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Archiv "Klinische Studien in der Onkologie: „Die Messlatte sollte höher liegen“" (11.04.2014)

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Deutsches Ärzteblatt

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Heft 15

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11. April 2014 A 639 KLINISCHE STUDIEN IN DER ONKOLOGIE

„Die Messlatte sollte höher liegen“

Die American Society of Clinical Oncology greift die international geführte Debatte über relevante Endpunkte in klinischen Studien auf – mit konkreten Vorschlägen.

E

s ist eine Lehre aus der For- schung der letzten Jahrzehnte:

Das Ansprechen von Krebspatienten auf eine systemische Therapie lässt sich nicht in erster Linie auf der Ba- sis von Tumorhistologie und klini- schen Parametern vorhersagen. Me- taanalysen früherer Studien haben bestätigt, dass sich häufig ledig- lich das progressionsfreie Überleben (PFS) verbesserte, nicht aber das Ge- samtüberleben. Es sind die Tumor- biologie und „driver“-Mutationen – sie induzieren die maligne Entartung oder kurbeln die Zellproliferation an –, die zunehmend Bedeutung bekom- men: als prädiktive Marker und Ziel- strukturen für Arzneimittel. So fo- kussiert sich die Prüfung „zielge- richteter“ Medikamente auf mittels Biomarker selektierte Patientenpo- pulationen, für die ein klinisch rele- vanter Nutzen plausibel wäre. Die Selektion soll helfen, die Zahl der Patienten, die für den Nutzennach- weis erforderlich ist, zu reduzieren und Zeit und Kosten zu sparen.

Bedeutung der Biomarker für Krankheitsverlauf oft unklar

International und auch in Deutsch- land wird seit Jahren kontrovers über die Frage diskutiert, welche Endpunkte in der Ära zielgerichte- ter Therapien für klinische Studi- en sinnvoll sind: Welches Gewicht soll die Lebensqualität des Pa tienten im Verhältnis zur Verzö gerung des Krankheitsprogresses oder der Le- bensverlängerung haben? Wie soll- te das Studiendesign aussehen vor dem Hintergrund, dass die Bedeu- tung der angewandten Biomarker für den Verlauf der Erkrankung – mit und ohne systemische Behand- lung – noch kaum verstanden ist?

Jetzt hat die American Society of Clinical Oncology (ASCO) einen konkreten Vorschlag gemacht, wel- che Endpunkte in Phase-III-Studien als bedeutsam eingestuft und ange-

strebt werden sollten, exemplarisch für vier Tumorentitäten im metasta- sierten Stadium: Mamma-, Pankre- as-, Kolon- und Lungenkarzinom.

Das Motto der amerikanischen Fachgesellschaft ist „raise the bar“, etwa: „Legt die Messlatte höher“, an die Erwartungen in den Fort- schritt in der Onkologie.

Die ASCO-Arbeitsgruppen haben zunächst die Patientengruppen defi- niert, auf die sich ihre Empfehlungen für die Prüfung beziehen sollen (alle Erstlinientherapien, außer bei Darm- krebs), dann diskutierten sie die pri- mären und sekundären Endpunkte.

Konsens war, dass ein Vorteil im Gesamtüberleben als primärer End- punkt dem häufig verwendeten „pro- gressionsfreien Überleben“ vorzu- ziehen sei, auch wenn sich dadurch Studien verlängern könnten. Anzu- streben sei eine Hazard Ratio für den Tod (Prüf- versus Standardtherapie) von ≤ 0,8 binnen 2,5 bis 6 Monaten, also eine Verminderung für die Wahrscheinlichkeit zu sterben um relativ 20 Prozent. Sinnvoll könnten nach wie vor Studien sein mit dem Ziel, die Nichtunterlegenheit anstel- le eines Überlebensvorteils zu be - legen, wenn eine signifikant gerin - gere Toxizität nachgewiesen werde.

Als sekundäre Endpunkte schlagen die ASCO-Teams eine Verbesserung der Einjahresüberlebensrate und des PFS vor. Und anzustreben sei die se- rielle Evaluation der Lebensqualität, auch wenn sie oft schwierig zu mes- sen und zu quantifizieren sei, gebe es doch häufig tumorspezifische Be- wertungsinstrumente.

Für vorbehandelte Patienten mit metastasiertem Kolonkarzinom zum Beispiel sollte sich das Gesamtüber- leben um drei bis fünf Monate im Median verbessern, um als relevant zu gelten, für unvorbehandelte Frau- en mit metastasiertem, triple-negati- vem Mammakarzinom um median 4,5 bis sechs Monate (derzeit medi-

an 18 Monate), für Patienten mit me- tastasiertem Pankreaskarzinom, um median drei bis fünf Monate (derzeit median acht bis elf) und für Lungen- krebspatienten um 2,5 bis vier Mo- nate (eTabelle).

Gesamtüberleben sollte der Goldstandard bleiben

„Ich halte die Anforderungen an kli- nische Studien in der Onkologie für sehr gerechtfertigt“, sagt Prof. Dr.

med. Wolf-Dieter Ludwig, Chefarzt der Klinik für Hämatologie, Onko- logie und Tumorimmunologie im Helios-Klinikum Berlin-Buch und Vorsitzender der Arzneimittelkom- mission der deutschen Ärzteschaft.

„Die für neue ,zielgerichtete‘ Wirk- stoffe bei fortgeschrittenen soliden Tumoren häufig gezeigten geringen Effektstärken wie die Verlängerung des PFS um drei bis sechs Monate sind un zureichend, um einen für Pa- tienten relevanten Nutzen zu bele- gen.“ Grundsätzlich zu begrüßen sei die vorgeschlagene Verlängerung des Gesamtüberlebens um drei bis sechs Monate gegenüber der bis- her unter zytostatischer Therapie zu beobachtenden medianen Überle- bensdauer. „Außerdem weisen die ASCO-Empfehlungen zu Recht dar - auf hin, dass die mit geeigneten und validierten Instrumenten be- richteten Symptome vom Patienten als Nutzenbeleg bei neuen Wirk- stoffen von großer Bedeutung sind:

Sie spiegeln sowohl Symptome bei Fortschreiten der Tumorerkrankung als auch therapieassoziierte Neben- wirkungen wider und sollten in kli- nischen Studien konsequent unter-

sucht werden.“

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

American Society of Clinical Oncology Perspective:

Raising the bar for clinical trials by defining clinically meaningful outcomes. JCO 2014;

doi10.1200/JCO.2013.53.8009

@

eTabelle im Internet:

www.aerzteblatt.de/14639

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11. April 2014 eTABELLE

Empfohlene Zielwerte für ein klinisch relevantes Ergebnis in onkologischen Phase-III-Studien

Abkürzungen: FOLFIRINOX: Leukovorin, Fluorouracil, Irinotecan und Oxaliplatin; die aktuellen Basiswerte für das mediane Gesamtüberleben sind nach einer Bewertung der in der Originalarbeit angegebenen Literatur erfolgt; *aktuell → Ziel; modifiziert nach: JCO; doi: 10.1200/JCO.2013.53.8009 Tumortyp

Pankreaskarzinom Pankreaskarzinom

Lungenkarzinom Lungenkarzinom Brustkrebs

Kolonkarzinom

Patientenpopulation

FOLFIRINOX wäre möglich Gemcitabin oder Gemcitabin/

nab-Paclitaxel wäre möglich Kein Plattenepithelkarzinom Plattenepithelkarzinom Metastasiertes triple-negatives Karzinom, unvorbehandelt für metastasierte Erkrankung Krankheitsprogression unter al- len vorangegangenen Thera- pie/kein Kandidat für Standard- Zweit-/Drittlinie

Aktueller Ba- siswert für das mediane Ge- samtüberleben (Monate)

10 bis 11 8 bis 9

13 10 18

4 bis 6

Primärer Endpunkt Verbesserung im Gesamtüber- leben, das kli- nisch relevant wäre (Monate)

4 bis 5 3 bis 4

3,25 bis 4 2,5 bis 3 4,5 bis 6

3 bis 5

Ziel-Hazard Ratios

0,67 bis 0,69 0,6 bis 0,75

0,76 bis 0,8 0,77 bis 0,8 0,75 bis 0,8

0,67

Sekundärer Endpunkt Verbesserung in der Einjah- resüberle- bensrate (%)

48 → 63*

35 → 50

53 → 61 44 → 53 63 → 71

25 → 35

Verbesserung im proges - sionsfreien Überleben (Monate)

4 bis 5 3 bis 4

4 3 4

3 bis 5

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