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►Abb. 2-1 Mögliche unerwünschte Kastrationsfolgen beim Hund

2.2.1 Harninkontinenz

Die Harninkontinenz (HI), lateinisch Incontinentia urinae, bezeichnet den unwillkürlichen Verlust von Urin. Sie stellt bei der Haltung des Hundes auch für die Besitzer einen hohen Leidensdruck dar. Die Harninkontinenz des Hundes ist eine Folge eines nicht ausreichenden Verschlussmechanismus der Harnröhre, auch als urethrale Sphinkterinkompetenz (USMI) bezeichnet, oder einer gestörten Speicherfunktion der Blase. Sie ist eine gefürchtete Nebenwirkung der Kastration (REICHLER 2010b).

Zusätzlich spielen für das Auftreten von Harninkontinenz verschiedene Einflussfaktoren wie Rassezugehörigkeit, der Zeitpunkt der Kastration (prä- oder postpubertär), die Größe, Adipositas, Kupieren der Rute, die Länge der Harnröhre sowie die Position des Blasenhalses und das Körpergewicht beim kastrierten Hund eine Rolle. Grundsätzlich sind Rüden seltener von Harninkontinenz betroffen als kastrierte Hündinnen (MÜNNICH 2011), da sie anatomisch betrachtet einen längeren Schließmuskelmechanismus haben (LEHNER u. VON REINHARDT 2013).

Das Risiko für Hündinnen nach der Kastration an Harninkontinenz (HI) zu erkranken liegt in den Literaturangaben zwischen 3 und 21 % (STÖCKLIN-GAUTSCHI 2000;

STÖCKLIN-GAUTSCHI et al. 2001; ANGIOLETTI et al. 2004; REICHLER et al. 2005).

Kastration

♂/♀

Hypothyreose

Adipositas

Fellverän-derung

Harninkontinenz Vulvapyodermie/

Vaginitis

Verhaltens-änderung Erkrankungen d.

Bewegungs-apparates

Tumorenstehung

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Bei RUCKSTUHL (1978) waren es 12,2 % (23 von 189) der Hündinnen, bei ARNOLD et al. (1989) erklären die Autoren, dass die erworbene Harninkontinenz bei bis zu 20 % der Hündinnen nach Kastration auftritt. Die Autoren HOLT und THRUSFIELD (1993) geben 3,1 % (53 von 1681) an, OKKENS et al. (1997) 5,7 % (15 von 264) der Hündinnen und 5 % bei VERONESI et al. (2009), welche in ihrer Studie 750 kastrierte Hündinnen untersuchten. Im Gegensatz dazu tritt Harninkontinenz bei intakten Hündinnen nur bei weniger als einer von hundert auf (THRUSFIELD et al. 1998).

Der kausale Zusammenhang zwischen der Harninkontinenz und dem Eingriff wurde bereits von JOSHUA (1965) vermutet, aber erst 20 Jahre später statistisch durch THRUSFIELD (1985) belegt. Ob ein Zusammenhang zwischen dem Alter zum Zeitpunkt der Kastration und dem Auftreten von Harninkontinenz besteht, ist unklar (THRUSFIELD et al. 1998; KUSTRITZ 2007).

Der Abstand zwischen dem ersten Auftreten der Harninkontinenz und der Kastration des Tieres ist sehr unterschiedlich (BLENDINGER et al. 1995a). Es kann unmittelbar oder erst Jahre später zur Inkontinenz des Hundes kommen (AUGSBURGER 1995).

Die Zeiträume sind je nach Autor sehr verschieden. In einer großen Studie von ANGIOLETTI et al. (2004) mit 430 untersuchten Hündinnen traten 72,8 % der Fälle von Harninkontinenz innerhalb des ersten Jahres auf. Laut ARNOLD et al. (1989) tritt die Harninkontinenz bei 75 % der Patienten erst innerhalb der ersten drei Jahre nach der Kastration auf. Eine der größten Studien zu Risikofaktoren für das Auftreten von Harninkontinenz führten DE BLESER et al. im Jahre 2011 durch. Die Autoren fanden heraus, dass der Abstand zwischen dem erstmaligen Auftreten der Harninkontinenz und der Kastration fünf Jahre beträgt. Zu diesem Ergebnis kamen auch OKKENS et al.

(2002) in ihrer Studie mit 264 Hunden. Die Autoren VERONESI et al. (2009) untersuchten 750 Hündinnen und kamen zu dem Ergebnis, dass zusätzlich das Kastrationsalter den Beginn der Harninkontinenz beeinflusst und sie bei älteren Hündinnen früher eintritt.

Ob eine Ovarektomie oder eine Ovariohysterektomie durchgeführt wird, beeinflusst das Risiko einer auftretenden Harninkontinenz nicht. Es gibt keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Operationsmethoden (OKKENS et al. 1997, 2002;

VAN GOETHEM et al. 2006; VERONESI et al. 2009; NICKEL 2014).

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12 2.2.1.1 Pathophysiologie

Die Pathophysiologie der Harninkontinenz ist nicht vollständig geklärt, eventuell spielt die nach der Kastration veränderte Sekretion der übergeordneten Geschlechtshormone GnRH, FSH und LH eine gewisse Rolle (PONGLOWHAPAN et al. 2008).

Das kastrationsbedingte Harnträufeln bei Rüden und Hündinnen gehört zu den Sphinkterinkompetenzen (ROSIN u. BARSANTI 1981; RICHTER u. LING 1985;

MÜNNICH 2011). Diese Form zeigt sich durch unwillkürlichen, intermittierenden Harnverlust beim Schlafen oder Liegen des Tieres (HOLT 2008). Bei kontinenten Hündinnen nimmt der Harnröhrenverschlussdruck nach Ovarektomie innerhalb von 12 Monaten signifikant ab (ROSIN u. BARSANTI 1981; RICHTER u. LING 1985; ARNOLD 1997a). Die Sphinkterinkompetenz kann mittels Urethradruckprofilen (UPP) belegt werden. Dabei wird der intraluminale Druck in der Blase und entlang der Harnröhre gemessen. Als Differenz der beiden Werte lässt sich der Verschlussdruck der Urethra als wichtigster Parameter berechnen (ARNOLD 1997a). Dieser Druck ist bei inkontinenten Hündinnen deutlich niedriger (4,6 +/- 2,3 cm H2O) als bei kontinenten Hündinnen (18,6 +/- 10,5 cm H2O). Die Gonadektomie wirkt sich somit nicht nur auf das hormonelle Gleichgewicht aus, sondern verändert auch verschiedene Komponenten der extrazellulären Matrix im urogenitalen Gewebe. Kollagen ist ein wichtiger Bestandteil der Blase und der Harnröhrenwände und damit entscheidend für die mechanischen Eigenschaften der normalen unteren Harntraktfunktionen. PONGLOWHAPAN et al.

(2008) wollten anhand des Verhältnisses von Kollagen- und Muskelgewebe im unteren Harntrakt von intakten und kastrierten Hunden den Beweis des Einflusses der Kastration erbringen. Sie stellten fest, dass kastrierte männliche und weibliche Hunde einen höheren Anteil an Kollagen und folglich einen geringeren Muskelanteil als intakte Hunde hatten (p=0,001).

Beim Rüden tritt die Harninkontinenz durchschnittlich erst 1,4 Jahre nach der Kastration auf. Der Grund hierfür liegt in den Nebennieren des kastrierten Rüden. In diesen wird eine geringe Menge an Testosteron gebildet, welches im Normalfall für die Aufrechterhaltung der Kontinenz ausreicht (MÜNNICH 2011).

POWER et al. (1998) verglichen im Jahre 1998 die Röntgenaufnahmen von 37 inkontinenten erwachsenen Rüden mit Harnröhrensphinkterinkompetenz mit denen von 28 Kontrollhunden. Das Ziel der Autoren war es festzustellen, ob Unterschiede in der

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Blasenhalsposition und der Harnröhrenlänge, wie bei der Hündin, die Pathophysiologie der Harnröhrensphinkterinkompetenz beeinflussen. Die Blasenhalsposition war signifikant verschieden im Vergleich zu den kontinenten Hunden. Bei inkontinenten Rüden war eine weiter im Becken liegende Blase wahrscheinlicher (p<0,005) als eine Lage im Bereich vor dem Becken. Allerdings gab es beim Einfluss der Körpergröße im Gegensatz zur Hündin keinen signifikanten Unterschied in der proximalen Harnröhrenlänge zwischen den beiden Gruppen. Der Zusammenhang zwischen der Blasenhalsposition mit der Prostatagröße war signifikant (p <0,001). Dies könnte ein Grund dafür sein, warum kastrierte männliche Hunde anfälliger für die Harnröhrensphinkterinkompetenz sind als intakte Rüden.

2.2.1.2 Risikofaktoren

Risikofaktoren für die kastrationsbedingte Harninkontinenz sind wie zuvor aufgeführt:

die Rassezugehörigkeit, der Zeitpunkt der Kastration (prä- oder postpubertär), die Größe, Adipositas, Kupieren der Rute, die Länge der Harnröhre sowie die Position des Blasenhalses weit caudal und das Körpergewicht des Hundes.

Kastrationszeitpunkt

Bezüglich der Häufigkeit des Auftretens der Inkontinenz in Abhängigkeit vom Kastrationszeitpunkt gehen die Meinungen auseinander.

Hunde können präpubertär kastriert werden, das heißt vor dem Erreichen der Geschlechtsreife oder aber postpubertär. Einige Untersuchungen gaben an, dass die Kastration der Hündin vor der ersten Läufigkeit das Risiko an Harninkontinenz zu erkranken erhöht, im Vergleich zur Kastration nach der ersten Läufigkeit (THRUSFIELD et al. 1998; REICHLER et al. 2005). Demgegenüber steht eine Schweizer Studie, bei der das Auftreten der Harninkontinenz niedriger war, wenn die Hündinnen vor der ersten Läufigkeit kastriert wurden (STÖCKLIN-GAUTSCHI et al. 2001). SPAIN et al. (2004) sahen sich die präpubertär kastrierten Hunde genauer an und kamen zu dem Ergebnis, dass sich das Risiko für das Auftreten von Harninkontinenz deutlich erhöht, je eher die Hündinnen kastriert wurden und wenn die Hunde in einem Alter von unter drei Monaten frühkastriert werden. Insgesamt 12,9 % der vor dem dritten Lebensmonat kastrierten Hündinnen zeigten eine Harninkontinenz gegenüber 5 % der Hündinnen, die erst im

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Alter zwischen einem halben und einem Jahr kastriert wurden (SPAIN et al. 2004). Bei kurz vor der ersten Läufigkeit (ebenfalls präpubertär) kastrierten Hündinnen sinkt das Risiko um 50 % (REICHLER et al. 2005). Jedoch sind die Symptome bei der Frühkastration wesentlich stärker ausgeprägt (ARNOLD et al. 1989; STOLLA 2002;

SPAIN et al. 2004). 90 % der frühkastrierten Hündinnen zeigten täglich Inkontinenz im Gegensatz zu inkontinenten Hündinnen, welche erst nach der ersten Läufigkeit kastriert wurden. Diese sind seltener oder meist ausschließlich während der Schlafphase inkontinent (GÜNZEL-APEL u. BOSTEDT 2016).

Körpergewicht

Ein weiterer Risikofaktor stellt das Körpergewicht des Hundes dar. Schwere Hunde neigen eher zu kastrationsbedingter Inkontinenz als leichte (RUCKSTUHL 1978;

ARNOLD et al. 1989; HOLT u. THRUSFIELD 1993; BLENDINGER et al. 1995b;

ARNOLD 1997a; STÖCKLIN-GAUTSCHI et al. 2001; BURGHERR et al. 2007). Nach Ansicht der Autoren besteht eine Korrelation zwischen dem Gewicht des Hundes und dem Risiko an Harninkontinenz zu erkranken. Laut Literatur sind 30 % der Hündinnen mit einem Körpergewicht über 20 Kilogramm und 10 % der Hündinnen mit einem Körpergewicht von unter 20 Kilogramm betroffen (REICHLER 2009, 2010a). In der Studie von STÖCKLIN-GAUTSCHI et al. (2001) waren 12,5 % der Hündinnen von Harninkontinenz betroffen, welche ein Körpergewicht über 20 Kilogramm hatten und nur 5,1 % der Hündinnen mit einem Gewicht unter 20 Kilogramm.

Größe

Bei den Hündinnen sind insbesondere große Hunderassen im Gegensatz zu kleineren Hunderassen prädisponiert (RUCKSTUHL 1978; HOLT 1985; HOLT u. THRUSFIELD 1993; STÖCKLIN-GAUTSCHI et al. 2001; ANGIOLETTI et al. 2004). NIEPEL (2007) teilte die Hunde in einer Fragebogenstudie nach Schulterhöhen ein. In dieser waren 13 % der Hündinnen mit einer Schulterhöhe unter 40 cm harninkontinent im Gegensatz zu 33 % mit einer Schulterhöhe über 40 cm.

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Einen Einfluss für das Auftreten von Harninkontinenz hat unter anderem die Rasse des Hundes. Für folgende Hunderassen wurde bisher eine Rassedisposition beschrieben:

Boxer, Rottweiler, Dobermann, Irish Setter, Weimaraner, Springer Spaniel, Bobtail und Riesenschnauzer (ARNOLD 1997a; REICHLER 2010a). Als Rasse sind vor allem die Boxer disponiert (BLENDINGER et al. 1995a; ARNOLD 1997a). In einer schweizerischen Studie waren 16 von 20 kastrierten Boxerhündinnen (80 %) im Verlauf inkontinent (ARNOLD et al. 1989). In einer holländischen Studie waren drei von 15 kastrierten Dobermannhündinnen (20 %) inkontinent (OKKENS et al. 1997).

2.2.2 Hypothyreose

Die Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) ist nach dem Diabetes mellitus und dem Cushing-Syndrom die häufigste Endokrinopathie des Hundes (REUSCH u. BORETTI 2006). Eine Hypothyreose soll bei kastrierten Hunden häufiger auftreten als bei intakten Hunden (MILNE u. HAYES 1981; PANCIERA 1994). MILNE und HAYES (1981) untersuchten in einer großen Studie insgesamt 3206 Hunde mit diagnostizierter Hypothyreose (einschließlich Myxödem) von 1,1 Millionen Hunden aus 15 veterinärmedizinischen Lehrkrankenhäusern zwischen März 1964 und Juni 1978. Sie schätzten neun Hunderassen mit einem hohen Risiko für die Hypothyreose ein.

Darunter fielen der Golden Retriever, Dobermann, Dackel, Sheltie, Irish Setter, Zwergspitz, Zwergschnauzer, Cocker Spaniel und der Airedale Terrier. Eine klare Rassendisposition konnten REUSCH und BORETTI (2006) nicht nachweisen. Von den 66 erkrankten Patienten in ihrer Studie waren 19 Mischlinge und 47 Rassehunde vertreten.

VAN DER WALT et al. (1983) führten Ovarektomien bei 12 Schäferhündinnen durch, um die Auswirkungen auf die Schilddrüsenfunktion zu untersuchen. Die Autoren stellten anhand von Blutuntersuchungen fest, dass es nach der durchgeführten Kastration zu einem starken Abfall der Östrogenkonzentration kommt und auch die Konzentrationen von T3, T4 und fT4 massiv abfielen. Diese pendelten sich innerhalb von drei Wochen post operationem auf um bis zu 22 % erniedrigte Werte ein. Auch PANCIERA (1994) vertritt die Meinung, dass die Kastration eine der bedeutendsten geschlechtsspezifischen Risikofaktoren für die Entwicklung einer Hypothyreose sei. Kastrierte männliche und

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weibliche Hunde hatten ein höheres relatives Risiko für die Entwicklung einer Hypothyreose als intakte Hunde. Laut PANCIERA (1994) sind Hunderassen mit einem deutlich erhöhten Risiko, verglichen mit anderen Rassen, die Dobermann Pinscher und Golden Retriever. SUNDBURG et al. (2016) analysierten 90.090 Patientenakten vom William R. Pritchard Veterinary Medical Teaching Hospital an der Universität von Kalifornien, Davis von 1995 bis 2010, um das Risiko der immunvermittelten Krankheiten im Verhältnis zu kastrierten Hunden zu bestimmen. Kastrierte Hunde hatten ein wesentlich größeres Risiko an Hypothyreose zu erkranken. Für kastrierte Weibchen gaben sie eine Odds-Ratio von 3,03±0,39 und für kastrierte Männchen eine Odds Ratio von 1,29±0,11 an.

Bei DIXON et al. (1999) zeigte die Kastration keinen eindeutigen Einfluss auf das Erkrankungsrisiko. In die Studie der Autoren gingen Hunde ein, bei denen über einen TSH-Stimulationstest eine Schilddrüsenunterfunktion festgestellt worden war oder ausgeschlossen wurde. Die erkrankten Hunde wurden mit gleichaltrigen gesunden Hunden verglichen. Es wurden keine Zusammenhänge zwischen dem Reproduktionsstatus, der Rasse oder dem Geschlecht und der Entstehung einer Hypothyreose festgestellt. GÜNZEL-APEL et al. (2009) beschrieben ebenfalls in ihrer Studie mit männlichen Beaglen, dass eine Gonadektomie keinen Einfluss auf die Entstehung einer Hypothyreose hat. In 60 % der Fälle ist die Hauptursache einer Hypothyreose eine Autoimmunerkrankung. PANCIERA (1994) stellt die Hypothese auf, dass das Absinken der Sexualhormonspiegel bei kastrierten Tieren einen negativen Einfluss auf das Immunsystem der Hunde habe.

Laut DANCKERT (1998) sind es vor allem kleinere Hunderassen die an Krankheiten des Endokriniums leiden. REUSCH u. BORETTI (2006) stellten hingegen fest, dass die Erkrankung eher bei Hunden mittelgroßer und großer Rassen häufiger vorkommt.

2.2.3 Auswirkungen auf den Bewegungsapparat

Aktuell wird laut ARLT et al. (2017) vermehrt ein erhöhtes Risiko für Erkrankungen des Bewegungsapparates bei kastrierten Hunden diskutiert. Jedoch wurden häufig weitere Einflussfaktoren wie der Ernährungszustand des Hundes, Alter und Haltung nicht miterfasst.

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Die Skelettentwicklung wird durch die Frühkastration beeinflusst. So kommt es zu einem verzögerten Schluss der Wachstumsfugen und das Knochenwachstum verlängert sich (SALMERI et al. 1991). Der Größenunterschied zwischen den kastrierten und intakten Hunden ist jedoch gering. Durch die verlängerte Wachstumsphase kommt es nach SALMERI et al. (1991) bei allen männlichen und weiblichen Hunden, die mit sieben Wochen kastriert wurden, zu einer größeren endgültigen Radius- und Ulnalänge als bei Hunden, die mit sieben Monaten kastriert wurden.

HART et al. (2016) untersuchten an der Universität von California-Davis, Veterinary Medical Teaching Hospital (VMTH), Aufzeichnungen über einen Zeitraum von 14,5 Jahren bezüglich Gelenkserkrankungen des Deutschen Schäferhundes, welche mit der Kastration assoziiert sein sollen. Es gingen 1170 intakte und kastrierte Schäferhunde in die Studie ein. Der Deutsche Schäferhund spielt unter anderem im militärischen Bereich und bei der Polizei eine wichtige Rolle. Von daher ist es wichtig, die Vor- und Nachteile von Kastrationsfolgen gut abwägen zu können, um die Nutzungsdauer der Hunde nicht zu verkürzen. Die Hunde wurden auf Hüftgelenksdysplasie (HD), Ellenbogengelenksdysplasie (ED) und Ruptur des kranialen Kreuzbandes (CCL) untersucht. Bei den intakten Rüden wurden 7 % mit einer oder mehreren Gelenkerkrankungen ermittelt. Bei Rüden, die in einem Alter von unter einem Jahr kastriert wurden und von einer oder mehreren Gelenkstörungen betroffen waren, lag ein signifikant höherer Prozentsatz von 21 % vor. In der Gruppe der intakten Hündinnen wurde bei 5 % eine oder mehrere Gelenkerkrankungen diagnostiziert. Im Vergleich dazu waren es 16 % der Hündinnen, die mit unter einem Jahr kastriert wurden. Die orthopädische Erkrankung, die am häufigsten mit einer frühen Kastration einherging und mit erhöhter Anzahl auftrat, war die Ruptur des kranialen Kreuzbandes.

2.3 Weitere Einflüsse der Kastration