Lorazepam-Hersteller setzt sich zur Wehr
Mit ihrer Presseverlautbarung über die Medikamentenabhängig- keit des früheren Kieler Minister- präsidenten Uwe Barschel habe die Lübecker Staatsanwaltschaft gleich- zeitig gegen mehrere Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches, des Landespressegesetzes und der Richtlinien der Landesjustizminister über öffentliche Erklärungen von Staatsanwaltschaften sowie gegen ein Urteil des Bundesgerichtshofes verstoßen. Dies erklärte der Rechts- berater des Arzneimittelherstellers Wyeth, RA Doepner, in einer Fach- pressekonferenz. Wyeth ist Produ- zent von Tavor®, von dem Barschel in der letzten Zeit bis zu 10,4 mg täg- lich genommen haben soll (die höchstzulässige Dosis ist unter sta- tionären Bedingungen 7,5 mg). Der Anwalt beanstandete, daß die Staatsanwalt den Handelsnamen ge- nannt habe, obwohl die Angabe
„L,orazepam" oder „ein Benzodia- zepin" genügt hätte. In der Roten Liste gibt es fünf Lorazepame und insgesamt etwa 50 Benzodiazepine, und die sind alle in ihrer Wirkungs- weise prinzipiell gleich; auch die Ab- hängigkeitsprobleme sind nicht un- terschiedlich.
Stellvertretend für alle Herstel- ler hat Wyeth jetzt aber, wie Proku- rist Gastmeyer sagte, „den Schaden zu tragen". Patienten, die Tavor®
verschrieben bekommen, sind ver- unsichert, weil sie ähnliche Persön- lichkeitsveränderungen bis zum Kri- minellwerden befürchten, wie sie das von der Lübecker Staatsanwalt- schaft mitgeteilte Gutachten be- schrieben hat. Dieses Gutachten selbst kennt man bei Wyeth nicht;
seinen Inhalt konnte man bisher nur aus Zeitungsmeldungen rekonstruie- ren.
Das aber, was auszugsweise aus dem Gutachten bekannt ist, wurde in der Pressekonferenz von den Psychiatern Prof. Beckmann (Würz- burg), Prof. Burchardt (Hamburg) und dem Frankfurter Pharmakolo- gen Prof. Mutschier hart kritisiert.
Es gebe nur wenige beschriebene
Fälle von primärer Benzodiazepin- Abhängigkeit, obwohl die Präparate das Potential dazu besitzen (und weshalb das Absetzen auch aus- schleichend erfolgen sollte). Die an- xiolytische Wirkung aber trete vor- nehmlich nur bei neurotischen oder psychotischen, also krankhaften Ängsten ein, nicht aber bei „rea- len", objektiven Ängsten, der Furcht vor konkreten Gefahren.
Benzodiazepine euphorisieren auch nicht. Vom „Herabsetzen der Hemmschwelle" könne deshalb nicht die Rede sein — dies sei viel- mehr beim Alkohol der Fall.
Die Frage, ob Benzodiazepine zum Suizid anregen könnten, wie es das Gutachten behauptet, beantwor- tete Prof. Beckmann mit einem ein- deutigen Nein. Unter therapeuti-
Gesundheits-Check-up empfohlen
Für eine Gesundenuntersu- chung/Vorsorgeuntersuchung im Zweijahrerhythmus und deren Ko- stenübernahme durch die gesetzli- che Krankenversicherung hat sich Prof. Dr. med. Horst Bourmer, der Vorsitzende der Ständigen Konfe- renz „Gesundheitsberatung und -vorsorge" der Bundesärztekam- mer, beim XX. Kongreß der Deut- schen Zentrale für Volksgesund- heitspflege e. V. in Frankfurt ausge- sprochen. Die gesetzlichen Leistun- gen der „Sekundärprävention" als typische kooperative Leistungen, bei der den Arzten eine Leitfunktion zukomme, bedürften dringend der Ergänzung und ausreichenden finan- ziellen Fundierung. Um die Akzep- tanz der Früherkennungsmaßnamen weiter zu erhöhen, sollten diese durch einen umfassenden Check up im Zweijahrerhythmus modifiziert und ergänzt werden. Dadurch wür- den primär- und sekundär-präven- tivmedizinische Elemente verknüpft und Inanspruchnahmehemmnisse bei Krebsfrüherkennungsprogram- men durch einen „psychologischen Trick" überwunden werden.
Die programmierten Gesund- heits-Check-ups sollten acht Inhalte
scher Dosierung könne es zu einer Verstärkung vorhandener Persön- lichkeitsmerkmale kommen; bei ho- her Überdosierung seien paradoxe Reaktionen möglich. Im übrigen wies der Pharmakologe darauf hin, daß die Benzodiazepine „syntheti- sche Gewebshormone des Gehirns"
seien, die mit natürlich vorhandenen Rezeptoren reagieren — deren natür- liche Liganden kennt man allerdings noch nicht. Insofern kann man Ver- gleiche mit den Endorphinen und Endokinen ziehen. Und Prof. Bur- chardt betonte, die Benzodiazepine seien das letzte Glied einer Kette von Beruhigungsmitteln, die aber die unerwünschten und gefährlichen Eigenschaften ihrer Vorgänger, wie beispielsweise Brom oder die Barbi- turate, nicht aufwiesen. bt
nach neuestem Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft enthal- ten• Anamnese; eingehende körper- liche Untersuchung; Durchführung ausgewählter Laboruntersuchungen, Beurteilung und Gewichtung von Risikofaktoren; eingehendes Ge- spräch über mögliche Risikodeter- minanten; Beratung und Motivation des Patienten durch individuelle Empfehlungen zur Vermeidung und zum Abbau gesundheitsschädigen- der Verhaltensweisen; Berücksichti- gung einer angemessenen Zeitdauer für das ärztliche Beratungsgespräch in der Bewertung der Vertragsge- bührenordnungen und in der GOA '82 und ausführliche Dokumenta- tion von Befunden und Empfehlun- gen. Entsprechend sollten „lei- stungskomplexbezogene Vergütun- gen" für besondere präventivmedi- zinische Maßnahmen vorgesehen werden.
Bourmer schlägt als „geeignete Leistungskomplexe" die Ermittlung der Körpergröße und des Körperge- wichtes, Feststellung des Blutdrucks und der Blutfettwerte, des Rauch- und Bewegungsverhaltens sowie ei- ne Blutsenkung vor. Kostenpunkt dieses Zweijahre-Check-ups zu La- sten der Krankenkassen: rund 70 DM (gegenüber den jährlichen Früherkennungsuntersuchungen, die den Kassen mit 35 DM pro Pro- band zu Buche schlagen). HC A-24 (24) Dt. Ärztebl. 85, Heft 1/2, 11. Januar 1988