A-3126 (86) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 46 Harninkontinenz ist in je-
dem Lebensalter ein eigen- ständiges Krankheitsbild. Ins- besondere die Inkontinenz al- ter Menschen ist zu einem brennenden medizinischen und sozioökonomischen Pro- blem geworden. Bis zu 30 Pro- zent der Senioren sind davon betroffen. Vier verschiedene Dysfunktionen können im Al- ter Ursache für Inkontinenz sein, erläuterte Prof. Ahmed Elbadawi (New York) auf der ersten internationalen Konfe- renz über Harninkontinenz im Alter in Bonn:
c Detrusor-Hyperaktivi- tät,c Sphinkterinsuffizienz,
c Obstruktion der Ure- thra am Blasenhals und
c beeinträchtigte Kon- traktilität des Detrusors.
Am häufigsten ist die Überaktivität des Detrusors (Dranginkontinenz). Klini- sche Merkmale sind plötzli- ches Einsetzen eines Harn- dranges und Nykturie. Um die 85 Prozent der Inkontinenzen sind durch eine einfache Ba- sisdiagnostik abzuklären, die jeder niedergelassene Allge- meinarzt durchführen kann.
Streß als Ursache
Als Hauptgrund für die Dranginkontinenz des älteren Menschen nannte Prof. Hel- mut Madersbacher (Inns- bruck) die mangelhaft gewor- dene Kontrolle des Gehirns über die Blase. Dabei handelt es sich um einen diffusen Zell- untergang im Miktionszen- trum sowie um eine gestörte Reizübertragung. Kontinenz- und Beckenbodentraining, unterstützt durch medika- mentöse Therapie, vermag rund 25 Prozent der älteren betroffenen von ihrem Leiden
zu heilen. Etwa 50 Prozent von den Patienten können so viel von einer adäquaten Be- handlung profitieren, daß ihre Inkontinenz erträglicher wird und sie wieder gesellschafts- fähig werden.
Die zweithäufigste Form der Inkontinenz bei älteren Personen ist die Streßinkon- tinenz, die auf einer Schließmuskelschwäche be- ruht. Therapie der ersten Wahl ist Physiotherapie, dann der chirurgische Ein- griff. Erleichterung – selten Heilung – bringen Alpha- Adrenergika und Östrogene.
Letztere seien insbesondere in der Postmenopause indi- ziert, erinnerte Dr. Stuart L.
Stanton (London).
Medikamente, die im Al- ter eine Inkontinenz auslösen können, sind vor allem zen- tralnervös angreifende Sub- stanzen wie Antidepressiva, Antipsychotika, Parkinson- Medikamente, Sedativa und Narkotika. Sie verursachen meistens eine Überlaufin- kontinenz. Aber auch Medi- kamente, die am autonomen Nervensystem angreifen, kön- nen eine Inkontinenz indu- zieren. Dazu gehörten Beta- 2-Agonisten, Alpha- und Be- tablocker, Adrenergika und Anticholinergika, erklärte Prof. Joachim W. Thüroff (Mainz). Präparate gegen Dranginkontinenz und su- praspinale Reflexinkonti- nenz sind vorwiegend an- ticholinergisch wirkende Sub- stanzen wie Trospiumchlorid.
Auch myotrope Spasmolyti- ka, Kalziumantagonisten, Be- ta-2-Agonisten, Prostaglan- din-Inhibitoren und trizykli- sche Antidepressiva haben ei- nen gewissen Stellenwert in der unterstützenden Thera- pie. Sie besteht aus physio- therapeutischen Maßnahmen und Verhaltensänderungen des Patienten. Siegfried Hoc
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