Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 4826. November 2004 AA3259
B R I E F E / B Ü C H E R
Kriegskinder
Zu dem Leserbrief „Von der NS-Ma- nie in die Depression der Berliner Re- publik“ von Dr. med. Claus Kohlhase in Heft 42/2004:
Ende des Erinnerns wäre Ende jeder Humanität
Sprachverhunzung und Gleich- stellung der Frauen mit Kriegs- traumatisierungen auf eine Stufe zu stellen ist schon ein starkes Stück. Veranlasst, nein, verpflichtet zu diesem Brief sehe ich mich jedoch durch die Formulierung „Heraufbe- schwören einer . . . Erinne- rung“ in Bezug auf den Holo- caust, zusammenfassend als
„Verkrüppelung“ bezeichnet.
Herr Kollege, nur zwei Jahr- zehnte vor Ihrer Geburt wur- de auf dem Boden Mitteleuro- pas (und nicht nur durch Hit- ler allein) ein industriemäßi- ger Massenmord an Millionen unschuldiger Menschen ver- übt. Daran zu erinnern, auch um Geschichtswiederholun- gen zu verhindern, ist eine bleibende Verpflichtung.
Natürlich müssen wir auch an- derswo begangene Schwerver- brechen, z. B. den stalinisti- schen Terror mit vielen Millio- nen Opfern, die Massaker in Burundi etc., vor dem Verges- sen bewahren. Das von Ihnen offenbar gewünschte Ende des Erinnerns wäre dagegen das Ende jeder Humanität.
Dr. med. Gottfried Beyvers, Dresdener Straße 11, 84061 Ergoldsbach
Bürokratie
Zu den Leserbriefen „Neue Bürokra- tie“ von Dr. med. Hellmut Anger und
„Zu den Wurzeln der Bürokratieex- zesse“ von Peter Tischmann in Heft 43/2004:
Nur Mut!
Herr Tischmann hat völlig Recht, dass der Bürokratie- abbau nur über eine Reduzie- rung der Verwaltungsplanstel- len, angefangen im Bundes- gesundheitsministerium bis hinab zu den Krankenhaus- verwaltungen, zu erreichen ist.
Leider bin ich geneigt, dem
Pessimismus von Herrn Dr.
Anger zu folgen.
Als Anfang müsste schon eine Verordnung kommen, wonach alle Verwaltungsplanstellen zunächst um zehn Prozent zu kürzen seien, ebenso die Etat- mittel für den Verwaltungsauf- wand. Ich bin sicher, dass nichts zusammenbrechen würde.
Doch wer hat den Mut dazu?
Dr. med. Gottfried Hillmann, Thomas-Mann-Straße 11, 60439 Frankfurt am Main
Psychotherapie
Zu dem Beitrag „4. Deutscher Psy- chotherapeutentag: Ein Heilberufs- stand formiert sich“ von Petra Bührung und Thomas Gerst in Heft 43/2004:
Kernkompetenz der Ärzte
Bei den Psychotherapeuten handelt es sich nicht um einen einzigen Berufsstand. Nach dem Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psycho- therapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychothera- peuten sind es Pädagogen, So- zialpädagogen, Diplompsy- chologen und Ärzte, die nach entsprechender Ausbildung die Bezeichnung „Psychothe- rapeut“ oder „Psychothera- peutin“ führen dürfen. Bedau- erlicherweise wird von interes- sierter Seite seit Jahren ver- sucht, den Eindruck zu er- wecken, dass die Psychothera- pie alleinige Angelegenheit der Psychologischen Psycho- therapeuten sowie der Kinder- und Jugendlichenpsychothera- peuten sei. In Wahrheit gehört die Psychotherapie auch zur Kernkompetenz der Ärzte- schaft. Dem sollten Sie im DÄ Rechnung tragen. Wenn allein psychologische oder Kinder- und Jugendlichenpsychothera- peuten gemeint sind, sollten Sie nicht von „den Psychothe- rapeuten“ sprechen, weil es objektiv inkorrekt ist und de- nen in die Hände spielt, die den Ärzten ihre psychothera- peutische Kompetenz abzu- sprechen versuchen.
Dr. med. Heiner Heister, Herzogstraße 7, 52070 Aachen
Orthopädie
Digitale Erweiterung
Andreas Bernau: Orthopädisch- Traumatologische Röntgendia- gnostik. Einstelltechnik. 4., neu bearbeitete Auflage. Urban & Fi- scher Verlag, München, Jena, 2004, X, 302 Seiten, 600 Abbildungen, gebunden, 99,95 A
Das nunmehr in der vierten Auflage erschienene Stan- dardwerk zur orthopädisch traumatologischen Röntgen- diagnostik und Einstelltech- nik ist nochmals erweitert worden.
Begrüßenswert ist das neue Kapitel über die digitale Bildverarbeitung, die in Pra- xis und Klinik einen immer größeren Stellenwert be- kommt. Ein besonderes In- teresse dürfte die Neuauflage
mit dem umfangreichen trau- matologischen Teil und dem bereits standardisierten or- thopädischen Teil bei den eta- blierten Orthopäden und Un- fallchirurgen finden, die sich im Zuge der Zusammen- führung beider Fächer mit den jeweils anderen Fachbe- reichen, speziell auch in der Diagnostik und Röntgenein- stelltechnik, auseinander set- zen müssen. Jürgen Krämer
Gender-Medizin
Herausforderung
Anita Rieder, Brigitte Lohff (Hrsg.): gender medizin. Ge- schlechtsspezifische Aspekte für die klinische Praxis. Springer-Ver- lag, Wien, New York, 2004, XIV, 443 Seiten, 59 Abbildungen, ge- bunden, 59,80 C
Die Herausgeberinnen haben sich an die Aufgabe gewagt, geschlechtsspezifische Aspek- te für die klinische Praxis dar- zustellen. In den 18 Beiträgen dieses Buches werden gen- derspezifische Sachverhalte allgemein sowie aus unter- schiedlichen Fachdisziplinen dargestellt. Insbesondere fol- gende Fragestellungen wer-
den in den einzelnen Kapi- teln bearbeitet: Welche Ge- schlechtsunterschiede und Ge- meinsamkeiten, die klinisch relevant oder nicht relevant sind, sind bekannt? Welche wissenschaftliche Evidenz und klinische Erfahrung liegen vor? Resultieren daraus Ein- flüsse auf klinische Diagnose, Therapie und Outcome? Las- sen sich Empfehlungen für die Praxis ableiten, und wenn, welche?
Die Kapitel sind einheitlich strukturiert mit vorangestell- ten Zusammenfassungen und zum Teil mit übersichtlichen Tabellen versehen. Essenzielle Aussagen werden eingerückt und besonders gekennzeich- net, umfangreiche Literatur- angaben vervollständigen die einzelnen Beiträge.
Es ist das erste Buch im deutschen Sprachraum, wel- ches dieses Thema für die ärztliche Routinetätigkeit darstellt, und sollte als Her- ausforderung betrachtet wer- den, sich diesem Thema in allen klinischen Fachgebie- ten weiter zu nähern. Ein lesenswertes Buch für Ärz- tinnen und Ärzte aller Fach- gebiete. Renate Wrbitzky