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Archiv "Behandlung und Betreuung mongoloider Kinder" (31.10.1974)

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Behandlung und Betreuung mongoloider Kinder 1 )

Franz Schmid2}

Aus der Städtischen Kinderklinik Aschaffenburg (Chefarzt: Professor Dr. med. Franz Schmid)

Das Mongolismus-Syndrom, auch Down-Syndrom, Trisomie G, Triso- mie 21, Mongoloidismus genannt, wird heute oft als Prototyp einer genetisch bedingten Krankheit her- ausgestellt. Aus der Korrelation des Syndroms mit Chromosomen- aberrationen (Trisomie 21, Translo- kationen, Mosaikbildungen) wird dann gefolgert, daß die im Verlauf der Krankheit auftretende Sympto- matik unabwendbar sei. Selten hat sich damit eine neue Erkenntnis so nachteilig auf die ärztliche Einstel- lung zur Behandlung eines Leidens ausgewirkt wie die Entdeckung der Chromosomenanomalien beim Morbus Down.

Dem gegenüber steht die ärztliche Praxis, die sich seit mehr als 30 Jahren bemüht, Möglichkeiten zur Beeinflussung der Krankheit zu fin- den. Manches Behandlungsverfah- ren w·urde nur kurzfristig ange- wandt und hat mehr historisches Interesse. Im folgenden soll der ge- genwärtige Stand der therapeuti- schen Maßnahmen, ihre Möglich- keiten und Grenzen sowie einige Aspekte für die Weiterentwicklung der Therapie aufgezeigt werden;

sie ergeben sich aus der Langzeit- behandlung von 808 mongoloiden Kindern.

Konzeption der Behandlung Bei der derzeitigen konformisti- schen Auffassung, die Trisomie sei die Ursache des Down-Syndroms,

sind die nachstehenden Überlegun- gen fast provokatorisch. Sie greifen in die biologische Kernfrage ein, ob die Funktion die Form prägt oder die Form die Funktion be- stimmt. Auf die Prozesse bei der Keimzellenvereinigung und die er- sten Teilungsvorgänge übertragen, stellen sich die Fragen:

~ Liegt primär eine funktionelle Minderwertigkeit der Keimzellen vor, die zu abnormen Teilungs- und Vereinigungsvorgängen an den Chromosomen führt, die sich se- kundär in den Formanomalien aus- wirken?

~ Ist die morphologische Abartig- keil der Chromosomen tatsächlich die primäre Noxe, von der sich alle anderen Krankheitserscheinungen ableiten lassen?

Die Chromosomenanomalien be- stätigen zwar die Korrelation mit den klinischen Symptomen des Down-Syndroms, nicht aber deren ursächliche Bedeutung. Die Chro- mosomenaberrationen sind wahr- scheinlich schon Folge eines vor- geschalteten pathogenen Prinzips in der Funktion der Keimzellen, die nur durch ihre optisch-morphologi- sche Nachweisbarkeil als Ursache imponieren. Auf klinische Ebene projiziert, beinhaltet diese Alternati- ve die Frage, ob die bei Kindern mit Down-Syndrom anzutreffenden Abartigkeilen im Stoffwechsel Fol- ge der Chromosomenanomalien sind oder deren Ursache.

Die Trisomie 21 wird oft als genetisch bedingte Krankheit angesehen, deren schicksal- hafter Verlauf nicht wesent- lich zu beeinflussen sei. Tat- sächlich gibt es aber eine Reihe von Behandlungsver- fahren, mit denen man das progrediente Gehirnvolumen- defizit mildern, die endokri- nen Ausfälle ausgleichen, die

Infektionsabwehrschwäche beseitigen, die Binde- und Stützgewebsschwäche behe- ben und die Deprivation ver- hindern kann. Zu den verbes- serten therapeutischen Mög- lichkeiten sollte auch bald eine entsprechende pädago- gische Methodik entwickelt werden.

Dafür, daß das Down-Syndrom nicht als chromosomen-morpholo- gisch geprägte schicksalhafte, son- dern als in wesentlichen Teilsym- ptomen korrigierbare Krankheit auf- zufassen ist, sprechen folgende Beobachtungen:

0 Somatische, statisch-motori- sche, intellektuelle und psychische Entwicklung fallen mit zunehmen- dem Alter progredient gegenüber der Altersnorm ab.

6 Zahlreiche, primär nicht ausge- prägte, im Laufe des Wachstums sich manifestierende Symptome, sind nur über eine Mitbeteiligung des endokrinen Systems möglich (Minderwuchs, Hypothyreose, Hy- pogenitalismus).

8 Die Proportions- und Wachs- tumsverschiebungen des Gehirn- und Gesichtsschädels sind bei der Geburt und in den ersten Lebens-

') Die Arbeit berichtet über persönliche Beobachtungen des Autors bei der lang- jährigen Betreuung von mehr als 800 mongoloiden Kindern und nimmt zu therapeutischen Verfahren Stellung, die nicht allgemein angewendet werden.

2) Vorstandsmitglied des Wissenschaft- lichen Beirats der Bundesärztekammer.

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft44vom 31.0ktober 1974 3163

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somatische anthropometrische

Entwicklung

psychisch-soziale

Mesenchymschwäche Infektionsabwehr- B indegewebsschwäche

stato-motorische intellektuelle

geistige

A

wochen milde ausgeprägt oder nicht vorhanden. Meßwerte liegen hier vorzugsweise noch im Streu- bereich der Norm.

O Mit zunehmendem Alter bleibt das Gehirnschädelwachstum ge- genüber der Norm zunehmend zu- rück, wovon vor allem Parietal- und Okzipitalregion betroffen sind.

O Parallel mit dem zurückgeblie- benen Gehirnvolumenwachstum prägt sich die mongoloide Physio- gnomie stärker aus. Gehirn- und Gesichtsschädel verformen sich mit zunehmendem Alter schwer- wiegend.

O Die Infektionsabwehrschwäche trägt bei der allgemeinen Mesen- chymschwäche zur Entwicklungs- behinderung wesentlich bei.

Geht man von der Basis einer Krankheit mit progredientem Ent- wicklungsrückstand aus, ergeben

sich beim Down-Syndrom folgende therapeutische Forderungen:

O das progrediente Gehirnvolu- mendefizit zu mildern,

O die (sekundären) endokrinen Ausfälle auszugleichen,

0 die Infektionsabwehrschwäche zu beseitigen,

O die Binde- und Stützgewebe- schwäche zu beheben,

O die durch therapeutische Resi- gnation ausgelöste Deprivation zu verhindern und

O eine dem Erreichbaren ange- paßte Pädagogik zu entwickeln.

Behandlungsprinzipien

Zunächst wird man bei einer Situa- tionsanalyse feststellen, daß alle Entwicklungssektoren benachteiligt sind, die intellektuelle Entwicklung

aber am stärksten betroffen ist.

Minderwuchs, Mikrozephalie, Pro- portionsstörungen des Körperbau- es, zeitliche und formale Reifungs- anomalien kennzeichnen die an- thropometrische Komponente der somatischen Entwicklung, die ver- zögerte statomotorische Entwick- lung deren funktionelle Komponen- te. Im Bereich der geistigen Sphäre ist die Sozialentwicklung (vom ver- zögerten Erlernen der sozialen Funktionen bis zur Asozialität) ebenso betroffen wie der Intellekt, der die schwersten Ausfälle im Be- reich des abstrakten Denkens zeigt.

Die Therapieansätze werden in Darstellung 1 synoptisch veran- schaulicht.

Stoffwechsel-Therapie

Aus der Literatur über Stoffwech- selabweichungen beim Down-Syn- drom lassen sich nur in einigen Be- reichen bindende Schlüsse auf the-

Hormone

Hypophysen - Schildd rüsen -

Nebennieren -

Stoffwechselstimulatoren

Vitamine ( A, B 1 , B6 ) B6 - Tryp to phan -Serotonin-Kette

Pyrithioxin

Membranstoffwechselaktivatoren

Immuntherapie

Thymus

Immunglobuline

Injektions-Implantationen Sozialtraining

fetaler Gewebe

Pädagogik

Krankengymnastische Ganzkörperbehandlung

Darstellung 1: Therapieansätze bei Down-Syndrom

(3)

Dreidimensionaler Schädel-Index 55 (Größte Länge + Höhe + Breite = V+ VI + VII)

53

• 0 --- 0

52 •, o

• : .6... • 51 • • 7..„ , 0 ,0, .. •n

50 . • i':• •*2

49 .1;; ii.• •7 °

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O

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38 37 36 35-

cm 54

0*

47- 46- 45- 44- 43- 42- 41- 40-

39-1'

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Darstellung 2: Schädelvolumenindex bei 100 unbehan- delten mongoloiden Kindern: progredientes Volumende- fizit

Darstellung 3: Schädelvolumenindex bei 200 mongoloi- den Kindern nach drei Implantationsserien: Volumen- werte im Streubereich der Norm

50 49 48 47 46

44 43 42 41 40 39 38 37

04 7 10 13 20 30 3 4 12

8 9 10 11 12 13 14 15 Alter/Jahre

0

34- 33- 32-

04 7 1013 2b 30 ä 4 6 6 f ä 1Ö 11 1'2 13 14

12 Alter/Jahre

rapeutische Konsequenzen ziehen.

Dazu gehören:

a) Resorptionsstörungen durch herabgesetzte Enzymaktivitäten im Darmsekret,

b) Anomalien im Tryptophanstoff- wechsel, die eine Erniedrigung des Serotoninspiegels zur Folge ha- ben,

c) Störungen des Vitamin Bi- und Vitamin B6-Stoffwechsels, die mit dem eingeschränkten Tryptophan- stoffwechsel zusammenhängen, d) zytochemische Hinweise auf Transportstörungen der Zytomem- branen,

e) Bedarf an Vitamin A als Aus- druck des herabgesetzten Grenz- flächenschutzes,

f) Syntheseschwäche im Bereich der Immunglobuline.

In die therapeutische Planung sind die vielfach nachgewiesenen, in ih- rer Aussage aber nicht wider- spruchsfreien Abweichungen in den Enzymaktivitäten der Leukozy- ten und Erythrozyten noch nicht einbezogen.

Therapeutisch stehen Medikamen- te in Form metabolischer Zwi- schenstufen, Vitamine und eine entsprechende Diät im Vorder- grund.

Vitamine A, Bi und B6 sind ständig zu substituieren; die Mindestdosis muß dem Tagesbedarf entspre- chen. Vitamin C sollte nicht in überdurchschnittlichen, Vitamin D in möglichst geringen Mengen ver- abreicht werden; diese Vorausset- zungen werden von einigen Multivit- amin-Präparaten erfüllt (wie Mulga- tol®, Multibionta®, Jecorol ® , Proto- vita®, Mar®, Viliquid®).

Die Vitamine der B-Gruppe greifen an sechs verschiedenen Stellen in den Tryptophanstoffwechsel ein.

Hier ist auch der Ansatzpunkt des Pyrithioxins (Encephabol®) zu su- chen, einem Vitamin-B6-Abkömm- ling ohne Vitamincharakter. Er wirkt sich besonders auf die Sprach- DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 44 vom 31. Oktober 1974 3165

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Tabelle 1: Klinische Differenzierung nach den neuro-endokrinen Ausfällen beim Down-Syndrom

Schilddrüsentyp Zwischenhirn-

typ vermindert

erhöht

plump plump verzögert

gutmütig melodisch verdickt-derb manchmal gelb- lich

dick, breit und lang

rauh-heiser- blechern

Körperlänge Körpergewicht

Körperbau Knochenbau Skelettreifung

Sozialtendenz Musikvorliebe Haut

vermindert herabgesetzt, in der Pubertät oft erheblich vermehrt grazil grazil beschleunigt- irregulär umtriebig- eretisch aggressiv rhythmisch dünn, oft aus- gedehntes lockeres sub- kutanes Fett- gewebe, Ka- pillarfragilität, Clownwangen dünn spärlich Neigung zu Alopecia areata normal oder

lang (nicht breit) rauh, eher hoch und schrill stumpf-antriebs- Verhalten

arm

trocken-strohig- Haar dicht

Zunge

Stimme

kurz und plump Extremitäten kurz, aber gra- zil, dadurch

proportionier- ter

selten, hart Stuhl unauffällig

Obstipation oder hart

entwicklung im Kleinkindesalter aus. Bei eretischen Kindern ist die Toleranzbreite des Pyrithioxins al- lerdings relativ niedrig; manchmal vertragen sie davon noch nicht ein- mal täglich einen Teelöffel voll. Mit B-Vitaminen soll vor allem der bei Mongoloiden erniedrigte Seroto- nin-Spiegel angehoben werden.

Diätetische Maßnahmen tragen dazu bei, die Stoffwechselabwei- chungen zu beeinflussen. Die Emp- fehlung, wenig Kohlenhydrate zu geben, wurde rein empirisch abge- leitet. Rund ein Drittel der mongo- loiden Kinder, insbesondere die unbehandelten, lehnen Süßigkeiten (vor allem Bonbons) strikte ab.

Durch Früchte, Salate, speziell Sprößlinge, wird die medikamentö- se Vitaminversorgung ergänzt.

Auch der Rat, die Kost ein- bis zweimal pro Woche mit Seefisch und Hirn anzureichern, entspringt empirischen Beobachtungen, deren Effektivität schwer nachprüfbar ist.

Seeaufenthalte von drei bis sechs Wochen Dauer wirken sich auf mongoloide Kinder günstig aus;

das gilt vor allem für die Infektnei- gung, aber auch für die stato-moto- rische Entwicklung im Kleinkindes- alter. Die Spontanentwicklung der mongoloiden Kinder, die an der See heranwachsen, verläuft nach eigenen Erfahrungen im Durch- schnitt günstiger als diejenige von Kindern aus dem Binnen- oder Bergland. Die ungünstigsten Spon- tanverläufe weisen Mongoloide aus den Kalkgebirgen auf (Schwäbi- scher Jura, Schweizer Jura); sie müssen in größeren Mengen mit Spurenelementen und Hormonen versorgt werden.

Injektions-Implantationen

Fetales Gewebe wird in erster Linie zur Beeinflussung des Gehirn- wachstums implantiert. Die unkor- rekterweise meist als „Frischzell- Therapie" bezeichnete Methode ist der effektivste Behandlungssektor, da damit Krankheitssymptome be- seitigt werden können, die weder medikamentös noch pädagogisch zu beeinflussen sind. Autoren, die dieser Behandlungsmethode skep- tisch gegenüberstehen, haben meist entweder keine eigene Erfah- rung auf diesem Gebiet oder arbei- ten mit Präparationen (Extrakten, chemisch abgebauten Zeltderiva- ten, oral verabreichten Dilutionen), die vom theoretischen Ansatz her inadäquat sind. Ziel dieser Thera- pie ist es, dem Organismus par- enteral die hohe Substrat- und En- zymausstattung der rasch wach- senden fetalen Gewebe in biolo- gisch nativer Form zuzuführen. Die- se Gewebesuspensionen werden innerhalb von zwei Stunden abge- baut, von körpereigenen Mikropha- gen phagozytiert und in den näch- sten 48 Stunden vom Makrophagen

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nicht beeinflußbar Symptome

zu bessern behebbar

Tabelle 2: Therapeutische Beeinflußbarkeit der wichtigsten Symptome im Rahmen des Down-Syndroms

Sattelnase enge Augen- spalten Strabismus Konjunktivitis Blepharitis Makroglossie strohiges Haar Obstipation Mikrozephalie Hypognathie Bänderschwäche Muskelhypo- plasie

Muskelhypotonie Nabelbruch Leistenbrüche Ossifikations- verzögerungen Osteoporose Infektions- abwehr- schwäche Hautverdickung Specknacken operable Herz- fehler

Hypertelorismus Epikanthus mongoloide

Augenachsenstellung Nystagmus

Modellierungs-

anomalien des Ohres Dentitionsanomalien des bleibenden Gebisses

Verhaltensanomalien flache Pfannendächer Coxa valga

Brachymelie Brachykarpie Klinodaktylie Cheilosis

Hypogenitalismus Sozialentwicklung stato-motorische Entwicklung Sprachentwicklung intellektuelle (nicht abstrakte) Entwicklung Physiognomie

Körperlänge

Irisflecken Dentitions- anomalien des Milch- gebisses ausladende Becken- schaufeln Pseudo- epiphysen Synostosen Chromo- somen- anomalie Flügelfell Vierfinger- furche Sandalen- furche Affenfurche Hautleisten- muster nicht operable Herzfehler abstraktes Denken so weit degradiert, daß die Partikel

der Spenderzellen optisch nicht mehr nachweisbar sind.

Werden Injektions-Implantationen in den ersten drei Lebensjahren, also während der stärksten Schä-

del-(= Gehirn-)Wachstumsphase, eingesetzt, kann man die sonst progredient verlaufende Mikroze- phalie mit ihren physiognomoni- schen Begleiterscheinungen weit- gehend verhindern; nach dem drit- ten Lebensjahr ist sie lediglich nur noch zu mildern. Nach dem 14. Le- bensjahr hat dieses Verfahren auf die Mikrozephalie nur noch aus- nahmsweise, auf die Physiognomie kaum mehr einen Einfluß.

Die Implantationen werden im Ab- stand von fünf Monaten (vier bis sechs) tief subkutan (epifaszial) vorgenommen. Wenn man die Wahl dieser wirkungsspezifischen Im- plantate nicht nach den individuel- len Symptomen durchführt, ist fol- gende Reihenfolge zu empfehlen:

O fetales Mittelhirn (100 Milli- gramm)

fetale Großhirnrinde (100 Milli- gramm)

O fetales Zwischenhirn (100 Milli- gramm)

fetales Kleinhirn (100 Milligramm) O Hypothalamus (100 Milligramm) fetale Großhirnhemisphäre (100 Milligramm)

O Hypophyse total, geschlechts- spezifisch (80 Milligramm) fetales Okzipitalhirn (100 Milligramm).

Die weitere Reihenfolge sollte un- bedingt vom Entwicklungsstatus, den Ergebnissen der Schädelme- trik und vom Alter des Kindes ab- hängig gemacht werden. Mit zwei bis drei Implantationsserien gelingt es in der Regel, den dreidimensio- nalen Schädelindex in den Bereich der Norm zu bringen (Darstellun- gen 2 und 3). Die Wirkung der Im- plantationen setzt nach zwei bis drei Wochen ein und erlischt nach drei bis vier Monaten.

Mit der Kombination von je einem Gewebe aus den Hemisphären mit einem neurokrinen Gewebe (Zwi- schenhirn, Hypothalamus oder Hy- pophyse) sollen die neurokrin be- dingten sekundären endokrinen Ausfälle mit erfaßt werden.

Endokrine Substitution

Die den Drüsen innerer Sekretion übergeordnete Hypophyse ist keine autonome „Kommandozentrale",

sondern ihrerseits von den neuro- sekretorischen Vorgängen, speziell den „Releasing-Faktoren" des Zwi- schenhirn-Hypothalamus-Systems, abhängig.

Vereinfachend kann man beim Down-Syndrom die endokrinen In- suffizienzen in zwei Typen unter- teilen, den Schilddrüsentyp und Zwischenhirntyp. Bei ersterem über- wiegen hypothyreotische, beim zweiten dienzephale Symptome (Tabelle 1).

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 44 vom 31. Oktober 1974 3167

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zwischen dem Down-Syndrom und der Schilddrüsenfunktion bestehen Wechselbeziehungen. Entschei- dend für das therapeutische Han- deln sollte die klinische Symptoma- tik sein. Biochemische Daten, ins- besondere die über proteingebun- denes Jod, sind unzuverlässig. Bei Vorhandensein der obengenannten Symptome kann der Serumjodspie- gel subnormal oder normal sein.

Im Säuglingsalter werden im 48- Stunden-Rhythmus 0,01 Gramm ei.- nes Schilddrüsenpräparates (wie NovothyraJ®, NovothyraJ®-mite, L- Thyroxin, Thyreoidin, Thyreo-Mack und das Kombinationspräparat mit Hypophysensubstanz lnkretan®) verabreicht. Lediglich in ungünsti- gen geologischen Gebieten sind höhere Dosen erforderlich.

Für Kleinkinder ist an drei bis vier Wochentagen eine Dosis von etwa 0,025 Gramm zu empfehlen; jen- seits des vierten bis fünften Le- bensjahres werden meist Dosen von 0,05 bis 0,1 Gramm benötigt, die im gleichen Rhythmus verab- reicht werden.

Mesenchym-lnsuffizienz

Die organismische Bindegewebs- schwäche (Mesenchym-Insuffi- zienz) ist für die Entwicklung mon- goloider Kinder auf zwei Sektoren besonders tiefgreifend:

a) durch die Stützgewebshypopla- sie (Muskel-Bänder-Gefäß- und Skeletthypoplasie) wird die sta- tisch-motorische Entwicklung rein mechanisch gehemmt;

b) durch die unzureichende Lei- stungsfähigkeit des retikulären und lockeren Bindegewebes kommt es zu einer ausgeprägten lnfektions- abwehrschwäche.

Die Minderwertigkeit des Stützge- webes ist durch krankengymnasti- sche Ganzkörperbehandlungen und Bindegewebsmassage zu be- einflussen; den Eltern sollte ein entsprechendes Übungsprogramm

an die Hand gegeben werden, das zwei- bis dreimal täglich für zehn bis 15 Minuten zu absolvieren ist und dem jeweiligen statornotori- schen Entwicklungsstand angepaßt werden muß. Die Gymnastik wirkt sich auch auf die Sozialentwick- lung der Kinder vorteilhaft aus.

Die Infektions- und lmmunabwehr- schwäche, biochemisch durch die niedrigen Immunglobulinwerte aus- gewiesen, manifestiert sich klinisch in: chronischen oder rezidivieren- den Infekten der oberen Luftwege, Enterokolitiden im Säuglingsalter, chronischen Rhinitiden, Tonsilliti- den, Sinusitiden, adenoiden Wu- cherungen, Bronchitiden und Bron- chopneumonien.

Die Infektionsabwehr an der epi- thelialen Grenzfläche und der lym- phatischen Abwehrzone kann durch die Gabe von Thymus und Multivitaminen (Vitamin A!) ge- stärkt werden. Darüber hinaus ist eine kurzfristige Verabreichung von Antibiotika sowie Inhalationen, Phytotherapeutika, mitunter auch Tonsillektomien und Adenotomien zur Bekämpfung der chronischen Luftwegsinfekte erforderlich.

Oft tragen im Verein mit der gro- ßen, dicken Zunge die großen Ton- sillen dazu bei, daß die Kinder über die Lall- und Silbensprache nicht hinauskommen, weil rein mecha- nisch eine Artikulation nicht mög- lich ist.

Erfolg und Objektivierung der Behandlungsmaßnahmen Bei einer Krankheit, deren thera- peutische Beeinflußbarkeit mehr als bei anderen immer wieder in Zweifel gestellt wird, kommt der Objektivierung der Ausgangssitua- tion und des Verlaufes größere Be- deutung zu. Dafür wurden einige Dokumentationsblätter entworfen.

Mit der skizzierten Langzeitbe- handlung wurden bei den meisten der 808 mongoloiden Kinder Erfol- ge erzielt, die früher unvorstellbar

waren und über den ursprüngli- chen Erwartungen liegen. Voraus- setzung war allerdings, daß

..,.. die Behandlung in den ersten drei Lebensjahren beginnt und mit allen ihren Möglichkeiten konse- quent über Jahre fortgesetzt wird, ..,.. für die Entwicklung der Kinder keine entscheidenden zusätzlichen Schädigungen vorliegen (wie schwere hämedynamisch bedeut- same Herzfehler, Schwerhörigkeit, Sehschwächen, Deprivation).

Welche Symptome behebbar, zu mildern oder nicht objektivierbar zu beeinflussen sind, geht aus Ta- belle 2 hervor.

Das behandelte mongoloide Kind ist im allgemeinen gut in die Fami- lie integriert und zeigt eine heiter- fröhliche, zum Schabernack nei- gende Grundstimmung. Für Ver- stimmungen im Familienverband ist es sensibel, sucht Mißstimmungen auszugleichen, ist gewillt zu lernen, alles "alleine zu machen"; außer- dem ist es ordentlich bis ordnungs- fanatisch.

Den in der Zwischenzeit verbesser- ten Bildungsvoraussetzungen ste- hen bis heute keine adäquaten Bil- dungsmöglichkeiten gegenüber.

Wenn man beobachtet, was enga- gierte und geschulte Eltern mit ih- ren mongoloiden Kindern errei- chen, und vergleicht, was auf dem üblichen Geleise der "praktischen Bildbarkeit" geschieht, so wird .ein dringendes Problem der Gegen- wart deutlich: Den verbesserten therapeutischen Möglichkeiten eine entsprechende pädagogische Methodik folgen zu lassen.

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. F. Schmid 875 Aschaffenburg

Am Hasenkopf 1

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