Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in seiner Sitzung am 15. Juni 2004 be- schlossen, die Arzneimittel-Richtlinien in der Fassung vom 31. August 1993 (BAnz.
S. 11 155), zuletzt geändert am 15. Juni 2004 (BAnz. S. 19 566), in Anlage 4 wie folgt zu ändern:
Der Therapiehinweis zu Clopidogrel in der Anlage 4 nach Nr. 14 Arzneimittel- Richtlinien wird durch den nachfolgenden Therapiehinweis zu Clopidogrel ersetzt.
Hinweis nach Nr. 14 Arzneimittel-Richtlinien
„Clopidogrel
(Plavix®, Iscover®) Indikation
Clopidogrel ist indiziert für die Präventi- on atherothrombotischer Ereignisse bei:
1. Patienten mit Herzinfarkt (wenige Tage bis 35 Tage zurückliegend), mit ischämischem Schlaganfall (7 Tage bis 6 Monate zurückliegend) oder mit nach- gewiesener peripherer arterieller Ver- schlusskrankheit (pAVK)
2. Patienten mit akutem Koronarsyn- drom ohne ST-Streckenhebung (instabile Angina pectoris oder Non-Q-wave-Myo- kardinfarkt) in Kombination mit Acetyl- salicylsäure.
Im Handel sind zwei Präparate als Filmtabletten mit einem Wirkstoffgehalt von 75 mg Clopidogrel (Plavix®, Isco- ver®). Die Salzform ist in beiden Präpara- ten als Hydrogensulfat identisch.
Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise
Indikation Sekundärprophylaxe bei ma- nifester Atherosklerose: Da die Wirksam- keitsunterschiede von Clopidogrel und ASS klinisch nicht relevant sind sowie aufgrund der hohen Kosten (s. u.), sollte die Indikationsstellung für Clopidogrel nur erfolgen, wenn ASS nicht verabreicht
werden kann. Wie in aktuellen evidenz- basierten Leitlinien empfohlen, sollte nach wie vor ASS zur prophylakti- schen Behandlung von Zuständen nach einem Myokardinfarkt oder ischämischen Schlaganfall im Sinn der Verhinderung ei- nes Zweitereignisses verwendet werden.
Ausgenommen davon wären durch ASS ausgelöste Unverträglichkeitsreaktionen einschließlich Allergien oder Asthma bronchiale. Das Umsetzen von ASS auf Clopidogrel aufgrund eines vaskulären Ereignisses (,Versagertherapie‘) ist hinge- gen nicht durch Studiendaten begründ- bar. Nicht ausreichend untersucht und un- wirtschaftlich, zudem auch nicht zugelas- sen, ist der kombinierte Einsatz von Clo- pidogrel und ASS bei Patienten mit transi- torischer zerebraler Ischämie (TIA).
Beim akuten Koronarsyndrom ohne ST-Streckenhebung führt eine Kombina- tion von Clopidogrel und ASS zwar in ei- ner Studie zu einer signifikanten Reduk- tion des kombinierten Endpunktes, ins- besondere bedingt durch die nichttödli- chen Q-Zacken-Myokardinfarkte. Eine Senkung des Endpunktes Gesamtmorta- lität ist jedoch nicht belegt. Zudem nimmt die Rate an Blutungen, auch von schwe-
ren und lebensbedrohlichen, unter der Kombination in relevantem Maße zu. Ob sich langfristig ein positives Nutzen-Risi- ko-Verhältnis für die Kombination er- gibt, ist wegen evtl. vermehrt auftreten- der Blutungen sehr fraglich.
Kosten1
Clopidogrel (Plavix®, Iscover®) ist in Form von N3-Packungen mit 100 Tablet- ten à 75 mg zu einem Preis von 196,29 Eu- ro im Handel. Im Vergleich dazu kostet die jährliche Behandlung mit ASS bei Verordnung von N3-Packungen im gün- stigsten Fall zwischen 8,60 Euro (100 mg/Tag) und 17,50 Euro (300 mg/Tag).
Wirkungen
Clopidogrel hemmt irreversibel die Thrombozytenaggregation durch selekti- ve Bindung an den mit der Adenylatcy- clase gekoppelten ADP-Rezeptor an der Thrombozytenoberfläche. Dadurch wer- den die ADP-vermittelte Aktivierung des GPIIb/IIIa-Rezeptorkomplexes und die Bindung von Fibrinogen an die Thrombo- zytenoberfläche unterdrückt.
Wirksamkeit
Die Wirksamkeit von Clopidogrel wurde in mehreren Mortalitäts- und Morbi- ditätsstudien an verschiedenen Kollekti- ven untersucht.
1. In der CAPRIE-Studie wurden 325 mg/Tag Acetylsalicylsäure (ASS) mit 75 mg/Tag Clopidogrel bei 19 185 Patien- ten mit ischämischem Schlaganfall, Myo- kardinfarkt, peripherer arterieller Er- krankung über knapp 2 Jahre verglichen.
Der primäre kombinierte Endpunkt (ischämischer Schlaganfall, Myokardin- farkt oder Tod durch ein vaskuläres Er- eignis) trat unter Clopidogrel in 9,78 % und unter ASS in 10,65 % auf (RRR2= 8 %; ARR3= 0,87 %, 95 % KI4= ⫺1,7 % bis ⫺0,08 %; p = 0,049; NNT5= 115 für 2 Jahre, KI = 59 bis 1 250). Lediglich pro- fitierte die prädefinierte Subgruppe der Patienten mit peripherer arterieller Er- krankung durch eine signifikante Reduk- tion der nichttödlichen Myokardinfarkte, während bei anderen Subgruppen der Pa- tienten mit Myokardinfarkt und Schlag- B E K A N N T G A B E N D E R H E R A U S G E B E R
A
A3058 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 455. November 2004
K A S S E N Ä R Z T L I C H E B U N D E S V E R E I N I G U N G
Bekanntmachungen
Beschluss
einer Änderung der Anlage 4 der Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen
Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien/AMR)
vom 15. Juni 2004
1Stand: Lauertaxe 1. Mai 2004
2RRR: relative Risikoreduktion
3ARR: absolute Risikoreduktion
495 % KI: Konfidenzintervall (Maß für die Präzision einer Studie: 95% aller Studien mit identischem Design kämen zu einem Ergebnis innerhalb des Konfidenzintervalls)
5NNT: number needed-to-treat (Anzahl der Patienten, die im Studienzeitraum behandelt werden müssen, um ein unerwünschtes Ereignis zu verhindern)
Das Deutsche Ärzteblatt veröffentlicht Be- kanntgaben seiner Herausgeber, der Bun- desärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, ferner Bekanntgaben von Institutionen, die im Einzelnen von den Herausgebern als Bekanntgeber be- nannt worden sind. Verantwortlich für den Inhalt der Bekanntgaben ist der jewei- lige Bekanntgeber.
B
Beekkaannnnttggeebbeerr ssiinndd zzuurrzzeeiitt::
1. die Bundesärztekammer sowie – von dieser benannt – der Wissenschaftliche Bei- rat der Bundesärztekammer, die Arzneimit- telkommission der deutschen Ärzteschaft, die Zentrale Ethikkommission, das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin, 2. die Kassenärztliche Bundesvereinigung sowie – von dieser benannt – der Gemein- same Bundesausschuss.
anfall keine signifikante Änderung der Endpunkte festzustellen war. Ein Ver- gleich der Subgruppen war jedoch nicht das primäre Studienziel. Die Gesamtmor- talität unterschied sich allerdings in bei- den Gruppen nicht signifikant (5,83 % unter Clopidogrel vs. 5,96 % unter ASS).
Später veröffentlichte Nachauswertun- gen sind für den Beleg eines Nutzens in bestimmten Subgruppen nicht hinrei- chend, da es sich um Post-hoc-Analysen nicht prädefinierter Subgruppen handelt.
2. 12 562 Patienten mit akutem Ko- ronarsyndrom erhielten in der CURE- Studie randomisiert Clopidogrel (Sätti- gungsdosis von 300 mg, Erhaltungsdo- sis von 75 mg/Tag) zusammen mit ASS (75–325 mg/Tag) oder ASS allein (75–325 mg/Tag). Die Behandlungsdauer war mit 3–12 Monaten nicht genau festgelegt.
Nach durchschnittlich 9,4 Monaten trat der primäre Endpunkt (kardiovaskulär bedingte Todesfälle oder nichttödliche Myokardinfarkte oder Schlaganfälle) in der kombiniert behandelten Gruppe um 18 % (RRR) und 2,1 % (ARR) signifi- kant weniger auf (9,3 % vs. 11,4 %). Es ergab sich ein NNT-Wert von 48 Patien- ten. Diese Reduktion kam in erster Linie durch die geringere Inzidenz von nicht- tödlichen Q-Zacken-Myokardinfarkten (5,2 % vs. 6,7 %). Die Mortalität auf- grund kardiovaskulärer Ereignisse unter- schied sich nicht signifikant (5,1 % vs.
5,5 %). Auch die Gesamtmortalität war nicht signifikant unterschiedlich (5,7 % vs. 6,2 %). Allerdings traten schwere und lebensbedrohliche Blutungen in der kombiniert behandelten Gruppe mit 3,75 % vs. 2,7 % bzw. 2,2 % vs. 1,8 % häu- figer auf. Das heißt, dass es nach Behand- lung von 100 bzw. 250 Patienten bei einem Patienten zu einer schweren bzw. le- bensbedrohlichen Blutung kommt. Die CURE-Studie konnte somit nicht bewei- sen, dass die kombinierte Behandlung mit Clopidogrel und ASS gegenüber ASS- Monotherapie in allen Endpunkten signi- fikante Überlegenheit ergab. Ein maxi- maler Nutzen zeichnet sich auch nur in- nerhalb der ersten drei Monate ab. Bei längerer Therapiedauer ist durch evtl.
vermehrte Blutungen eine Änderung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses nicht ausge- schlossen.
Risiken – ggf. Vorsichtsmaßnahmen Unerwünschte Wirkungen: In der CAPRIE-Studie betrug die Gesamtinzi- denz von Blutungen bei Patienten, die entweder mit Clopidogrel oder ASS be- handelt wurden, 9,3 %. Die Häufigkeit schwerer Blutungen betrug in der Clopi- dogrel-Gruppe 1,4 % und in der ASS- Gruppe 1,6 %. Das Blutungsrisiko steigt
bei einer Kombinationsbehandlung mit ASS. Über einige Fälle mit letalem Aus- gang wurde berichtet (insbesondere intra- kranielle, gastrointestinale und retroperi- toneale Blutungen). Gelegentlich (> 0,1 % – < 1,0 %) traten Thrombozytopenien auf. Sehr selten (< 0,01 %, einschließlich Einzelfälle) wurden Neutropenien beob- achtet. Gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen, Diarrhö und selten Obstipation traten bei insgesamt 15 % der in der CAPRIE-Studie behan- delten Patienten auf gegenüber 17,6 % in der ASS-Gruppe. Bei etwa 6 % der Pati- enten unter Clopidogrel wurden Haut- rötungen und selten Hautausschläge be- schrieben (ASS 4,6 %). Selten (> 0,01 % – < 0,1 %) sind Benommenheit, Schwin- del und Parästhesien.
In einer Fallserie wurden mehrere Fälle von thrombotisch-thrombozytopenischer Purpura (TTP) unter Clopidogrel be- schrieben. Die Ereignisse traten zum Teil bereits nach wenigen Tagen, in Einzelfäl- len aber noch nach fast einem Jahr auf.
Kontraindikationen: schwere Leber- funktionsstörungen, akute Blutungen (z. B. bei Magen-Duodenal-Ulzera oder
intrakranielle Blutungen). Angesichts fehlender Daten bei Patienten mit aku- tem Herzinfarkt mit ST-Streckenhebung sollte Clopidogrel innerhalb der ersten Tage nach dem Myokardinfarkt nicht ge- geben werden. Beim akuten ischämi- schen Schlaganfall (weniger als 7 Tage zurückliegend) kann Clopidogrel nicht empfohlen werden, da hierfür keine Da- ten vorliegen. Vor geplanten operativen Eingriffen sollte Clopidogrel 7 Tage vor der Operation abgesetzt werden.
Begleitbehandlung: Bei Behandlung mit anderen Antikoagulanzien (ASS, Heparin, Hirudin, Kumarine, GPIIb/IIIa- Hemmer), nichtsteroidalen Antirheuma- tika oder nach einer fibrinolytischen Therapie ist auf eine erhöhte Blutungs- gefahr zu achten. Deshalb sollte die Be- handlung mit Clopidogrel nur mit Vor- sicht erfolgen.“
Berlin, den 15. Juni 2004
Gemeinsamer Bundesausschuss Der Vorsitzende
Dr. jur. R. Hess B E K A N N T G A B E N D E R H E R A U S G E B E R
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 455. November 2004 AA3059
55. Nürnberger Fortbildungskongress der Bayerischen Landesärztekammer
Vom 2. bis 5. Dezember veranstaltet die Bayerische Landesärztekammer in der Meistersingerhalle unter Leitung von Herrn Dr. med. H. H. Koch, Klinikum Nürn- berg, ihren 55. Fortbildungskongress.
Kongressthemen: Medizin aktuell, Internistische Neurologie – häufig fehlinterpre- tiert; Der bewusstseinsgetrübte Patient; Umgang mit Hormonen in der täglichen Praxis; Leichenschau; Neuerungen in der Reanimation
Symposium: Sonographie
Repetitorium: Innere Medizin, Intensivmedizin
Seminare: Bronchoskopie für Intensivmediziner, Anästhesisten, Chirurgen, HNO- Ärzte – Chirotherapie und Osteopathie für die Praxis – Diagnostik und Therapie akuter Herzrhythmusstörungen – Forum Diabetes für Ärzte und Diabetesberater – Forum Diabetes für Schulungspersonal – EKG-Kurs – Neurologischer Untersu- chungskurs – Notfälle in der Praxis – Notfallmedizin/Falldemonstration – P.A.I.N.- Workshop – Reanimation bei Kindern und Erwachsenen – Intensivkurs Reanimation – Vermeidung von Fehlern bei der Präanalytik – 7. Forum Qualitätsmanagement 34. Fortbildungskurs für ärztliches Assistenzpersonal: Röntgendiagnostik, Strahlen- therapie, Nuklearmedizin
8. Fortbildungskurs für Arzthelferinnen am 4. Dezember
Öffentliche Veranstaltung am 5. Dezember: „Diabetes mellitus Typ 2 – alles klar für den Patienten?“
Für den Erwerb des freiwilligen Fortbildungszertifikats der Bayerischen Landes- ärztekammer wird der Kongress pauschal mit 6 Punkten pro Tag bzw. 3 Punkten pro
½ Tag, Seminare und Kurse je nach Zeitdauer gewertet.
Weitere Auskünfte und verbindliche Anmeldung: Bayerische Landesärztekammer, Frau Helga Müller-Petter, Mühlbaurstraße 16, 81677 München, Telefon: 0 89/41 47- 2 32, Fax: 0 89/41 47-8 79, E-Mail: nuernbergerkongress@blaek.de )