diese Menschen eine medizinische Grundversorgung ermöglichen, ohne di- rekt eine Abschiebung befürchten zu müssen. So solle die Meldepflicht nach dem Aufenthaltsgesetz für öffentliche Stellen, wie etwa Krankenhäuser oder Sozialämter, im Fall ärztlicher Behand- lung aufgehoben werden. Die medizini- sche Hilfe durch Ärzte dürfe nicht unter den Straftatbestand der Beihilfe zur ille- galen Einreise und zum illegalen Auf- enthalt fallen. Gleichzeitig müsse eine
Finanzierung auch von teuren Behand- lungskosten gewährleistet sein. Gerade weil von Krankheit betroffene „Illega- le“ aus Angst vor Abschiebung oft erst zu spät ärztliche Hilfe suchen, komme es zu lebensgefährlichen Komplikationen.
Auch sei die Allgemeinheit bedroht, wenn ansteckende Krankheiten zu spät oder gar nicht erkannt würden.
Nicht zulässig sei die Vergabe von Brechmitteln an verdächtigte Drogen- dealer zum Zwecke der Beweismittelsi-
cherung ohne Zustimmung des Betrof- fennen, betonte der Deutsche Ärztetag.
Das gewaltsame Einbringen von Brech- mitteln mit einer Magensonde stelle ein nicht unerhebliches gesundheitliches Risiko dar. Ärzte dürften nicht zur Be- teiligung an einer solchen Maßnahme gezwungen werden. Desgleichen spra- chen sich die Delegierten gegen inhu- mane Praktiken bei der Abschiebung von Menschen ohne Aufenthaltsbe- rechtigung aus. Thomas Gerst 1 0 9 . D E U T S C H E R Ä R Z T E T A G
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A1526 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 22⏐⏐2. Juni 2006
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s gibt kein einklagbares Recht auf aktive Sterbehilfe.“ Das sagte Prof.Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe auf der Eröffnungsveranstaltung des 109.
Deutschen Ärztetages am 23. Mai in der Magdeburger Stadthalle. Damit reagierte der Präsident der Bundes- ärztekammer auf Forderungen des Rechtsphilosophen und Strafrechtlers Prof. Dr. phil. Reinhard Merkel, der sich kürzlich auf dem Internistenkongress in
Wiesbaden für eine Freigabe von akti- ver Euthanasie (Tötung auf Verlangen) und eines von Ärzten assistierten Sui- zids in bestimmten Situationen ausge- sprochen hatte. Damit vertrete Merkel zwar eine Minderheitenposition, diese werde aber zunehmend offener vorge- tragen, sagte Hoppe. Das zeige auch der Vorstoß des früheren Hamburger Justizsenators Roger Kusch zur Lega- lisierung der Euthanasie.
Merkel habe seine Forderungen nach Zulassung der Euthanasie expli- zit an die Ärzteschaft adressiert. Er hatte die Bundesärztekammer aufge- fordert, „ihren Widerstand gegen die standesethische Akzeptanz des assi- stierten Suizids endlich aufzugeben“.
Dazu Hoppe: „Ich hätte Herrn Merkel schon etwas mehr Sorgfalt in der Re- cherche zugetraut. Er hätte sich nur die Beschlüsse vergangener Ärztetage anschauen müssen, dann wüsste er:
Für die deutsche Ärzteschaft ist Tö- tung von Patienten, und dazu gehört auch der assistierte Suizid, tabu. Und dabei bleibt es auch!“
In den Grundsätzen zur ärztlichen Sterbebegleitung aus dem Jahr 2004 habe die Bundesärztekammer ver- deutlicht, dass Maßnahmen zur Ver- längerung des Lebens in Überein- stimmung mit dem Willen des Patien- ten unterlassen oder nicht weiterge- führt werden könnten, wenn diese nur den Todeseintritt verzögerten und die Krankheit in ihrem Verlauf nicht mehr aufgehalten werden könne. Weil bei Sterbenden die Linderung des Leidens im Vordergrund stehen kön- ne, dürfe eine möglicherweise da- durch bedingte unvermeidbare Le- bensverkürzung hingenommen wer-
den. Die ärztliche Verpflichtung zur Lebenserhaltung bestehe daher nicht unter allen Umständen. Daraus kön- ne aber nicht abgeleitet werden, dass der Patient das Recht habe, getötet zu werden.
Angemessene Schmerztherapie und menschliche Zuwendung
Unheilbar kranke Menschen könnten ihr Leben bis zuletzt als lebenswert empfinden, wenn sie professionell be- treut werden, Zuwendung erfahren und nicht allein gelassen werden.
„Daran sollten wir wider alle Versu- chungen des Zeitgeistes festhalten“, forderte Hoppe. Der Deutsche Ärzte- tag unterstrich dies in einem ein- stimmigen Beschluss: „Statt eines Tötungsangebotes muss ärztliche und pflegerische Aufgabe sein, die Lebens- qualität unheilbar kranker Menschen bis zuletzt zu erhalten.“ Eine ange- messene Schmerztherapie und die menschliche Zuwendung für die von Leiden, Krankheit und Behinderung Betroffenen müssten daher vorrangige gesellschaftspolitische Aufgabe sein.
Dies erfordere eine flächendecken- de palliativmedizinische Versorgungs- struktur durch den Auf- und Ausbau von Palliativstationen, stationären Hos- pizen und ambulanten Hospiz- und Palliativstationen. Eine bedarfsgerech- te spezialisierte Palliativversorgung müsse durch eine gesetzliche Re- gelung abgesichert werden, und die dafür erforderlichen Mittel müssten bereitgestellt werden. Hoppe begrüßte diesen Antrag als „Rückendeckung für den Juristentag“. Gisela Klinkhammer
Sterbehilfe
Zuwendung erfahren
Der Präsident der Bundesärzte- kammer lehnt aktive Euthanasie kategorisch ab.
Jörg-Dietrich Hoppe: Für die deutsche Ärz- teschaft ist Töten von Patienten tabu.