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Kastrationsfolgen beim Hund in Abhängigkeit von Alter, Größe, Gewicht und Rasse

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Tierärztliche Hochschule Hannover

Kastrationsfolgen beim Hund

in Abhängigkeit von Alter, Größe, Gewicht und Rasse

INAUGURAL –DISSERTATION zur Erlangung des Grades einer

Doktorin der Veterinärmedizin - Doctor medicinae veterinariae -

(Dr. med. vet.)

vorgelegt von

Janine Wethkamp (geb. Koba) Altdöbern

Hannover 2018

(2)

Wissenschaftliche Betreuung: 1. Univ.-Prof. Dr. Hansjoachim Hackbarth, Institut für Tierschutz und Verhalten (Heim -, Labortiere und Pferde), Tierärztliche Hochschule Hannover

2. Dr. Willa Bohnet,

Institut für Tierschutz und Verhalten (Heim-, Labortiere und Pferde), Tierärztliche Hochschule Hannover

1. Gutachter: Prof. Dr. Hansjoachim Hackbarth

2. Gutachterin: Prof. Dr. Sandra Goericke-Pesch

Tag der mündlichen Prüfung: 25.10.2018

(3)

Danke für die Unterstützung

von allen Seiten

(4)
(5)

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ... 1

2 Literaturübersicht ... 4

2.1 Kastration beim Hund ... 4

2.2 Unerwünschte Kastrationsfolgen beim Hund ... 10

2.2.1 Harninkontinenz... 10

2.2.1.1 Pathophysiologie ... 12

2.2.1.2 Risikofaktoren ... 13

2.2.2 Hypothyreose ... 15

2.2.3 Auswirkungen auf den Bewegungsapparat ... 16

2.3 Weitere Einflüsse der Kastration ... 17

2.3.1 Fellveränderungen ... 17

2.3.2 Adipositas ... 18

2.3.3 Tumorerkrankungen ... 19

2.3.4 Einfluss der Kastration auf das Verhalten ... 21

3 Material und Methoden ... 22

3.1 Der Fragebogen ... 22

3.2 Aufarbeitung der Fragebögen ... 22

3.3 Datenauswertung ... 23

3.3.1 Einteilung der Hunde in Vergleichsgruppen ... 25

4 Ergebnisse ... 30

4.1 Patientengut, Häufigkeitsverteilung in den Vergleichsgruppen ... 30

4.2 Unerwünschte Nebenwirkungen der Kastration ... 37

4.2.1 Harninkontinenz... 37

4.2.1.1 Zusammenhang zwischen Harninkontinenz und Reproduktionsstatus ... 37

4.2.1.2 Altersabhängigkeiten ... 41

4.2.1.3 Alter zum Zeitpunkt der Kastration ... 44

4.2.1.4 Größenabhängigkeiten ... 47

4.2.1.5 Rassedispositionen ... 49

4.2.1.6 Gewichtsabhängigkeiten ... 54

4.2.2 Hypothyreose ... 57

(6)

4.2.2.1 Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Hypothyreose und

dem Reproduktionsstatus... 57

4.2.2.2 Altersabhängigkeiten ... 60

4.2.2.3 Größenabhängigkeiten ... 63

4.2.2.4 Rassedispositionen ... 66

4.2.2.5 Gewichtsabhängigkeiten ... 72

4.2.3 Probleme mit dem Bewegungsapparat ... 75

4.2.3.1 Zusammenhang zwischen Problemen mit dem Bewegungsapparat und dem Reproduktionsstatus ... 75

4.2.3.2 Rassedispositionen ... 78

5 Diskussion ... 85

5.1 Diskussion der Methodik ... 86

5.2 Diskussion der Ergebnisse ... 87

5.2.1 Harninkontinenz... 88

5.2.2 Hypothyreose ... 93

5.2.3 Probleme mit dem Bewegungsapparat ... 96

6 Zusammenfassung ... 98

7 Summary ... 100

8 Literaturverzeichnis ... 102

9 Rechtsgrundlagenverzeichnis ... 112

10 Anhang ... 113

10.1 Fragebogen ... 113

10.2 Variablenkodierung ... 132

10.3 Tabellen und Abbildungen ... 136

11 Danksagung ... 155

(7)

Abkürzungsverzeichnis:

% Prozent

< kleiner als

> größer als

≤ kleiner gleich

≥ größer gleich

♀ weiblich

♂ männlich

Abb. Abbildung

bzw. beziehungsweise

CES Cauda equina Syndrom

CCL Cranial cruciate ligament (kraniales Kreuzband) ED Ellenbogengelenksdysplasie

et al. lat. et alii (und andere)

FCI Fédération Cynologique Internationale FPC Fragmentierter Processus Coronoideus GnRH Gonadotropin-Releasing-Hormon

Hd. Hund

HD Hüftgelenksdysplasie

HI Harninkontinenz

KBR Kreuzbandriss

kg Kilogramm

lfd. Nr. laufende Nummer

lt. laut

MDT Magen-Darm-Trakt

n Gesamtanzahl

OR Odds Ratio (Quotenverhältnis) OVH Ovariohysterektomie

OVE Ovariektomie

PL Patellaluxation

RR Relatives Risiko

SDU Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose)

SH Schulterhöhe

sog. sogenannte

Tab. Tabelle

u.a. unter anderem

UPP Harnröhrendruckprofil (urethral pressure profilometry)

USMI urethrale Spinkterinkompetenz (urethral sphincter mechanism incompetence)

z.B. zum Beispiel

(8)

Abbildungsverzeichnis:

►Abb. 2-1 Mögliche unerwünschte Kastrationsfolgen beim Hund ...10

►Abb. 3-1 Einteilung intakter und kastrierter Hunde in Vergleichsgruppen (*Vergleichsgruppen wie bei kastrierten Hunden) ...26

►Abb. 4-1 Absolute Häufigkeiten für das Alter zum Zeitpunkt der Kastration von Rüden und Hündinnen (n=3324) ...31

►Abb. 4-2 Absolute und relative Häufigkeiten der Altersverteilung von Rüden und Hündinnen (n=6680) ...32

►Abb. 4-3 Absolute und relative Häufigkeiten zur Größe/Schulterhöhe von Rüden und Hündinnen (n=6646) ...35

►Abb. 4-4 Absolute Häufigkeiten in den Gewichtsklassen von Rüden und Hündinnen (n=6686) ...36

►Abb. 4-5 Frage zum Auftreten von Harninkontinenz aus dem Fragebogen von (BRINKMANN 2015) ...37

►Abb. 4-6 Absolute und relative Häufigkeiten an Harninkontinenz erkrankter Hunde in Zusammenhang mit dem Reproduktionsstatus (kastriert/intakt) und dem Geschlecht (n=362) ...38

►Abb. 4-7 Vergleich der 362 kastrierten und intakten harninkontinenten Hündinnen und Rüden in ihren Altersgruppen (n=6680) ...42

►Abb. 4-8 Geschlechterdifferenzierte Betrachtung der Einzelergebnisse an Harninkontinenz erkrankter Hunde im Zusammenhang mit dem „Alter zum Zeitpunkt der Kastration“ (n=3324) ...44

►Abb. 4-9 Zusammenhang zwischen Harninkontinenz und der Rasse, Rassevertreter der kastrierten Hündinnen mit drei und mehr an Harninkontinenz erkrankten Hunden, (n=1337) ...52

►Abb. 4-10 Frage zur Hypothyreose aus dem Fragebogen von BRINKMANN (2015) ...57

►Abb. 4-11 Absolute und relative Häufigkeiten an Hypothyreose erkrankter Hunde im Zusammenhang mit dem Reproduktionsstatus (kastriert/intakt) und dem Geschlecht (n=324) ...58

►Abb. 4-12 Vergleich der 354 kastrierten und intakten an Hypothyreose erkrankten Hündinnen und Rüden in ihren Altersgruppen, (n=6658) ...60

(9)

►Abb. 4-13 Häufigkeiten der an Hypothyreose erkrankter Rüden und Hündinnen in Abhängigkeit vom Reproduktionsstatus und der jeweiligen Rassegruppen (n=324) ...66

►Abb. 4-14 Absolute und relative Häufigkeiten der an Problemen am Bewegungsapparat leidenden Hunde im Zusammenhang mit dem Reproduktionsstatus (kastriert/intakt) und dem Geschlecht (n=1209) ...75

►Abb. 4-15 Ergebnisse der Frage „Hat Ihr Hunde Probleme mit dem Bewegungsapparat? (Lahmheiten etc.)“, kastrierte Hündinnen in ihren Rassegruppen (n=2014, p=0,000) ...80

►Abb. 4-16 Ergebnisse der Frage „Hat Ihr Hund Probleme mit dem Bewegungsapparat? (Lahmheiten etc.)“, intakte Hündinnen in ihren Rassegruppen (n=1461, p=0,099) ...81

►Abb. 4-17 Relative Häufigkeiten zum Auftreten von Problemen mit dem Bewegungsapparat in Prozent (%) kastrierter Rüden und Hündinnen in ihren Rassegruppen (n=3592) ...82

►Abb. 10-1 Fragebogen dieser Studie (BRINKMANN 2015)...131

►Abb. 10-2 Absolute Häufigkeiten von Rüden und Hündinnen in den 15 Rassegruppen in Anlehnung an die FCI-Systematik (n=6686) ...144

►Abb. 10-3 Absolute Häufigkeiten von Rüden und Hündinnen je Einzelrasse mit mehr als 40 Fällen (Mischlinge ausgenommen) (n=2759) ...145

►Abb. 10-4 Absolute Häufigkeiten an HI erkrankter kastrierter Rüden und Hündinnen in den Einzelrassen, mit mindestens drei erkrankten Fällen, unabhängig vom Reproduktionsstatus ...146

(10)

Tabellenverzeichnis:

►Tab. 4-1 Geschlechterdifferenzierte Betrachtung der absoluten und relativen Häufigkeiten für das Alter zum Zeitpunkt der Kastration (Früh- /Spätkastrierte) (n=3324) ...33

►Tab. 4-2 Absolute und relative Häufigkeiten des Alters kastrierter Hunde im Vergleich zu intakten Hunden (n=6680) ...34

►Tab. 4-3 Zusammenhang zwischen Harninkontinenz und dem Reproduktionsstatus (n=6686) ...40

►Tab. 4-4 Zusammenhang zwischen Harninkontinenz und dem Alter (n=6646) ...43

►Tab. 4-5 Zusammenhang zwischen Harninkontinenz und dem Reproduktionsstatus (Früh-/Spätkastration und den Untergruppen 6-15 Mo.

etc.) (n=6686) ...45

►Tab. 4-6 Zusammenhang zwischen Harninkontinenz und der Größe, in Abhängigkeit vom Reproduktionsstatus, (n=6646) ...48

►Tab. 4-7 Zusammenhang zwischen Harninkontinenz und der Rassegruppe, (n=362, n=2031, n=1466) ...50

►Tab. 4-8 Auswahl an Rassen mit erhöhter Disposition für Harninkontinenz (Rassevertreter kastrierter Hündinnen mit drei und mehr an HI erkrankten Hunden) (n=1269) ...51

►Tab. 4-9 Zusammenhang zwischen Harninkontinenz und dem Gewicht, in Abhängigkeit vom Reproduktionsstatus (n=6686) ...56

►Tab. 4-10 Zusammenhang zwischen Hypothyreose und dem Reproduktionsstatus (n=6664) ...59

►Tab. 4-11 Zusammenhang zwischen Hypothyreose und dem Alter (n=6658) ...62

►Tab. 4-12 Zusammenhang zwischen Hypothyreose und der Größe des Hundes, Ergebnisse aus Kreuztabellen (n=6624) ...65

►Tab. 4-13 Häufigkeiten an Hypothyreose erkrankter Rüden und Hündinnen in Abhängigkeit vom Reproduktionsstatus und der Rasse (Rasseauswahl siehe Text) ...68

►Tab. 4-14 Häufigkeiten an Hypothyreose erkrankter Rüden und Hündinnen in Abhängigkeit vom Reproduktionsstatus und der Rasse, mit mehr als zwei erkrankten Fällen/Rassevertretern (n=291) ...68

(11)

►Tab. 4-15 Absolute und relative Häufigkeiten von Hunden mit diagnostizierter Hypothyreose in den jeweiligen Rassegruppen (n=324) ...70

►Tab. 4-16 Zusammenhang zwischen Hypothyreose und dem Gewicht, in Abhängigkeit vom Reproduktionsstatus, Ergebnisse aus Kreuztabellen (n=6664) ...74

►Tab. 4-17 Zusammenhang zwischen Problemen mit dem Bewegungsapparat und dem Reproduktionsstatus (n=6647) ...77

►Tab. 4-18 Chi-Quadrat-Test - Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Problemen des Bewegungsapparates und der Rassegruppe bei kastrierten und intakten Hündinnen (n=3475) ...79

►Tab. 4-19 Chi-Quadrat-Test – Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Problemen des Bewegungsapparates und der Rassegruppe bei kastrierten und intakten Rüden (n=3172) ...79

►Tab. 4-20 Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Problemen mit dem Bewegungsapparat und der Rassegruppe kastrierter Rüden und Hündinnen (n=3592) ...83

►Tab. 10-1 Variablenkodierung ...132

►Tab. 10-2 Rassevertreter A-Z (n=6686) ...136

►Tab. 10-3 Absolute Häufigkeiten an Harninkontinenz erkrankter Hündinnen in den Einzelrassen, mit mindesten drei erkrankten Fällen ...147

►Tab. 10-4 Chi-Quadrat-Test Zusammenhang zwischen HI und der Einzelrasse für kastrierte Hündinnen mit mindestens drei Erkrankungsfällen/Einzelrasse ..148

►Tab. 10-5 Absolute Häufigkeiten an Harnkontinenz erkrankter Rüden in den Einzelrassen mit mindestens drei erkrankten Fällen ...149

►Tab. 10-6 Chi-Quadrat-Test Zusammenhang zwischen HI und der Einzelrasse für kastrierte Rüden mit mindestens drei Erkrankungsfällen/Einzelrasse...151

►Tab. 10-7 Absolute und relative Häufigkeiten der an Hypothyreose erkrankten Rüden und Hündinnen in ihren Rassegruppen in Abhängigkeit vom Reproduktionsstatus (n=324) ...152

►Tab. 10-8 Odds Ratio (OR) und Relatives Risiko (RR) aus der Kreuztabelle:

Probleme mit dem Bewegungsapparat _x_ Reproduktionsstatus, geschlechterdifferenzierte Betrachtung ...153

(12)

►Tab. 10-9 Kreuztabelle, Chi-Quadrat-Test, Cramer-V und Risikoschätzer für kastrierte und intakte Hündinnen der Rassegruppe Sennen- und Treibhunde, (n=96) ...153

(13)

Schlüsselwörter:

Kastration, Hündin, Rüde, Kastrationsfolgen, Harninkontinenz, Hypothyreose, Rasseprädisposition

Key Words:

neutering, femal dog, dog, effects of neutering, urinary incontinence, hypothyroidism, breed disposition

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1 Einleitung

1 1 Einleitung

Die Kastration beim Hund gehört zu den häufigsten chirurgischen Eingriffen in der tierärztlichen Praxis (STOCKNER 1991; NICKEL 2008). Daher ist es von großer Bedeutung, dass bei der Beratung von Besitzern zur Kastration des Hundes und besonders in Züchterkreisen, konkret auf mögliche gesundheitliche Folgen, Vor- und Nachteile sowie auf spezielle Rassedispositionen hingewiesen werden kann. Der Tierarzt oder der Züchter ist für die neuen Hundebesitzer oftmals der erste Ansprechpartner und sollte dementsprechend gut aufgeklärt sein und sich auf den aktuellen Stand der Wissenschaft berufen können. Die Vor- und Nachteile der Kastration variieren mit dem Alter zum Zeitpunkt des Eingriffs, mit der Rasse, der Größe, dem Gewicht und dem Geschlecht des Hundes (REICHLER 2010a).

Der Tierarzt muss zusammen mit dem Hundehalter die Vorteile gegenüber den zu erwartenden Nebenwirkungen im Einzelfall individuell nach Rasse, Alter oder Größe des Hundes abwägen. Jedoch gibt es unterschiedliche Meinungen zur Kastration und Theorien über mögliche Kastrationsfolgen. Eine Umfrage von HOFMANN et al. (2011) in deutschen Tierarztpraxen und -kliniken aus dem Jahre 2011 ergab, dass die Qualität der Kastrationsberatungsgespräche erheblich unterschiedlich ausfällt und teilweise unerwünschte Kastrationsfolgen dem Hundehalter nicht genannt werden.

Eine der unangenehmsten Nebenwirkung ist für den Patientenbesitzer die mögliche Harninkontinenz des Hundes nach der Kastration. Es kommt bei den betroffenen Hunden zum unkontrollierten Abgang von Urin, meistens beim Schlafen oder Liegen.

Von diesem Problem sind durchschnittlich 20 % aller kastrierten Hündinnen betroffen, wobei schwere Rassen deutlich häufiger inkontinent werden als Hunde mit einem Körpergewicht von unter 20 Kilogramm (ARNOLD et al. 1989).

Eine weitere unerwünschte Folge der Kastration bei bestimmten Hunderassen sind Fellveränderungen. Diese treten vermehrt bei Rassen mit Stockhaar, Rauhaar, Langhaar und rotem Haar auf (MINKS 2015) und bei Rassen, welche zu vermehrter Unterwolle neigen (STÖCKLIN-GAUTSCHI 2000).

Die Kastration hat ebenso Einfluss auf den Stoffwechsel. Es besteht der Eindruck, dass das Risiko an Adipositas (ARLT et al. 2017), Diabetes mellitus und Hypothyreose zu

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1 Einleitung

2

erkranken höher ist als bei intakten Hündinnen (HESS et al. 2003; RIEDER et al. 2008).

Adipositas begünstigt zudem Erkrankungen am Bewegungsapparat.

Zielsetzung und Fragestellung der Arbeit

Unsere Haushunde gehören verschiedensten Rassen an und haben daher in Bezug auf ihre Körpergröße und -gewichte eine sehr große Spannbreite.

Die Beratung durch den Tierarzt zur Kastration eines Hundes sollte deshalb unter Berücksichtigung der möglichen unerwünschten Kastrationsfolgen, welche geschlechts-, größen-, gewichts-, rasse- oder altersabhängig sein können, sehr individuell auf das einzelne Tier abgestimmt werden.

In der vorliegenden Arbeit geht es um die Auswertung solcher die Kastrationsnebenwirkungen des Hundes betreffenden Daten. Die zentralen Fragen, deren Beantwortung Ziel dieser Studie ist, lauten:

Lassen sich die in der Literatur bereits beschriebenen unerwünschten Nebenwirkungen der Kastration beim Rüden und der Hündin anhand der Auswertung vorliegender Daten einer Fragebogenerhebung: „Verhalten sich kastrierte Hunde anders als nicht kastrierte? – Ergebnisse einer Besitzerbefragung“ (BRINKMANN 2015) bestätigen?

Sind kastrierte Rüden und Hündinnen häufiger von Harninkontinenz, Hypothyreose oder Erkrankungen des Bewegungsapparates betroffen als intakte? Wenn ja, wieviel höher ist das Risiko für kastrierte Hündinnen und Rüden im Verhältnis zu ihren intakten Vertretern zu erkranken? Gibt es Zusammenhänge zwischen dem Auftreten von Harninkontinenz, Hypothyreose oder Erkrankungen des Bewegungsapparates und des Reproduktionsstatus des Hundes? Lassen sich auf der Grundlage des Fragebogens zu den Kastrationsfolgen Abhängigkeiten von Rasse, Alter, Geschlecht, Größe oder Gewicht ableiten?

Vor diesem Hintergrund ist das Ziel dieser Studie geschlechterdifferenzierte Besonderheiten einiger unerwünschter Nebenwirkungen der Kastration aufzuzeigen, wie beispielsweise beim Auftreten von Harninkontinenz, Hypothyreose oder Probleme mit dem Bewegungsapparat. Dazu werden Übersichten mit Prozentzahlen und Risikoberechnungen zu den Erkrankungen in Abhängigkeit von Größe, Gewicht, Rasse, Alter und Alter zum Zeitpunkt der Kastration für Rüden und Hündinnen erstellt. Somit kann der Tierarzt anhand der einzelnen Einflussfaktoren abwägen, wie hoch das Risiko

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1 Einleitung

3

für den vorgestellten Hund ist, nach der Kastration an einer der oben aufgeführten Kastrationsfolgen zu erkranken und entsprechende Konsequenzen für das weitere therapeutische Vorgehen ziehen.

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2 Literaturübersicht

4 2 Literaturübersicht

2.1 Kastration beim Hund

Die Kastration, auch Gonadektomie genannt, ist das irreversible Ausschalten der germinativen und endokrinen Funktionen der Keimdrüsen (WEHREND 2010). Der Entzug der gonadalen Steroidhormone, wie z.B. Östrogene und Progesteron, bei der Hündin verhindert das erneute Einsetzen der Läufigkeiten.

Durch das Entfernen der Hoden beim männlichen Tier wird die Produktion von Spermien ausgeschaltet. Zudem wird die Produktion des männlichen Sexualhormons Testosteron weitestgehend unterbrochen.

Im Gegensatz zur Kastration ist die Sterilisation lediglich die Ausschaltung des Befruchtungsvermögens durch Unterbindung des Transportes der Keimzellen (ALTHAUS 2016). Beim Rüden wäre dies die Ligatur des Samenleiters, bei der Hündin des Eileiters. Die endokrine Aktivität und die damit verbundenen zyklischen Veränderungen bleiben jedoch erhalten.

Bei Hündinnen tritt die Geschlechtsreife in der Regel in einem Alter von sechs bis zwölf Monaten ein und ist gekennzeichnet durch das Einsetzen der ersten Läufigkeit. Bei Rüden beträgt das Durchschnittsalter bei Eintritt der Geschlechtsreife acht bis vierzehn Monate und tritt in Abhängigkeit von individuellen und rassespezifischen Einflüssen ein (GÜNZEL-APEL u. BOSTEDT 2016). Hündinnen und Rüden kleiner Rassen erreichen grundsätzlich die Geschlechtsreife früher als Vertreter großer Rassen. Werden in einem Mehrhundehaushalt mehrere Rüden und Hündinnen gehalten, ist es nach LEHNER und VON REINHARDT (2013) sinnvoll eine Kastration durchzuführen, damit es nicht zu unerwünschten Fortpflanzungen und zusätzlichem Stress für die konkurrierenden Hündinnen und Rüden kommt.

Als häufigster Grund für die Kastration wurde mit 43 % die Haltungserleichterung in einer Fragebogenstudie von MERTENS und UNSHELM (1997) in Deutschland genannt.

Bei der Hündin gibt es somit kein Einsetzen der Läufigkeitsblutung mehr und beim Rüden versucht man Verhaltensprobleme, wie z.B. Aufreiten (auf Gegenstände, anderer Tiere, Menschen), Streunen, Aggression oder unerwünschtes Markieren zu reduzieren, welche vom Tierbesitzer den Sexualhormonen zugeschrieben werden. Als zweithäufigster Beweggrund der Besitzer wurde die Krankheitsprophylaxe angegeben,

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2 Literaturübersicht

5

nur 14 % ließen ihre Hunde tatsächlich zur Verhinderung der Fortpflanzung kastrieren.

In den USA wird hingegen als häufigstes Argument für eine Kastration der weiblichen Tiere die Vorbeugung gegen eine unerwünschte Trächtigkeit angegeben (NICKEL 2008).

Es ist zudem zu beachten, dass es sich bei der elektiven Kastration um die Entfernung eines gesunden Organs handelt und die im Tierschutzgesetz genannten Regeln Anwendung finden (GÜNZEL-APEL 1998). Die Kastrationen männlicher und weiblicher Tiere durch einen Tierarzt, zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung oder – soweit tierärztliche Bedenken nicht entgegenstehen – zur weiteren Nutzung oder Haltung des Tieres, sind zugelassen. Sie stellen eine Ausnahme des Amputationsverbotes im Deutschen Tierschutzgesetz (§ 6 Abs. 1) dar, welches grundsätzlich Amputationen und Organentnahmen oder –zerstörungen an Wirbeltieren verbietet (HACKBARTH u. LÜCKERT 2011). Der Vorteil der Kastration von Hündinnen ist, dass weder Ovarerkrankungen wie Zysten oder Tumoren noch über Geschlechtshormone vermittelte Erkrankungen wie Metropathien oder Scheidenhyperplasien auftreten können. Zudem kommen Tumore des Genitaltraktes bei kastrierten Hündinnen und Rüden sehr selten vor (REICHLER 2010a). Es wird eine Abhängigkeit von Sexualhormonen für das Auftreten von Geschlechtstumoren vermutet, da Hündinnen, welche vor dem Erreichen des zweiten Lebensjahres kastriert worden waren, nicht an diesen erkrankten (THACHER u. BRADLEY 1983).

Bei schon bestehenden pathologischen Prozessen wird bei der Hündin zur Behandlung von Ovarialtumoren oder eines Vaginalprolaps zur Ovariektomie (Entfernung der Keimdrüsen) geraten. Auch beim Diabetes mellitus der Hündin wird eine Kastration empfohlen, da dies zum Rückgang der Progesteronbildung führt, einem Gegenspieler des Insulins. Eine Ovariohysterektomie (OHE), die Entfernung der Keimdrüsen und der Gebärmutter, führt man bei angeborenen Uteruserkrankungen, Pyometra, zystischen endometrischen Hyperplasien, Tumoren des Uterus, Uterusprolaps oder Rupturen des Uterus durch. Bei Rüden wird die Orchiektomie bei pathologischen Prozessen, wie zum Beispiel Kryptorchismus, Hoden- und/oder Nebenhodentumoren, Circumanaldrüsentumoren, Perianalhernien, Orchitis, Epilepsie, benigner Prostatahyperplasie oder entzündlichen Erkrankungen der Prostata empfohlen (GÜNZEL-APEL u. BOSTEDT 2016).

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2 Literaturübersicht

6

In Schweden sind nur rund sieben Prozent aller Hündinnen kastriert und im Durchschnitt entwickelten ca. 25 % aller Hündinnen vor dem Erreichen des 10. Lebensjahres eine Pyometra (HAGMAN 2004).

Komplikationen der Kastration werden unterschieden in jene, die unmittelbar oder im direkten Anschluss an die Operation auftreten und in langfristig auftretende Komplikationen. Die häufigste Komplikation während der Operation ist die Blutung aus den ligierten Gefäßen der Arteria und Vena ovarica und Arteria und Vena uterina (NICKEL 2008). Ebenso kommt es zu Komplikationen durch Abbinden der Harnleiter, Entzündungen der Hautnaht, Nahtdehiszenzen, Narbenbrüche oder granulomatöse Entzündungen des Amputationsstumpfes (WEHREND 2010). Nach NICKEL (2008) sollte für den Tierarzt die Ovariektomie die Methode der Wahl für die Kastration der gesunden, jungen Hündin sein, es sei denn, es bestehen uterine Erkrankungen. Auch OKKENS et al. (1997); VAN GOETHEM et al. (2006); DE TORA und MCCARTHY (2011) empfehlen die Ovariektomie, weil eine kleinere Inzision für die ausschließliche Entfernung der Ovarien ausreiche und mögliche Komplikationen in Verbindung mit der Entfernung des Uterus wegfielen. Auch ergaben Untersuchungen über Kurz- und Langzeitkomplikationen beider Methoden keinen Vorteil bei der Entfernung des Uterus (VAN GOETHEM et al. 2006). Für die ältere Hündin oder nach Behandlungen mit Gestagenen zur Zyklusausschaltung empfiehlt REICHLER (2010a) eine Ovariohysterektomie, da eventuell bereits eine Pathologie des Uterus vorliegt. Nach den Meinungen der Autoren ARNOLD et al. (1989), STÖCKLIN-GAUTSCHI et al. (2001), NICKEL (2008); DE TORA und MCCARTHY (2011) gibt es auch keinen signifikanten Unterschied zwischen den Operationsmethoden der Ovariektomie und Ovariohysterektomie und der Entstehung der Kastrationsfolge Harninkontinenz bei der Hündin. Es liegt also nicht an der Operationsmethode des Tierarztes, ob eine Harninkontinenz nach der Kastration auftritt oder nicht.

Zur Verhinderung unerwünschter Kastrationsfolgen wurde in einer Studie von WISSLER et al. (1983) nach beidseitiger Ovarektomie eine Transplantation von Ovargewebe unter die Magenserosa vorgenommen. Diese Operationsmethode sollte den Östrogenspiegel minimal erhalten, da die Implantate Funktionsstadien bis zu Sekundärfollikeln trugen.

Lediglich zwei Tiere zeigten eine leichte Incontinentia urinae und ein Tier eine geringgradige Gewichtszunahme. Andere Störungen wurden nicht beobachtet. Es

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2 Literaturübersicht

7

traten in der retrospektiven Studie von ARNOLD et al. (1988), in der eine Überprüfung von Patienten mehrere Jahre nach der Operation durchgeführt wurde, jedoch erhebliche Nebenwirkungen in Form von lokalen Neoplasien und Ulzerationen auf, welche z.T.

tödlich für die Tiere endete. Dies ging aus Sektionsbefunden der Pathologie hervor.

Es gibt auch Alternativen zur chirurgischen Kastration mit reversibler Wirkung auf die Fruchtbarkeit für Rüden und Hündinnen. Mit dem Suprelorin® Implantat besteht seit 2008 in Europa für den Rüden die Möglichkeit der „Kastration auf Probe“. Das Suprelorin® Implantat dient dem Zweck: „Eine vorübergehende Unfruchtbarmachung beim gesunden, nicht kastrierten, geschlechtsreifen Rüden zu erzielen“. Das GnRH- Analogon Deslorelinacetat gibt es in Form eines subkutan zu verabreichenden Implantats als Suprelorin® (Virbac)mit 4,7 mg und 9,4 mg (GÜNZEL-APEL u. BOSTEDT 2016).

Dieses Analogon des Gonadotropin-Releasing-Hormons (GnRH) bietet neue Möglichkeiten der nicht-chirurgischen, reversiblen Kastration von Hunden. Darunter ist es möglich positive und negative Veränderungen einer Kastration beim Rüden zu beurteilen. Erkrankungen, wie zum Beispiel die benigne Prostatahyperplasie, die unter dem Einfluss von Testosteron stehen, können positiv beeinflusst werden. Es kommt durch das GnRH-Analogon zu einer vermehrten Ausschüttung von Gonadotropinen aus der Hypophyse und damit zu einer vermehrten Anregung der Keimdrüsen. Die Rezeptoren werden übersättigt und es entsteht eine Down-Regulation, somit ein Herunterfahren der Aktivität der Keimdrüsen für die Dauer von etwa sechs Monaten.

Der Testosteronspiegel des Rüden sinkt und er wird unfruchtbar. Das Präparat verliert anschließend seine Wirkung und die Hormonproduktion setzt wieder ein. Des Weiteren kommen auch folgende Medikamente zur vorübergehenden Unfruchtbarmachung für den Rüden zum Einsatz: Proligeston und Delmadinonacetat.

Bei der Hündin können die Läufigkeiten durch den Einsatz von Gestagenen (Medroxyprogesteronacetat und Proligeston) unterdrückt werden (WEHREND 2010).

Man verhindert dadurch die Reifung der Eizellen und den Eisprung. Jedoch ist das Risiko möglicher Nebenwirkungen, insbesondere bei Dauertherapie, hoch. WEHREND (2010) und ROMAGNOLI et al. (2009) beschreiben unter anderem Erkrankungen wie Akromegalien (Wachstum von Haut, Verlängerung von Knochen), Diabetes mellitus, Uteropathien, Hautveränderungen an der Injektionsstelle, verstärkte

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2 Literaturübersicht

8

Nahrungsaufnahme sowie unter anderem die Induktion des Wachstums von Mammatumoren.

Derzeitig ist das Präparat mit dem Wirkstoff Deslorelin (Suprelorin®, Virbac) für den Einsatz bei der Hündin nicht zugelassen, kann aber für die geschlechtsgesunde Hündin nach Umwidmung als Implantat zur Fertilitätskontrolle eingesetzt werden. Der Zeitpunkt der Anwendung sollte jedoch genau angepasst sein. Die Anwendung sollte innerhalb von zwei bis drei Wochen nach der Läufigkeit erfolgen, da die Hündinnen sonst innerhalb von vier bis 15 Tagen wieder läufig werden (ROMAGNOLI et al. 2009).

REICHLER et al. (2007) stellten zudem fest, dass Deslorelin erfolgreich zur Behandlung von Harninkontinenz bei der kastrierten Hündin eingesetzt werden kann. Und auch eine weitere Kastrationsfolge, wie Fellveränderungen, können mit dem Hormonpräparat behandelt werden.

Eine Frühkastration ist ein Eingriff beim Hund vor der ersten Läufigkeit. Hierbei geht es häufig um die Frage nach dem optimalen Zeitpunkt. Laut GÜNZEL-APEL (1998) wäre es kontraindiziert eine Frühkastration bei Hündinnen mit Junghundvaginitis durchzuführen, da die Erkrankung so nicht vollständig ausheilen kann. Dies geschieht spontan unter dem Einfluss von Östrogen während der ersten Läufigkeit. Ebenso lehnt die Autorin eine Frühkastration bei Blindenführhunden ab, damit diese für ihre anspruchsvolle Ausbildung im Charakter ausreifen und gefestigt werden können.

Nach STOLLA (2002) haben Hündinnen, welche vor der ersten Läufigkeit kastriert wurden, gegenüber denen nach der ersten Läufigkeit, ein größeres Risiko für das Auftreten von Adipositas, Verhaltensänderungen, juveniler Vaginitis, Vulvapyodermien und gestörter Körperentwicklung. Um der Entstehung von Mammatumoren präventiv entgegenzuwirken befürwortete man die Frühkastration der Hündin. Dies steht nach STOLLA (2002) jedoch einem erhöhten Risiko gegenüber, dass es nach der Frühkastration zu Komplikationen und den zuvor genannten Erkrankungen kommen kann.

Im Folgenden werden die hormonellen Veränderungen nach der Kastration beschrieben. Bei der Hündin kommt es nach der Kastration zu einem Östrogenmangel, beim Rüden entsteht ein Testosteronmangel. Das Wachstum des äußeren Genitales ist bei Hündinnen von Sexualhormonen wie Östrogen abhängig. Laut den Autoren JOSHUA (1965), ARNOLD (1997a), REICHLER (2009), VESTERGEN-ONCLIN (2006)

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2 Literaturübersicht

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und WEHREND (2010) besteht ein Zusammenhang zwischen der Vulvaatrophie der Hündin nach Kastration und perivulvären Entzündungen (Vulvapyodermien) und Vaginitiden. VESTERGEN-ONCLIN (2006) stellt fest, dass durch die Kastration der Hündinnen die endokrine Unterstützung für die vollständige Entwicklung der äußerlichen Genitalien wegfällt und die Vulva somit klein und infantil bleibt. Werden die Hündinnen postpubertär kastriert, so atrophiert die Vulva. Die meisten Hündinnen mit Vulvapyodermien sind übergewichtig und/oder harninkontinent. In der Hautfalte zwischen Vulva und perinealen Fettpolstern entstehen auf Grund permanenter Feuchtigkeit und unzureichender Belüftung Entzündungen. Diese können aufsteigen und eine Vestibulitis und Vaginitis hervorrufen. Als mögliche Therapiemöglichkeiten bestehen nur die chirurgische Resektion der Falten, eine sogenannte Vulvaplastik, oder eine Gewichtsreduktion (GÜNZEL-APEL u. BOSTEDT 2016).

Beim Rüden ist die Entwicklung von Präputium, Penis und Os penis testosteronabhängig. Die frühkastrierten männlichen Tiere haben im Vergleich zu intakten oder spätkastrierten Tieren einen kleineren Penis (SALMERI et al. 1991).

Zudem verschwindet die Smegmaproduktion des intakten Rüden nach der Kastration (GÜNZEL-APEL u. BOSTEDT 2016). Beim Rüden kommt es infolge eines Testosteronmangels zur Prostatahypotrophie (BELL et al. 1991). Kastrierte Rüden erkranken vermehrt an Prostatakarzinomen, daher wird vermutet, dass es sich um einen androgen unabhängigen Tumor handelt. Des Weiteren zeigen Prostatakarzinome ein aggressives Wachstum (BELL et al. 1991).

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2 Literaturübersicht

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2.2 Unerwünschte Kastrationsfolgen beim Hund

►Abb. 2-1 Mögliche unerwünschte Kastrationsfolgen beim Hund

2.2.1 Harninkontinenz

Die Harninkontinenz (HI), lateinisch Incontinentia urinae, bezeichnet den unwillkürlichen Verlust von Urin. Sie stellt bei der Haltung des Hundes auch für die Besitzer einen hohen Leidensdruck dar. Die Harninkontinenz des Hundes ist eine Folge eines nicht ausreichenden Verschlussmechanismus der Harnröhre, auch als urethrale Sphinkterinkompetenz (USMI) bezeichnet, oder einer gestörten Speicherfunktion der Blase. Sie ist eine gefürchtete Nebenwirkung der Kastration (REICHLER 2010b).

Zusätzlich spielen für das Auftreten von Harninkontinenz verschiedene Einflussfaktoren wie Rassezugehörigkeit, der Zeitpunkt der Kastration (prä- oder postpubertär), die Größe, Adipositas, Kupieren der Rute, die Länge der Harnröhre sowie die Position des Blasenhalses und das Körpergewicht beim kastrierten Hund eine Rolle. Grundsätzlich sind Rüden seltener von Harninkontinenz betroffen als kastrierte Hündinnen (MÜNNICH 2011), da sie anatomisch betrachtet einen längeren Schließmuskelmechanismus haben (LEHNER u. VON REINHARDT 2013).

Das Risiko für Hündinnen nach der Kastration an Harninkontinenz (HI) zu erkranken liegt in den Literaturangaben zwischen 3 und 21 % (STÖCKLIN-GAUTSCHI 2000;

STÖCKLIN-GAUTSCHI et al. 2001; ANGIOLETTI et al. 2004; REICHLER et al. 2005).

Kastration

♂/♀

Hypothyreose

Adipositas Fellverän-

derung

Harninkontinenz Vulvapyodermie/

Vaginitis Verhaltens-

änderung Erkrankungen d. Bewegungs-

apparates

Tumorenstehung

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2 Literaturübersicht

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Bei RUCKSTUHL (1978) waren es 12,2 % (23 von 189) der Hündinnen, bei ARNOLD et al. (1989) erklären die Autoren, dass die erworbene Harninkontinenz bei bis zu 20 % der Hündinnen nach Kastration auftritt. Die Autoren HOLT und THRUSFIELD (1993) geben 3,1 % (53 von 1681) an, OKKENS et al. (1997) 5,7 % (15 von 264) der Hündinnen und 5 % bei VERONESI et al. (2009), welche in ihrer Studie 750 kastrierte Hündinnen untersuchten. Im Gegensatz dazu tritt Harninkontinenz bei intakten Hündinnen nur bei weniger als einer von hundert auf (THRUSFIELD et al. 1998).

Der kausale Zusammenhang zwischen der Harninkontinenz und dem Eingriff wurde bereits von JOSHUA (1965) vermutet, aber erst 20 Jahre später statistisch durch THRUSFIELD (1985) belegt. Ob ein Zusammenhang zwischen dem Alter zum Zeitpunkt der Kastration und dem Auftreten von Harninkontinenz besteht, ist unklar (THRUSFIELD et al. 1998; KUSTRITZ 2007).

Der Abstand zwischen dem ersten Auftreten der Harninkontinenz und der Kastration des Tieres ist sehr unterschiedlich (BLENDINGER et al. 1995a). Es kann unmittelbar oder erst Jahre später zur Inkontinenz des Hundes kommen (AUGSBURGER 1995).

Die Zeiträume sind je nach Autor sehr verschieden. In einer großen Studie von ANGIOLETTI et al. (2004) mit 430 untersuchten Hündinnen traten 72,8 % der Fälle von Harninkontinenz innerhalb des ersten Jahres auf. Laut ARNOLD et al. (1989) tritt die Harninkontinenz bei 75 % der Patienten erst innerhalb der ersten drei Jahre nach der Kastration auf. Eine der größten Studien zu Risikofaktoren für das Auftreten von Harninkontinenz führten DE BLESER et al. im Jahre 2011 durch. Die Autoren fanden heraus, dass der Abstand zwischen dem erstmaligen Auftreten der Harninkontinenz und der Kastration fünf Jahre beträgt. Zu diesem Ergebnis kamen auch OKKENS et al.

(2002) in ihrer Studie mit 264 Hunden. Die Autoren VERONESI et al. (2009) untersuchten 750 Hündinnen und kamen zu dem Ergebnis, dass zusätzlich das Kastrationsalter den Beginn der Harninkontinenz beeinflusst und sie bei älteren Hündinnen früher eintritt.

Ob eine Ovarektomie oder eine Ovariohysterektomie durchgeführt wird, beeinflusst das Risiko einer auftretenden Harninkontinenz nicht. Es gibt keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Operationsmethoden (OKKENS et al. 1997, 2002;

VAN GOETHEM et al. 2006; VERONESI et al. 2009; NICKEL 2014).

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2 Literaturübersicht

12 2.2.1.1 Pathophysiologie

Die Pathophysiologie der Harninkontinenz ist nicht vollständig geklärt, eventuell spielt die nach der Kastration veränderte Sekretion der übergeordneten Geschlechtshormone GnRH, FSH und LH eine gewisse Rolle (PONGLOWHAPAN et al. 2008).

Das kastrationsbedingte Harnträufeln bei Rüden und Hündinnen gehört zu den Sphinkterinkompetenzen (ROSIN u. BARSANTI 1981; RICHTER u. LING 1985;

MÜNNICH 2011). Diese Form zeigt sich durch unwillkürlichen, intermittierenden Harnverlust beim Schlafen oder Liegen des Tieres (HOLT 2008). Bei kontinenten Hündinnen nimmt der Harnröhrenverschlussdruck nach Ovarektomie innerhalb von 12 Monaten signifikant ab (ROSIN u. BARSANTI 1981; RICHTER u. LING 1985; ARNOLD 1997a). Die Sphinkterinkompetenz kann mittels Urethradruckprofilen (UPP) belegt werden. Dabei wird der intraluminale Druck in der Blase und entlang der Harnröhre gemessen. Als Differenz der beiden Werte lässt sich der Verschlussdruck der Urethra als wichtigster Parameter berechnen (ARNOLD 1997a). Dieser Druck ist bei inkontinenten Hündinnen deutlich niedriger (4,6 +/- 2,3 cm H2O) als bei kontinenten Hündinnen (18,6 +/- 10,5 cm H2O). Die Gonadektomie wirkt sich somit nicht nur auf das hormonelle Gleichgewicht aus, sondern verändert auch verschiedene Komponenten der extrazellulären Matrix im urogenitalen Gewebe. Kollagen ist ein wichtiger Bestandteil der Blase und der Harnröhrenwände und damit entscheidend für die mechanischen Eigenschaften der normalen unteren Harntraktfunktionen. PONGLOWHAPAN et al.

(2008) wollten anhand des Verhältnisses von Kollagen- und Muskelgewebe im unteren Harntrakt von intakten und kastrierten Hunden den Beweis des Einflusses der Kastration erbringen. Sie stellten fest, dass kastrierte männliche und weibliche Hunde einen höheren Anteil an Kollagen und folglich einen geringeren Muskelanteil als intakte Hunde hatten (p=0,001).

Beim Rüden tritt die Harninkontinenz durchschnittlich erst 1,4 Jahre nach der Kastration auf. Der Grund hierfür liegt in den Nebennieren des kastrierten Rüden. In diesen wird eine geringe Menge an Testosteron gebildet, welches im Normalfall für die Aufrechterhaltung der Kontinenz ausreicht (MÜNNICH 2011).

POWER et al. (1998) verglichen im Jahre 1998 die Röntgenaufnahmen von 37 inkontinenten erwachsenen Rüden mit Harnröhrensphinkterinkompetenz mit denen von 28 Kontrollhunden. Das Ziel der Autoren war es festzustellen, ob Unterschiede in der

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2 Literaturübersicht

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Blasenhalsposition und der Harnröhrenlänge, wie bei der Hündin, die Pathophysiologie der Harnröhrensphinkterinkompetenz beeinflussen. Die Blasenhalsposition war signifikant verschieden im Vergleich zu den kontinenten Hunden. Bei inkontinenten Rüden war eine weiter im Becken liegende Blase wahrscheinlicher (p<0,005) als eine Lage im Bereich vor dem Becken. Allerdings gab es beim Einfluss der Körpergröße im Gegensatz zur Hündin keinen signifikanten Unterschied in der proximalen Harnröhrenlänge zwischen den beiden Gruppen. Der Zusammenhang zwischen der Blasenhalsposition mit der Prostatagröße war signifikant (p <0,001). Dies könnte ein Grund dafür sein, warum kastrierte männliche Hunde anfälliger für die Harnröhrensphinkterinkompetenz sind als intakte Rüden.

2.2.1.2 Risikofaktoren

Risikofaktoren für die kastrationsbedingte Harninkontinenz sind wie zuvor aufgeführt:

die Rassezugehörigkeit, der Zeitpunkt der Kastration (prä- oder postpubertär), die Größe, Adipositas, Kupieren der Rute, die Länge der Harnröhre sowie die Position des Blasenhalses weit caudal und das Körpergewicht des Hundes.

Kastrationszeitpunkt

Bezüglich der Häufigkeit des Auftretens der Inkontinenz in Abhängigkeit vom Kastrationszeitpunkt gehen die Meinungen auseinander.

Hunde können präpubertär kastriert werden, das heißt vor dem Erreichen der Geschlechtsreife oder aber postpubertär. Einige Untersuchungen gaben an, dass die Kastration der Hündin vor der ersten Läufigkeit das Risiko an Harninkontinenz zu erkranken erhöht, im Vergleich zur Kastration nach der ersten Läufigkeit (THRUSFIELD et al. 1998; REICHLER et al. 2005). Demgegenüber steht eine Schweizer Studie, bei der das Auftreten der Harninkontinenz niedriger war, wenn die Hündinnen vor der ersten Läufigkeit kastriert wurden (STÖCKLIN-GAUTSCHI et al. 2001). SPAIN et al. (2004) sahen sich die präpubertär kastrierten Hunde genauer an und kamen zu dem Ergebnis, dass sich das Risiko für das Auftreten von Harninkontinenz deutlich erhöht, je eher die Hündinnen kastriert wurden und wenn die Hunde in einem Alter von unter drei Monaten frühkastriert werden. Insgesamt 12,9 % der vor dem dritten Lebensmonat kastrierten Hündinnen zeigten eine Harninkontinenz gegenüber 5 % der Hündinnen, die erst im

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2 Literaturübersicht

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Alter zwischen einem halben und einem Jahr kastriert wurden (SPAIN et al. 2004). Bei kurz vor der ersten Läufigkeit (ebenfalls präpubertär) kastrierten Hündinnen sinkt das Risiko um 50 % (REICHLER et al. 2005). Jedoch sind die Symptome bei der Frühkastration wesentlich stärker ausgeprägt (ARNOLD et al. 1989; STOLLA 2002;

SPAIN et al. 2004). 90 % der frühkastrierten Hündinnen zeigten täglich Inkontinenz im Gegensatz zu inkontinenten Hündinnen, welche erst nach der ersten Läufigkeit kastriert wurden. Diese sind seltener oder meist ausschließlich während der Schlafphase inkontinent (GÜNZEL-APEL u. BOSTEDT 2016).

Körpergewicht

Ein weiterer Risikofaktor stellt das Körpergewicht des Hundes dar. Schwere Hunde neigen eher zu kastrationsbedingter Inkontinenz als leichte (RUCKSTUHL 1978;

ARNOLD et al. 1989; HOLT u. THRUSFIELD 1993; BLENDINGER et al. 1995b;

ARNOLD 1997a; STÖCKLIN-GAUTSCHI et al. 2001; BURGHERR et al. 2007). Nach Ansicht der Autoren besteht eine Korrelation zwischen dem Gewicht des Hundes und dem Risiko an Harninkontinenz zu erkranken. Laut Literatur sind 30 % der Hündinnen mit einem Körpergewicht über 20 Kilogramm und 10 % der Hündinnen mit einem Körpergewicht von unter 20 Kilogramm betroffen (REICHLER 2009, 2010a). In der Studie von STÖCKLIN-GAUTSCHI et al. (2001) waren 12,5 % der Hündinnen von Harninkontinenz betroffen, welche ein Körpergewicht über 20 Kilogramm hatten und nur 5,1 % der Hündinnen mit einem Gewicht unter 20 Kilogramm.

Größe

Bei den Hündinnen sind insbesondere große Hunderassen im Gegensatz zu kleineren Hunderassen prädisponiert (RUCKSTUHL 1978; HOLT 1985; HOLT u. THRUSFIELD 1993; STÖCKLIN-GAUTSCHI et al. 2001; ANGIOLETTI et al. 2004). NIEPEL (2007) teilte die Hunde in einer Fragebogenstudie nach Schulterhöhen ein. In dieser waren 13 % der Hündinnen mit einer Schulterhöhe unter 40 cm harninkontinent im Gegensatz zu 33 % mit einer Schulterhöhe über 40 cm.

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2 Literaturübersicht

15 Rasseprädisposition

Einen Einfluss für das Auftreten von Harninkontinenz hat unter anderem die Rasse des Hundes. Für folgende Hunderassen wurde bisher eine Rassedisposition beschrieben:

Boxer, Rottweiler, Dobermann, Irish Setter, Weimaraner, Springer Spaniel, Bobtail und Riesenschnauzer (ARNOLD 1997a; REICHLER 2010a). Als Rasse sind vor allem die Boxer disponiert (BLENDINGER et al. 1995a; ARNOLD 1997a). In einer schweizerischen Studie waren 16 von 20 kastrierten Boxerhündinnen (80 %) im Verlauf inkontinent (ARNOLD et al. 1989). In einer holländischen Studie waren drei von 15 kastrierten Dobermannhündinnen (20 %) inkontinent (OKKENS et al. 1997).

2.2.2 Hypothyreose

Die Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) ist nach dem Diabetes mellitus und dem Cushing-Syndrom die häufigste Endokrinopathie des Hundes (REUSCH u. BORETTI 2006). Eine Hypothyreose soll bei kastrierten Hunden häufiger auftreten als bei intakten Hunden (MILNE u. HAYES 1981; PANCIERA 1994). MILNE und HAYES (1981) untersuchten in einer großen Studie insgesamt 3206 Hunde mit diagnostizierter Hypothyreose (einschließlich Myxödem) von 1,1 Millionen Hunden aus 15 veterinärmedizinischen Lehrkrankenhäusern zwischen März 1964 und Juni 1978. Sie schätzten neun Hunderassen mit einem hohen Risiko für die Hypothyreose ein.

Darunter fielen der Golden Retriever, Dobermann, Dackel, Sheltie, Irish Setter, Zwergspitz, Zwergschnauzer, Cocker Spaniel und der Airedale Terrier. Eine klare Rassendisposition konnten REUSCH und BORETTI (2006) nicht nachweisen. Von den 66 erkrankten Patienten in ihrer Studie waren 19 Mischlinge und 47 Rassehunde vertreten.

VAN DER WALT et al. (1983) führten Ovarektomien bei 12 Schäferhündinnen durch, um die Auswirkungen auf die Schilddrüsenfunktion zu untersuchen. Die Autoren stellten anhand von Blutuntersuchungen fest, dass es nach der durchgeführten Kastration zu einem starken Abfall der Östrogenkonzentration kommt und auch die Konzentrationen von T3, T4 und fT4 massiv abfielen. Diese pendelten sich innerhalb von drei Wochen post operationem auf um bis zu 22 % erniedrigte Werte ein. Auch PANCIERA (1994) vertritt die Meinung, dass die Kastration eine der bedeutendsten geschlechtsspezifischen Risikofaktoren für die Entwicklung einer Hypothyreose sei. Kastrierte männliche und

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2 Literaturübersicht

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weibliche Hunde hatten ein höheres relatives Risiko für die Entwicklung einer Hypothyreose als intakte Hunde. Laut PANCIERA (1994) sind Hunderassen mit einem deutlich erhöhten Risiko, verglichen mit anderen Rassen, die Dobermann Pinscher und Golden Retriever. SUNDBURG et al. (2016) analysierten 90.090 Patientenakten vom William R. Pritchard Veterinary Medical Teaching Hospital an der Universität von Kalifornien, Davis von 1995 bis 2010, um das Risiko der immunvermittelten Krankheiten im Verhältnis zu kastrierten Hunden zu bestimmen. Kastrierte Hunde hatten ein wesentlich größeres Risiko an Hypothyreose zu erkranken. Für kastrierte Weibchen gaben sie eine Odds-Ratio von 3,03±0,39 und für kastrierte Männchen eine Odds Ratio von 1,29±0,11 an.

Bei DIXON et al. (1999) zeigte die Kastration keinen eindeutigen Einfluss auf das Erkrankungsrisiko. In die Studie der Autoren gingen Hunde ein, bei denen über einen TSH-Stimulationstest eine Schilddrüsenunterfunktion festgestellt worden war oder ausgeschlossen wurde. Die erkrankten Hunde wurden mit gleichaltrigen gesunden Hunden verglichen. Es wurden keine Zusammenhänge zwischen dem Reproduktionsstatus, der Rasse oder dem Geschlecht und der Entstehung einer Hypothyreose festgestellt. GÜNZEL-APEL et al. (2009) beschrieben ebenfalls in ihrer Studie mit männlichen Beaglen, dass eine Gonadektomie keinen Einfluss auf die Entstehung einer Hypothyreose hat. In 60 % der Fälle ist die Hauptursache einer Hypothyreose eine Autoimmunerkrankung. PANCIERA (1994) stellt die Hypothese auf, dass das Absinken der Sexualhormonspiegel bei kastrierten Tieren einen negativen Einfluss auf das Immunsystem der Hunde habe.

Laut DANCKERT (1998) sind es vor allem kleinere Hunderassen die an Krankheiten des Endokriniums leiden. REUSCH u. BORETTI (2006) stellten hingegen fest, dass die Erkrankung eher bei Hunden mittelgroßer und großer Rassen häufiger vorkommt.

2.2.3 Auswirkungen auf den Bewegungsapparat

Aktuell wird laut ARLT et al. (2017) vermehrt ein erhöhtes Risiko für Erkrankungen des Bewegungsapparates bei kastrierten Hunden diskutiert. Jedoch wurden häufig weitere Einflussfaktoren wie der Ernährungszustand des Hundes, Alter und Haltung nicht miterfasst.

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2 Literaturübersicht

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Die Skelettentwicklung wird durch die Frühkastration beeinflusst. So kommt es zu einem verzögerten Schluss der Wachstumsfugen und das Knochenwachstum verlängert sich (SALMERI et al. 1991). Der Größenunterschied zwischen den kastrierten und intakten Hunden ist jedoch gering. Durch die verlängerte Wachstumsphase kommt es nach SALMERI et al. (1991) bei allen männlichen und weiblichen Hunden, die mit sieben Wochen kastriert wurden, zu einer größeren endgültigen Radius- und Ulnalänge als bei Hunden, die mit sieben Monaten kastriert wurden.

HART et al. (2016) untersuchten an der Universität von California-Davis, Veterinary Medical Teaching Hospital (VMTH), Aufzeichnungen über einen Zeitraum von 14,5 Jahren bezüglich Gelenkserkrankungen des Deutschen Schäferhundes, welche mit der Kastration assoziiert sein sollen. Es gingen 1170 intakte und kastrierte Schäferhunde in die Studie ein. Der Deutsche Schäferhund spielt unter anderem im militärischen Bereich und bei der Polizei eine wichtige Rolle. Von daher ist es wichtig, die Vor- und Nachteile von Kastrationsfolgen gut abwägen zu können, um die Nutzungsdauer der Hunde nicht zu verkürzen. Die Hunde wurden auf Hüftgelenksdysplasie (HD), Ellenbogengelenksdysplasie (ED) und Ruptur des kranialen Kreuzbandes (CCL) untersucht. Bei den intakten Rüden wurden 7 % mit einer oder mehreren Gelenkerkrankungen ermittelt. Bei Rüden, die in einem Alter von unter einem Jahr kastriert wurden und von einer oder mehreren Gelenkstörungen betroffen waren, lag ein signifikant höherer Prozentsatz von 21 % vor. In der Gruppe der intakten Hündinnen wurde bei 5 % eine oder mehrere Gelenkerkrankungen diagnostiziert. Im Vergleich dazu waren es 16 % der Hündinnen, die mit unter einem Jahr kastriert wurden. Die orthopädische Erkrankung, die am häufigsten mit einer frühen Kastration einherging und mit erhöhter Anzahl auftrat, war die Ruptur des kranialen Kreuzbandes.

2.3 Weitere Einflüsse der Kastration 2.3.1 Fellveränderungen

Obwohl häufig aus der Praxis über Fellveränderungen nach der Kastration berichtet wird, gibt es hierzu keine evidenzbasierten Daten (MINKS 2015). Der Fellwechsel des Hundes ist nach der Kastration laut JOSHUA (1965) und STÖCKLIN-GAUTSCHI (2000) weniger intensiv aber dafür ganzjährig. Selten werden symmetrische Alopezien in der Flankenregion beobachtet (WEHREND 2010). Hündinnen neigen eher zu

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2 Literaturübersicht

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Haarveränderungen nach der Kastration als Rüden (REICHLER 2010b; MINKS 2015).

In der Literatur sind verschiedenste Rassedispositionen beschrieben. Grundsätzlich sind Rassen mit viel Unterwolle wie beispielsweise Retriever, Landseer, Eurasier, Berner Sennenhund oder der Neufundländer davon betroffen (STÖCKLIN-GAUTSCHI 2000; REICHLER 2010b). Auch Hunde mit leicht gewelltem Deckhaar, wie Setter, Langhaardackel, Cavalier King Charles- und Cockerspaniel wurden erfasst (GÜNZEL- APEL 2016). Andere Autoren benennen Rassedispositionen nach ihrer Fellbeschaffenheit wie Stockhaar, Rauhaar, Langhaar und rotem Haar (MINKS 2015).

Da das veränderte Fell der Hunde an das Haarkleid im Welpenalter erinnert, spricht man vom sogenannten „Welpenfell“.

Bei Hündinnen, bei denen kastrationsbedingte Fellveränderungen zu erwarten sind, empfiehlt GÜNZEL-APEL (2016) eine Ovariohysterektomie durchführen zu lassen, um gegebenenfalls risikoärmer mit Östriol (Incurin®) behandeln zu können. Das Medikament ist für die Behandlung der Harninkontinenz zugelassen. Ebenso dient es zur Verbesserung des Haarkleides und durch die Ovariohysterektomie würde das Risiko einer Metropathie ausgeschlossen werden. Es müsste jedoch vorher für die Behandlung der kastrationsbedingten Fellveränderung entsprechend umgewidmet werden.

Eine weitere mögliche Therapieoption für die Hündinnen zur Verbesserung der Fellqualität ist derzeitig die Applikation eines Deslorelinimplantats, dessen Wirkmechanismus auf die Fellqualität jedoch bisher ungeklärt ist (REICHLER et al.

2008).

2.3.2 Adipositas

Obesitas, auch Adipositas genannt, nach Gonadektomie wird auf eine unkontrollierte Futteraufnahme nach der Kastration zurückgeführt (GÜNZEL-APEL u. BOSTEDT 2016). Kastrierte Hündinnen und Rüden zeigen laut den Autoren BRINKMANN (2015) und HEIDENBERGER und UNSHELM (1990) einen höheren Appetit. Die Autorin BRINKMANN (2015) wertete in ihrer Studie das Verhalten von über 1063 Hunden diesbezüglich aus. Nach BRINKMANN (2015) und ARLT et al. (2017) bestehen signifikante Zusammenhänge zwischen Übergewicht und dem Reproduktionsstatus bei Hunden. 77,0% der von den Besitzern in der Fragebogenstudie von BRINKMANN

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(2015) als adipös beurteilten Hunde waren kastriert. Das relative Risiko für Adipositas ist nach BRINKMANN (2015) für kastrierte Rüden höher als für kastrierte Hündinnen.

Die Kastration ist ein bekannter Risikofaktor für Adipositas bei Hunden, da es zu erhöhter Energieaufnahme kommt bei gleichzeitig reduzierter Aktivität mit einem reduzierten Energiebedarf um 30 % (GERMAN 2006; GÜNZEL-APEL et al. 2009).

Dagegen wurde in der durchgeführten Studie von SALMERI et al. (1991) kein Unterschied bezüglich des Körpergewichtes von kastrierten und intakten Hunden bei gleicher Haltung festgestellt.

Auch der Einfluss des Zeitpunktes der Kastration wird widersprüchlich diskutiert.

SALMERI et al. (1991) untersuchten Hunde eines Wurfes, welche im Alter von sieben Wochen oder im Alter von sieben Monaten kastriert wurden. Diese zeigten mit 15 Monaten weder unterschiedliche Futteraufnahme, Körpergewichte noch unterschieden sich die Dicke der Rückenfettschicht in den verglichenen Gruppen. Nach SALMERI et al. (1991) beeinflusst der Zeitpunkt der Kastration das Risiko an Adipositas zu erkranken nicht. SPAIN et al. (2004) vertreten hingegen die Meinung, dass eine Kastration im Welpenalter, im Vergleich zur späteren Kastration, seltener zu Adipositas zu führt.

Adipositas kann jedoch auch durch Aktivitätssteigerung und restriktive Fütterung beziehungsweise -umstellung verhindert werden. Die höhere Inzidenz von Diabetes mellitus bei kastrierten Hunden könnte auch durch eine Adipositas bedingt sein (RIEDER et al. 2008).

2.3.3 Tumorerkrankungen

ZINK et al. (2014) untersuchte in einer groß angelegten Studie mit 2505 Vizsla, welche zwischen 1992 und 2008 geboren waren, wie hoch die Wahrscheinlichkeit an bestimmten Tumoren zu erkranken für kastrierte Hunde im Vergleich zu intakten war.

Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass Hunde, welche in einem Alter von ≥ 6 Monaten, zwischen sieben und 12 Monaten oder im Alter von > 12 Monaten kastriert wurden, eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit hatten, an Mastzelltumoren, Lymphomen und anderen Tumoren zu erkranken als sexuell intakte Hunde. Hündinnen, welche im Alter von ≤ 12 Monaten kastriert wurde und kastrierte Hündinnen und Rüden über 12 Monate hatten ein signifikant höheres Risiko ein Hämangiosarkom zu entwickeln als intakte Hunde. Je jünger das Alter des Hundes zum Zeitpunkt der

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Kastration war, desto früher erfolgte die Diagnose unter anderem von Mastzelltumoren, Hämangiosarkomen, Lymphomen oder andere Tumoren,

TORRES DE LA RIVA et al. (2013) untersuchten an 395 Rüden und 364 Hündinnen der Rasse des Golden Retriever den Einfluss der Kastration und des Kastrationszeitpunktes auf die Entstehung tumoröser Erkrankungen. Frühkastrierte Hunde, im Alter von unter 12 Monaten, entwickelten signifikant häufiger maligne Lymphome. Spätkastrierte Hunde entwickelten signifikant häufiger Hämangiosarkome und Mastzelltumore.

Die am häufigsten von einer Tumorerkrankung betroffenen Retriever-Rassen waren in der Retriever-Studie von BRÜMMER (2008) der Flat-Coated Retriever mit 17,9 % und der Golden Retriever mit 16,4 %.

Mammatumoren sind die am häufigsten auftretenden malignen Tumoren der Hündin (KRASTEL 2017). 50 % dieser Tumoren sind bösartig. Wenn Hündinnen vor der ersten Läufigkeit kastriert werden, besteht noch ein 0,5%iges relatives Risiko daran zu erkranken. Bei einer Kastration zwischen der ersten und zweiten Läufigkeit beträgt das Risiko 8 %, nach der zweiten Läufigkeit 26 % und nach 2,5 Jahren geht der präventive Effekt der Kastration verloren (SCHNEIDER et al. 1969).

Eine Rasseprädisposition für das Auftreten von Mammatumoren wird für kleinere Rassen wie Dackel, Yorkshire Terrier, Malteser, Papillon oder Zwergspitz, aber auch für kleine bis mittelgroße Spanielrassen und für Boxer beschrieben (GRÜNTZIG et al. 2016;

KOMAZAWA et al. 2016). In einem Review von 2012 wurden von BEAUVAIS et al.

(2012a) Literatur zur protektiven Wirkung der Kastration auf die Entstehung von Mammatumoren und der Risikofaktor Kastrationszeitpunkt systematisch überprüft.

Aufgrund der begrenzten verfügbaren Beweise und der Gefahr der Voreingenommenheit in den veröffentlichten Ergebnissen, werden die Belege, dass die Kastration das Risiko von Mammatumoren verringert, und die Beweise, dass das Alter zum Zeitpunkt der Kastration einen Einfluss hat, als schwach eingestuft. Die Ergebnisse sind für die Autoren keine solide Grundlage für eine feste Empfehlung der Kastration im jugendlichen Alter. Im Gegensatz dazu steht die Abnahme der Mammatumor-Inzidenz nach Einführung der Frühkastration in den USA (SORENMO et al. 2000). Auch ZINK et al. (2014) konnten mit ihrer klinischen Tumorstudie eine Senkung des Risikos für Mammatumoren nach frühzeitiger Kastration feststellen. Ein gleiches Ergebnis konnten

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auch TORRES DE LA RIVA et al. (2013) mit Golden Retrievern und HART et al. (2016) mit der Rasse des Deutschen Schäferhundes verzeichnen.

2.3.4 Einfluss der Kastration auf das Verhalten

Der Einfluss der Kastration auf das Verhalten von Rüden kann vom Zeitpunkt der Kastration abhängen. Durch eine Frühkastration des Rüden kann Aggressionsverhalten gegenüber anderen Rüden drastisch reduziert werden. Erlerntes unerwünschtes Verhalten kann jedoch dadurch nicht beeinflusst werden. Laut HEIDENBERGER und UNSHELM (1990) zeigen männliche Hunde nach der Kastration öfter und deutlicher Verhaltensänderungen als weibliche Hunde. 49 von 80 aggressiven Rüden und 25 von 47 Hündinnen sind nach der Studie aus dem Jahre 1990 nach der Kastration sanfter.

10 Hündinnen schienen erst aggressiv im Verhalten geworden zu sein, nachdem sie kastriert wurden. Das Markieren im Freien und typisches Deckverhalten wird bei Rüden dagegen selbst durch eine Kastration im Welpenalter nicht völlig verhindert (HEIDENBERGER u. UNSHELM 1990; SALMERI et al. 1991). Die Frühkastration soll beim Rüden keinen negativen Einfluss auf die Verhaltensentwicklung haben (SALMERI et al. 1991). Die Ergebnisse aus der Fragebogenstudie von BRINKMANN (2015) zeigen jedoch, dass Hunde, die vor der sozialen Reife kastriert wurden, ängstlicher eingeschätzt wurden als intakte und später kastrierte. Es bestand allerdings kein Zusammenhang zwischen einer präpubertären Kastration und einer Aggression gegenüber gleichgeschlechtlichen Artgenossen. Anderer Ansicht sind STRODTBECK und GANSLOßER (2011), welche auf Grund der vielfältigen Einflüsse der Sexualhormone auf das Verhalten die Frühkastration strikt ablehnen. Sie sind der Meinung, dass Sexualhormone in der Pubertät für Umbauprozesse im Gehirn verantwortlich seien, die eine verbesserte Reizleitung zur Folge hätten und Verhaltensweisen, die in der Sozialisierungsphase erlernt wurden, festigen. Für diese Hypothese gibt es bisher noch keine Bestätigung durch wissenschaftliche Studien an Hunden.

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3 Material und Methoden

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3.1 Der Fragebogen

Als Datenquelle für die vorliegende Arbeit diente eine Fragebogenstudie von Frau Dr. Julia Brinkmann zum Dissertationsthema: „Verhalten sich kastrierte Hunde anders als nicht kastrierte?“ (BRINKMANN 2015).

Der Fragebogen (►Abb. 10-1 im Anhang) konnte von Juni 2011 bis März 2013 online international aufgerufen und von Hundehaltern ausgefüllt werden.

Der 18-seitige Fragenkatalog bestand aus 50 Fragen. In der Literatur werden bezüglich der Art der Fragestellung zwei Fragetypen unterschieden: geschlossene und offene Fragen (KONRAD 2007). Der hier verwendete Fragebogen enthielt sowohl geschlossene Fragestellungen, welche mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden konnten, als auch offene Fragen, mit freien Antwortmöglichkeiten. Der erste Teil des Fragebogens umfasste allgemeine Angaben zum Hund sowie Fragen zu gesundheitlichen Aspekten. Dies waren vorwiegend Erkrankungen, deren Auftreten im Zusammenhang mit der Kastration vermutet werden. Hierzu gehören beispielsweise Harninkontinenz, Fellveränderungen, Hypothyreose oder Probleme mit dem Bewegungsapparat. Bei Hündinnen wurde nicht nach dem genauen Operationsverfahren für die Kastration gefragt, bzw. nicht zwischen einer Ovariektomie oder Ovariohysterektomie unterschieden. Der zweite Teil der Befragung bezog sich auf die Erziehung und das Verhalten des Hundes.

3.2 Aufarbeitung der Fragebögen

Zu Beginn dieser Auswertung lagen Daten von insgesamt 6854 kastrierten und intakten Hunden verschiedener Rassen aus dieser Fragebogenstudie vor. Diese waren in einer SPSS-Datei mit je 321 Variablen pro Fragebogen als Rohdaten eingetragen. 6686 Datensätze gingen letztendlich nach sorgfältiger Aufarbeitung in die Auswertung ein.

Eine Liste der 205 Rassevertreter ist dem Anhang ►Tab. 10-2 zu entnehmen. Aus dem ursprünglichen Datensatz wurden die Variablen herausgenommen, welche für die Auswertung der vorliegenden Fragestellung zu möglichen Kastrationsfolgen keine Relevanz hatten. Fehlende Werte in der Datenmatrix wurden mit dem Zahlencode „999“

gekennzeichnet. Items, welche durch den Hundebesitzer mit „weiß nicht“ beantwortet wurden, wurden ebenfalls eliminiert, da sie für die Auswertung als fehlende Angaben

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galten. Fragebögen, welche von Besitzern für zwei Hunde gleichzeitig ausgefüllt wurden, sowie doppelt aufgeführte oder nicht auswertbare Datensätze, wurden ebenfalls aussortiert. Fragebögen mit unbekannten Hunderassen oder Abkürzungen von Hunderassen, welche sich nicht eindeutig zuordnen ließen, gingen nicht in die Auswertung ein. Ebenso wurden 134 chemisch kastrierte Rüden herausgenommen, welche laut Angaben des Hundebesitzers ein Suprelorin® Implantat mit dem Wirkstoff Deslorelin erhalten hatten, da dieser nur für eine kurze Zeit die Fortpflanzungsfähigkeit herabsetzt.

Zahlenwerte, wie z.B. Gewicht in Kilogramm oder Schulterhöhe in Zentimeter, wurden auf ganze Zahlen auf- bzw. abgerundet.

Auf Grund der Fragestellung wurden für die Auswertung der Zusammenhänge von bestimmten Erkrankungen mit der Kastration beim Hund vergleichbare Gruppen gebildet. Dafür wurden neue Variablen erstellt, wie z.B. „früh- und spätkastrierte Hunde“,

„Mischlinge über und unter 20 Kilogramm Körpergewicht“ oder Gewichts- und Größenklassen. Besonderes Augenmerk wurde dabei auf das Auftreten der Erkrankungen Harninkontinenz, Schilddrüsenunterfunktion sowie Probleme mit dem Bewegungsapparat nach der Kastration gelegt.

Es gingen letztendlich nach sorgfältiger Datensatzbereinigung 6686 Fälle, welche 205 verschiedenen Hunderassen angehörten, in die Auswertungen ein. Die vorgenommene Kodierung und Einteilung der Daten können der ►Tab. 10-1 entnommen werden.

3.3 Datenauswertung

In der vorliegenden Studie wurde die Auswertung der Einflussfaktoren Alter, Größe, Gewicht und Rasse auf Grund der großen Datensatzmenge und der mehr als 40 Vergleichsgruppen (►Abb. 3-1) auf die Kastrationsfolgen Harninkontinenz und Hypothyreose beschränkt. Die Hunde wurden getrenntgeschlechtlich und in Abhängigkeit vom Reproduktionsstatus ausführlich untersucht. Im Hinblick auf eine eventuelle Rassedisposition und damit assoziiert das Körpergewicht, wurden die entsprechenden Fragen aus dem Fragebogen zu Problemen mit dem Bewegungsapparat ausgewertet.

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Die statistische Datenauswertung erfolgte mit Hilfe der Statistik Programme IBM SPSS Statistics, Version 24 und SAS Enterprise Guide 7.1. Im Folgenden werden die Darstellungen und Tests, welche für die deskriptive Datenanalyse gewählt wurden, aufgeführt.

Die Verteilungsform der Stichproben war nicht normalverteilt. Die Rasseverteilung der Hunde war unterschiedlich, die Größen- und Alters- und Gewichtsverteilungen ebenfalls. Daher wurden nichtparametrische Tests verwendet.

In den Häufigkeitstabellen wurde zunächst die Zuordnung der absoluten bzw. relativen Häufigkeiten zu den Merkmalsausprägungen dargestellt. Dadurch erhält man einen Überblick, wie sich die Häufigkeiten auf die einzelnen Merkmalsausprägungen verteilen (AUER u. ROTTMANN 2015). Die Darstellung der Ergebnisse erfolgte in Form von Tabellen und Abbildungen mit Hilfe der SPSS-Software IBM SPSS Statistics, Version 24 sowie Microsoft Office Excel 2016.

Der Zusammenhang zwischen nominalskalierten beziehungsweise dichotomen (wie z.B. Geschlecht des Hundes, Harninkontinenz, Hypothyreose, Erkrankungen des Bewegungsapparates u.a.) und ordinalskalierten Variablen (z.B. Gewichts- oder Größeneinteilungen) wurde mit Kreuztabellen beschrieben und mit dem Chi-Quadrat- Test nach Pearson auf Signifikanz überprüft. Der p-Wert wurde als Maß für den Chi- Quadrat-Test bestimmt. Ergebnisse mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit p ≤ 0,001 wurden als hochsignifikant, Werte mit p ≤ 0,05 als signifikant und p > 0,05 als statistisch nicht signifikant angesehen. Als Maß für die Stärke des Zusammenhangs wurde Cramers-V nach KUCKARTZ et al. (2013) gewählt. Nach diesem besteht bei

• 0,0 ≤ Cramer-V < 0,1 kein Zusammenhang

• 0,1 ≤ Cramer-V < 0,3 geringer Zusammenhang

• 0,3 ≤ Cramer-V < 0,5 mittlerer Zusammenhang

• 0,5 ≤ Cramer-V < 0,7 hoher Zusammenhang

• 0,7 ≤ Cramer-V < 1,0 ein sehr hoher Zusammenhang.

Der Risikoschätzer, auch Odds Ratio (OR) genannt, wurde verwendet, um die Ergebnisse der zuvor erstellten Gruppen (►Abb. 3-1) miteinander zu vergleichen. Es wurde das Verhältnis, der Verhältnisse von erkrankten Hunden mit Exposition (z.B.

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kastrierte Hunde mit Harninkontinenz=HI) zu erkrankten Hunden ohne Exposition (intakte Hunde mit HI) und Gesunden mit Exposition (kastrierte Hunde ohne HI) zu Gesunden ohne Exposition (intakte Hunde ohne HI) berechnet. Somit konnte für die Gruppe der Exponierten (z.B. kastrierte Hunde mit HI) beschrieben werden, wieviel häufiger erkrankte Hunde in dieser als in der Gruppe der Nichtexponierten auftreten.

In den Gruppen der intakten und kastrierten Hunde wurde zusätzlich getrenntgeschlechtlich untersucht, ob der Risikofaktor Alter zum Zeitpunkt der Kastration Einfluss auf die oben genannten Erkrankungen hat, ebenso die Risikofaktoren Größe, Gewicht oder Rassezugehörigkeit.

Es wurden darüber hinaus aus den Werten der Kreuztabellen Übersichtstabellen erstellt, welche mit SPSS errechnet wurden. In diesen sind die Ergebnisse aus den Kreuztabellen für die Kastrationsfolgen Harninkontinenz, Hypothyreose und Probleme mit dem Bewegungsapparat übersichtlich zusammengefasst worden. Es lassen sich unter anderem die Prozentzahlen der erkrankten Hunde aus den jeweiligen Alters-, Gewichts und Größengruppen entnehmen. Zusätzlich enthalten sie die errechneten Signifikanzen, die Odds-Ratio und das Relative Risiko für kastrierte Hunde an HI oder SDU zu erkranken und die Stärke des Zusammenhangs durch Cramer-V. Die Übersichten geben den direkten Vergleich des Auftretens der Erkrankungen Harninkontinenz, Hypothyreose und Probleme mit dem Bewegungsapparat zwischen Rüden und Hündinnen und auch zwischen dem Reproduktionsstatus „intakt“ oder

„kastriert“ in ihren Vergleichsgruppen wider.

3.3.1 Einteilung der Hunde in Vergleichsgruppen

Die Hunde wurden für die statistische Auswertung in verschiedene Vergleichsgruppen eingeteilt (►Abb. 3-1). Rüden und Hündinnen konnten somit getrenntgeschlechtlich und unter anderem in Abhängigkeit ihres Reproduktionsstatus (intakt/kastriert), ihres Alters, ihrer Größe, ihrer Rasse- und Gewichtsgruppe untersucht werden.

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Abb. 3-1 Einteilung intakter und kastrierter Hunde in Vergleichsgruppen (*Vergleichsgruppen wie bei kastrierten Hunden)

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