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Archiv "Berufspraxis: Zuwendung wird nicht bezahlt" (17.02.2012)

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Academic year: 2022

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A 326 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 7

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17. Februar 2012 praktizieren zu können. Der Ter-

minkalender ist jetzt nur noch halb voll und ernährt meine Familie auch nicht, aber in der frei gewor- denen Zeit verdiene ich mit zwei zusätzlichen augenärztlichen Tätig- keiten gerade eben so das fehlende Geld. – Und schließlich ernähre ich mich ja auch noch vom Lob und der Zufriedenheit meiner Patienten, die ich stressfrei behandeln kann.

Ich bin überzeugt, dass in den Randbereichen eines Systems die Keime für ein neues System liegen.

Dr. med. Harald Knigge, 60389 Frankfurt am Main

20 000 Formulare

Vielen Dank an Frau Dr. Koch für ihren Artikel, der in sehr netter Wei- se endlich ein Thema anspricht, das wegen seiner Bedeutung für die Zu- kunft der Ärzte völlig unterschätzt wird. In über 30 Jahren ärztlicher Tätigkeit habe ich erleben müssen, wie die Arzt-Patienten-Beziehung immer mehr von Bürokratie und immer weniger von persönlicher Begegnung bestimmt wird.

In unserer Zweierpraxis mit vier Helferinnen sind wir gezwungen, zu Beginn des Quartals täglich circa 500 Formulare auszufüllen und über 100-mal die Praxisgebühr zu kassieren beziehungsweise Befrei- ungen einzutragen. Pro Quartal kommen in unserer Doppelhaus- arztpraxis gut 20 000 Formulare zu- sammen.

Zusätzlich kodiert jeder Arzt circa 3 000 Diagnosen pro Quartal neu und kontrolliert 3 000 auf ihre Ak- tualität. Diese Entwicklung finde ich dramatisch.

Jeder Arzt in jeder Position sollte versuchen, hier gegenzusteuern.

Sonst hat unsere zukünftige ärztliche Tätigkeit mit Vorstellungen, die uns unseren Beruf haben ergreifen las- sen, bald nichts mehr zu tun. Wir ha- ben uns ohne Gegenwehr zu Verwal- tungsangestellten degradieren lassen.

Dr. med. Ulrich Hasler, 79395 Neuenburg

Wir laufen dem Flugsand hinterher

Wenn Kliniken heute wie Unterneh- men geführt werden, darf man sich nicht wundern, dass wirtschaftliche

Aspekte die Philosophie bestim- men. Die monothematische Aus- richtung auf Bilanz und Gewinn treibt seltsame Blüten, so sind Kranke inzwischen zu Costliern und Profitliern degeneriert worden, um nur ein einziges Beispiel zu nennen. Da die Sprache bekanntlich das Denken verändert, ist es vom Krankenhaus zur Kommerzmaschi- ne nur ein kleiner Schritt. Bioethi- sche Grundprinzipien werden dabei sozusagen exekutiert, da sie von Fi- nanzlern und artverwandten Spezies als kostentreibende Störfaktoren qualifiziert und wahrgenommen werden. Das Verhältnis von Arzt und Patient ist nicht angeboren oder fällt einfach wie Manna vom Him- mel, sondern muss bilateral entwi- ckelt werden. Der innere Kern der Medizin ist bei näherer Betrachtung überraschenderweise ein zeitgebun- dener Vorgang. Wir befinden uns nicht nur in falschem Fahrwasser, sondern in einer Situation, die unse- rem Beruf via Ökonomisierung zu- nehmend Ursprung und Basis nimmt. Maß und Mitte sind verlo- ren gegangen, wir laufen dem Flug- sand hinterher. Letztlich haben wir die Wahl, die normative Kraft des Faktischen zu akzeptieren oder den Sumpf trockenzulegen. Dann darf man allerdings nicht die Frösche fragen.

Dr. med. Christoph Schöttes, Chefarzt der Medizinischen Klinik, Klinikum Emden, Hans- Susemihl-Krankenhaus gGmbH, 26721 Emden

Einfühlsame Supervision für alle Geplagten

Dass es dem homo patiens guttut, wenn er einem kompetenten und einfühlsamen Arzt begegnet, zeigt die Erfahrung, aber auch das Wis- sen um die Psychologie der Begeg- nung. Sie zeigt, dass sich freundli- che Zuwendung auf die Psyche und über die Psyche auf den Körper po- sitiv auswirkt. Insofern ist die Art der „Arzt-Patienten-Beziehung“ tat- sächlich von entscheidender Bedeu- tung für die Gesundheit der Patien- ten. Und ich gehe, solange mir kei- ner der Kandidaten widerspricht, davon aus, dass alle, die den ärztli- chen Beruf anstreben und nicht nur Mediziner werden wollen, die Be-

reitschaft zur empathischen Zuwen- dung grundsätzlich mitbringen.

Dass diese Bereitschaft im Verlauf der Zeit auf eine harte Probe ge- stellt wird und dadurch die Zuwen- dung zu den Patienten tangiert ist, sollte freilich nicht überraschen.

Denn die Herausforderungen durch das berufliche, aber auch durch das private und familiäre Umfeld, in ih- rer bisweilen nagenden Wucht, kön- nen existenziell gravierend frustrie- ren. In nicht unbedingt nur gravie- renden Fällen ist den Geplagten ei- ne einfühlsame Supervision zu wünschen . . .

Pater Vinzenz Ganter, 67405 Neustadt

Zuwendung wird nicht bezahlt

In Wirklichkeit wissen wir doch al- le: Schon immer hat die Zuwen- dung zum Patienten in unserer

„Freizeit“ stattgefunden. Wir haben uns doch schon immer nach offi- ziellem Dienstschluss an das Pa- tientenbett gesetzt und mit ihm und seinen Angehörigen gesprochen.

Wir haben es gern getan. Aber im- mer war es in Wirklichkeit unsere Sonderleistung außerhalb der Ar- beitszeit, in unserem dann später stattgefundenen Feierabend. Wir haben dafür in Kauf genommen, dass der Partner, die Kinder und der Freundeskreis sich über zu wenig Zeit beschweren, der Chef uns auch noch rüffelt, wir würden wohl zu langsam arbeiten, wenn wir erst spät die Klinik verlassen.

In der Praxis des Niedergelassenen wird die eigene Existenz und damit auch der Erhalt der Praxis mit Ver- sorgung seiner Patienten bedroht durch Zuwendung, die wir gern ent- gegenbringen, aber leider nicht be- zahlt wird.

Verschärft wird das Problem durch Zeitmangel der jungen Kollegen:

Da hält kaum noch eine Ehefrau dem hart arbeitenden Hausarzt den Rücken frei, da muss die Alleiner- ziehende das Kind aus der Kita ho-

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len, und die Gleichung heißt:

Zuwendung zum Patienten bedeu- tet: Das Kind bleibt allein. Ist das alles so richtig? Sind wir Ärzte schuld an dem Dilemma?

Könnte es sein, dass unsere Gesell- schaft noch nie so recht die eigent- liche Leistung des Arztes anerken- nen konnte und wollte? Und was ist in einer Gesellschaft los, in der, um Frau Kochs Beispiel aufzugreifen, zwar 90 Euro aus eigener Tasche für eine homöopathische Anamnese gezahlt werden, der Arzt aber für zehn Euro Praxisgebühr beschimpft wird?

Dr. med. Gabriele Klose, 22607 Hamburg

Plädoyer für Berührung

. . . Wir klagen zu Recht über den Mangel an Zeit, uns unseren Patien- ten angemessen widmen zu können, und auch Frau Koch greift dieses Thema erneut auf.

Was ich aber immer wieder vermis- se, ist auch eine selbstkritische Aus- einandersetzung mit der einseitigen Fokussierung unserer Ausbildung auf ausschließlich strukturelle Er- krankungen, die wir nach der Vir- chowschen Doktrin in die Gruppen Tumoren, Entzündungen, Missbil- dungen, Verletzungen und degene- rative Erkrankungen einteilen.

Dementsprechend ist unsere Dia - gnostik ausgerichtet: Wir suchen durch immer bessere technische Untersuchungen nach diesen Er- krankungen. Aus diesem Grunde vernachlässigen wir schleichend, aber zunehmend die klinische Un- tersuchung!

Vollkommen vernachlässigt in un- serer Lehre werden rein funktionel- le Erkrankungen! Dazu gehört bei- spielsweise der „unspezifische Rü- ckenschmerz“, das „Colon irritabi- le“, „Schreikinder“, „vegetative Dystonie“, um nur ganz wenige zu nennen. In allen Fachbereichen kommen wir mit diesen Patienten aber ständig in Berührung.

Wenn man erfahrene Hausärzte nach ihrer persönlichen Einschät- zung bezüglich der Häufigkeit rein funktioneller Erkrankungen unter den Patienten, von denen sie täglich aufgesucht werden, befragt, so er- hält man durchweg die Angabe,

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17. Februar 2012 A 327

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