsschrift (Berlin 1998) ausgiebig mit dem dritten Buch befasst (das erste Buch wurde durch zwei Monographien des holländischen Indologen Henk Bodewitz inhaltlich und textlich erschlossen) und bereitet zur Zeit eine

Neuedition des gesamten Textes vor, damit eines von Raus wesentlichsten Vorhaben zu

Ende führend, was diesen mit großer Freude erfüllt haben dürfte.

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jüngeren Sanskritdichtung unter dem Titel „The vagrant and the poor" - frei übersetzt „Obdachlose und Not Leidende" - zusammenstellt.

In seinen späteren Jahren - nach seiner Emeritierung und vor allem

nach seinem Umzug in seine Heimatstadt Gera - hat Rau sich mehr und

mehr zurückgezogen. Stets hilfsbereit, wenn man ihn um einen Gefallen

bat, hatte er offensichtlich den Wunsch, sich anderen nicht aufdrängen zu

wollen. Fortgeschrittene Marburger Studenten und die Mitarbeiter des Se¬

minars erinnern sich aber mit großer Dankbarkeit an ein sechssemestriges

Privatissimum zur altindischen Grammatik, in dem Wilhelm Rau die ers¬

ten drei Bücher von Päninis Astädhyäyi zusa.mmen mit der Käsikävrtti von

Vämana und Jayäditya in einer Weise erklärte, die indische und abendländi¬

sche Gelehrsamkeit in idealer Symbiose verband und wie man sie wohl nur

ganz selten geboten bekommt. Dies war jedenfalls der einhellige Eindruck

der Teilnehmer, die mit den Teilübersetzungen der Käsikä von Renou und

Ojihara durchaus vertraut waren.

Aus den fast sechs Jahren, die ich zwischen 1962 und 1968 in Marburg

verbrachte, bleibt die Erinnerung an einen ungewöhnlich freundlichen und

menschlichen Lehrer, der sich vollkommen von dem Typus des unnahba¬

ren deutschen Ordinarius unterschied, den ich in meinen ersten beiden

Studienjahren an einer anderen Universität kennen gelernt hatte. In jedem

Sommersemester wurde am dies academicus eine große Exkursion in die

Umgebung Marburgs durchgeführt, und vier Jahre lang, von 1963 bis 1966,

fand ebenfalls in jedem Sommersemester ein regelmäßiges Kolloquium zur

„Geschichte der Indologie in Deutschland" statt. Den Teilnehmern wurde

am Ende des Wintersemesters die Aufgabe gestellt, eine Hausarbeit über

einen deutschen bzw. deutschsprachigen Indologen (auch über den Privatge¬

lehrten Karl Eugen Neumann wurde berichtet)'' zu erstellen, die aus einer

Biographie, einer Würdigung des wissenschaftlichen Werkes zu bestehen

hatte. Die gestellte Aufgabe war von höchst unterschiedlichem Schwierig¬

keitsgrad, je nach dem, wie viele Vorarbeiten zur Verfügung standen und

wie umfangreich das Werk des zu behandelnden Gelehrten war. Insgesamt

wurden im Rahmen dieses Kolloquiums für 20 deutschsprachige oder in

Deutschland wirkende Indologen Biographien und Bibliographien und

Würdigungen erstellt. Ausgewählt wurden solche Gelehrte, die nicht mehr

in der Geschichte der Sanskrit-Philologie und indischen Altertumskunde

von Ernst Windisch behandelt worden waren. Der ursprüngliche Plan,

durch die Referate die Grundlage für die Fortschreibung des Werkes von

^ Eine weitere Ausnahme betraf den Norweger Sten Konow, der von 1914 bis 1920 der erste Inhaber des Lehrstuhls für Indologie an der Universität Hamburg war.

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Wilhelm Rau (1922-1999) 9

Windisch zu schaffen, heß sich wegen der Uneinheithchkelt der Beiträge al¬

lerdings nicht verwirklichen. Von einem gewissen Wert waren für lange Zeit

die Bibliographien, so weit sie nicht nur abgeschrieben, sondern selbständig

erstellt worden waren. Inzwischen sind sie vielfach durch die in der Reihe

Kleine Schriften vorgelegten obsolet geworden. Immerhin erwiesen sich

die Referate als hilfreich für die Abfassung des Werkes German Indologists

von Valentina Stache-Rosen,* wo sie in der Vorbemerkung zur ersten

Auflage lobend erwähnt werden. Auf die Verlesung der Referate folgte stets

ein inoffizieller Teil, der bei Rotwein und Salzgebäck die Gelegenheit bot,

fachliche und außerfachliche Probleme in einer entspannten Atmosphäre

zu besprechen. Wie man der Liste der von Wilhelm Raus Schülern an¬

gefertigten Arbeiten entnehmen kann, weist die Dekade von 1961 bis 1970

die größte , Promotionsdichte' auf. Auch wenn so etwas zu einem großen

Teil zufallsabhängig ist und sich daher nicht erzwingen lässt, so lässt dieses

Faktum doch etwas von der angenehmen und zugleich inspirierenden Auf¬

bruchstimmung erahnen, die damals in Marburg herrschte und die das Stu¬

dium eines ungewöhnlichen und den Studierenden sehr fordernden Faches

wie der Indologie zu einem unvergesslichen Lebensabschnitt machte.

Second revised edition by Agnes Stache-Weiske, New Delhi 1990.

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Gulam Halll und das Kitab Sarh as-sunna

Erste Ergebnisse einer Studie zum Konservatismus

hanbalitischer Färbung im Islam des 379. Jahrhunderts"'

Von Mäher Jarrar und Sebastian Günther

Die zweite Auflage der Encyclopaedia of Islam beruft sich im Stichwort

„Sunna" mehrfach auf einen mittelalterlichen arabischen Text mit dem Titel

K. Sarh as-sunna. Dieses Werk ist, wie dort vermerkt wird, in längeren Zita¬

ten in den Tabaqät al-Hanäbila des Hanbaliten Ibn Abi Ya'lä al-Farrä' (gest.

526/1131)' erhalten. Ibn Abi Ya'lä nennt einen gewissen al-FIasan ibn 'All al-

Barbahärl (gest. 329/941), ebenfalls ein Hanbalit, als Verfasser des Sarh ^s-

sunna. Der Enzyklopädieartikel hebt hervor, daß das K. Sarh as-sunna ein

wichtiges Dokument zum Verständnis der Entwicklung des Sunna-Begriffs

und der Orthodoxie im Islam ist und daß es als ein Credo der sunnitischen

Glaubenslehre gelten dürfe. Darüber hinaus sei der Text ein Zeitzeugnis, das

über eine Gruppierung unter den Muslimen Auskunft gibt, die als Ahl as-

sunna bekannt wurde und die in ihrer politischen Ausformung, den Ahl as-

sunna wa-l-gamä'a, beachtlichen Einfluß auf die Geschicke des Islams im

Mittelalter nehmen sollte.^

Der vorliegenden Aufsatz stellt die ersten Ergebnisse einer eingehende¬

ren Analyse des K. Sarh as-sunna und damit zusammenhängender Fragen

vor. Unsere Untersuchungen beruhen jedoch nicht auf den bei Ibn Abi Ya'lä

erhaltenen Zitaten des Werkes, sondern auf einer unikalen in Damaskus

'■' Die Autoren möchten Herrn Professor Josef van Ess für seinen Hinweis auf die

Handschrift des K. Sarh al-sunna herzlich danken.

' Vgl. C. Brockelmann: Geschichte der arabischen Litteratur. Suppl. zu Bd. I, S. 557;

und Art. „Ibn al-Farrä'" (H. Laoust). In: EP III (1979), S. 766.

^ „[T]he adherents to the sunna, or ahi al-sunna as they were increasingly often called, were thought of during the heyday of theological disputes as living in concealment, as strangers in their own home, that is in any case how al-Hasan b. 'All al-Barbahärl the author of an early Islamic creed, expressed it, vgl. Art. „Sünna" (G. Juynboll). In: EP IX (1997), S. 878a; mh Berufung auf Ibn Abi Ya'lä: K. Tabaqät al-Hanäbila, Ed. M. Hamid al-FiqI, Kairo 1952, Bd. II, S. 29, Zeilen 2-6.

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