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Weitere Einflüsse der Kastration .1 Fellveränderungen .1 Fellveränderungen

Obwohl häufig aus der Praxis über Fellveränderungen nach der Kastration berichtet wird, gibt es hierzu keine evidenzbasierten Daten (MINKS 2015). Der Fellwechsel des Hundes ist nach der Kastration laut JOSHUA (1965) und STÖCKLIN-GAUTSCHI (2000) weniger intensiv aber dafür ganzjährig. Selten werden symmetrische Alopezien in der Flankenregion beobachtet (WEHREND 2010). Hündinnen neigen eher zu

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Haarveränderungen nach der Kastration als Rüden (REICHLER 2010b; MINKS 2015).

In der Literatur sind verschiedenste Rassedispositionen beschrieben. Grundsätzlich sind Rassen mit viel Unterwolle wie beispielsweise Retriever, Landseer, Eurasier, Berner Sennenhund oder der Neufundländer davon betroffen (STÖCKLIN-GAUTSCHI 2000; REICHLER 2010b). Auch Hunde mit leicht gewelltem Deckhaar, wie Setter, Langhaardackel, Cavalier King Charles- und Cockerspaniel wurden erfasst (GÜNZEL-APEL 2016). Andere Autoren benennen Rassedispositionen nach ihrer Fellbeschaffenheit wie Stockhaar, Rauhaar, Langhaar und rotem Haar (MINKS 2015).

Da das veränderte Fell der Hunde an das Haarkleid im Welpenalter erinnert, spricht man vom sogenannten „Welpenfell“.

Bei Hündinnen, bei denen kastrationsbedingte Fellveränderungen zu erwarten sind, empfiehlt GÜNZEL-APEL (2016) eine Ovariohysterektomie durchführen zu lassen, um gegebenenfalls risikoärmer mit Östriol (Incurin®) behandeln zu können. Das Medikament ist für die Behandlung der Harninkontinenz zugelassen. Ebenso dient es zur Verbesserung des Haarkleides und durch die Ovariohysterektomie würde das Risiko einer Metropathie ausgeschlossen werden. Es müsste jedoch vorher für die Behandlung der kastrationsbedingten Fellveränderung entsprechend umgewidmet werden.

Eine weitere mögliche Therapieoption für die Hündinnen zur Verbesserung der Fellqualität ist derzeitig die Applikation eines Deslorelinimplantats, dessen Wirkmechanismus auf die Fellqualität jedoch bisher ungeklärt ist (REICHLER et al.

2008).

2.3.2 Adipositas

Obesitas, auch Adipositas genannt, nach Gonadektomie wird auf eine unkontrollierte Futteraufnahme nach der Kastration zurückgeführt (GÜNZEL-APEL u. BOSTEDT 2016). Kastrierte Hündinnen und Rüden zeigen laut den Autoren BRINKMANN (2015) und HEIDENBERGER und UNSHELM (1990) einen höheren Appetit. Die Autorin BRINKMANN (2015) wertete in ihrer Studie das Verhalten von über 1063 Hunden diesbezüglich aus. Nach BRINKMANN (2015) und ARLT et al. (2017) bestehen signifikante Zusammenhänge zwischen Übergewicht und dem Reproduktionsstatus bei Hunden. 77,0% der von den Besitzern in der Fragebogenstudie von BRINKMANN

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(2015) als adipös beurteilten Hunde waren kastriert. Das relative Risiko für Adipositas ist nach BRINKMANN (2015) für kastrierte Rüden höher als für kastrierte Hündinnen.

Die Kastration ist ein bekannter Risikofaktor für Adipositas bei Hunden, da es zu erhöhter Energieaufnahme kommt bei gleichzeitig reduzierter Aktivität mit einem reduzierten Energiebedarf um 30 % (GERMAN 2006; GÜNZEL-APEL et al. 2009).

Dagegen wurde in der durchgeführten Studie von SALMERI et al. (1991) kein Unterschied bezüglich des Körpergewichtes von kastrierten und intakten Hunden bei gleicher Haltung festgestellt.

Auch der Einfluss des Zeitpunktes der Kastration wird widersprüchlich diskutiert.

SALMERI et al. (1991) untersuchten Hunde eines Wurfes, welche im Alter von sieben Wochen oder im Alter von sieben Monaten kastriert wurden. Diese zeigten mit 15 Monaten weder unterschiedliche Futteraufnahme, Körpergewichte noch unterschieden sich die Dicke der Rückenfettschicht in den verglichenen Gruppen. Nach SALMERI et al. (1991) beeinflusst der Zeitpunkt der Kastration das Risiko an Adipositas zu erkranken nicht. SPAIN et al. (2004) vertreten hingegen die Meinung, dass eine Kastration im Welpenalter, im Vergleich zur späteren Kastration, seltener zu Adipositas zu führt.

Adipositas kann jedoch auch durch Aktivitätssteigerung und restriktive Fütterung beziehungsweise -umstellung verhindert werden. Die höhere Inzidenz von Diabetes mellitus bei kastrierten Hunden könnte auch durch eine Adipositas bedingt sein (RIEDER et al. 2008).

2.3.3 Tumorerkrankungen

ZINK et al. (2014) untersuchte in einer groß angelegten Studie mit 2505 Vizsla, welche zwischen 1992 und 2008 geboren waren, wie hoch die Wahrscheinlichkeit an bestimmten Tumoren zu erkranken für kastrierte Hunde im Vergleich zu intakten war.

Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass Hunde, welche in einem Alter von ≥ 6 Monaten, zwischen sieben und 12 Monaten oder im Alter von > 12 Monaten kastriert wurden, eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit hatten, an Mastzelltumoren, Lymphomen und anderen Tumoren zu erkranken als sexuell intakte Hunde. Hündinnen, welche im Alter von ≤ 12 Monaten kastriert wurde und kastrierte Hündinnen und Rüden über 12 Monate hatten ein signifikant höheres Risiko ein Hämangiosarkom zu entwickeln als intakte Hunde. Je jünger das Alter des Hundes zum Zeitpunkt der

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Kastration war, desto früher erfolgte die Diagnose unter anderem von Mastzelltumoren, Hämangiosarkomen, Lymphomen oder andere Tumoren,

TORRES DE LA RIVA et al. (2013) untersuchten an 395 Rüden und 364 Hündinnen der Rasse des Golden Retriever den Einfluss der Kastration und des Kastrationszeitpunktes auf die Entstehung tumoröser Erkrankungen. Frühkastrierte Hunde, im Alter von unter 12 Monaten, entwickelten signifikant häufiger maligne Lymphome. Spätkastrierte Hunde entwickelten signifikant häufiger Hämangiosarkome und Mastzelltumore.

Die am häufigsten von einer Tumorerkrankung betroffenen Retriever-Rassen waren in der Retriever-Studie von BRÜMMER (2008) der Flat-Coated Retriever mit 17,9 % und der Golden Retriever mit 16,4 %.

Mammatumoren sind die am häufigsten auftretenden malignen Tumoren der Hündin (KRASTEL 2017). 50 % dieser Tumoren sind bösartig. Wenn Hündinnen vor der ersten Läufigkeit kastriert werden, besteht noch ein 0,5%iges relatives Risiko daran zu erkranken. Bei einer Kastration zwischen der ersten und zweiten Läufigkeit beträgt das Risiko 8 %, nach der zweiten Läufigkeit 26 % und nach 2,5 Jahren geht der präventive Effekt der Kastration verloren (SCHNEIDER et al. 1969).

Eine Rasseprädisposition für das Auftreten von Mammatumoren wird für kleinere Rassen wie Dackel, Yorkshire Terrier, Malteser, Papillon oder Zwergspitz, aber auch für kleine bis mittelgroße Spanielrassen und für Boxer beschrieben (GRÜNTZIG et al. 2016;

KOMAZAWA et al. 2016). In einem Review von 2012 wurden von BEAUVAIS et al.

(2012a) Literatur zur protektiven Wirkung der Kastration auf die Entstehung von Mammatumoren und der Risikofaktor Kastrationszeitpunkt systematisch überprüft.

Aufgrund der begrenzten verfügbaren Beweise und der Gefahr der Voreingenommenheit in den veröffentlichten Ergebnissen, werden die Belege, dass die Kastration das Risiko von Mammatumoren verringert, und die Beweise, dass das Alter zum Zeitpunkt der Kastration einen Einfluss hat, als schwach eingestuft. Die Ergebnisse sind für die Autoren keine solide Grundlage für eine feste Empfehlung der Kastration im jugendlichen Alter. Im Gegensatz dazu steht die Abnahme der Mammatumor-Inzidenz nach Einführung der Frühkastration in den USA (SORENMO et al. 2000). Auch ZINK et al. (2014) konnten mit ihrer klinischen Tumorstudie eine Senkung des Risikos für Mammatumoren nach frühzeitiger Kastration feststellen. Ein gleiches Ergebnis konnten

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auch TORRES DE LA RIVA et al. (2013) mit Golden Retrievern und HART et al. (2016) mit der Rasse des Deutschen Schäferhundes verzeichnen.

2.3.4 Einfluss der Kastration auf das Verhalten

Der Einfluss der Kastration auf das Verhalten von Rüden kann vom Zeitpunkt der Kastration abhängen. Durch eine Frühkastration des Rüden kann Aggressionsverhalten gegenüber anderen Rüden drastisch reduziert werden. Erlerntes unerwünschtes Verhalten kann jedoch dadurch nicht beeinflusst werden. Laut HEIDENBERGER und UNSHELM (1990) zeigen männliche Hunde nach der Kastration öfter und deutlicher Verhaltensänderungen als weibliche Hunde. 49 von 80 aggressiven Rüden und 25 von 47 Hündinnen sind nach der Studie aus dem Jahre 1990 nach der Kastration sanfter.

10 Hündinnen schienen erst aggressiv im Verhalten geworden zu sein, nachdem sie kastriert wurden. Das Markieren im Freien und typisches Deckverhalten wird bei Rüden dagegen selbst durch eine Kastration im Welpenalter nicht völlig verhindert (HEIDENBERGER u. UNSHELM 1990; SALMERI et al. 1991). Die Frühkastration soll beim Rüden keinen negativen Einfluss auf die Verhaltensentwicklung haben (SALMERI et al. 1991). Die Ergebnisse aus der Fragebogenstudie von BRINKMANN (2015) zeigen jedoch, dass Hunde, die vor der sozialen Reife kastriert wurden, ängstlicher eingeschätzt wurden als intakte und später kastrierte. Es bestand allerdings kein Zusammenhang zwischen einer präpubertären Kastration und einer Aggression gegenüber gleichgeschlechtlichen Artgenossen. Anderer Ansicht sind STRODTBECK und GANSLOßER (2011), welche auf Grund der vielfältigen Einflüsse der Sexualhormone auf das Verhalten die Frühkastration strikt ablehnen. Sie sind der Meinung, dass Sexualhormone in der Pubertät für Umbauprozesse im Gehirn verantwortlich seien, die eine verbesserte Reizleitung zur Folge hätten und Verhaltensweisen, die in der Sozialisierungsphase erlernt wurden, festigen. Für diese Hypothese gibt es bisher noch keine Bestätigung durch wissenschaftliche Studien an Hunden.