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Archiv "Zufallsbefunde bei bildgebenden Verfahren in der Hirnforschung. Ethische Überlegungen und Lösungsvorschläge: Recht auf ärztliche Begutachtung" (16.11.2007)

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Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 4616. November 2007 A3185

M E D I Z I N

es sich tatsächlich um einen relevanten Befund han- delt oder ob dies nur sein eigener nicht fachmänni- scher Verdacht ist.

Prof. Dr. med. Marcella Rietschel Zentralinstitut für Seelische Gesundheit

Abteilung Genetische Epidemiologie in der Psychiatrie J5, 68159 Mannheim

E-Mail: marcella.rietschel@zi-mannheim.de

Prof. Dr. med. Christian Büchel

Institut für systemische Neurowissenschaften Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Martinistraße 52

20246 Hamburg

E-Mail: buechel@uke.uni-hamburg.de

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Grundlage ist die Aufklärung

Mit Interesse habe wir den Artikel von Heinemann et al.

gelesen, weil wir mit Erfahrungen in der diagnostischen und wissenschaftlichen Bildgebung und der Kooperati- on mit nichtzertifizierten (in Deutschland: radiologisch nichtfachkundigen) und nichtärztlichen Forschern be- reits in 2006 eine Arbeit zum gleichen Thema veröffent- licht haben (1).

Voraussetzung für die Diskussion um die Ethik des inzidenten Befundes sind dessen Erkennung und die damit verbundenen Rechtspflichten. In dem Zusam- menhang ist der im Artikel verwendete Begriff „Pati- entenproband“ kontraproduktiv. Die Bildgebung des

„Patienten“ erfolgt auf der Grundlage eines Behand- lungsvertrages – ansonsten ist Körperverletzung zu unterstellen – und impliziert einen diagnostischen Auftrag. Dem wird per Berufsordnung der radiolo- gisch fachkundige Arzt, also der (Neuro-)Radiologe und der Nuklearmediziner gerecht. Dagegen wird die Bildgebung beim „Probanden“ mit einer Einwilli- gungserklärung sanktioniert, die expressis verbis den Auftrag einer Befundermittlung verneinen kann. Da- mit liegt die Problematik in der Aufklärung zur Unter- suchung, die diese Aspekte sauber trennen muss. Un- serem Text wurde Rechtsunbedenklichkeit testiert (1). Dem fachkundigen (Neuro-)Radiologen oder Nu- klearmediziner kann danach die Studienbildgebung oder eine zusätzlich zu fertigende T2w-Bildgebung vorgelegt werden (2). Alternativ wird dem informatio- nellen Selbstbestimmungsrecht Rechnung getragen, wenn dem Probanden mit Übergabe der Bildgebung auf CD-ROM die Auswertung durch einen fachkundi- gen Arzt ermöglicht wird.

In den USA wird die Einbeziehung eines zertifizier- ten Arztes gefordert und mit dem Anspruch verknüpft, dass dieser auch Spontanverlauf und Prognose eines in- zidenten Befundes beurteilen kann, um eine ungerecht- fertigte Beunruhigung des Probanden und Ausweitung der Diagnostik zu vermeiden. Da inzidente Befunde ein Studienergebnis verfälschen können, wird die Einbezie- hung eines zertifizierten Arztes auch mit der Sorge um das Ansehen der Wissenschaft verbunden (3).

LITERATUR

1. Hentschel F, Klix WE: Management inzidenter Befunde in der bildge- benden Diagnostik und Forschung. Fortschr Neurol Psychiatrie 2006;

74: 651–3.

2. Persönliche Mitteilung, Prof. Dr. P. Stoeter, Mainz.

3. Illes J, Kirschen MP, Karetsky K et al.: Discovery and disclosure of incidental findings in neuroimaging. J Magn Res Imaging 2004; 20:

743–7.

Prof. Dr. F. Hentschel

Zentralinstitut für seelische Gesundheit Abteilung Neuroradiologie

Fakultät klinische Medizin Mannheim, Universität Heidelberg J5, 68159 Mannheim

E-Mail: Frank.Hentschel@zi-mannheim.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Recht auf ärztliche Begutachtung

Hier wird in den Grundsätzen für Handlungsempfehlun- gen die Ansicht vertreten, die fachliche Expertise eines klinischen Neuroradiologen könne keine prinzipielle Voraussetzung für die Durchführung einer Forschungs- studie am Gehirn sein.

Hier soll die kontroverse Ansicht vertreten werden:

Eine sehr gute neurowissenschaftliche Studie ist ohne neuroradiologische Expertise nicht vorstellbar.

Bei den geringen Messwertunterschieden, die in der Regel erst in Gruppenstatistiken erkennbar werden, ist vor Auswertung der Daten sicherzustellen, dass keine Veränderungen vorliegen, die die Normalverteilung der Daten empfindlich stören. Automatisierte Datennach- verarbeitung kann nicht die kritische ärztliche und neu- roanatomische Analyse der Probandengehirne ersetzen.

Dies betrifft sowohl die funktionelle MRT (fMRT), als auch die Diffusionsbildgebung mit Tensor-Bildgebung sowie die Messung zerebraler Durchblutung und die Volumetrie.

In allen genannten Bereichen kommen zum Teil er- heblich artefaktanfällige Sequenzen zum Einsatz und die Interpretation der Daten kann schon bei harmlosen Nebenbefunden wie Verkalkungen und Arachnoidal- zysten erschwert oder gestört werden.

Zumindest in einer kritischen Ergebnisdiskussion sollte mit Sicherheit ausgeschlossen werden können, dass Artefakte oder krankhafte Läsionen der Probanden- gehirne die Ergebnisse erklären oder beeinflussen. Jeg- liche unkritische „Black-box-Auswertung“ sollte der Vergangenheit angehören.

Probanden haben zwar keinen Anspruch auf eine Wahl der Sequenzen zum Ausschluss jedweder krank- hafter Veränderung im Gehirn. Sie haben aber sehr wohl das Recht, dass die hochaufgelösten und sehr ex- akten Aufnahmen ihres Gehirnes ärztlich begutachtet werden. Eine Beteiligung von neuroradiologisch er- fahrenen Ärzten (ob Radiologe, Neuroradiologe oder Arzt anderer Fachrichtung soll hier nicht diskutiert werden) an neurowissenschaftlicher MRT-Forschung erscheint auch ethisch zwingend und würde viele Pro- bleme, die hier diskutiert wurden, lösen. Dies ist in

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M E D I Z I N

vielen renommierten Forschungseinrichtungen glück- licherweise schon lange etabliert.

PD Dr. med. Clemens Fitzek ASKLEPIOS Fachklinikum Brandenburg Anton-Saefkow-Allee 2

14772 Brandenburg an der Havel E-Mail: c.fitzek@asklepios.com

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Ignoranz als ethisches Prinzip in der Medizin?

Die Entdeckung und diagnostische Einordnung von Be- funden im Gehirn, die aktuell keine Symptomatik verursa- chen, gehört zur täglichen Arbeit von Neuroradiologen.

Neuroradiologen sind mehrjährig und oft multidisziplinär ausgebildet. Sie können mit zerebralen Befunden fach- kundig umgehen und können ihren Patienten und Zuwei- sern die prognostische und therapeutische Relevanz struk- tureller Auffälligkeiten des Gehirns adäquat vermitteln.

In einer merkwürdigen Verschiebung der Perspektive wird in diesem Artikel von Autoren ohne entsprechende Fachkunde die Entdeckung struktureller Zufallsbefunde als Risiko bezeichnet und nicht als Chance, Krankheit im Frühstadium zu entdecken und zu heilen. Wenn der diagnostizierende Arzt und nicht die Krankheit als Risi- ko eingeschätzt wird, dann wird Ignoranz zu einem ethi- schen Prinzip erhoben.

Es ist richtig, dass „Zufallsbefunde“ zu einem Pro- blem für den Betroffenen werden können. Das geschieht in der Regel dann, wenn Fachunkundige medizinische Bilder interpretieren und aus Normvarianten Krankhei- ten machen oder pathologische Prozesse übersehen, die einer Behandlung bedürfen. Die Autoren sehen in Un- wissenheit einen Vorteil. Sie halten die Hinzuziehung eines Neuroradiologen für verzichtbar, „weil hier- durch der Rahmen einer Forschungsstudie überschritten würde“. Die Autoren glauben also, dass sie Gehirn- forschung betreiben können, ohne dessen Struktur und mögliche Pathologie zu berücksichtigen.

Dass dies fehl geht und nicht zu verantworten ist, weiß man an anderer Stelle besser: Vom National Insti- tute of Health, USA, wird es als obligat angesehen, dass Gehirnbilder von Probanden und Patienten neuroradio- logisch begutachtet werden. Viele deutsche Institutio- nen sehen es genau so.

Die Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie begrüßt die Diskussion, findet es jedoch bedauerlich, dass die Au- toren es für nicht erforderlich hielten, Neuroradiologen vor Veröffentlichung ihrer Stellungnahme zu konsultie- ren.

Prof. Dr. med. habil. Rüdiger von Kummer Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Technische Universität Dresden Fetscherstraße 74, 01307 Dresden

Interessenkonflikt

Prof. von Kummer ist Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Neuroradio- logie (DGNR). Dieser Beitrag erfolgt im Namen des Vorstandes der DGNR und wurde von allen Vorstandsmitgliedern gesehen und gebilligt.

Schlusswort

Zur Leserzuschrift von Rechtsanwalt Wolf-Ekkehard Klix Der juristische Schadensbegriff ist nicht Thema unseres Artikels und erfährt daher auch keine Erweiterung.

Auch ist die Erörterung des Umfangs einer rechtlichen Mitteilungspflicht bei entdeckten Zufallsbefunden nicht Gegenstand des Artikels. Die Mitteilung von festgestell- ten Zufallsbefunden, der unserem Vorschlag gemäß je- der Proband zustimmen muss (Einschlusskriterium), hat unverzüglich zu erfolgen, weil andernfalls haftungs- und strafrechtliche Konsequenzen drohen. Ist der Be- fund hingegen nicht gesehen worden, kommt es für die zivil- und strafrechtliche Haftung darauf an, ob nach dem Standard des Verkehrskreises des Untersuchenden (Facharzt, Arzt, Nicht-Arzt, im Strafrecht: nach den subjektiven Fähigkeiten) der Befund hätte erkannt wer- den müssen. Gegebenenfalls haftet der Forscher für den Verschlimmerungsschaden. Die Differenzierung zwi- schen Erkennen (Entdecken) und Mitteilen des Erkann- ten wird in unserem Artikel nicht nur erkannt, sondern zudem aus ethischer Perspektive ausführlich erörtert.

Zur Leserzuschrift von Dr. Marcella Rietschel und Prof. Dr. Christian Büchel

Das von den Verfassern vorgeschlagene Vorgehen bei jugendlichen Probanden ist mit unseren Vorschlägen, die sich auf einwilligungsfähige Probanden beziehen, weitgehend vereinbar. Wir sind allerdings der Auffas- sung, dass die Hinzuziehung eines Neuroradiologen zum Zwecke der Diagnostik von Zufallsbefunden im Rahmen einer Forschungsstudie aus prinzipiellen Grün- den nicht zur zwingenden Voraussetzung gemacht wer- den kann. Zudem hätte die Befundmitteilung durch ei- nen hinzugezogenen Neuroradiologen ein Behand- lungsverhältnis zur Voraussetzung, das im Rahmen ei- ner Forschungsstudie nicht gegeben ist. Wir stimmen den Verfassern zu, dass das Recht auf Nichtwissen un- eingeschränkt besteht. Unser Lösungsvorschlag sieht jedoch vor, die Wahrnehmung dieses Rechts als Aus- schlusskriterium für die Studienteilnahme anzusehen und dadurch mögliche ethische Probleme zu umgehen.

Ohne Zweifel ergeben sich bei eingeschränkt oder nicht einwilligungsfähigen Probanden zusätzliche Fragen, die weiterer Überlegungen bedürfen.

Zur Leserzuschrift von Prof. Dr. Frank Hentschel

Der gebräuchliche Begriff des Patientenprobanden und seine Unterscheidung von gesunden Probanden ist unter anderem sinnvoll, um die besondere Situation zu analy- sieren, die sich aus einer Personalunion von Arzt und Forscher beziehungsweise Patient und Proband im Rah- men klinischer Studien häufig ergibt. Wir stimmen mit dem Verfasser überein, dass eine Rollenkonfusion gera- de auch bei der Aufklärung zur Studienteilnahme ver- mieden werden muss.

Zur Leserzuschrift von PD Dr. Clemens Fitzek

Profunde neuroradiologische Expertise ist unbestritten eine Voraussetzung für neurowissenschaftliche For- schung. Der Nachweis dieser Expertise in Form einer

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