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Medikamente haben Nebenwirkungen

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Academic year: 2022

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Medikamente haben Nebenwirkungen

Wenn Sie im Krankheitsfall auf einer Behandlung bestehen, die völlig frei von Risiken und Nebenwirkungen ist, dann müssen Sie auf jegliche Medikamente und chirurgische Eingriffe verzichten. Die Alternativmedizin bietet einige Therapien an, die praktisch risikofrei sind: Homöopathie, Bade- oder Trinkkuren, Aromatherapie oder Handauflegen wären hier zu nennen.

Doch was, wenn diese Methoden keine Heilung bringen? Wieviel Risiko Sie dann einzugehen bereit sind, hängt sicherlich von der Schwere der

Erkrankung ab. Manchmal sind die Chancen so ausgezeichnet, daß Ängste irrational sind, und doch können eben diese irrationalen Ängste völlig

überzogene Reaktionen auslösen. Dies kann so weit gehen, daß Patienten eine Behandlung verweigern und stattdessen lieber leiden. Es ist

bezeichnend, daß der größte Widerstand gegen ein Medikament meist von Seiten derjenigen Menschen kommt, die es noch niemals eingenommen haben. Das bringt mich auf den Fall eines Schmerzmittels, der die

Größenordnung des Risikos sehr gut illustriert.

Der wahre Opren-Skandal

Unter den Schmerzmitteln, die von Pharmaunternehmen in jüngerer Zeit entwickelt wurden, befand sich ein Wirkstoff namens Opren, der in

Großbritannien auf den Markt kam. Opren war wirksamer als Aspirin und besser verträglich: Blutungen der Magenschleimhaut gehörten nicht zu den möglichen Nebenwirkungen. Allerdings hatte es andere Nebenwirkungen:

Es wurden einige Fälle einer stark erhöhten Empfindlichkeit gegen

Sonneneinstrahlung bekannt, und einige wenige alte Leute starben plötzlich während der Behandlung ohne erkennbaren anderen Grund. Opren wurde dafür verantwortlich gemacht, es gab einen Skandal und das Medikament wurde nach einer Medienkampagne vom Markt genommen.

Hunderttausende Patienten, denen Opren geholfen hatte, mußten danach wieder mit weniger wirksamen Medikamenten behandelt werden.

Es gibt nichts zu beschönigen: Opren wurde vom Markt genommen, weil es nicht vollkommen war, und die Medikation war mit einem gewissen Risiko behaftet. Doch wie hoch war dieses Risiko wirklich? Das läßt sich in Zahlen Nebenwirkungen - 1 -

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ausdrücken. Wenn in Großbritannien 25 000 Patienten wegen Arthritis operiert werden sterben etwa 400 an der Operation oder deren Folgen.

Wenn diese 25 000 Patienten Opren einnehmen würden und so mit ihrer Arthritis – das heisst mit entzündeten Gelenken – leben könnten, ohne operiert werden zu müssen, würde einer an den Nebenwirkungen des Medikaments sterben. Die Chancen, infolge einer Operation zu sterben, stehen also 60 zu 1, während sie bei einer Behandlung mit Opren bei 25 000 zu 1 stehen. Hätten Sie aber damals gewettet, welche der beiden Behandlungsmethoden man abschaffen würde, hätten Sie Ihren Einsatz verloren: Opren wurde verboten, operiert wird immer noch.

Statistik auf Leben und Tod

Wir können uns vorstellen, wie ein risikofreies Arzneimittel funktionieren müßte: es dürfte nur auf die krankmachenden Bakterien oder das kranke Gewebe einwirken, die ersteren töten, das letztere reparieren. Alle

gesunden Zellen des Körpers dürften in keiner Hinsicht beeinträchtigt werden, und was von dem Wirkstoff zuviel eingenommen wird, müßte einfach ausgeschieden werden. Zusätzlich sollte das Medikament so sicher sein, daß es bedenkenlos frei verkauft werden kann und daß niemand, auch kein Kleinkind, bei einer versehentlich eingenommenen Überdosis Schaden nimmt. Es gibt wohl nur eine Substanz, die alle diese Kriterien erfüllt: Wasser. Dies erklärt die Unschädlichkeit von homöopathischen Zubereitungen, in denen Wasser der einzige Bestandteil ist.

Wer sich auf eine konventionelle Behandlung einläßt, muß damit leben, daß alle als Medikamente verwendeten Chemikalien auch Risiken bergen und Nebenwirkungen haben. Auch die frei verkäuflichen Medikamente können bei einer Überdosierung giftig sein, und auf entsprechend disponierte Patienten kann sogar eine ganz vorschriftsmäßige Dosis diesen Effekt haben. Viele Medikamente haben ganz offensichtlich schwere,

unangenehme Nebenwirkungen, und ihre Einnahme ist mit einem hohen Risiko verbunden - denken Sie an die Chemotherapie von Krebs.

Welches Risiko sind wir bereit zu akzeptieren? Mit "Risiko" meine ich die Wahrscheinlichkeit, an einem Medikament zu sterben. Lebensbedrohliche Risiken umgeben uns jeden Tag. Im allgemeinen nehmen wir es aber in Kauf, bei einem Autounfall ums Leben zu kommen oder von einer Leiter zu Nebenwirkungen - 2 -

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fallen. Manche Menschen gehen bewußt noch viel höhere Risiken ein: Sie verbringen ihre Freizeit mit Bergsteigen, Drachenfliegen oder

Tiefseetauchen. Solche Aktivitäten bergen ein viel höheres Risiko als das Einnehmen von Arzneimitteln. Und doch ist die Bereitschaft da, solange man sich sicher fühlt, weil man auf die eigene Leistungsfähigkeit baut oder weil man die Verantwortung an jemanden abgegeben hat, dem man

vertraut, beispielsweise einem Piloten, einem Lokführer oder einem Chirurgen. Bei den Tabletten, die man von einem Arzt verschrieben

bekommt bröckelt das Vertrauen schon etwas - erst recht, wenn man an die Chemiker in den weißen Kitteln denkt, die diese Tabletten machen. Die Chemiker können sich darüber nur wundern. Auch wenn es Zahlen gibt, die belegen, wie sicher die Produkte der Chemie in Wirklichkeit sind, scheint die Botschaft nicht durchzukommen. Vielleicht liegt das daran, daß die Argumente nur die Ratio ansprechen, während die Ängste doch vielmehr einen emotionalen Ursprung haben.

Doch vielleicht folgen ja die Emotionen, wenn der Verstand mit den Mitteln der Logik überzeugt wird. Nehmen Sie einmal an, Sie Müßten sich wegen einer nicht lebensgefährlichen Erkrankung einer kleineren Operation unterziehen, bei der Sie eine Narkose erhalten. Früher lag das Risiko, an einer Narkose zu sterben, bei 60 zu 10 000, heute ist es geringer als 1 zu 10 000. Würden Sie es wagen? Vermutlich ja. Zugegeben, es ist sehr schwierig, eine solch geringe Wahrscheinlichkeit zu veranschaulichen.

Doch nehmen wir einmal ein Ereignis, das wir alle erlebt haben: die Geburt.

Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Kind bei der Geburt stirbt, ist selbst in den fortschrittlichsten Ländern nicht kleiner als etwa 120 zu 10 000. Das Risiko, das eine Frau trägt, bei der Geburt zu sterben, ist geringer, nämlich etwa 1 zu 10 000, und ebenso gering ist die Wahrscheinlichkeit einer

Drillingsgeburt. Kennen Sie eine Frau, die Drillinge bekommen hat oder die im Kindbett gestorben ist? Wie die allermeisten Menschen werden Sie vermutlich weder den einen noch den anderen Fall kennen.

Nun haben Sie ein Gefühl für die Größenordnungen bekommen, um die es bei einer statistischen Bewertung von Risiken geht. Wenn Sie sich für eine äußerst fundierte und detailreiche Einführung in dieses Thema

interessieren, sollten Sie das preisgekrönte Buch der British Medical Association, Living with Risk, lesen. Darin sind viele Bereiche des Lebens untersucht. Einige Zahlen möchte ich daraus zitieren.

Nebenwirkungen - 3 -

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Rational betrachtet sollte man bereit sein, ein Risiko von 1 zu 10 000 bei einer medizinischen Behandlung zu akzeptieren. In vielen anderen

Bereichen des täglichen Lebens gehen wir nämlich jeden Tag ein solches Risiko ein. Jedes Jahr stirbt ein Mensch von 10 000 im Straßenverkehr, und 10 von 10 000 sterben bei einem Unfall zuhause. Haben Sie Angst davor?

Nein? Aber vielleicht haben Sie bei einem Gewitter Angst, vom Blitz getroffen zu werden? Viele Menschen teilen diese Angst, und doch ist die Wahrscheinlichkeit nur 0,001 zu 10 000, also eins zu zehn Millionen. Das zeigt, wie fest uns unsere emotionalen Ängste im Griff haben. Wie viele von Ihnen, die Angst vor einem Blitzschlag haben, sind Raucher? Von 10 000 Rauchern werden 2 000 früher oder später an den Folgen ihrer Nikotinsucht sterben.

Statistisch betrachtet sind Chemiearbeiter an ihrem Arbeitsplatz sicherer als daheim: Das hört sich verrückt an, denn immer wieder lesen wir von

Betriebsunfällen in chemischen Fabriken, von Bränden und Explosionen, und die dort Arbeitenden gehen mit teilweise hochbrisanten Stoffen um.

Und doch stimmen die Zahlen. Es ist wahrscheinlicher, daß die Arbeiter an ihrem Bier nach Feierabend sterben als an den Chemikalien, denen Sie in ihrer Firma ausgesetzt sind: Auch dieses klingt absurd, aber es stimmt. In Restaurants, Läden, Büros und zuhause sind Sie Lösungsmitteln,

Pestizidrückständen und vielen anderen Chemikalien ausgesetzt, und doch ist die Wahrscheinlichkeit höher, an einem simplen Stromschlag zu sterben als an allen diesen Umweltgiften zusammen. Unglaublich - aber wahr.

Können wir dann von einem Medikament ein noch geringeres Risiko als 1 zu 10 000 verlangen? Bei den meisten frei verkäuflichen Medikamenten liegt das Risiko vermutlich weit unter eins zu einer Million, und man braucht nicht länger als eine Millisekunde darüber nachzudenken, bevor man ein solches Medikament einnimmt. Bei schweren Erkrankungen und

wirksameren Medikamenten ist das Risiko unbestritten höher.

aus:

John Emsley, Parfum, Portwein, PVC ..., Chemie im Alltag, Wiley-VCH, Weinheim, S. 143-146 (1997)

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