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Das Feuerbrandjahr 2005

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SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 23/05

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EDUARDHOLLIGER, JAKOBVOGELSANGER, BEASCHOCH, BRIONDUFFY UNDMARKUSBÜNTER, AGROSCOPEFAW WÄDENSWIL eduard.holliger@faw.admin.ch

M

it Wetterdaten von mehr als 60 agrarmeteorolo- gischen Kleinwetterstationen hat das Feuer- brandteam der Agroscope FAW Wädenswil während der Kernobstblüte die Infektionsgefahr berechnet.

Die Daten wurden täglich unter www.feuerbrand.ch veröffentlicht.

Infektionsbedingungen während der Kernobstblüte

Eine erste Infektionswelle bei Apfel wurde für die Zeit von Ende April bis Anfang Mai berechnet (Abb.

1). Diese Infektionsperiode fand zu Beginn respekti- ve bei voller Kernobstblüte statt. Mit dem raschen Temperaturanstieg ab Mitte Mai begann vom 20. Mai bis zum 6. Juni 2005 eine zweite Periode mit oft er- füllten Infektionsbedingungen. Betroffen waren spä- tere Lagen, Junganlagen oder Nachzüglerblüten. Bei Birnen wurden ebenfalls Ende April Infektionstage verzeichnet. In der zweiten kritischen Periode waren die Birnbäume abgeblüht, eine Gefahr bestand je- doch für Nachzüglerblüten.

Im Labor der FAW wurde das Feuerbrandbakteri- um erstmals am 4. Mai nachgewiesen (Überwinte- rungsstelle = Canker bei Birnenhochstamm).

Blüten-Infektionsprognose 2005 für Berneck (SG)

Die Daten in Abb. 2 zeigen die Situation vom 14.

April bis 6. Juni 2005. Für eine Blüteninfektion müs- sen die rote und die gelbe Kurve am selben Tag die

gestrichelte Linie überschreiten, zusätzlich ist ein Nässeereignis notwendig. Tage mit hoher Infektions- gefahr (nur fehlende Nässe) berechnete das Modell vom 30. April bis 2. Mai. Am 3. Mai wurde ein Infek- tionstag registriert (schwarzer Punkt); viele Apfel- sorten waren in Vollblüte. Am 16. Mai wurden erste Symptome wie Verfärbung des Blütenstiels, Schleim- tropfen an Blütenstielen und beginnendes Dreieck am Blatt entdeckt (Abb. auf Titelseite). Der Tempe- raturanstieg führte ab 25. Mai zu weiteren Infekti- onstagen respektive zu Tagen mit hoher Infektions- gefahr. Die Bakterienpopulation überschritt den Schwellenwert um das vierfache. Eine Behandlung mit Serenade WPO (Bacillus subtilis QST 713) wur- de am 30. April durchgeführt. Vor der zweiten Infek- tionswelle wurde keine weitere Serenade-Behand- lung mehr ausgebracht, da die Hauptblüte abge- schlossen war.

Befallssituation 2005

Ertragsanlagen: In den Kantonen St. Gallen und Lu- zern wurden in je rund 20 Gemeinden Feuerbrand in Apfelanlagen festgestellt; dies ergibt ungefähr 18 000 respektive 12 000 Bäume mit Befall. Ein Teil davon musste vernichtet werden. Im Kanton Thur- gau wurde in Anlagen von zehn Gemeinden Befall entdeckt; hier sind zirka 900 Apfelbäume befallen.

In weiteren Deutschschweizer Kantonen wurde nur geringer Befall festgestellt. Bei Birnen trat der Befall in einzelnen Anlagen erst in den Monaten August und September auf; ganze Astpartien starben inner- halb weniger Tage ab.

Hochstammobstbau: In der Ostschweiz war besonders im Kanton St. Gallen bei Birnbäumen regional sehr starker Befall zu verzeichnen, teilweise auch bei Apfel- bäumen. Im Kanton Luzern waren vor allem Birnbäu- me befallen. Aus Erfahrung ist vor allem bei Birnhoch- stammbäumen eine Rettung mittels Rückschnitt oder Rückriss sehr oft nicht erfolgreich. Im gleichen Jahr oder in den darauf folgenden Jahren zeigt sich erneu- ter Befall. Es wurden daher in den beiden Kantonen zu- sammen rund 10 000 Bäume gefällt und verbrannt. Aus den Kanonen Schwyz und Zug wurde vor allem Be- fall an Birnen gemeldet. In den Kantonen Thurgau, Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden und Bern waren Birn- und Apfelbäume in geringem Aus- mass betroffen. Im Kanton Graubünden wurde Befall bei einem Birnbaum auf mehr als 1000 m ü.M. nach- gewiesen.

PFLANZENSCHUTZ

Das Feuerbrandjahr 2005

Im Jahr 2005 zeigte sich sehr starker Feuerbrandbefall bei Birnhochstammbäumen und regio- nal starker Befall in Apfel-Erwerbsanlagen. Gebietsweise nahmen die Schäden das Ausmass des katastrophalen Jahrs 2000 an. Günstige Witterungsbedingungen für den Feuerbrand während der Kernobstblüte führten zu vielen Infektionstagen.

Voraussetzung für das Zustandekom- men einer Blüteninfektion

Diese vier Bedingungen müssen gleichzeitig erfüllt sein:

geöffnete, intakte Blüten (Stempel und Staubbeutel vor- handen),

ab offener Blüte 110 Stundengrade über 18.3 °C (EIP, Erregerinfektionspotenzial = Bakterienpopulation),

Blattnässe (Regen > 0.25 mm oder Tau) oder am Vor- tag > 2.5 mm Regen,

Tagesdurchschnittstemperaturen über 15.6 °C.

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SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 23/05 7 PFLANZENSCHUTZ

Abb. 1: Übersicht der Blüteninfektionsge- fahr im Jahr 2005 bei Apfel.

hohe Infektionsgefahr

(Tagesdurchschnittstemperatur nicht erfüllt, HT-) erste berechnete Symptome (Zahl = Junitag) berechneter Infektionstag

hohe Infektionsgefahr (fehlende Nässe, HW-)

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SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 23/05

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In Erwerbsobstanlagen, Labor- und Gewächshaus wurden Versuche mit dem Präparat Serenade WPO (Bacillus subtilisQST 713) durchgeführt.

Die Infektionsbedingungen führten am Versuchs- standort in Berneck (SG) zu einem sehr starken Blü- tenbefall bei Apfel. In der unbehandelte Parzelle wies die Sorte Jonagold am 16. Mai 2005 94% befallene Bäume auf (Serenade WPO: 33%). Am 25. Mai zeigte die unbehandelte Parzelle erneut mehr Bäume mit Befall als die mit Serenade WPO behandelte Teilpar- zelle (Abb. 3). Am 26. Mai wurde bei denselben Rei- hen der Anteil befallener Blütenbüschel bonitiert;

auch hier fand mit Serenade WPO eine Reduktion des Befalls statt (Abb. 4).

Auf Grund der Ergebnisse aus den Jahren 2004 und 2005 lässt sich sagen, dass mit Serenade WPO maxi- mal eine Teilwirkung erreicht werden kann. Bei sehr hohem Infektionsdruck in der Parzelle und im Um- feld wird zwar der Blütenbefall durch eine Serena- debehandlung reduziert. Je nach Anfälligkeit der Sor- te ist jedoch der Befall für eine Rettung mittels Rückriss trotzdem zu gross. Bei einem Einsatz von Se- renade WPO sind mehrere Behandlungen zur Ab- deckung der ganzen Blühperiode einzuplanen.

Sanierung in Befallsgebieten – Rückschnitt oder Vernichtung?

Die zu treffenden Sanierungsmassnahmen werden durch die kantonalen Fachstellen angeordnet. Die Massnahme in BLW-Befallszonen (Feuerbrand tritt trotz Bekämpfungsarbeit über Jahre wiederholt und stark auf) wird unter anderem beeinflusst durch Pflanzenart, Sorte, Befallsstärke, Zeitpunkt der Ent- deckung und die Möglichkeit von Nachkontrollen.

In den vergangenen Jahren wurde in BLW-Befalls- zonen versucht, befallene Bäume mittels Rück- schnitt zu retten. Rückschnitt kann jedoch höchs- tens Aussicht auf Erfolg haben, wenn der Befall früh entdeckt wird, die befallene Pflanze nur sehr weni- ge Symptome aufweist, der Rückschnitt rasch und PFLANZENSCHUTZ

Situation Westschweiz, Wallis und Tessin: In der West- schweiz wurde bisher in elf Gemeinden Befall bei C. salicifolius, Feuerdorn und Quitte entdeckt. Im Kanton Wallis wurde erstmals Befall an Kernobst festgestellt; auf 840 m ü.M war ein Quittenbaum be- troffen. Aus dem Tessin liegen keine Befallsmeldun- gen vor.

Bei den diesjährigen untersuchten Verdachtspro- ben war der Anteil positiver Proben bei Birnen-Hoch- stamm mit 60% am grössten (Apfel-Hochstamm:

23%), aus Anlagen betrug der Anteil positiver Proben bei Apfel 55 % (Birnen: 32%).

Wirkstoffe und Feldversuche

Die FAW prüfte in Laborversuchen, auf Anfrage von Dritten, mehrere chemische Substanzen und Metho- den auf die Wirkung gegen das Feuerbrandbakteri- um. Alle Präparate zeigten entweder eine geringe oder keine Wirkung.

Bonitur 25.5.2005 – befallene Bäume (%) 100

90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

Serenade WPO unbehandelt

Golden Delicious Jonagold

Maigold Topaz

Bonitur 26.5.2005 – befallene Blütenbüschel (%)

Serenade WPO unbehandelt

Golden Delicious Jonagold

Maigold Topaz 50

40

30

20

10

Abb. 3: Bäume mit 0 Feuerbrand am 25.

Mai 2005.

Abb. 4: Blütenbü- schel mit Feuerbrand am 26. Mai 2005.

Niederschlag (mm)

Erregerinfektionspotenzial (EIP) Tagesdurchschnittstemperatur (°C)

April Mai

berechneter Infektionstag berechnete hohe Infektionsgefahr

°C / mm Niederschlag EIP

Juni 0

7.8 15.6 23.4 31.2 39.0 46.8 54.6 62.4

14. 18. 22. 26. 30. 4. 8. 12. 16. 20. 24. 28. 1. 5. 0 55 110 165 220 275 330 385 440 Behandlung

Serenade WPO (10 kg/ha)

1. Schleimtropfen deutliche

Symptome Vernichtung Sortenblöcke

Abb. 2: Mit dem Prognoseprogramm Maryblyt berechnete Blüteninfektionsge- fahr bei Apfel in Berneck, 14. April bis 6. Juni 2005.

3 4

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SCHWEIZ. Z. OBST-WEINBAU Nr. 23/05 9 grosszügig durchgeführt wird und über mindestens

fünf Jahre jährlich Nachkontrollen erfolgen. Es be- steht jedoch keine Garantie auf Erfolg, beziehungs- weise Rettung des Baums. Umfangreiche Versuche zum Rückschnitt bei Apfel-Hochstämmen sind im Gang. Die Erfahrung zeigt, dass Rückschnitt bei den sehr anfälligen Gelbmöstlern fast immer zu Wieder- befall führt (Abb. 5). Hier empfiehlt sich auch bei ge- ringem Befall eine Vernichtung des Baums. Unter Berücksichtigung der Feuerbrandproblematik sollten zumindest die Sorten Gelbmöstler und Egnacher Mostbirne nicht mehr angepflanzt werden.

Anpassung der Bekämpfungsstrategie

Die Bekämpfungsstrategie des Eidgenössischen Pflan- zenschutzdienstes, die in der 1999 erlassenen Richt- linie definiert ist, soll durch schnelleres Handeln bei der Vernichtung befallener Pflanzen (Festlegung ein- heitlicher Fristen) optimiert werden. Im Weiteren wird die Förderung der Ausscheidung von Schutzob- jekten angestrebt, mit dem Ziel, die Kontrollen und Bekämpfungsmassnahmen in und um die Schutzob- jekte zu optimieren.

Schlussfolgerungen

Je mehr Kompromisse bei der Feuerbrandbekämp- fung eingegangen werden, desto mehr Feuerbrand- probleme werden in Zukunft auftreten – je konse- quenter und rascher Befallsherde bekämpft werden, desto wirkungsvoller ist die Arbeit. Dies kann jedoch nur erreicht werden, wenn entschieden ist, wo wel- cher Obstbau wie erhalten bleiben muss (Schutzob- jektstrategie). Ein solidarisches Mitmachen aller Be- wirtschafter (Ertragsanlagen und Hochstamm) ist ei- ne weitere Voraussetzung für einen Obstbau mit Zu- kunft.

Literatur

Beim Erstautor erhältlich.

PFLANZENSCHUTZ

Le feu bactérien en 2005

Cet article fait le point sur l’année 2005 en matière de feu bactérien. Sont présentées les conditions d’infection de 60 localités pendant la période de floraison du pommier. Les auteurs retracent l’évolu- tion de l’épidémie dans les vergers et dans les vergers haute tige. Les résultats d’un essai sur le terrain avec Serenade WPO (Bacillus subtilis) sont mis en évidence. La question «assainissement dans les zones contaminées: – ablation de l’élément malade ou arrachage en totalité?» est discutée. Enfin, la situation concernant la stratégie de lutte prévue est abordée. La conclusion lance un appel à une action rigoureuse et solidaire.

R

ÉSUMÉ

Entwurf einer Richtlinie zur Bekämpfung des Feuerbrands

Der Richtlinienentwurf basiert auf den Diskussionsergebnis- sen einer ad hoc Arbeitsgruppe, bestehend aus Experten di- verser Kantone und des Bundes (Agroscope FAW und RAC, BUWAL und BLW), die im Februar und April 2005 getagt hat. Die Kantone konnten Stellung nehmen und Kommenta- re abgeben. Das Inkrafttreten der neuen Richtlinie ist für den 1. Januar 2006 vorgesehen.

Abb. 5: Trotz grosszügigem Rückschnitt bei Gelbmöstler ist der Neuaustrieb bereits wieder befallen.

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