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Archiv "Zufallsbefunde bei bildgebenden Verfahren in der Hirnforschung. Ethische Überlegungen und Lösungsvorschläge: Zentrales juristisches Problem nicht verstanden" (16.11.2007)

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Zentrales juristisches Problem nicht verstanden Mit Interesse haben wir den Artikel von Heinemann et al.

gelesen, zumal wir bereits in 2006 eine Arbeit zu den ju- ristischen Aspekten des Themas veröffentlicht haben (1).

Juristisch interessant ist die enorme Erweiterung des Schadensbegriffs im Artikel. Das Gesetz geht in er- ster Linie von einem materiellen Schadensbegriff aus, demzufolge ein Schädiger den Zustand vor dem schädi- genden Ereignis wieder herzustellen hat (§ 249 Abs. 1 BGB – Naturalrestitution, in der Regel Umwandlung in Geld). Der immaterielle Schaden ist nur in gesetzlich geregelten Fällen regulierbar (§ 253 BGB). Damit ist die juristische Grenze erreicht – der Artikel zitiert keinen einziger Sachverhalt, der zu einem Schadensersatzan- spruch führen könnte.

Welcher Grenzbereich vorliegt, zeigt das Beispiel ei- nes Gehirntumors, der – hypothetisch – zum Zeitpunkt der Feststellung als Zufallsbefund noch behandelbar sei.

Wird die Information über den Zufallsbefund nicht an den Probanden weitergegeben, resultiert daraus durch- aus ein „Schaden“, wenn sich später die Möglichkeit der Behandlung verschlechtert. Ähnlich, wenn die Untersu- chung auf eine potenzielle Schädigung des Probanden durch Dritte schließen ließe. Auf die Frage einer rechtli- chen Mitteilungspflicht wird aber nicht eingegangen.

Damit ist zu konstatieren, dass ein zentrales juristi- sches Problem nicht recht verstanden wurde: Das Nicht- erkennen eines inzidenten Befundes durch einen Unter- sucher ist weder als unterlassene Hilfeleistung noch als Körperverletzung (§§ 323c, 223 ff StGB) strafbar (2), verpflichtet auch nicht zum Schadensersatz. Wenn ein relevanter inzidenter Befund denn erfasst wurde, und keine anderweitigen Festlegungen im Rahmen des infor- mationellen Selbstbestimmungsrechts (3) des Proban- den in der Studieneinwilligung getroffen wurden, dann wären Schadensersatzansprüche zu diskutieren. Wie aber wird die Qualifikation des Untersuchers erfasst?

Diese beiden Aspekte, Erkennen und Mitteilen des Erkannten, sind für die Frage der Verantwortlichkeit und Rechtsrelevanz bedeutsam, wurden aber in der vor- liegenden Arbeit nicht erkannt.

LITERATUR

1. Hentschel F, Klix WE: Management inzidenter Befunde in der bildge- benden Diagnostik und Forschung. Fortschr Neurol Psychiatrie 2006;

74: 651–5.

2. Kreuzer A: Die unterlassene ärztliche Hilfeleistung in der Rechtspre- chung; NJW 1967, 278.

3. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. 11. 2004 Az.: 1 BvR 2315/04.

Wolf-Ekkehard Klix Rechtsanwalt Münchener Straße 18 82362 Weilheim bei München E-Mail: rechtsanwalt@klix.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Beim Spezialisten rückversichern

Im Rahmen der IMAGEN Studie (www.imagen- euro pe.com/) werden bei 2 000 14-jährigen Jugend- lichen bildgebende, neuropsychologische und geneti- sche Untersuchungen durchgeführt. Unsere Vorge- hensweise bezüglich des Umgangs mit Zufallsbefun- den bei bildgebenden Untersuchungen deckt sich mit den Empfehlungen der Autoren – bis auf folgende Punkte:

Die Autoren halten es zwar für „zweifelsohne wün- schenswert, vor der Mitteilung eines Zufallsbefundes durch den Forscher die Expertise eines Neuroradiologen einzuholen“, in ihren Empfehlungen sehen sie dies aber nicht als Vorraussetzung, „weil hierdurch der Rahmen einer Forschungsstudie überschritten würde“. Außer- dem empfehlen sie, dass die Mitteilung des Zufallsbe- fundes nur durch den Forscher erfolgt.

Dem Prinzip des Nichtschädigens folgend, das be- sonders für Jugendliche gilt, halten wir es für nicht ver- tretbar, dass eine Belastungssituation, wie sie durch die Mitteilung eines unklaren Befundes erzeugt wird,

clänger währt als nötig

cmöglicherweise fälschlich durch eine Fehlein- schätzung des Forschers herbeigeführt wird.

Zur sofortigen Klärung verfahren wir deshalb so, dass der Forscher sich vor der Befundmitteilung beim Spezialisten rückversichert und diesen, falls nötig, zur Befundmitteilung hinzuzieht.

Das Recht des Untersuchten – auf das Heinemann und Kollegen ausdrücklich hinweisen – klinisch rele- vante Befunde ignorieren zu dürfen, ist bei der Unter- suchung Jugendlicher unter dem Gesichtspunkt Auto- nomie des Jugendlichen auf der einen Seite und Sor- gerecht des Erziehungsberechtigten auf der anderen Seite zu betrachten. Da Jugendliche rechtlich nicht einwilligungsfähig sind, können sie nur an der Studie teilnehmen, wenn auch ihre Erziehungsberechtigten einwilligen. Hinsichtlich des Rechts auf Nichtwissen wird es dann problematisch, wenn ein Jugendlicher zu einer anderen Entscheidung als der Erziehungsbe- rechtigte gelangen sollte. Sollte dieses Problem aber auftauchen, ist es sicherlich einfacher zu lösen, wenn der Forscher schon bei der Befundmitteilung weiß, ob zu dem Beitrag

Zufallsbefunde bei bildgebenden Verfahren in der Hirnforschung. Ethische Überlegungen und Lösungsvorschläge

von Prof. Dr. med. Dr. phil. Thomas Heinemann, Dr. rer. nat. Christian Hoppe DTh DPs, Susanne Listl, Prof. Dr. jur. Andreas Spickhoff, Prof. Dr. med. Christian E. Elger, in Heft 27/2007

DISKUSSION

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es sich tatsächlich um einen relevanten Befund han- delt oder ob dies nur sein eigener nicht fachmänni- scher Verdacht ist.

Prof. Dr. med. Marcella Rietschel Zentralinstitut für Seelische Gesundheit

Abteilung Genetische Epidemiologie in der Psychiatrie J5, 68159 Mannheim

E-Mail: marcella.rietschel@zi-mannheim.de

Prof. Dr. med. Christian Büchel

Institut für systemische Neurowissenschaften Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Martinistraße 52

20246 Hamburg

E-Mail: buechel@uke.uni-hamburg.de

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Grundlage ist die Aufklärung

Mit Interesse habe wir den Artikel von Heinemann et al.

gelesen, weil wir mit Erfahrungen in der diagnostischen und wissenschaftlichen Bildgebung und der Kooperati- on mit nichtzertifizierten (in Deutschland: radiologisch nichtfachkundigen) und nichtärztlichen Forschern be- reits in 2006 eine Arbeit zum gleichen Thema veröffent- licht haben (1).

Voraussetzung für die Diskussion um die Ethik des inzidenten Befundes sind dessen Erkennung und die damit verbundenen Rechtspflichten. In dem Zusam- menhang ist der im Artikel verwendete Begriff „Pati- entenproband“ kontraproduktiv. Die Bildgebung des

„Patienten“ erfolgt auf der Grundlage eines Behand- lungsvertrages – ansonsten ist Körperverletzung zu unterstellen – und impliziert einen diagnostischen Auftrag. Dem wird per Berufsordnung der radiolo- gisch fachkundige Arzt, also der (Neuro-)Radiologe und der Nuklearmediziner gerecht. Dagegen wird die Bildgebung beim „Probanden“ mit einer Einwilli- gungserklärung sanktioniert, die expressis verbis den Auftrag einer Befundermittlung verneinen kann. Da- mit liegt die Problematik in der Aufklärung zur Unter- suchung, die diese Aspekte sauber trennen muss. Un- serem Text wurde Rechtsunbedenklichkeit testiert (1). Dem fachkundigen (Neuro-)Radiologen oder Nu- klearmediziner kann danach die Studienbildgebung oder eine zusätzlich zu fertigende T2w-Bildgebung vorgelegt werden (2). Alternativ wird dem informatio- nellen Selbstbestimmungsrecht Rechnung getragen, wenn dem Probanden mit Übergabe der Bildgebung auf CD-ROM die Auswertung durch einen fachkundi- gen Arzt ermöglicht wird.

In den USA wird die Einbeziehung eines zertifizier- ten Arztes gefordert und mit dem Anspruch verknüpft, dass dieser auch Spontanverlauf und Prognose eines in- zidenten Befundes beurteilen kann, um eine ungerecht- fertigte Beunruhigung des Probanden und Ausweitung der Diagnostik zu vermeiden. Da inzidente Befunde ein Studienergebnis verfälschen können, wird die Einbezie- hung eines zertifizierten Arztes auch mit der Sorge um das Ansehen der Wissenschaft verbunden (3).

LITERATUR

1. Hentschel F, Klix WE: Management inzidenter Befunde in der bildge- benden Diagnostik und Forschung. Fortschr Neurol Psychiatrie 2006;

74: 651–3.

2. Persönliche Mitteilung, Prof. Dr. P. Stoeter, Mainz.

3. Illes J, Kirschen MP, Karetsky K et al.: Discovery and disclosure of incidental findings in neuroimaging. J Magn Res Imaging 2004; 20:

743–7.

Prof. Dr. F. Hentschel

Zentralinstitut für seelische Gesundheit Abteilung Neuroradiologie

Fakultät klinische Medizin Mannheim, Universität Heidelberg J5, 68159 Mannheim

E-Mail: Frank.Hentschel@zi-mannheim.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Recht auf ärztliche Begutachtung

Hier wird in den Grundsätzen für Handlungsempfehlun- gen die Ansicht vertreten, die fachliche Expertise eines klinischen Neuroradiologen könne keine prinzipielle Voraussetzung für die Durchführung einer Forschungs- studie am Gehirn sein.

Hier soll die kontroverse Ansicht vertreten werden:

Eine sehr gute neurowissenschaftliche Studie ist ohne neuroradiologische Expertise nicht vorstellbar.

Bei den geringen Messwertunterschieden, die in der Regel erst in Gruppenstatistiken erkennbar werden, ist vor Auswertung der Daten sicherzustellen, dass keine Veränderungen vorliegen, die die Normalverteilung der Daten empfindlich stören. Automatisierte Datennach- verarbeitung kann nicht die kritische ärztliche und neu- roanatomische Analyse der Probandengehirne ersetzen.

Dies betrifft sowohl die funktionelle MRT (fMRT), als auch die Diffusionsbildgebung mit Tensor-Bildgebung sowie die Messung zerebraler Durchblutung und die Volumetrie.

In allen genannten Bereichen kommen zum Teil er- heblich artefaktanfällige Sequenzen zum Einsatz und die Interpretation der Daten kann schon bei harmlosen Nebenbefunden wie Verkalkungen und Arachnoidal- zysten erschwert oder gestört werden.

Zumindest in einer kritischen Ergebnisdiskussion sollte mit Sicherheit ausgeschlossen werden können, dass Artefakte oder krankhafte Läsionen der Probanden- gehirne die Ergebnisse erklären oder beeinflussen. Jeg- liche unkritische „Black-box-Auswertung“ sollte der Vergangenheit angehören.

Probanden haben zwar keinen Anspruch auf eine Wahl der Sequenzen zum Ausschluss jedweder krank- hafter Veränderung im Gehirn. Sie haben aber sehr wohl das Recht, dass die hochaufgelösten und sehr ex- akten Aufnahmen ihres Gehirnes ärztlich begutachtet werden. Eine Beteiligung von neuroradiologisch er- fahrenen Ärzten (ob Radiologe, Neuroradiologe oder Arzt anderer Fachrichtung soll hier nicht diskutiert werden) an neurowissenschaftlicher MRT-Forschung erscheint auch ethisch zwingend und würde viele Pro- bleme, die hier diskutiert wurden, lösen. Dies ist in

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vielen renommierten Forschungseinrichtungen glück- licherweise schon lange etabliert.

PD Dr. med. Clemens Fitzek ASKLEPIOS Fachklinikum Brandenburg Anton-Saefkow-Allee 2

14772 Brandenburg an der Havel E-Mail: c.fitzek@asklepios.com

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Ignoranz als ethisches Prinzip in der Medizin?

Die Entdeckung und diagnostische Einordnung von Be- funden im Gehirn, die aktuell keine Symptomatik verursa- chen, gehört zur täglichen Arbeit von Neuroradiologen.

Neuroradiologen sind mehrjährig und oft multidisziplinär ausgebildet. Sie können mit zerebralen Befunden fach- kundig umgehen und können ihren Patienten und Zuwei- sern die prognostische und therapeutische Relevanz struk- tureller Auffälligkeiten des Gehirns adäquat vermitteln.

In einer merkwürdigen Verschiebung der Perspektive wird in diesem Artikel von Autoren ohne entsprechende Fachkunde die Entdeckung struktureller Zufallsbefunde als Risiko bezeichnet und nicht als Chance, Krankheit im Frühstadium zu entdecken und zu heilen. Wenn der diagnostizierende Arzt und nicht die Krankheit als Risi- ko eingeschätzt wird, dann wird Ignoranz zu einem ethi- schen Prinzip erhoben.

Es ist richtig, dass „Zufallsbefunde“ zu einem Pro- blem für den Betroffenen werden können. Das geschieht in der Regel dann, wenn Fachunkundige medizinische Bilder interpretieren und aus Normvarianten Krankhei- ten machen oder pathologische Prozesse übersehen, die einer Behandlung bedürfen. Die Autoren sehen in Un- wissenheit einen Vorteil. Sie halten die Hinzuziehung eines Neuroradiologen für verzichtbar, „weil hier- durch der Rahmen einer Forschungsstudie überschritten würde“. Die Autoren glauben also, dass sie Gehirn- forschung betreiben können, ohne dessen Struktur und mögliche Pathologie zu berücksichtigen.

Dass dies fehl geht und nicht zu verantworten ist, weiß man an anderer Stelle besser: Vom National Insti- tute of Health, USA, wird es als obligat angesehen, dass Gehirnbilder von Probanden und Patienten neuroradio- logisch begutachtet werden. Viele deutsche Institutio- nen sehen es genau so.

Die Deutsche Gesellschaft für Neuroradiologie begrüßt die Diskussion, findet es jedoch bedauerlich, dass die Au- toren es für nicht erforderlich hielten, Neuroradiologen vor Veröffentlichung ihrer Stellungnahme zu konsultie- ren.

Prof. Dr. med. habil. Rüdiger von Kummer Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Technische Universität Dresden Fetscherstraße 74, 01307 Dresden

Interessenkonflikt

Prof. von Kummer ist Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Neuroradio- logie (DGNR). Dieser Beitrag erfolgt im Namen des Vorstandes der DGNR und wurde von allen Vorstandsmitgliedern gesehen und gebilligt.

Schlusswort

Zur Leserzuschrift von Rechtsanwalt Wolf-Ekkehard Klix Der juristische Schadensbegriff ist nicht Thema unseres Artikels und erfährt daher auch keine Erweiterung.

Auch ist die Erörterung des Umfangs einer rechtlichen Mitteilungspflicht bei entdeckten Zufallsbefunden nicht Gegenstand des Artikels. Die Mitteilung von festgestell- ten Zufallsbefunden, der unserem Vorschlag gemäß je- der Proband zustimmen muss (Einschlusskriterium), hat unverzüglich zu erfolgen, weil andernfalls haftungs- und strafrechtliche Konsequenzen drohen. Ist der Be- fund hingegen nicht gesehen worden, kommt es für die zivil- und strafrechtliche Haftung darauf an, ob nach dem Standard des Verkehrskreises des Untersuchenden (Facharzt, Arzt, Nicht-Arzt, im Strafrecht: nach den subjektiven Fähigkeiten) der Befund hätte erkannt wer- den müssen. Gegebenenfalls haftet der Forscher für den Verschlimmerungsschaden. Die Differenzierung zwi- schen Erkennen (Entdecken) und Mitteilen des Erkann- ten wird in unserem Artikel nicht nur erkannt, sondern zudem aus ethischer Perspektive ausführlich erörtert.

Zur Leserzuschrift von Dr. Marcella Rietschel und Prof. Dr. Christian Büchel

Das von den Verfassern vorgeschlagene Vorgehen bei jugendlichen Probanden ist mit unseren Vorschlägen, die sich auf einwilligungsfähige Probanden beziehen, weitgehend vereinbar. Wir sind allerdings der Auffas- sung, dass die Hinzuziehung eines Neuroradiologen zum Zwecke der Diagnostik von Zufallsbefunden im Rahmen einer Forschungsstudie aus prinzipiellen Grün- den nicht zur zwingenden Voraussetzung gemacht wer- den kann. Zudem hätte die Befundmitteilung durch ei- nen hinzugezogenen Neuroradiologen ein Behand- lungsverhältnis zur Voraussetzung, das im Rahmen ei- ner Forschungsstudie nicht gegeben ist. Wir stimmen den Verfassern zu, dass das Recht auf Nichtwissen un- eingeschränkt besteht. Unser Lösungsvorschlag sieht jedoch vor, die Wahrnehmung dieses Rechts als Aus- schlusskriterium für die Studienteilnahme anzusehen und dadurch mögliche ethische Probleme zu umgehen.

Ohne Zweifel ergeben sich bei eingeschränkt oder nicht einwilligungsfähigen Probanden zusätzliche Fragen, die weiterer Überlegungen bedürfen.

Zur Leserzuschrift von Prof. Dr. Frank Hentschel

Der gebräuchliche Begriff des Patientenprobanden und seine Unterscheidung von gesunden Probanden ist unter anderem sinnvoll, um die besondere Situation zu analy- sieren, die sich aus einer Personalunion von Arzt und Forscher beziehungsweise Patient und Proband im Rah- men klinischer Studien häufig ergibt. Wir stimmen mit dem Verfasser überein, dass eine Rollenkonfusion gera- de auch bei der Aufklärung zur Studienteilnahme ver- mieden werden muss.

Zur Leserzuschrift von PD Dr. Clemens Fitzek

Profunde neuroradiologische Expertise ist unbestritten eine Voraussetzung für neurowissenschaftliche For- schung. Der Nachweis dieser Expertise in Form einer

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Anerkennung als Facharzt, der für die Individualdia- gnostik unstrittig erforderlich ist, kann jedoch im Rah- men von Forschungsstudien nicht zur verpflichtenden Voraussetzung gemacht werden, auch nicht im Zusam- menhang mit der Entdeckung und Mitteilung von Zu- fallsbefunden. Wie in unserem Artikel begründet, haben Probanden entgegen der Auffassung des Verfassers des Leserbriefes kein Recht auf eine ärztliche Begutachtung der Schnittbilder; hierüber müssen sie zuvor sorgfältig aufgeklärt werden. Auch ist eine ethisch zwingende Notwendigkeit für die prinzipielle Hinzuziehung eines Neuroradiologen nicht zu erkennen.

Zur Leserzuschrift von Prof. Dr. Rüdiger von Kummer

In unserem Artikel wird betont, dass für jede individu- aldiagnostische Beurteilung von Hirnbildern ein Arzt- Patient-Verhältnis und die Expertise des Facharztes un- verzichtbar sind. Im Rahmen von Forschungsstudien mit Probanden besteht allerdings eine ethisch und

rechtlich andersartige Situation. Insbesondere wird die Forschungsstudie nicht zum Zwecke durchgeführt, die Chance auf frühe Entdeckung und Heilung einer Krankheit bei dem Probanden zu erhöhen; insofern ist der Vorwurf einer Verschiebung der Perspektive zurückzuweisen. Zudem erkennen wir keineswegs in einem diagnostizierenden Arzt ein Risiko, sondern le- gen dar, dass im Rahmen einer Forschungsstudie kein Arzt-Patient-Verhältnis besteht und daher keine Dia- gnose gestellt wird.

Wir danken den Verfassern der Leserzuschriften für die Kommentare und Hinweise.

Prof. Dr. med. Dr. phil. Thomas Heinemann

Institut für Wissenschaft und Ethik an der Universität Bonn Bonner Talweg 57, 53115 Bonn

E-Mail: heinemann@iwe.uni-bonn.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

zu dem Beitrag

Anti-Aging-Medizin – Hoffnung oder Humbug?

von Dr. med. Bernd Kleine-Gunk, in Heft 28–29/2007

DISKUSSION

Gesundheitsrisiko

Die Ausführungen zur „erweiterten Hormonersatz- therapie“ (Zitat) sind nicht nachvollziehbar, weil of- fensichtlich publizierte Statistiken fehlinterpretiert wurden. Das relative Risiko für invasiven Brustkrebs war im Östrogenarm der WHI-Studie zwar geringer, aber im Vergleich zu Placebo nicht signifikant („Ha- zard ratio“ [HR] 0,80, Konfidenzintervall [KI] 0,62 bis 1,04; [1, Tabelle 3]). Im Unterschied dazu ist der Risikoanstieg im Östrogen-Gestagen-Arm signifi- kant (Referenz der Primärveröffentlichungen bei [1]).

Unterschiedliche Effekte von Östrogen- beziehungs- weise Östrogen-Gestagen-Therapien sind sowohl für Brust- als auch für Ovarialkarzinom in Metaanalysen gezeigt worden (2).

Die Daten der WHI-Studie geben es nicht her, „dass bei einem frühen Beginn der HRT das Herzinfarktrisi- ko durchaus gesenkt werden konnte“. In der Alters- gruppe der 50- bis 59-jährigen Frauen bewirkte eine Östrogen-Gestagen-Therapie keine Verringerung des relativen Risikos für koronare Herzerkrankung (HR 1,29, KI 0,79 bis 2,12, nicht signifikant [3, Tabelle 4]).

In der gleichen Altersgruppe zeigte sich für den Östro- genarm ebenfalls keine Senkung des relativen Risikos (HR 0,63, KI 0,36 bis 1,09, nicht signifikant [3, Tabel- le 4]). Diese Sekundäranalyse (3) und die darin refe- renzierten Veröffentlichungen aus den WHI-Studien seit 2002 zeigen, dass die Primärhypothese – Präven-

tion koronarer Herzerkrankungen – verworfen werden muss.

Die Erhöhung des relativen Risikos für Schlaganfälle in beiden Studienarmen (HR für beide Studienarme ge- poolt 1,32, KI 1,12 bis 1,56, signifikant) ist offenbar unabhängig von Lebensalter und Menopausealter ([3]) sowie darin zitierte Primärveröffentlichungen), warum blieb dies unerwähnt? Wo ist das „zeitliche Fenster“, das einen risikoärmeren Beginn einer menopausalen Hormontherapie hinsichtlich der kardiovaskulären Ef- fekte ermöglichen soll? Menopausale Hormontherapie ist zwecks sogenannten Anti-Agings ungeeignet, weil mit ernsthaften gesundheitlichen Risiken behaftet.

LITERATUR

1. Stefanick ML, Anderson GL, Margolis KL, Hendrix SL, Rodabough RJ, Paskett ED et al.: Effects of conjugated equine estrogens on breast cancer and mammography screening in postmenopausal women with hysterectomy. JAMA 2006; 295: 1647–57.

2. Greiser CM, Greiser EM, Dören M: Menopausal hormone therapy and risk of ovarian cancer – Systematic review and meta-analysis. Human Reproduction Update 2007; ePub ahead of print June 27.

3. Rossouw JE, Prentice RL, Manson JE, Wu L, Barad D, Barnabei VM et al.: Postmenopausal hormone therapy and risk of cardiovascular disease by age and years since menopause. JAMA 2007; 297:

1465–77.

Prof. Dr. med. Martina Dören Charité – Universitätsmedizin Berlin Campus Benjamin Franklin

Professur Frauenforschung und Osteologie 12200 Berlin

E-Mail: Martina.Doeren@charite.de

Interessenkonflikt

Die Autorin ist Mitglied eines Beratungsgremiums der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Datenbank „Frauengesundheit und gesundheitliche Aufklärung“; www.frauengesundheitsportal.de

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Schnelle Vorteilnahme

Die jetzige Popularität der „Anti-Aging-Medizin“ ist sicher auch auf die nur noch kleine Anzahl von Leuten zurückzuführen, die eine „humanistische“

Schulbildung und Lebenseinstellung erhalten, weil die meisten Mitbürger eher auf schnelle Vorteilnahme bedacht sind, anstelle sich damit abzufinden, dass dauerhafte „Früchte“ auf harter Arbeit und Ausdauer basieren.

Das Motto „Mens sana in sano corpore“ gilt heute mehr denn je. Einige Bundesländer versuchen Anreize zu finden, damit wieder mehr Kinder eine humanisti- sche Gymnasialbildung durchlaufen. Das sogenannte

„Fasten“ hat sicherlich auch heute noch eine Bedeu- tung. Weltweit werden jetzt Programme ins Leben ge- rufen, die die Wichtigkeit körperlicher Ertüchtigung betonen. In beider (körperlicher und mentaler) Hin- sicht ist die richtige Menge an Stress entscheidend bei der Erzielung von „Anti-Aging-Effekten“, basierend auf „in medias res“ (Aristoteles) (1). Sogenannte anti- oxidative Therapien sind sehr kritisch zu betrachten.

Eine chronische Einnahme von mehr als 5 000 IU Vitamin A pro Tag kann bei Erwachsenen zur Intoxi- kation führen. Die in den USA leichfertige Einnahme diverser Substanzen, die sich gut vermarkten lassen, ist problematisch. Die Popularität von Anti-Aging- Cocktails einschließlich Wachstumshormon und Testosteron wird verdeutlicht durch Pressemitteilun- gen wie dem Autopsiebericht von dem 39-jährigen Supermodel Anna Nicole Smith. Um dieser Praxis entgegenzuwirken, hat die Endocrine Society soge- nannte Practice Guidelines publiziert (2). Bei Män- nern, insbesondere im fortgeschrittenen Alter, kann die Diagnosestellung „Androgenmangel“ Schwierig- keiten bereiten (3). Wachstumshormon wird auch beim alternden Menschen durch körperliche Ertüchti- gung von der Hypophyse ausgeschüttet, wenngleich diese Stimulation mehr Anstrengung kostet als in der Jugend, sofern keine Erkrankungen der Hypophyse vorliegen oder andere Faktoren, die die Sekretion die- ses anabolen Hormons reduzieren.

LITERATUR

1. Koch CA, Stratakis CA: Genetic factors and stress. In Fink G (editor):

Encyclopedia of Stress, Vol 2., Academic Press, San Diego, CA, 2000;

205–12.

2. Wierman ME et al.: Androgen therapy in women: an endocrine society clinical practice guideline. J Clin Endocrinol Metab 2006; 91:

3697–710.

3. Kazi M, Geraci SA, Koch CA: Considerations for diagnosing and treating testosterone deficiency in elderly men. Am J Med 2007; 120:

835–40.

Prof. Dr. med. habil. Christian A. Koch, FACP, FACE Director, Division of Endocrinology

University of Mississippi Medical Center 2500 N State Street

Jackson, MS 39216, U.S.A.

E-Mail: ckoch@medicine.umsmed.edu

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des In- ternational Committee of Medical Journal Editors besteht.

Schlusswort

Den Ausführungen von Prof. Koch ist zuzustimmen. Im Anti-Aging-Bereich gibt es einen grauen Markt, der mit teilweise dubiosen Angeboten arbeitet. Überdosierungen können zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Vor allem gilt dies für die hormonelle Substitution. Ziel mei- nes Beitrages war es, darauf hinzuweisen, dass derartige Therapien immer ärztlich verordnet, individuell angepasst und nach entsprechender Diagnostik erfolgen dürfen.

Weniger nachvollziehbar sind dagegen für mich die Ausführungen von Frau Prof. Dören. Die WHI-Studie ist zur Bewertung der HRT sicherlich wichtig, stellt jedoch nicht die alleinige Grundlage dar. Sonst müssten wir kün- fig Frauen zur Brustkrebsprophylaxe eine Östrogen-Mo- notherapie empfehlen. In dem entsprechenden Arm der WHI-Studie zeigte sich nämlich eine signifikante 33-pro- zentige Reduktion von invasivem Brustkrebs (HR 0,67;

KI 0,47 bis 0,97). Wer Evidenz nicht nur in der WHI-Stu- die begründet sieht, wird sich einer derartigen Empfeh- lung wohl kaum anschließen.

Bezüglich des kardiovaskulären Risikos hat die diffe- renzierte Auswertung der WHI-Studie in jüngster Zeit ebenfalls Ergebnisse gebracht, die dem von Frau Doeren einseitig negativ gezeichneten Bild widersprechen. So zeigte sich im Östrogen-Arm für die Gruppe der 50- bis 59-jährigen Patientinnen eine 34-prozentige signifikante Risikoreduktion bei Auswertung der Herzinfarkte und kardialen Todesfälle (1). Mittels CT ließ sich eine 30- bis 50-prozentige signifikante Reduktion im Calciumscore im Vergleich zu Placebo feststellen (2). Entgegen den Aus- führungen von Frau Dören war in dieser Altersgruppe auch das Risiko für Schlaganfälle nicht erhöht.

Die gleiche, jüngste Auswertung der WHI zeigt bei Einbeziehung sämtlicher Frauen unter 60 Jahren (Östro- gen- und Östrogen-Gestagen-Arm) eine signifikante Re- duktion der allgemeinen Mortalität (HR 0,70; KI 0,51–0,96). Dieser harte Studienendpunkt zeigt die Mög- lichkeit jenes „zeitlichen Fensters“, in dem eine differen- zierte und individualisierte HRT mehr Nutzen als Risiken bietet. Im Übrigen hat die Neubewertung der HRT unter dem Gesichtspunkt einer altersadjustierten Verordnung längst Eingang sowohl in die nationalen (3) wie auch in die internationalen Leitlinien (4) gefunden.

LITERATUR

1. Hsia J et al.: Estrogen equine estrogens and coronary heart disease.

Arch Intern Med 2006; 166: 357–65.

2. Manson JE et al.: Estrogen therapy and coronary-artery calcification.

NEJM 2007; 356: 2591–602.

3. Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V.: Anwen- dungsempfehlungen zur Hormonersatztherapie im Klimakterium und in der Postmenopause. Frauenarzt 2006; 47: 494–5.

4. International Menopause Society. IMS updated recommendations on postmenopausal hormone therapy. Climacteric 2007; 10: 181–94.

Dr. med. Bernd Kleine-Gunk Euromed Clinic, Europa-Allee 1, 90763 Fürth E-Mail: kleine-gunk@euromed.de

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Referenzen

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