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Archiv "Zuwendung bei Problempatienten ist hilfreich" (19.01.1996)

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(1)

D

ie rasche operative Versor- gung von frischen Frakturen am coxalen Femurende (FCF) des Erwachsenen ist das the- rapeutische Vorgehen der Wahl. Trotz optimierter Operationstechniken und Fortschritten der perioperativen In- tensivmedizin wird für diese Interven- tionen im Schrifttum aber immer noch eine Letalitätsquote (LQ) von durchschnittlich elf Prozent mitgeteilt (6, 7, 8, 12, 15, 19, 20). Die LQ dieser Operationen am Extremitätenappa- rat des Älteren liegt somit in der Höhe des heute unter „elektiven Be- dingungen“ chirurgisch versorgten

„Ileus beim Hochbetagten“ (11).

Es war darum zu untersuchen, welche Faktoren auch heute noch mit der Letalitätsquote operierter Frak- turen des coxalen Femurendes assozi- iert sind und darum einen größeren Heilerfolg limitieren. Ferner war nachzuprüfen, ob der 1964 von Alf- fram (2) für die Definition der trau- mabedingten Letalitätsquote postu- lierte Nachbeobachtungszeitraum von 90 Tagen heute noch gilt. Als me- thodischen Ansatz wählten wir die 1981 von Kopp (15) in die chirurgisch- klinische Grundlagenforschung ein- geführte multivariate Analytik.

Methodik

Von den 825 zwischen dem 1. Ja- nuar 1975 und dem 31. Dezember 1991 in der Orthopädischen Univer- sitäts-Klinik Heidelberg wegen fri- scher Fraktur des coxalen Femuren- des (FCF) operierten Patienten erfüll- ten 81 Prozent (18) die Kriterien der

geplanten Retrospektivstudie (9, 13).

Zugelassen war jeder Patient ab 54 Jahren, der in dem vorgenannten Zeit- raum wegen oben genannter Fraktu- ren mit osteosynthetischen Verfahren oder durch Hemi(HEP)- oder To- talendoprothesen(TEP)-Implantation operativ primär versorgt wurde. Jeder Kranke war nur singulär im Kollektiv vertreten. Bei Patientendopplungen wurde nur die letzte FCF erfaßt. Pa- thologische FCF oder Sekundärver- sorgungen blieben ausgeschlossen.

Die Erfassung der Versuchsdaten wurde nach Feinstein (9) auf einem computergerechten Erhebungsbogen durchgeführt. Die Auswertung der Daten erfolgte im Institut für Medizi- nische Biometrie und Medizinische Information der Universität Heidel- berg nach dem SAS-System (18). Zur multivariaten Analytik verwendeten wir dessen logistische Regressions- analyse (log. RA). Aufgrund unserer retrospektiven Datenerfassung wur- de die Prüfgrenze als deskriptiv cha- rakterisiert und, wie für klinische Fra- gestellungen üblich (13), bei p 50,05 festgelegt.

Ergebnisse

Das Kollektiv ( n 5667) bestand zu 19 Prozent aus Männern und zu 81 Prozent aus Frauen. Das Durch- schnittsalter dieser Patienten betrug 77,7 69,2 Jahre (range: 54 bis 99 Jah- re). Über die Häufigkeiten von Frak- turlokalisation und zugeordneter

Operation informieren unter ver- schiedenen Gesichtspunkten die Gra- fiken.

Die 667 Patienten wiesen bei Kli- nikaufnahme 2 106 manifeste Organ- vorschädigungen, nach Wawersik (22) sogenannte Risikofaktoren (RF), auf. Diese lagen in 64 Prozent als Komplex von > drei RF vor. Diese Mehrfachvorschädigung erwies sich als stärkster Letalitätsfaktor (p5 0.0002). Die elf häufigsten Risikofak- toren (RF) registriert Grafik 4; die mit * markierten waren bei den Hoch- betagten (>78 Jahre) am häufigsten vorhanden. 89 Prozent der Patienten wurden bis zum siebten Tag nach der Klinikaufnahme operiert. Die restli- chen elf Prozent benötigten wegen ih- rer Begleiterkrankungen eine längere Vorbereitungszeit.

74 der 77 Verstorbenen verschie- den innerhalb der ersten 90 Tage nach der Operation. Bei den übrigen drei Verstorbenen trat der Tod nach 92, 99 oder 139 Tagen ein (Grafik 5). Die Letalitätsquote (LQ) betrug 11,5 Pro- zent. Von den Männern verstarben 12,8 Prozent, von den Frauen 11,3 Prozent; dieser Unterschied ist nicht auffällig (p . 0,05). Das Durch- schnittsalter der entlassenen Patien- ten betrug 77,1, das der verstorbenen 82,0 Jahre.

Die Letalitätsquote nach den drei Operationsverfahren war unter- schiedlich hoch: nach Hemiendo- prothesen(HEP)-Implantation ver- starben 22,3 Prozent, nach osteosyn- thetischer Versorgung 15,8 Prozent und nach Totalendoprothesen(TEP)- Implantation 5,7 Prozent. Diese un- terschiedlich hohen Letalitätsquoten

Letalität nach Frakturen des coxalen Femurendes im fortgeschrittenen Alter

Rolf Pauschert Fritz Uwe Niethard Bernhard Schöning Gero Lurz

Die Schenkelhalsfraktur des betagten Menschen ist nach wie vor eine lebensbedrohliche Verletzung. Die Verbesserung der Prognose ist ein Anliegen verschiedener Disziplinen. Zwi- schen 1975 und 1991 wurden 667 Patienten wegen frischer Fraktur am coxalen Femurende primär operativ versorgt. In

45 Prozent handelte es sich um mediale Schenkelhalsfraktu- ren, bei 55 Prozent um solche des lateralen Frakturenkom- plexes, im einzelnen laterale Schenkelhals- sowie per- und subtrochantere Femurfrakturen. 64 Prozent der Patienten wiesen mehr als drei manifeste Begleiterkrankungen auf.

Stiftung Orthopädische Universität (Direktor: Prof.

Dr. med. H. Cotta), Universitätsklinik Heidelberg

(2)

waren nicht mit den Operationsver- fahren, sondern mit den Faktoren schlechter Allgemeinzustand (das heißt > 3 Risikofaktoren) und/oder höheres Lebensalter assoziiert.

Da die multivariate Analytik den Bezug mehrerer Variablen zur Leta- lität abprüfen kann, konnten wir die Rangordnung eventueller Letalitäts- faktoren ermitteln. Vor Eingabe in den Rechenprozeß der logistischen Regressionsanalyse (log. RA) wur- den die vier interessierenden Varia- blen wie folgt dichotomisiert: Risi- kostatus oder Allgemeinzustand (> 3/, 3 manifeste Begleiterkran- kungen), Lebensalter (>/,78 Jahre), Frakturlokalisation (mediale Schen- kelhalsfraktur/Lateraler Frakturen- komplex) und Geschlecht (Män- ner/Frauen). Erreicht oder unter- schreitet der Rechenwert die Tabel- lengrenze p 5 0,05, liegt terminolo- gisch eine „Assoziation“ vor.

Drei Fragestellungen wurden un- tersucht:

« Welche der vier obengenann- ten Variablen sind mit der Letalität assoziiert, und welchen Rang nehmen sie untereinander ein?

Im Gesamtkollektiv hat der Komplex von mehr als drei Risikofak- toren die stärkste Assoziation zur Le- talität; eng gefolgt vom Lebensalter.

Mit p 50,007, noch erheblich jenseits der vorgegebenen Prüfgrenze, folgt auf Rang 3 der laterale Frakturen- komplex. Beim Geschlecht konnte keine Assoziation zur Letalität er- rechnet werden.

¬ Welche Faktoren des Gesamt- kollektivs sind bei den drei Operati- onsverfahren mit der Letalität assozi- iert?

Bei der Hemiendoprothese (n 5 130, LQ 5 22,3 Prozent) nahm der präoperative Risikostatus von mehr als drei manifesten Organvorschädi- gungen den ersten Rang ein; gefolgt vom lateralen Frakturenkomplex.

Das Lebensalter hatte keine Assozia- tion zur Letalität, da dieses Operati- onsverfahren praktisch nur beim wirklich Hochbetagten (x-581,5 Jah- re) eingesetzt wurde.

Bei den osteosynthetischen Ver- fahren (n 5164, LQ 515,8 Prozent) war nur das Lebensalter, dessen Durchschnitt mit 74 Jahren das jüng- ste des Kollektivs war, mit der Leta-

lität assoziiert; nicht dagegen die Ri- sikoausgangslage. Eine Prüfung der variablen Frakturlokalisation entfiel, da diese Operation fast ausschließlich zur Therapie des lateralen Frakturen- komplexes eingesetzt wurde (Grafik 2 und 3).

Bei der TEP-Implantation (n 5 366) hatten wir mit 5,7 Prozent die niedrigste Letalität. Eine Assoziation zwischen ihr und Risikostatus, Le- bensalter (x-5 78 Jahre) oder latera- lem Frakturenkomplex ließ sich nicht errechnen.

­ Welche Assoziation besteht zwischen den häufigsten Risikofakto-

ren Hochbetagter (das heißt Patien- ten >77,7 Jahre) und der Letalität?

Die engste Assoziation zur Leta- lität haben die Erkrankungen der Atemwege (p 50,0001) und Nieren- funktionsstörungen. Es folgen Er- krankungen des Gehirns sowie Inba- lancen des Wasser- und Elektrolyt- Haushaltes (p , 0,015). Anämie (,12,0 g/dl) und kardiale Begleiter- krankungen wiesen keine Assoziation zur Letalität auf (p .0,05).

Diskussion

Die Diskussion chirurgischer Disziplinen in den 80er Jahren (17) über die wissenschaftliche Leistungs- fähigkeit von Pro- beziehungsweise Retrospektivstudien wurde von Fein- stein (9) bereits 1977 dahingehend entschieden, daß beide Studienfor- men ihre Indikationen haben, aber in jedem Fall der statistischen Norm ent- sprechen müssen. Unsere Retrospek- tivstudie wurde entsprechend den Feinsteinschen Forderungen durch- geführt.

Wegen des retrospektiven Studi- endesigns war die kritische Grenze deskriptiv auf p 5 0,05 festgesetzt.

Diese sollte darum als Prüfwahr- scheinlichkeit und nicht als Signifi- kanzgrenze angesehen werden.

Es wurden nur Patienten zugelas- sen, die sich einer primären chirurgi- schen Versorgung wegen frischer Frakturen des coxalen Femurendes (FCF) unterzogen und älter als 54 Jahre waren. Pathologische Fraktu- ren sowie Sekundärversorgungen blieben ausgeschlossen. Die Fraktur des coxalen Femurendes konnte un- ter diesen Voraussetzungen als eine schwere Traumatisierung des Extre- mitätenapparates im fortgeschritte- nen Lebensalter dargestellt und deren Letalitätsquote (11,5 Prozent) auf mögliche beeinflussende Faktoren untersucht werden.

Letalität und Frakturlokalisation

Auf den Erhebungsbögen erfaß- ten wir die vier Frakturarten nach ih- rer anatomischen Lokalisation. Bei der Auswertung ihrer LQ unterschie-

M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG

60 50 40 30 20 10

0 med. SHF n = 302 LFK

n = 365 lat. SHF n = 79 per. FF

n = 280 sub. FF n = 6 45,2

54,8

11,9 42

0,9

%

Aus anatomischen und funktionellen Gesichtspunk- ten unterscheiden sich die Frakturen des coxalen Fe- murendes in mediale Schenkelhalsfrakturen (med.

SHF) und einen lateralen Frakturenkomplex (LFK).

Die LFK ist unterteilt in laterale Schenkelhalsfraktur (lat. SHF), pertrochantere Femurfraktur (per. FF) und subtrochantere Femurfraktur (sub. FF). n 5667.

TEP

n = 205 HEP

n= 90 Osteosynthese n = 7

% 70 60 50 40 30 20 10 0

30

2 68

In der operativen Therapie der medialen Schenkel- halsfraktur (med. SHF) des älteren Patienten domi- niert die Hüftendoprothetik. Die Indikation zur He- miendoprothese (HEP) beschränkte sich auf die wirklich Hochbetagten (x-581,5 Jahre) mit schlech- tem Allgemeinzustand.

Grafik 1

Grafik 2

(3)

den wir jedoch aus anatomischen und funktionellen Gesichtspunkten (10) zwischen medialen Schenkelhalsfrak- turen und einem lateralen Fraktu- renkomplex (LFK), im einzelnen laterale Schenkelhalsfrakturen sowie per- und subtrochantere Femurfrak- turen (Grafik 1). Die logistische Re- gressionsanalyse ergab, daß die Pati- enten mit lateralem Frakturenkom- plex häufiger starben (p 5 0,007) als Patienten, die eine mediale Schenkel- halsfraktur erlitten. Die Gründe hier- für dürften unter anderem in dem stärkeren Trauma mit größerem Kno- chen-, Weichteilschaden des LFK so- wie den häufiger auftretenden Be- gleitverletzungen liegen (12).

Letalität und Lebensalter

Ein fortgeschrittenes Lebensal- ter gilt intensivmedizinisch (3, 21) als Operationsrisiko. Insbesondere dann, wenn es in Kombination mit den pathophysiologischen Belastungen (zum Beispiel Schock) eines schweren Extremitätentraumas auftritt. Der klinischen Empirie widerspricht es aber, das kalendarische mit dem bio- logischen Alter („frühgealterte Per- sönlichkeit“) gleichzusetzen. Infolge- dessen überprüften wir rechnerisch, ob dem Alter die Funktion eines Le- talitätsfaktors zukommt. Die logisti- sche Regressionsanalyse dichotomi- sierte für diese Fragestellung das Le- bensalter bei 77,7 Jahren (Durch- schnittsalter unseres Kollektives) und errechnete einen Prüfwert von p 5 0,0001. Das heißt, bei Patienten

>77,7 Jahre ist bereits das kalendari- sche Alter mit hoher Wahrscheinlich- keit als Letalitätsfaktor anzusehen.

Letalität und

Operationsverfahren

Primäres Ziel der operativen Versorgung war die Rekonstruktion eines belastungsfähigen coxalen Fe- murendes, um den alten Patienten möglichst früh mobilisieren oder re- habilitieren zu können. Die Indikati- on zu einem der angewandten Opera- tionsverfahren war unter anderem von der Frakturlokalisation sowie der

Risikoausgangslage abhängig. Des- halb bedürfen die Rechenergebnisse der logistischen Regressionsanalyse bezüglich der Letalität der klinischen Interpretation.

Die HEP-Implantation ist ge- genüber der TEP-Anlage die tech- nisch einfachere Methode mit gerin- gerem Blutverlust und kürzerer Ope- rationszeit. Die Indikation wurde in 30 Prozent (n 590) bei medialen Schen- kelhalsfrakturen sowie in elf Prozent (n 5 40) beim lateralen Frakturen- komplex gestellt (Grafik 2 und 3). In

unserem Kollektiv hatte dieser Ein- griff mit 22 Prozent die höchste Leta- lität. Eine starke Assoziation zu die- ser hohen Letalitätsquote zeigten die schlechte präoperative Risikoaus- gangslage sowie die Frakturlokali- sation.

Die Indikation zur HEP be- schränkte sich jedoch auf die wirklich Hochbetagten (x-581,5 Jahre) sowie auf Patienten in einem schlechten All- gemeinzustand (>3 RF). Die Implan- tation einer HEP hatte zumeist das Ziel der lagerungs- und übungsstabi- len Versorgung zur Pflegeerleichte- rung. Unter diesen Gesichtspunkten läßt sich verstehen, daß die Indikati- onsstellung und nicht das Operations- verfahren für die hohe Letalität ver- antwortlich war.

Die Indikation zu osteosyntheti- schen Verfahren wurde in 96 Prozent (n 5 164) beim lateralen Frakturen- komplex und zu vier Prozent (n 5 7) bei der medialen Schenkelhalsfraktu- ren gestellt (Grafik 2 und 3). In unse- rem Beobachtungszeitraum war die Endernagelung das Verfahren der Wahl zur Therapie der pertrochante- ren Femurfakturen. Die heute zumeist verwendete dynamische Hüftschrau- be (DH-Schraube) oder der Gamma- Nagel fanden dagegen in unserem Kollektiv noch keine numerisch aus-

sagekräftige Berücksichtigung. Die Letalitätsquote der dargestellten Osteosyntheseverfahren betrug 15,8 Prozent. In der Analytik zeigte nur das Lebensalter einen Bezug zur Letalität bei dem mit 74,5 Jahren im Durch- schnitt jüngsten Patientenkollektiv.

Die TEP-Implantation hatte mit 5,7 Prozent die niedrigste Letalitäts- quote aller Operationsverfahren. Sie wurde wie die Osteosynthesen (n 5 164) zu fast gleichen Teilen zur Thera- pie des Lateralen Frakturenkomple- xes eingesetzt (Grafik 2 und 3). Ihre häufigste Anwendung fand die Total- endoprothese aber bei der Versor- gung der medialen Schenkelhalsfrak- tur (n 5205). In diesem Kollektiv be- trug die Letalitätsquote sogar nur 3,6

Prozent. !

120

100

80

60

40

20

0 0

18

3 0

11 0

10 121

1 25

0 44

2 115

15

Winkelplatte n = 21

DH-Schraube n = 11

Endernagelung n = 132

HEP n = 40

TEP n = 161 Patienten

lateral pertrochanter subtrochanter

Der laterale Frakturenkomplex des coxalen Femurendes wurde bei 201 Patienten endoprothetisch und in 164 Fällen osteosynthetisch versorgt. In unserem Beobachtungszeitraum war die Endernagelung das osteosynthe- tische Verfahren der Wahl. Die zur Zeit häufig verwendete DH-Schraube oder der Gamma-Nagel fanden in un- serem Kollektiv noch keine numerisch aussagekräftige Berücksichtigung.

Grafik 3

(4)

In der Analytik konnte bei der TEP-Implantation keine Assoziation der Letalität zu Lebensalter, Lokali- sation der Fraktur oder den komple- xen Auswirkungen von > 3 Risiko- faktoren errechnet werden. Die Indi- kation zur TEP-Implantation sollte deshalb bei den FCF des älteren Men-

schen nicht nur auf die medialen Schenkelhalsfrakturen beschränkt bleiben. Mit den Vorteilen der post- operativen Vollbelastung und Sofort- mobilisation bei nur geringem mecha- nischem Risiko empfiehlt sich der Hüftgelenkersatz auch bei lateraler Schenkelhalsfraktur sowie bei insta- bilen pertrochanteren Femurfraktu- ren mit Coxarthrose und Osteoporose als ein sicheres und bewährtes Opera- tionsverfahren (4, 5, 19).

Letalität und Risikofaktoren

Präoperativ manifeste Begleiter- krankungen stellten sich als Leta- litätsfaktoren heraus, wenn sie als Mehrfachschädigung von >3 Risiko- faktoren (RF) vorlagen. Bei 64 Pro- zent des Kollektivs fand sich dieser Komplex in unterschiedlicher Zusam- mensetzung vor. Interaktionen in der- artigen Komplexen und ihre eventu- elle Auswirkung auf die Letalität las- sen sich nach Wawersik (22) nur in wesentlich größeren Kollektiven und

dort nur kontrolliert und prospektiv erfassen. Wir beschränkten darum die Detailanalytik auf jene sechs RF, die bei den Hochbetagten (>77,7 Jahre) am häufigsten auftraten.

Vorrangig erwiesen sich Störun- gen in den Atem- und Nierenfunktio- nen. Weniger bedeutsam, aber gleich-

wohl auffällig, waren die Auswirkun- gen von Erkrankungen des Gehirns und der nicht ausgeglichene Wasser- und Elektrolythaushalt.

Manifeste Erkrankungen der Nieren und des Hirns sind als prä- operativ unvermeidbare Störfaktoren

zu sehen. Affektionen des Respirati- onstraktes können medikamentös an- gegangen werden. Sie bedürfen aber zusätzlich der aktiven Mitarbeit des Patienten, die aber aufgrund der Schmerzsituation als auch der alters- bedingten Indolenz selten gegeben

ist. Obengenannte Faktoren können somit kein Grund eines Operations- aufschubes darstellen.

Problematisch erscheint ein bis zum Operationstermin nicht ausge- glichener Wasser-Elektrolythaushalt.

Dieser präoperativ nur mit 6,3 Pro- zent nachgewiesene Risikofaktor (Grafik 4) assoziierte mit der Leta- lität, so daß im Rahmen der präopera- tiven intensivmedizinischen Vorbe- reitung der Patient nur mit einem aus- geglichenen Wasser- und Elektro- lythaushalt das Placet für eine Opera- tion erhalten sollte.

Große Effizienz der Vorbehand- lung (1) zeigte sich dagegen bei der präoperativ durchgeführten Herzthe- rapie.

Obwohl 70 Prozent der Patienten kardial vorgeschädigt waren (Grafik 4), ließ sich keine Assoziation zur Le- talität errechnen (p 5 0,254).

Risikoprofil der Letalität

Nach den bisher diskutierten Fakten läßt sich für die primär opera- tiv versorgte Fraktur des coxalen Fe- murendes bei älteren Patienten ein Risikoprofil beschreiben (Tabelle).

Unsere Letalitätsquote ist mit 11,5 Prozent ein Mittelwert aus 17 Er- fassungsjahren.

Diese schwankte in diesem Zeit- raum zwischen 9 und 13 Prozent, da die Letalitätsfaktoren wie Allgemein-

zustand, Lebensalter und Frakturlo- kalisation in unterschiedlicher Häu- figkeit und Kombination auftraten.

Über den gesamten Beobachtungs- zeitraum war jedoch die perioperative intensivmedizinische Versorgung un- serer Patienten konstant (14).

M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG

*Herz

*Gehirn Hypertonie

*Atemwege

*Anämie Diabetes

*Niere Leber Endokrinum

*Wasser/Elyte.

Adipositas

% 0 10 20 30 40 50 60 70 37

70

28 27 24 23 11

10 9 6 6

Die 11 häufigsten Gruppen unter den 2 106 Risikofaktoren (22) unserer 667 Patienten. Die mit * markierten Faktoren treten statistisch häufiger bei Patienten > 78 Jahre auf. In ihrer Rangordnung zur Letalität lassen sie sich wie folgt einordnen: Atemwege .Niere .Gehirn .Wasser-Elektrolyt-Haushalt.

Risikoprofil der Letalität

Variable (geringer) Letalität (höher)

1. Anzahl der Risikofaktoren ,3 >3

2. Lebensalter (in Jahren) ,78 >78

3. Frakturlokalisation , mediale . lateraler

Schenkelhals- Frakturen-

fraktur komplex

4. Wertigkeit von Organvorschäden Atemwege .Niere . Gehirn . beim Hochbetagten (. 78 Jahre) Wasser-Elektrolyt-Haushalt Tabelle

Grafik 4

(5)

Letalitätsquote und Nachbeobachtungszeit

Alffram (2) limitierte schon 1964 den Nachbeobachtungszeitraum für die traumabedingte Letalitätsquote bei frischen Frakturen des coxalen Femurendes auf die ersten 90 post-

operativen Tage. Seine Letalitätsquo- tienten und die der „normalverteil- ten“ (13) Erwachsenenpopulation Malmös belegten, daß jenseits des oben genannten Zeitraumes die Le- talität seiner Patienten ausschließlich der biologischen Absterbequote des Altersjahrganges zuzuordnen war. In den letzten 30 Jahren wurden die Operationstechniken verbessert (4, 5), und die Intensivmedizin ist als kli-

nische Disziplin (3, 14, 16, 21) einge- führt. Parallel dazu stiegen aber auch Durchschnittsalter und Anzahl der Begleiterkrankungen der Patienten an (15, 19). Vor diesem Hintergrund ist die Verläßlichkeit des von Alffram postulierten Nachbeobachtungszeit- raumes erneut zu hinterfragen. We-

gen des stringenten Studiendesigns (9, 13) sowie der Patientenzahl kann unser Kollektiv als repräsentativ an- gesehen werden. 74 von 77 Patienten, das heißt 96 Prozent, verschieden in- nerhalb der ersten postoperativen 90 Tage (Grafik 5). Unseres Erachtens gilt also der von Alffram postulierte Nachbeobachtungszeitraum der trau- mabedingten Letalität nach wie vor.

Die Fortschritte in der operativen

Medizin scheinen durch die letalitäts- bestimmenden Faktoren, höheres Lebensalter und größere Anzahl von Risikofaktoren aufgehoben worden zu sein.

In der Literatur werden zur Nachbeobachtungszeit von Alterspa- tienten mit Frakturen des coxalen Fe- murendes Zeiträume zwischen 14 Ta- gen und zwei Jahren angegeben. Un- sere Untersuchung ergab, daß auch unter den veränderten Bedingungen der heutigen Medizin Nachbeobach- tungszeiten von mehr als 90 Tagen kli- nisch kaum als relevant anzusehen sind, da sie statistisch einen „ver- mengten Effekt“ (13) beinhalten. Zur Vergleichbarkeit der Studien ist somit zur Zeit ein Nachuntersuchungszeit- raum auf 90 Tage zu begrenzen, um allein die traumabedingte Letalitäts- quote und die sie beeinflussenden Faktoren darstellen zu können.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1996; 93: A-102–107 [Heft 3]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Rolf Pauschert Orthopädische Klinik der Universität Heidelberg

Schlierbacher Landstraße 200 a 69118 Heidelberg

1,0 0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0

N MEDIAN 77 15.0 ____

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 Überlebenszeit

Überlebensrate

Überlebenszeit in Tagen von 77 der 667 Patienten nach dem Operationstag (18). Eine „Frühletalität“ (20) läßt sich in den ersten 15 Tagen p.o. nachweisen.

Herrn Dr. med. H. Scheurlen, Akad. Oberrat, zum 65.

Geburtstag gewidmet.

In Nordamerika hat man darüber diskutiert, wie zuwendungsintensiv die Behandlung von Problempatien- ten in den Notfallstationen sein sollte.

Kommen Obdachlose häufiger in die- se Stationen, wenn es ihnen dort gut gefallen hat, oder führt Zufriedenheit zu geringerem Hilfebedarf? Im kana- dischen Toronto wollte man es genau- er wissen. 133 Obdachlose (nicht sol- che mit akuten Psychosen, schweren

Erkrankungen mit sofortigem Auf- nahmebedarf oder mangelnden Eng- lischkenntnissen) wurden entweder routinemäßig behandelt oder zusätz- lich von einem freiwilligen Sozialhel- fer betreut, der ihre Probleme erörter- te und ihnen Verpflegung anbot (diese Freiwilligen hatten dann die Aussicht, bei ihrer Bewerbung zum Medizinstu- dium eine wohlwollende Befürwor- tung zu erhalten).

Die zusätzlich betreuten Patien- ten kamen in der darauf folgenden Beobachtungszeit 0,43mal pro Jahr wieder in die Notfallaufnahme, die anderen hingegen 0,6mal. Die Häufig- keit des Wiedererscheinens innerhalb eines Monats nach der Behandlung ging um ein Drittel zurück. bt

Redelmeier DA, Moulin J-P, Tibshirani RJ: A randomised trial of compassionate care for the homeless in an emergency de- partment. Lancet 345 (1955) 1131–1134.

Dr Donald A. Redelmeier, Wellesley Hospital Jones Building, 160 Wellesley Street E, Toronto M4Y 1J3, Kanada

Zuwendung bei Problempatienten ist hilfreich

Grafik 5

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