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Archiv "Alternative Behandlungsmethoden: Streit bis in die letzte Instanz" (21.01.2000)

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ie Securvita verbreitete Jubel- stimmung: Der Gerichtsbe- schluss sei „ein Erfolg für die seriösen Naturheilverfahren und für die Versicherten“, sagte Birgit Radow, Vorstandssprecherin der Be- triebskrankenkasse. Das Bundesver- sicherungsamt habe versucht, die Se- curvita BKK „mit dirigistischen Mit- teln und der Anordnung eines Sofort- vollzugs“ daran zu hindern, den Versi- cherten Kosten für Homöopathie, an- throposophische Medizin, Pflanzen- und Naturheilkunde zu erstatten. Ra- dow: „Dagegen haben wir uns erfolg- reich gewehrt.“

Der Sieg der Securvita ist aber nur ein Teilerfolg, denn das Gericht hatte lediglich eines entschieden: das Bundesversicherungsamt kann die Betriebskrankenkasse nicht dazu ver- pflichten, ab sofortkeine Heilmittel, Untersuchungs- und Behandlungsme- thoden der vier genannten Therapie- richtungen mehr zu erstatten. Obdie Kasse sie erstatten darf, ist noch nicht geklärt. Bis die Verhandlung stattfin- det, werden nach Auskunft von Rich- ter Heinz-Dieter Klingauf noch meh- rere Monate verstreichen. „Vorher sind umfangreiche empirische Unter- suchungen erforderlich“, sagte er.

Klingauf will ermitteln, ob und inwie- weit andere Kassen die strittigen Lei- stungen erstatten.

Die Securvita ist zuversichtlich, auch in der Verhandlung zur Hauptsa- che den Gerichtssaal als Sieger zu ver- lassen. „Im Sozialgesetzbuch heißt es, dass ,Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Thera- pierichtungen‘ von den Leistungen der Krankenkassen ,nicht ausgeschlossen‘

sind“, kommentiert Norbert Schnor- bach, Pressesprecher der Krankenkas- se. „Im Juristendeutsch bedeutet das, dass solche Methoden wie Homöopa- thie, antroposophische Medizin, Pflan- zen- und Naturheilkunde in den Lei- stungskatalog der Kassen gehören.“

Die Versicherten wissen die Großzü- gigkeit der Securvita zu schätzen: der Zulauf an Mitgliedern ist groß.

Beim Bundesversicherungsamt (BVA) beobachtet man die Erstat- tungspraxis der Kasse mit Skepsis. In der Regel entscheidet der Bundesaus- schuss der Ärzte und Krankenkassen, welche Behandlungsmethoden zu den GKV-Leistungen gehören und welche

nicht. Fällt das Votum positiv aus, werden Untersuchungen, Behandlun- gen oder Heilmittel gleich in den Ein- heitlichen Bewertungsmaßstab aufge- nommen; die Abrechnung ist damit geregelt. Bei negativem Votum ist klar: Keine gesetzliche Krankenkasse darf die abgelehnte Leistung erstat- ten. Zu den von der Securvita gezahl- ten Verfahren hat sich der Ausschuss bislang allerdings weder positiv noch negativ geäußert.

Aufsichtsbehörde

kritisiert Erstattungspraxis

Für das BVA ist die Rechtslage trotzdem eindeutig: „Hat der Bundes- ausschuss bestimmte medizinische Leistungen noch nicht beurteilt, kann sie eine Krankenkasse nur im Fall eines Systemmangels erstatten“, sagt BVA-Referatsleiter Jürgen Grabow- ski. Er beruft sich dabei auf mehre- re Urteile des Bundessozialgerichts vom September 1997. „Systemmangel heißt: der Medizinische Dienst der Krankenkassen muss bestätigen, dass einem bestimmten Patienten inner- halb des Systems, also mit den vom Bundesausschuss anerkannten Me- thoden, nicht geholfen werden kann“, erklärt er. „Außerdem muss die alter- native Leistung grundsätzlich und im geprüften Einzelfall zur Therapie ge- eignet sein.“

Weil die Securvita aber nicht je- den Einzelfall vom Medizinischen Dienst prüfen lässt und auch keine Modellvorhaben angemeldet hat, um die Wirksamkeit von alternativen Me- thoden zu prüfen, verpflichtete die Aufsichtsbehörde die Kasse im ver- gangenen Jahr, zurückhaltender mit

den Geldern der Versicherten umzu- gehen. Sie dürfe keine Kosten für Heilmittel, Untersuchungs- und Be- handlungsmethoden mehr überneh- men, die der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nicht aus- drücklich als erstattungsfähig aner- kannt habe. Das Amt untersagte der Kasse auch, mit ihrem alternativen Leistungskatalog zu werben. Wettbe- werbsverzerrungen zu Lasten der an- deren gesetzlichen Krankenkassen sollten dadurch vermieden werden.

Die Securvita reagierte mit einer Kla- ge gegen die Aufsichtsbehörde.

Richter Klingauf vom Sozialge- richt Lübeck ließ in seiner Begrün- dung vom 6. Januar bereits ahnen, wohin der Weg in der Hauptver- handlung führen könnte: Nach vor- läufiger Überprüfung sei „zweifel- haft“, dass die Anordnung des BVA in vollem Umfang bestehen bleibe, schrieb er. „Die Kosten für einzelne im Leistungskatalog enthaltene neue Untersuchungs- und Behandlungs- methoden werden auch von anderen Krankenkassen teilweise erstattet.“

Darüber hinaus erscheine es „un- verhältnismäßig“, in jedem Einzelfall eine Prüfung durch den Medizi- nischen Dienst zu verlangen. Die Securvita betreut nach eigenen An- gaben täglich 200 Versicherte, die nach alternativen Methoden behan- delt werden.

Doch wie auch immer der Lü- becker Richter entscheidet, der Streit wird in die nächste Runde gehen. Ge- gen den Beschluss vom 6. Januar will BVA-Referatsleiter Grabowski Be- schwerde einlegen. In der Hauptsache wird letztlich das Bundessozialgericht entscheiden. Bis es so weit ist, könnten Jahre vergehen. Alexandra Endres A-83

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 3, 21. Januar 2000

Alternative Behandlungsmethoden

Streit bis in

die letzte Instanz

Die Securvita BKK darf ihren Mitgliedern vorerst die Kosten für bestimmte Naturheilverfahren weiter erstatten, entschied das Lübecker Sozialgericht am 6. Januar.

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