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Desertec oder der Mittelmeer-Solarplan – wer hat die Nase vorn?

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Desertec oder der Mittelmeer-Solarplan – wer hat die Nase vorn?

Von Matthias Ruchser, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

vom 02.08.2010

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Desertec oder der Mittelmeer-Solarplan – wer hat die Nase vorn?

Bonn, 02.08.2010. Am 13. Juli 2010 jährten sich zwei Ereignisse, die für die zukünftige Energie- versorgung Europas und der MENA-Region, also des Mittleren Ostens und Nordafrikas, von großer Bedeutung sein könnten: Die 2008 gegründete

„Union für das Mittelmeer“ mit ihrem Mittelmeer- Solarplan und die Gründung der privatwirtschaft- lichen Desertec-Industrie-Initiative (Dii) im Jahr 2009. Von Desertec, der Initiative zum Bau von großen Solar- und Windkraftanlagen in Nord- afrika, dürfte fast jeder gehört haben. Dagegen kennen den Mittelmeer-Solarplan bisher nur Ein- geweihte. Woran liegt das, sind beide Initiativen doch sehr ambitioniert und haben ähnliche Ziele?

Der Mittelmeer-Solarplan sieht vor, bis zum Jahr 2020 20 Gigawatt (GW) – eine Menge, die etwa der Kapazität von 15 großen Kohlekraftwerken entspricht – an neuen erneuerbaren Energiekapa- zitäten aufzubauen, während sich die Desertec- Initiative als langfristiges Ziel auf die Fahnen ge- schrieben hat, im Jahr 2050 15 % des europä- ischen Strombedarfs mit Strom aus den Wüsten zu decken.

Der Aufbau der Mittelmeerunion geriet im De- zember 2008 mit dem Ausbruch des Gaza-Kriegs ins Stocken, so dass lange Zeit keine hochrangigen ministeriellen Treffen der Teilnehmerstaaten stattgefunden haben. Wichtige Fragen der insti- tutionellen Ausgestaltung der Union wurden so- mit zunächst auf Eis gelegt. Nach langen Verzöge- rungen beginnt die Mittelmeerunion inzwischen mit dem Aufbau eines Sekretariats in Barcelona, das mit einer kleinen Stammbelegschaft sowie Experten aus den Mitgliedsländern die Ausgestal- tung und Umsetzung u. a. des Mittelmeer-Solar- plans vorantreiben soll.

Mit einer ganz anderen Schlagzahl entwickelt sich die Desertec-Industrie-Initiative, die seit kurzem nur noch unter dem Kürzel Dii auftritt, um sich von der gemeinnützigen Desertec-Stiftung abzu- grenzen. Zunächst mit 13 überwiegend deutschen Gesellschaftern gegründet, umfasst das Konsor- tium inzwischen 17 Gesellschafter aus sieben Ländern. Die Gespräche über den Beitritt weiterer Konzerne aus Tunesien und Italien sind weit fort- geschritten; anschließend sollen bis zu sechs weitere Gesellschafter aufgenommen werden.

Hinzukommen 22 Unternehmen, welche die Dii

als Associated Partner unterstützen. Das Konsor- tium deckt durch seine Mitglieder nicht nur die technischen und wirtschaftlichen Aspekte ab, um die ambitionierten Ziele in die Tat umzusetzen.

Durch die Erweiterung der Gesellschafterstruktur um Unternehmen aus der MENA-Region erfüllt Dii die entwicklungspolitische Forderung, dass die Länder, in denen Kraftwerke gebaut werden sol- len, von Anfang an zu beteiligen sind.

Eines muss für beide Initiativen gelten: Die Ent- wicklung der MENA-Region muss im Vordergrund stehen, ist doch der Zugang zu Energie ein funda- mentaler Bestandteil der Millenniumsziele der Ver- einten Nationen. Zudem haben die Länder Afrikas durch das immense Bevölkerungswachstum und die zunehmende Industrialisierung einen großen Nachholbedarf an Energieprojekten. Und was unter dem Eindruck eines sich zunehmenden Klimawandels für die Industrieländer gilt, nämlich prioritär in erneuerbare und effiziente Energie- technologien zu investieren, gilt für die Entwick- lungs- und Schwellenländer in gleicher Weise.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wa- rum sowohl in den Industrie- als auch in den Ent- wicklungs- und Schwellenländern weiterhin fossile Energiekapazitäten aufgebaut werden. Dies hat zum einen technische Gründe: Erneuerbare Ener- gien (EE) wie die Windkraft oder die Photovoltaik sind nicht grundlastfähig, solange es keine "intelli- genten" Stromnetze bzw. Speichermöglichkeiten gibt. Zum anderen sind die Investitionskosten in EE derzeit noch höher als bei fossilen Kraftwerken.

Dabei muss jedoch bedacht werden, dass bei Letz- teren über die gesamte Betriebsdauer die Kosten für die Primärenergieträger, d. h. Kohle oder Erd- gas, anfallen.

Was erneuerbare Energien und somit Großpro- jekte wie die Desertec-Initiative brauchen, sind klare rechtliche, administrative und vor allem wirt- schaftliche Rahmenbedingungen. Nur so rentieren sich die hohen Anfangsinvestitionen. Diese Rah- menbedingungen beziehen sich sowohl auf die Länder, in denen die Kraftwerke gebaut werden sollen, aber auch auf die Gesetzgebung der Euro- päischen Union (EU) und ihrer Mitgliedsländer, die den Strom aus Afrika importieren möchten. Mit der Direktive von 2009 zur „Förderung der Nut-

© Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne, 02.08.2010 www.die-gdi.de

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zung von Energie aus erneuerbaren Quellen“ hat die EU in Artikel 9 bereits die Basis für Energie- projekte mit Nicht-EU-Mitgliedern sowie den Import des erzeugten Stroms geschaffen. Ob dies im Falle Deutschlands bedeutet, dass das Erneuer- bare-Energien-Gesetz um einen Einspeisetarif für

„Wüstenstrom“ erweitert wird, ist kritisch zu sehen. Unter den MENA-Ländern scheint Marokko die größten Fortschritte bei der Entwicklung von EE-freundlichen Rahmenbedingungen zu machen.

Das Land, das derzeit noch 95 % seines Energie- bedarfs importieren muss, will bis zum Jahr 2020 40 % seines Energiebedarfs aus EE decken. Auch deshalb sieht die Dii in Marokko ein ideales Part- nerland und plant, dort einen ersten Kraftwerks- park zu initiieren, der die Umsetzbarkeit der Wüstenstrom-Vision grundsätzlich belegen soll.

Wo stehen nun die beiden Initiativen – Mittel- meer-Solarplan und Desertec – ein bzw. zwei Jahre nach ihrer Gründung und welche Schwerpunkte sollten sie für die Zukunft setzen? Der Mittelmeer- Solarplan ist ein politischer Prozess und sollte als solcher verstanden werden. Es ist nicht die Auf- gabe eines zwischenstaatlichen Prozesses unter-

nehmerische Aufgaben zu übernehmen und Kraft- werkskapazitäten aufzubauen. Erst recht nicht, wenn zwei Jahre bis zur Gründung eines Sekretari- ats verstreichen. Im Vordergrund sollte also nicht der Bau von 20 GW Kraftwerkskapazitäten stehen, sondern Ziel des Solarplanes muss es sein, ord- nungspolitische Rahmenbedingungen für privat- wirtschaftliche Initiativen und Investments in den Mitgliedsländern der Mittelmeerunion zu be- schleunigen. Noch ist die Finanzkraft in den MENA-Ländern zu schwach, um eigenständig derart kostenintensive und grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte zu stemmen. Doch mit dem Start der Desertec-Initiative haben einige MENA- Länder bereits den Ordnungsrahmen und die Ziele für den Ausbau ihrer erneuerbaren Energiekapazi- täten konkretisiert. Dadurch werden sie nicht nur für Investoren aus den Industrieländern attraktiver sondern auch für Finanzinstitutionen wie z. B. die Afrikanische Entwicklungsbank, Weltbank oder die Europäische Investitionsbank. Insofern sind Desertec und der Solarplan parallele Prozesse, die sich gegenseitig ergänzen und befruchten sollten.

Matthias Ruchser Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

© Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), Die aktuelle Kolumne, 02.08.2010 www.die-gdi.de

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