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Archiv "Gefäßverkalkungen: Eine behandelbare genetisch bedingte Krankheit?" (30.08.1999)

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m 9. und 10. April 1999 wurde vom Herzzentrum Coswig, Sachsen-Anhalt, ein interna- tionales Expertentreffen über Gefäß- verkalkungen in der Leucorea, Stif- tung des öffentlichen Rechts an der Martin-Luther-Universität Halle-Wit- tenberg, in Wittenberg veranstaltet.

Unter dem Vorsitz von Dr. Lanzer, Coswig, und Dr. Stary, New Orleans, nahmen 28 namhafte Wissenschaftler und Kliniker aus den USA, England, Australien, Japan, Italien, Frankreich, den Niederlanden und Deutschland teil. Das Hauptthema der Veranstal- tung war die Molekularbiologie, die Pathogenese und die Klinik der athe- rosklerotischen und der nicht athero- sklerotischen Gefäßverkalkungen.

Systemische und zelluläre Kalziumhomöostase

Im Eröffnungsreferat erläuterte Dr. Greger, Universität Freiburg/

Breisgau, die hormonelle Regulation des Kalziumstoffwechsels durch Parat- hormon, Kalzitonin und Vitamin D im Zusammenhang mit den drei wich- tigsten Steuerungsorganen, dem Kno- chen, dem Gastrointestinaltrakt und der Niere. In der zweiten Vortrags- hälfte wurden die hormonähnliche Wirkung sowie die zahlreichen intra- zellulären Funktionen des Kalziums erklärt. Der Gesamtgehalt des Kör- pers an Kalzium beträgt etwa 1,4 kg (32 000 mmol). Davon sind 99,5 bis 99,9 Prozent Bestandteil des Kno- chengewebes, 0,1 bis 0,5 Prozent (100 mmol) befinden sich extraossär.

Mit der Nahrung werden täglich zirka 20 mmol Kalzium aufgenommen, da- von werden zirka 4 mg Vitamin D3 gesteuert aus dem Darm resorbiert.

Die Aufrechterhaltung der Kalzium- homöostase des Körpers ist primär von der Aktivität des Knochenstoff- wechsels abhängig, als Regulatoren sind neben den kalziotropen Hormo- nen zahlreiche weitere Regulatoren wie Prostaglandine, Östrogene, Fluo- ride, Interleukine und andere be-

kannt. Während die extrazelluläre Kalziumkonzentration im millimola- ren Bereich liegt, befindet sich die intrazelluläre Kalziumkonzentration im nanomolaren Bereich (zirka 70 nmol). Die zeitlich und räumlich präzise Einstellung der intrazel- lulären Kalziumkonzentrationsgradi- enten ist für die Steuerung zahlreicher biologischer Funktionen wie der elek- tromechanischen Koppelung, der En- zymaktivitätsregulation, der Zellpro- liferation und der Freisetzung von Neurotransmittern verantwortlich.

Die Genetik und die Bedeutung des kalziumsensitiven Rezeptors (KSR) für die Regulation der Plasma- konzentration des Kalziums wurden von Dr. Riccardi,Universität Manche- ster, erklärt. Über die Aktivität des KSR ist das Kalzium selbst in hor- monähnlicher Weise in den Regel- kreis eingeschaltet und somit in der Lage, die eigene Plasmakonzentrati- on selbst zu steuern. Mutation des KSR-Gens führen zur Veränderung der Sensitivität des Sensors und kön- nen dadurch Hypo- oder Hyperkal- ziämien verursachen. Ein Polymor- phismus des KSR-Gens wurde kürz- lich nachgewiesen und über die Mög- lichkeiten der gewebsspezifischen Steuerung der Kalziumkonzentratio- nen wird spekuliert.

Die Kontrollmechanismen der intrazellulären Kalziumhomöostase wurden am Beispiel der glatten Mus- kelzellen von Dr. Gollach, Charite, Berlin, erklärt. Mittels der konfoka- len Mikroskopie werden intrazellulär transiente, räumlich getrennte Kalzi- umsignale (calcium sparks, CS) beob- achtet. Die durch einen transmem- branösen Kalziumeinstrom induzier- ten CS werden in Zusammenhang mit der genetischen Steuerung der Zell- differenzierung und Zellproliferation gebracht. Die intrazelluläre Dynamik der CS wurde anhand von Videobei- spielen eindrucksvoll demonstriert.

Die molekulare Genetik der Ske- letogenese wurde von Dr. Canfield, Universität Manchester, diskutiert.

Die räumliche Skelettanlage (pattern-

ing), die Differenzierung der Stamm- zellen in Knochenzellen und die Kno- chenzellfunktionen werden genetisch präzise gesteuert. Obwohl die mole- kulare Genetik zahlreicher Knochen- matrixproteine bekannt ist, bleibt vor- erst ungeklärt, ob die Mineralisierung eine spezifische Leistung des Kno- chengewebes ist oder ob die Verhin- derung der Mineralisierung eine ge- nerelle Leistung aller gesunder nicht ossärer Gewebe darstellt.

Pathologie der Gefäßverkalkungen

Die Thematik wurde von Dr.

Stary, Universität New Orleans, ein- geleitet. Die Klassifikation der Athe- roskleroseläsionen nach Stary wurde unter dem Gesichtspunkt der Beteili- gung von Kalkablagerungen erläutert.

Histologisch ist Kalk meistens bereits in den Läsionen Typ III nachweisbar, ab Typ IV ist der Nachweis obligato- risch. Die Kalkablagerungen sind ty- pischerweise mit dem Lipidkern in der Tiefe des Atheroms assoziiert.

Die oberflächlichen Atheromverkal- kungen treten meist nach Atherom- erosionen auf und sind somit als Kennzeichen fortgeschrittener Athero- sklerose zu werten. Die atheroskleroti- schen Verkalkungen der Intima sind räumlich mit Makrophagen assoziiert, Makrophagen selbst verkalken je- doch nicht. Die Verkalkungen der Media sind entweder Ausdruck von übergreifenden atherosklerotischen Verkalkungen oder sie sind von der Atherosklerose unabhängig. Isolierte nicht atherosklerotische Verkalkun- gen der Media kommen auch in den Herzkranzgefäßen vor.

Dr. Schäfer, Universität Frei- burg/Breisgau, hat die geschichtliche Perspektive der Gefäßverkalkungen vermittelt und anschließend die Grundlagen der Atheromgenese er- klärt. Von geschichtlichem Interesse war der Hinweis, daß bereits 1928 in der Arbeit des Chemikers Rudolf Schönheimer, Freiburg/Breisgau, die

Gefäßverkalkungen

Eine behandelbare genetisch bedingte Krankheit?

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Kolokalisation von Kalziumkristallen und Cholesterin beschrieben wurde.

Die Atherombildung beginnt mit der Aktivierung von Makrophagen mit Li- pidaufnahme und Expression von zahlreichen Aktivatoren, Umwand- lung in Schaumzellen und Zelltod.

Beim Absterben von Makrophagen wird neben den Aktivatoren auch Cholesterinester freigesetzt, der nach Aufspaltung in freies Cholesterin und Fettsäuren die aus der Histologie be- kannten rhomboiden Cholesterinmo- nohydratkristalle bildet. Die Athe- romverkalkungen sind durch die Anwesenheit von Makrophagen, Lipiden sowie den Knochenmatrixpro- teinen wie Osteopontin und der für Osteoblasten spezifischen sauren Phosphatase gekennzeichnet. Die Auflösung der Hydroxyappatitkristal- le ist durch die von multinuklearen, in großen Atheromen nachweisbaren Riesenzellen mittels lokaler Ansäue- rung des Millieus möglich. Die nicht atherosklerotischen Gefäßverkalkun- gen der Media werden beispielsweise im Rahmen der Alterungsprozesse der menschlichen Aorta beobachtet. Be- reits ab dem 20. Lebensjahr kommt es zur Atrophie der Media durch Abster- ben von glatten Muskelzellen mit se- kundärem Ersatz durch die minerali- sierende extrazelluläre Matrix.

Dr. Denecke, Universitätsklinik Bergmannsheil, Bochum, berichtete über die Topographie der Verkalkun- gen in der Arteria carotis. Mittels Ra- diographie und der energiedispersi- ven Röntgenmikroanalyse wurde an mehr als 300 Präparaten gezeigt, daß sich die Verkalkungen am häufigsten an der dem Stromteiler entgegen gele- genen Wand des Bulbus carotis befin- den. Mit Ausnahme von Diabetikern ist die rechte Arteria carotis häufiger betroffen. Die Karotiden der Männer und der Diabetiker verkalken häufi- ger als die der Frauen beziehungswei- se Nichtdiabetiker.

Molekularbiologie der Gefäßverkalkungen

Die Herkunft osteoblastenähnli- cher kalzifizierender Gefäßzellen (calcifying vascular cells, CVC) wur- de von Dr. Campell, Universität Bris- bane, experimentell untersucht.

Trotz zahlreicher Einzelbeobach- tungen ist es heute noch nicht möglich zu entscheiden, ob CVC durch einen Phänotypwandel der glatten Muskel- zellen (vascular smooth muscle cells, VSMC) entstehen oder einer Differen- zierung von mesenchymalen pluripo- tenten Progenitorzellen entstammen.

Die Klärung dieser Frage wird durch den extremen phänotypischen Poly- morphismus der VSMC erschwert.

Dr. Shanahan, Universität Cam- bridge, stellte eine Reihe moleku- largenetischer Untersuchungen zur Klärung der Pathogenese der die Athe- rosklerose und den Morbus Möncke- berg (MM) begleitenden Arterien- wandverkalkungen vor. Mittels der differentialen cDNA-Analyse wurden Genbibliotheken von normalen und se- kretorischen glatten Muskelzellen mit- einander verglichen und signifikante Unterschiede in der Expression zahl- reicher Marker-Proteine festgestellt.

Sowohl die atherosklerotischen als auch die MM-Läsionen wiesen eine Er- höhung von alkalischer Phosphatase,

„bone Sialoprotein“ (BSP) und „bone Glaprotein“ (BGP) sowie eine Er-

niedrigung von „matrix Glaprotein“

(MGP) auf. Mittels In-situ-Hybridi- sierung wurde eindeutig die Expres- sion der Knochenmatrix-Proteine den VSMC (Atherosklerose und MM) be- ziehungsweise Makrophagen (Athero- sklerose) zugeordnet. Aufgrund dieser Untersuchungen werden die Gefäßver- kalkungen als genetisch regulierter Prozeß aufgefaßt und in atheroskleroti- sche (intimaassoziiert, Beteiligung von Lipiden und Makrophagen) und nicht atherosklerotische (mediaassoziiert, Beteiligung von glatten Muskelzellen und Abwesenheit von Lipiden) un- terteilt. Vermutlich werden Gefäßverkalkungen dadurch ausgelöst, daß VSMC die unter normalen Umständen die Ver- kalkung durch Produktion von Proteinen wie MGP inhibieren, durch noch nicht bekannte Si- gnale genetisch auf die Pro- duktion von Verkalkungsakti- vatoren (up-regulation) bezie- hungsweise auf eine Hemmung der Produktion von Verkal- kungsinhibitoren (down-regu- lation), umprogrammiert wer- den.

Dr. Bostrom, Universität Kalifornien, Los Angeles, be- richtete über ihre Untersu- chungen der osteogenen Diffe- renzierung der Gefäßwandzel- len. Die Umwandlung der plu- ripotenten Zellen in CVC wird experimentell durch Effekto- ren wie cAMP, Collagen Typ I, Fibronectin induziert und die Produktion von Knochenma- trixproteinen eingeleitet. Als Regu- latoren kommen die sogenannten Homeoboxgene in Betracht, die in der Lage sind, die nachgeordneten Gene zu aktivieren und dadurch den Gewe- ben ihre biologische Identität einzu- prägen. Als ein die Differenzierung vermittelndes Gen kommt das MGP- Gen in Betracht. Der Verlust vom MGP-Gen in der „Apolipoprotein E- Knockout-Maus“ führt in der Zell- wand nach Exposition mit LDL-Parti- keln zur osteogenen Differenzierung der ortsständigen Zellen und könnte eine der möglichen Querverbindungen zwischen dem Mineralisierungs- und dem Lipoproteinstoffwechsel darstel- len. Obwohl die Hypothese, daß MGP

M E D I Z I N KONGRESSBERICHT

Lipidkern eines Atheroms. Die Kolokalisation von konfluierenden Hydroxyappatit-Verkalkungen (Pfeile) und rhomboiden Chole- sterinmonohydratkristallen (weiß) wird dargestellt.

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die Gefäßverkalkungen entweder di- rekt durch Abbinden von Kalzium oder indirekt durch Hemmung eines Zelldifferenzierungsfaktors, beispiels- weise des „bone morphogenetic pro- tein“ (BMP) verhindert, verlockend ist, wird sie durch die kürzlich veröf- fentlichte Beobachtung, daß beim Kentel-Syndrom, das mit nicht funk- tionierendem MGP einhergeht, keine wesentlichen Gefäßverkalkungen be- obachtet werden, in Frage gestellt.

Dr. Shioi, Universitätsklinik Osa- ka, berichtete über experimentelle Studien zur Aufklärung der Mechanis- men von Gefäßverkalkungen an den von ihm entwickelten Zellkulturen boviner glatter Muskelzellen. Aus den Studien ging hervor, daß die osteogene Aktivität glatter Muskelzellen durch

kalziumabhängige Hormone gesteu- ert wird. Darüber hinaus beobachtete er, daß der Kalzifizierungsprozeß von der Aktivität des natriumabhängigen Phosphatkotransporters abhängig ist.

Interferon aktiviert die 25-Hydroxyvi- tamin-D-1a-Hydroxylase in den Ma- krophagen und kann dadurch mögli- cherweise den Verkalkungsprozeß in der Intima stimulieren.

Abschließend berichtete Dr.

Cranfield, Universität Manchester, über die Bedeutung der Perizyten in der vaskulären Osteogenese. Sie konnte beobachten, daß die biologi- schen Eigenschaften von CVC denen mikrovaskulärer Perizyten entspre- chen und daß diese Zellen in der Lage sind, in vitro und in vivo Knochenma- trix zu produzieren.

Biomechanik der Gefäßverkalkungen

Das nichtlineare mechanische Verhalten einzelner Komponenten der atherosklerotischen Läsionen auch unter Streßbedingungen wurde von Dr. Topoleski, Universität Mary- land, kommentiert. Aufgrund des Kompressions- und Streckverhaltens sowie der zeitabhängigen viskoelasti- schen Eigenschaften wurden die atherosklerotischen Läsionen in vier Kategorien eingeteilt und histolo- gisch zugeordnet. Das spontane Ver- halten und die Reaktion von Athero- men mit unterschiedlicher Komposi- tion auf Interventionen prospektiv zu ermitteln und danach die Art der In- tervention zu wählen, ist das erklärte Ziel der laufenden Untersuchungen.

Dr. Lee, Harvard Universität, Boston, referierte über die Komposi- tion von vulnerablen Plaques (großer Lipidkern, dünne fibrotische Kappe, niedriger Stenosegrad) bei Verkal- kungen. Die fokalen Kalkablagerun- gen wirken durch Erhöhung der Streßkräfte auf die fibrotische Kappe sowie durch Verminderung der tensi- len Plaquestärke destabilisierend, ex- tensivere Verkalkungen können sich jedoch stabilisierend auswirken. Neue Aspekte der Erforschung der Plaque- mechanik wurden anhand von geno- mischen Analysen der Arterienwand nach Streßbelastung vorgestellt. Aus 10 000 analysierten Genen wurden

sechs durch mechanische Schärkräfte stimuliert (zwei Rezeptorgene, zwei Matrixproteingene, zwei Gene von Vasodilatatoren). Durch Vereinfa- chung des Verfahrens wird in den kommenden Monaten die Analyse des gesamten Genoms möglich, und die Untersuchungen der molekularen Transduktion von mechanischen Sig- nalen ermöglicht.

Untersuchungen der Gefäß und Gefäßläsionsmechanik mittels intra- vasaler Sonographie wurden von Herrn Veress, Universität Ohio, vor- gestellt. Anhand von Berechnungen der viskoelastischen Eigenschaften der Atherome in vitro wurden die quantitativen Grundlagen für Unter- suchungen in vivo geschaffen.

Prognostische Bedeutung der Gefäßverkalkungen

Die Entwicklung von athero- sklerotischen Läsionen im Sinne von Progression und Regression wurde von Dr. Stary, Universität New Or- leans, anhand von mehrjährigen Un- tersuchungen an Primaten erklärt.

Regression wurde nach Absenkung des Serumcholesterins von 13 auf un- ter 4,68 mmol/l Prozent beobachtet.

Die Frühregression (drei bis sechs Monate) ist durch Reduktion der Mitoserate und Verschwinden der in- trazellulären Lipidablagerungen der Makrophagen charakterisiert. Die

Spätregression (länger als sechs Mo- nate) ist durch den Abbau der extra- zellulären Lipidablagerungen und Untergang der glatten Muskelzellen gekennzeichnet. Der degenerative Umbau von Intima und Media geht mit einem Verlust der normalen histo- logischen Architektur der Gefäßwand einher. Die Läsionen Stary Typ I bis III bilden sich vollständig zurück, die Läsionen Stary Typ IV–VI werden in Stary-Läsionen VII umgewandelt.

Über die prognostische Bedeu- tung der verkalkten Plaques refe- rierte Dr. Burke, Armed Forces In- stitute of Pathology, Washington, an- hand von 1 620 Koronarschnitten von 125 Patienten, die am akuten Koro- narsyndrom verstorben sind. Der Nachweis von Läsionskalk ist für die prognostische Beurteilung nicht aus- reichend, da 94 Prozent der ruptier- ten und 90 Prozent der stabilen Pla- ques mehr oder minder verkalkt sind. Der Kalknachweis bei erodier- ten Plaques ist mit 57 Prozent deut- lich niedriger. Vereinfachend gilt, daß ein hoher Kalkgehalt eher für ei- ne abgeheilte und somit stabile Läsi- on spricht, wobei ein niedriger Kalk- gehalt eher mit einer instabilen Läsi- on vereinbar ist.

Im weiteren ist Läsionskalk ein Marker für einen positiven Ge- fäßwandumbau (vascular remode- ling). Er korreliert mit der Ausdeh- nung der Atherosklerose („plaque burden“) nicht aber mit dem Stenose- grad der Läsionen.

Die Bedeutung der Verkalkun- gen für kathetervermittelte Interven- tionen wurde von Dr. Fitzgerald, Uni- versität Kalifornien, Stanford, disku- tiert. Beim Nachweis von verkalkten Läsionen gilt derzeit als optimale Strategie das Rotastenting, wobei nach einer Rotablation eine Hoch- druckstentimplantation durchgeführt wird. Bei hochgradigen, insbesondere zirkulären Verkalkungen wird auf ei- ne Intervention verzichtet, da es sich dabei meistens um stark umgebaute Gefäße und daher um biologisch sta- bile Läsionen handelt.

Über die prognostisch ungünsti- ge Bedeutung von Verkalkungen der Media im Sinne eines Morbus Mönckeberg bei Patienten mit Diabe- tes mellitus Typ II berichtete Dr. Ed- monds, King’s Hospital, London. !

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Bildgebende Darstellung der Gefäßverkalkungen

Intravasale

Ultraschallsonographie

Dr. Bom, Thoraxcenter, Rotter- dam, stellte das von ihm entwickelte Verfahren der intravasalen Ultra- schallsonographie im Zusammen- hang mit quantitativen Bestimmun- gen der mechanischen Gefäßwandei- genschaften vor. Mittels Elastogra- phie ist es bei Kenntnis der herr- schenden systolischen und diastoli- schen Drücke möglich, die lokale Gewebskompressibilität quantitativ zu bestimmen und die auftretenden Schärkräfte zu berechnen. Unter Anwendung des dreidimensionalen intravaskulären Ultraschalls ist es unter Umständen möglich, neben der Gefäßwandmorphologie auch die lokale Hämodynamik zu definie- ren.

Dr. Fitzgerald, Universität Kali- fornien, wies auf die Vorteile der dreidimensionalen Darstellung des intravaskulären Ultraschalls (IVUS) in der Gesamtbeurteilung athero- sklerotischer Prozesse hin. Er erklär- te die methodischen Voraussetzun- gen der erfolgreichen Gewebstypisie- rung mittels unterschiedlicher elek- tronischer Filterverfahren des nati- ven Radiofrequenzsignals.

Dr. Prati, S. Camillo Hospital, Rom, stellte die Ergebnisse seiner In- vitro-Untersuchungen über die Ge- webskomposition der atheroskleroti- schen Plaques mittels hochfrequen- tem IVUS vor. Bei 40 MHz wird die Signalauslöschung distal der Verkal- kungen nicht immer beobachtet und dadurch die Unterscheidung zwi- schen fibrotischen und verkalkten Plaques erschwert.

Dr. Frey, Benedikt-Kreuz-Kran- kenhaus, Bad Krozingen, berichtete von neuen prognostischen Aspekten bei periinterventionellem Nachweis von Verkalkungen der Koronararte- rien mittels IVUS. Es zeigte sich, daß die verkalkten Läsionen nach der In- tervention eine bessere Prognose aufwiesen als laut IVUS nicht ver- kalkte Läsionen. Dagegen war der Nachweis von koronaren Verkalkun- gen außerhalb der interventionellen Zielläsion prognostisch ungünstig.

Abschließend beschrieb Dr.

Schmidt-Trucksäß, Universitätsklinik Freiburg/Breisgau, die Methodik der transkutanen hochauflösenden Ultra- schallsonographie zur Beurteilung der morphologischen Ausdehnung und der regionalen Mechanik der Atherosklerose. Die Ergebnisse von Untersuchungen an gesunden Sport- lern und an sportlich aktiven bezie- hungsweise inaktiven Querschnitts- gelähmten zeigen deutlich den zeitli- chen Verlauf der Anpassungsvorgän- ge an die vorherrschende Kreislauf- physiologie. Ausgeprägte Involution des Gefäßsystems mit Auftreten von prämaturer verkalkender Athero- sklerose wird bei körperlich inaktiven Querschnittsgelähmten beobachtet.

Konventionelle und Elektronen- strahl-Computertomographie Das Prinzip der Computertomo- graphie des Herzens mittels konven- tioneller Methodik (KM) (CT der dritten Generation) und der Elektro- nenstrahlmethodik (EM) (ECT der vierten Generation) stellte Dipl.-Ing.

Ohnesorg, Siemens, Erlangen, vor.

Die Differenz zwischen der derzeit er- reichbaren zeitlichen Auflösung mit- tels KM und EM beträgt zirka eine Zehnerpotenz, wobei die Bildauflö- sungsqualität bei entsprechender EKG-Synchronisation in der KM deutlich besser geworden ist.

Dr. Becker, Universitätsklinik Großhadern, München, erläuterte an- schließend die ersten Ergebnisse von Herzuntersuchungen mit der neusten KM. Die duale Darstellungsweise er- möglicht eine gleichzeitige Darstellung von Kalkablagerungen und nicht inva- siver CT-Koronarangiographie. Ob- wohl die präsentierten Bilder große Hoffnungen wecken, ist zur Erfassung von Koronarkalk eine quantitative Standardisierung des KM-Verfahrens erforderlich.

Therapie der

Gefäßverkalkungen

Dr. Raggi, Universitätsklinik Nas- hville, Tennessee, erklärte die Grund- lagen der quantitativen Bestimmung des Koronarkalks mittels ECT unter Verwendung des Agatsons’ Score

(AS) (Produkt aus der CT-Zahl und der Schnittbildfläche mit > 130 Houns- field-Einheiten) und dokumentierte anhand von eigenen Studien die Re- gressionsfähigkeit von koronaren Ver- kalkungen. In einer retrospektiven Untersuchung wurden 149 Patienten im Abstand von 12 bis 15 Monaten un- tersucht. Bei Patienten, die nicht mit einem Statinpräparat behandelt wur- den und behandelte Patienten mit ei- nem LDL-Cholesterin-Plasmaspiegel

> 3,12 mmol/l wurde eine Progression der Atherosklerose nachgewiesen.

Dagegen war bei 53 Prozent der Pati- enten mit LDL-Cholesterin-Plasma- spiegeln < 3,12 mmol/l eine Regres- sion der Atherosklerose nachweisbar.

Dr. Budoff, Universitätsklinik Los Angeles, Torrance, berichtete, daß im Rahmen seiner Studie an 123 Patienten mit einer Hypercholeste- rolämie mittels ECT eine signifikan- te Reduktion der Progression der Atherosklerose nach Einnahme von Lipidsenkern beobachtet wurde. Der Mechanismus einer möglichen Re- gression von Koronargefäßverkal- kungen oder deren verminderte Pro- gression unter Lipidsenkern ist nicht bekannt.

Dr. Marche, Universität René Descartes, Paris, berichtete über seine Untersuchungen zur Steuerung der Reaktivität glatter Muskelzellen in vitro durch Kalziumantagonisten. Es wurde demonstriert, daß Amlodipin neben der Hemmung der Proliferati- on glatter Muskelzellen weitere Ef- fekte fördert, die die Atheromgenese potentiell hemmen (Hemmung des Enzyms Lipidperoxidase, Stimulation der NO-Synthetase).

Dr. Lanzer aus Coswig erklärte in einer abschließenden Rede, daß die Tagung ihr Ziel erreicht habe. Die Zu- sammenführung hochrangiger Exper- ten ermöglichte eine Zusammenfas- sung heutiger Erkenntnisse auf inter- disziplinärer Basis. Die Tatsache, daß Gefäßverkalkungen durch aktiv ge- steuerte Prozesse entstehen, konnte endgültig etabliert werden. Die Pro- zesse spielen sich entweder in der Inti- ma unter Mitwirkung von Makropha- gen auf der Basis der Atherosklerose oder in der Media unter Mitwirkung glatter Muskelzellen im Sinne einer Mönckebergschen Erkrankung ab.

Der exakte molekulare Pathomecha-

M E D I Z I N KONGRESSBERICHT

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nismus der Gefäßverkalkungen und die Beziehung zwischen dem Minera- lisations- und dem Lipoproteinstoff- wechsel sind Gegenstand intensiver Forschung. Die Anwesenheit von Ge- fäßverkalkungen ist von prognosti- scher Bedeutung. In den Herzkranz- gefäßen korreliert das Ausmaß der Verkalkungen besser mit der Ge- samtausdehnung der Atherosklerose als mit dem Grad der Stenosierung.

Starke Koronarverkalkungen markie- ren meist bereits abgeheilte, leichte

Koronarverkalkungen dagegen eher instabile rupturgefährdete Läsionen.

Ein Konsensus über die Wertigkeit der konventionellen und der Elektro- nenstrahl-Computertomographie als Suchtest für die koronare Herzer- krankung wurde bisher nicht erreicht.

Der angiographische oder intravas- kulär-sonographische Nachweis von Gefäßverkalkungen ist für die Pla- nung und Durchführung von Revas- kularisationen von entscheidender Bedeutung. Von besonderem Interes-

se ist die Möglichkeit der Therapie der Gefäßverkalkungen durch Stati- ne. Eine Veröffentlichung der Sympo- siumsbeiträge im Journal of the Ame- rican College of Cardiology wird vor- bereitet.

Dr. med. Peter Lanzer Klinik für Kardiologie und Angiologie

Herzzentrum Coswig Lerchenfeld 1 06869 Coswig

Das Rauchen von Pfeifen, Zigar- ren und Zigarillos wurde in der Vergan- genheit im Vergleich zum Zigaretten- rauchen als weniger gefährlich einge- stuft, wenngleich die krebserzeugende Wirkung dieser Tabakrauchprodukte außer Zweifel stand. Eine gerade ver- öffentlichte Studie mit 5 621 Männern mit Lungenkrebs und 7 255 Männern ohne diese Erkrankung legt nunmehr für das Rauchen von Zigarren, Zigaril- los und Pfeifentabak ein krebserzeu- gendes Risiko in der gleichen Größen- ordnung nahe wie für das von Zigaret- ten (1).

An dieser Studie beteiligten sich Forschungsgruppen aus Deutschland, Italien und Schweden sowie die inter- nationale Krebsagentur in Lyon. 61 Prozent der Lungenkrebspatienten und etwa 50 Prozent der Kontrollen ka- men dabei aus Deutschland. Die Studi- enregionen waren Bremen, Frankfurt und Umgebung (Germany 1) und Teile von Nordrhein-Westfalen, Rheinland- Pfalz und Bayern sowie das Saarland, Thüringen und Sachsen (Germany 2 und 3). Weitere Studienregionen waren in Schweden die Region Stockholm und in Italien Turin, Venedig und Rom.

Nur 117 der Lungenkrebspatien- ten waren lebenslange Nichtraucher, demgegenüber 1 750 der Kontrollper- sonen. Während Zigarettenraucher ein 15fach höheres Lungenkrebsrisiko als Nichtraucher aufwiesen, war das Risi- ko bei Zigarren- und Zigarillorauchern neunfach, bei Pfeifenrauchern etwa achtfach erhöht. Alle diese Ergebnisse waren statistisch hoch signifikant.

Mit der Dauer des Rauchens von Zigarren und Zigarillos, aber auch mit der Menge des gerauchten Tabaks, steigt das Lungenkrebsrisiko deutlich an. Personen, die früh mit dem Rau- chen begonnen haben, stehen dabei unter einem besonders hohen Risiko.

Das Risiko hängt ebenfalls stark davon ab, ob Zigarren- und Zigarilloraucher inhalieren oder nicht: Während nicht inhalierende Zigarillo- und Zigarren- raucher ein etwa fünffach höheres Ri- siko als Nichtraucher hatten, war die- ses bei inhalierenden mehr als 28fach erhöht.

Die meisten der Zigarren- und Zi- garilloraucher (27 der 43 Lungenkrebs- patienten und 47 der 77 Kontrollperso- nen) kamen aus Deutschland.

Im Gegensatz hierzu kamen die meisten der ausschließlich Pfeife rau- chenden Personen (51 Fallpatienten und 103 Kontrollen) aus Schweden.

Auch bei den Pfeifenrauchern zeigte sich ein eindeutiger Effekt der Dauer des Rauchens und der lebenslang kon- sumierten Tabakmenge. Da für die Pfeifenraucher aus Schweden keine In- formation zum Inhalationsverhalten vorlag, bleibt die Frage nach der Be- deutung dieses Faktors für das Lungen- krebsrisiko bei Pfeifenrauchern durch diese Studie unbeantwortet. Allerdings zeigte sich eine deutliche Reduzierung des Risikos, wenn mit dem Rauchen aufgehört worden war: Bei Exrauchern war nach mehr als 15 Jahren Rauchab- stinenz das Risiko nur noch um den Faktor 1,4 gegenüber Nichtrauchern erhöht. Dieser günstige Effekt des

Nicht-mehr-Rauchens fiel bei Zigar- renrauchern geringer aus.

Wenn man die verschiedenen Rauchgewohnheiten auf einer einheit- lichen Skala, wie der durchschnittli- chen Menge Tabak pro Tag oder der le- benslang gerauchten Tabakmenge ver- gleicht, so stellt sich heraus, daß diese so ermittelten Risiken für Rauchge- wohnheiten bezüglich aller drei Tabak- produkte nahezu identisch ausfallen.

Zusammenfassend ist somit, folgt man den Ergebnissen dieser Studie, da- von auszugehen, daß das Rauchen von Zigarren, Zigarillos und Pfeifen ein vergleichbares lungenkrebserzeugen- des Potential wie Zigarettenrauchen aufweist. Auf die mögliche grundsätzli- che Bedeutung dieser Ergebnisse weist K. H. Koh in seinem begleitenden Edi- torial (2) hin.

Allerdings darf auch nicht überse- hen werden, daß trotz der recht hohen Gesamtzahl von Personen in der Studie die Zahl der reinen Pfeifen-, Zigarillo- und Zigarrenraucher unter den an Lun- genkrebs Erkrankten nur 104 beträgt.

Damit bleiben die Aussagemöglichkei- ten zu detaillierten Fragen, etwa der Rolle des Inhalationsverhaltens, be-

schränkt. jek

1. Bofetta P, Pershagen G, Jöckel K-H et al.: Cigar and pipe smoking and lung cancer risk: a multicenter study from Europe. J Natl Cancer Inst 1999; 91:

697–701.

2. Koh, H K: The end of the „tobacco and cancer“ century. J Natl Cancer Inst 1999;

91: 660–661.

Prof. Dr. Karl-Heinz Jöckel, Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Es- sen, Hufelandstraße 55, 45122 Essen Dr. Ingeborg Jahn, Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BIPS), Grünenstraße 120, 28199 Bremen

Lungenkrebsrisiko durch Zigarren-,

Zigarillo- und Pfeifenrauchen

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