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Archiv "Interdisziplinäre Fortbildung: Lernen von „Emergency Room“" (15.09.2006)

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A2350 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 37⏐⏐15. September 2006

P O L I T I K

D

ie US-amerikanische Kran- kenhausserie „Emergency Room“ (ER) zählt nicht nur in den USA seit 1994 zu den erfolgreichsten Fernsehserien überhaupt, sondern hat seit langem auch in Deutschland eine große Fangemeinde – nicht zu- letzt unter Ärzten und Pflegekräften.

Lässt sich eine solche Serie auch ge- zielt zur interdisziplinären Fortbil- dung für Ärzte, Pflegepersonal und andere Krankenhausmitarbeiter nut- zen? Die Probe aufs Exempel mach- te kürzlich das Zentrum für Ethik in der Medizin am Markus-Kranken- haus Frankfurt/Main. Als Grundlage einer Fortbildungsveranstaltung prä- sentierte es mehrere „Fälle“ aus ver- schiedenen ER-Folgen, in denen das TV-Personal in der Notaufnahme mit komplexen medizinischen, ethischen und rechtlichen Konfliktsituationen konfrontiert wird.

Im Unterschied zu vielen anderen Krankenhausserien steht bei ER die Medizin im Vordergrund: „ER zeich- net sich durch eine hervorragende medizinische Recherche und Fachbe- ratung aus“, betonte Prof. Dr. med.

Klaus Zischler, Frankfurt/Main, in seiner Einführung. Auf die realisti- sche Darstellung von Krankheitsbil- dern, Diagnostik und Medikation

wird erhebliche Sorgfalt verwendet.

„Alle Schauspieler müssen medizini- sche Fachtermini beherrschen und werden an medizintechnischen Gerä- ten trainiert.“ Um eine möglichst große Authentizität zu erreichen, werden die Fachtermini auch ohne Rücksicht auf das Publikum verwen- det. Zwar unterscheiden sich das US- amerikanische und das deutsche Ge-

sundheitswesen in der Notfallmedi- zin. So werden in den USA sowohl die Erstversorgung durch gut ausge- bildete Rettungssanitäter als auch die Krankenhausbehandlung nach stren- gen Algorithmen durchgeführt, vor allem, um hohen Schadenersatzkla- gen bei Verstößen vorzubeugen – an- ders als in Deutschland, wo die leit- linienorientierte Behandlung viel Spielraum für individuelle Lösun- gen bietet und juristische Probleme nicht eine so hohe Tragweite wie in den USA haben.

Problem Patientenverfügung Dennoch eignen sich viele Szenen, um Spannungsfelder in der Begeg- nung zwischen Arzt, Pflegepersonal, Patient und Angehörigen zu verdeut- lichen und als Ausgangspunkt für ei- ne Diskussion zu nutzen. Dazu zählt beispielsweise der Umgang mit Pati- entenverfügungen und der Schweige- pflicht. In einem der präsentierten Fallbeispiele geht es um die Voraus- verfügung (DNR, „Do-Not-Resusci- tate“) einer Patientin: Eine 50-jährige Patientin wird in kritischem Zustand eingeliefert. Die Frau, eine herzkran- ke Alkoholikerin mit Leberzirrhose und akutem Lungenversagen, hat ei- ne Nichtwiederbelebungsanweisung bei sich. Die Ärztin unter- bricht daraufhin die Not- fallversorgung und befragt kurz die Patientin. Diese bestätigt, dass sie nicht in- tubiert und beatmet werden will. Die Tochter der Frau, die zwischenzeitlich verständigt wur- de und die erst nicht ins Krankenhaus kommen will, erscheint schließlich doch. Im Verlauf wird deutlich, dass zwischen Mutter und der Tochter Konflikte bestehen. Die Tochter will nichts unternehmen, damit ihre Mutter die DNR-Order zurückzieht.

Bei einer plötzlichen Zustandsver- schlechterung der Mutter ändert sie

jedoch ihre Meinung und verlangt, dass die Ärzte alles tun, um ihre Mut- ter wiederzubeleben. Die verantwort- liche Ärztin weigert sich jedoch, und die Patientin stirbt.

„Wie verbindlich ist die Patienten- verfügung?“, fragte Prof. Dr. jur. Ga- briele Wolfslast, Gießen. „Ist eine mündliche Verweigerung ausrei- chend? Könnte die Tochter die Ver- bindlichkeit der Anweisung ihrer Mutter außer Kraft setzen?“ Hinzu kommt das Dilemma des Arztes:

Wenn er den Willen der Patientin re- spektiert und keine lebensverlängern- den Maßnahmen einleitet, muss er dann Konsequenzen vonseiten der Tochter befürchten, etwa eine Ankla- ge wegen Totschlags durch Unterlas- sen? Hält sich der Arzt dagegen nicht an die Vorausverfügung und die Pati- entin überlebt, könnte diese den Arzt wegen Körperverletzung und Nöti- gung verklagen? In beiden Fällen würde der Arzt gegebenenfalls durch ein Ermittlungsverfahren belastet.

Eine Vorausverfügung kann au- ßerdem durch eine aktuelle Einwilli- gung/Nichteinwilligung des Patien- ten jederzeit ersetzt werden. „Der Arzt muss daher herausfinden, was der Wille des Patienten ist. Er muss die Entscheidung des Patienten auf jeden Fall ernst nehmen und ihn ster- ben lassen, wenn dieser es will“, so Wolfslast. Anhaltspunkte dafür liefert die Kommunikation mit dem Patien- ten, sofern dieser ansprechbar und einsichtsfähig ist. Ist das nicht der Fall, empfiehlt die Expertin, den Pati- enten in einer Notsituation zunächst zu stabilisieren (auch wenn dies be- reits lebensverlängernde Maßnah- men beinhaltet), um sich Klarheit zu verschaffen, wie die medizinische und rechtliche Situation ist.

Thema einer anderen Szene ist der Konflikt zwischen Schweigepflicht und Wahrheitspflicht: Zwei männli- che Teenager, die bei einem von ih- nen verursachten Unfall aus dem Au- to geschleudert und schwer verletzt wurden, werden eingeliefert. Bei dem Unfall wurde außerdem ein Kind überfahren und getötet. Der eine Jun- ge hat massive Schädelverletzungen und ist bewusstlos, er stirbt wenig später, der andere ist bei Bewusstsein und erzählt der diensthabenden Kran- kenschwester noch unter Schock, er INTERDISZIPLINÄRE FORTBILDUNG

Lernen von „Emergency Room“

Medizinische, ethische und rechtliche Aspekte ausgewählter Fälle der Fernsehserie in der Diskussion

Emergency Room zeichnet sich durch eine hervorragende medizinische Recherche und Fachberatung aus.

Prof. Dr. med. Klaus Zischler

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A2352 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 37⏐⏐15. September 2006

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sei den Unfallwagen gefahren. Nach überstandener Operation behauptet der Junge jedoch, sein Freund sei ge- fahren und habe den Unfall verur- sacht. Die Schwester, die zufällig mithört, ist darüber sehr bestürzt und bespricht mit einer nicht involvierten Kollegin den Fall. Zwischendurch begegnet sie noch der Mutter des ver- meintlichen Unfallfahrers, die um ihren Sohn trauert und gleichzeitig diesem die Schuld für den schreckli- chen Unfall geben muss.

Schweigepflicht

Wie soll die Schwester mit ihrer In- formation umgehen? Nach Ansicht von Dieter Roos, dem Leiter der Not- fallseelsorge Frankfurt/Main, ist es nicht ihre Aufgabe, über die Selbstbe- zichtigung des Jungen zu urteilen. In- wieweit dessen Aussage in einer hoch emotionalen Situation unmittelbar nach dem Unfall juristisch verwert- bar ist, sei ohnehin zweifelhaft. „Was wirklich geschehen ist, muss durch die Staatsanwaltschaft ermittelt wer- den. Die Schwester muss zur Schuld- frage nicht Stellung beziehen“, so Roos. Moralisch-ethisch war die Schwester die Bezugsperson für den Patienten. Aus juristischer Sicht war sie nicht befugt, ihre Schweigepflicht zu brechen. „Die Schweigepflicht ist ein extrem hohes Gut in unserer Rechtsprechung“, betonte Wolfslast.

Sie bestehe auch gegenüber anderen schweigepflichtigen Personen (in diesem Fall auch gegenüber der Kol- legin). In der Konfliktsituation könne sich die Schwester aber der Notfall- seelsorge offenbaren. Strafverfol- gungs- beziehungsweise zivilrechtli- che Interessen seien zudem nicht höher zu bewerten als die Schweige- pflicht. „Rechtlich ist die Schwester nicht verpflichtet, ihre Information weiterzugeben“, so Wolfslast.

Im Film sucht die Schwester nochmals das Gespräch mit dem Pati- enten, um ihn zu bewegen, die Wahr- heit zu sagen, aber das Ende (und die Schuldfrage) bleibt für den Zuschau- er offen. Fortsetzung folgt – auch für die zertifizierte Fortbildungsveran- staltung, denn Diskussionsstoff bie- ten die zwölf Staffeln à 22 Folgen der Serie noch reichlich (www.medizin ethik-frankfurt.de/programm.htm).I Heike E. Krüger-Brand

K

liniken im Aufstand, Ärzte auf der Straße oder auf dem Weg ins Ausland, Krankenkassenbeschäftigte im Warnstreik: Es herrscht Unruhe im deut- schen Gesundheitswesen – und auch die Politik findet im Widerstreit von Not- wendigkeiten und Erwartungen keine nachhaltige und einvernehmliche Lö- sung. Aber braucht die Ärzteschaft im- mer nur Rezepte, auf die sie dann nur noch eher hilflos reagieren kann? Unab-

hängig von politischen Vorgaben und Refinanzierungsaspekten hat sich das

„Kardiologische Kompetenznetz Köln (KKK)“ etabliert, ein gemeinnütziger Ver- ein, dem mittlerweile neben dem Herz- zentrum der Universität zu Köln ein- schließlich der Kinderkardiologie zahl- reiche kardiologische Praxen sowie sta- tionäre und ambulante Rehabilitations- einrichtungen angehören.

Ziel des Netzwerkes ist es, Patienten eine „integrierte“ Versorgung im eigent- lichen Sinne, das heißt ohne die häufi- gen Probleme an den Schnittstellen zwi- schen ambulanter und stationärer Be- treuung, zu bieten. Für Patienten bedeu- tet dies, dass die notwendige Behand- lung von der Diagnosestellung über den gegebenenfalls erforderlichen operati- ven Eingriff bis hin zu Wiedereingliede- rungsmaßnahmen und die weiter- führende ambulante Betreuung „aus ei- nem Guss“ erfolgt: Die Wartezeiten sind kurz, Doppeluntersuchungen werden vermieden, und alle Behandlungsschrit- te erfolgen – bis auf die stationären Re- habilitationsmaßnahmen – in bekannten Kölner Kliniken und Praxen. Der für die Gesamtbehandlung notwendige Infor- mationsfluss ist aufgrund adäquater IT-Lösungen zeitnah und lückenlos.

Gleichzeitig ist innerhalb des kardiologi- schen Kompetenznetzes durch eine be- gleitende Qualitätssicherung gewährleis-

tet, dass alle diagnostischen und thera- peutischen Schritte auf der Grundlage der aktuellen Leitlinien-Empfehlungen kardiologischer Fachgesellschaften durchgeführt werden.

Zentraler Bestandteil des KKK-Kon- zeptes ist die enge Kooperation mit den Hausärzten und den wohnbezirksnahen Krankenhäusern der Regelversorgung.

Diese stellt die lückenlose Betreuung und Behandlung auch und gerade von

Patienten mit chronischen Erkrankun- gen sicher, die in sogenannten Disease-Management-Programmen eingeschrieben sind. Gefördert wird die enge Vernetzung der unterschiedlichen medizinischen Versorgungsebenen durch regelmäßige Informations- und Weiterbildungsveranstaltungen inklusive Qualitätszirkeln, die vom Kardiologi- schen Kompetenznetz Köln in enger Zusammenarbeit mit dem Herzzentrum der Universität zu Köln angeboten wer- den. Damit hat die Realität des Modells die noch 2004 im Deutschen Ärzteblatt formulierte Befürchtung überholt, Hausärzte und niedergelassene Kardiolo- gen säßen im Kölner Integrationsmodell

„nicht mit im Boot“ (siehe dazu DÄ, Heft 19/2004, Seite eins, „KV außen vor“).

Entstanden ist vielmehr ein aus- schließlich von Ärzten aller Behand- lungsebenen konturiertes Versorgungs- netz, das – auch wenn das Kardiologi- sche Kompetenznetz Köln ideale Umset- zungsmöglichkeiten für derzeit politisch favorisierte Konzepte bietet – die primä- re, auf die Versorgungsoptimierung aus- gerichtete Eigenständigkeit betont.

Die Unabhängigkeit des Konzeptes kommt auch in der Tatsache zum Aus- druck, dass sich das KKK selbst finanziert und das Vereinsstatut Querfinanzierungen aus der industriellen beziehungsweise Verbandsebene bewusst ausschließt. I

KOMMENTAR

Prof. Dr. med. Erland Erdmann

INTEGRIERTE VERSORGUNG

Es geht auch anders

Foto:privat

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